Archiv der Kategorie: Krimis und Thriller

Natürlich stammt der Krimi aus dem Schauerroman, der Gothic Novel, aber er hat sich zu einem der interessantesten literarischen Genres überhaupt entwickelt. Der Thriller ist mindestens schon ebenso lange da, früher wurde er allerdings gern “Spannungsroman” genannt. Ähnlich wie der Krimi kann er so gut wie mit jedem anderen Genre gekreuzt werden.

Charlie Lovett: Das Buch der Fälscher

»Wales konnte kalt sein im Februar …« Das spürt auch Peter Byerly, Buchhändler und Antiquar, der sich nach dem tragischen Tod seiner geliebten Frau in ein Cottage in einem verschlafenen walisischen Dorf zurückgezogen hat. Als ihm durch Zufall ein Manuskript mit handschriftlichen Randnotizen von William Shakespeare in die Hände fällt, scheint ein Traum wahr zu werden, etwas Aufregenderes kann es für einen begeisterten Bibliophilen kaum geben. Aber ist es wirklich echt? Oder doch nur eine geschickte Fälschung? Gemeinsam mit der lebenslustigen Liz, die den schüchternen Peter aus seinem Schneckenhaus locken will, versucht er, die Wahrheit herauszufinden. Als sich die Ereignisse überschlagen und ein brutaler Mord geschieht, wird den beiden klar, dass es nicht bloß um eine literarische Sensation geht, sondern tatsächlich um Leben und Tod.

In seinem mitreißenden Roman erzählt Charlie Lovett die atemberaubende Geschichte eines Manuskripts, das ein jahrhundertealtes Geheimnis birgt, und zugleich eine bewegende Liebesgeschichte.

Das Buch der Fälscher bei Suhrkamp

Das Leben eines Antiquars

Charlie Lovetts Roman “Das Buch der Fälscher” erzählt eine Geschichte, die Buchliebhaber direkt ansprechen wird. Die fesselnde Handlung ist eine Art geisterhafte Liebesgeschichte, die nicht nur durch die schmerzhaften Neurosen ihres Protagonisten Peter Byerly bereichert wird, eines Mannes, der – als wir ihm begegnen – tief in der Trauer über den Tod seiner Frau Amanda etwa neun Monate zuvor steckt.

Der Protagonist ist ein Antiquar und fühlt sich mit Büchern wohler als mit Menschen. Wenn er mit den Sondersammlungen der Ridgefield University arbeitet, befindet er sich in dieser Welt der seltenen Bücher in allerbester Gesellschaft. Dort lernt er das knifflige Handwerk der Buchrestauration und auch einiges über das Fälschen von Büchern. Nach dem Tod seiner geliebten Frau führt er noch mehr das Leben eines Einsiedlers in England. Beim Versuch, sein Leben zurückzugewinnen, stößt er auf ein jahrhundertealtes Aquarell-Porträt in einem Buch über Shakespeare-Fälschungen, das seiner Frau Amanda verblüffend ähnlich sieht. Als Byerly nach dem Künstler des Gemäldes sucht, stolpert er über ein Buch, das – wenn es echt wäre – nicht weniger als ein literarisches Erdbeben auslösen könnte – den “Pandosto”, jenem Buch von Robert Greene, in dem sich eine der wenigen Zeugnisse, die wir von William Shakespeare haben, finden und das dem großen Dramatiker als Vorlage seines “Wintermärchens” diente. Dieser Fund könnte den ewigen Streit zwischen Stratfordianern (jene, die glauben, der ungebildete Shakespeare habe diese Werke wirklich alle selbst geschrieben) und Oxfordianern (jene, die glauben, ein anderer hätte diese Werke geschrieben und Shakespeare wäre nur ein “Strohmann” gewesen) für immer begraben, so es denn echt wäre, denn Shakespeare hat es mit unzähligen Randnotizen versehen, als er sein eigenes Stück daraus machte. Byerly versucht also zwanghaft, die Authetizität des Buches zu klären. Wie es aber bei einer Rätselgeschichte so ist, ist nichts wie es zunächst scheint.

Der Hauch des Übernatürlichen

Peter ist als Charakter durchaus sympathisch, ebenso wie Amanda, die wir in Rückblenden kennen lernen, während sich die Geschichte in Zeit und Raum vor und zurück bewegt. Natürlich ist dies ein Roman über Liebe und Verlust, aber vielleicht noch mehr als das dreht sich der Roman um Peters tiefe Liebe zu Büchern, die er durch seinen Job als Antiquar und Buchrestaurator entwickelt hat. Es ist diese Liebe, die den Roman zu einem Mysterium macht, nicht nur über Amandas Bildnis, sondern über eines der dauerhaftesten und interessantesten literarischen Mysterien aller Zeiten: ob Shakespeare wirklich der Autor jener Werke war, die ihm zugeschrieben werden.

Der Hauch des Übernatürlichen, der durch die Seiten weht, wird sehr geschickt gehandhabt, ebenso wie die Struktur, die sich zwischen dem Schauplatz des 17. Jahrhunderts zur Zeit Shakespeares, zwischen Peters erstem Treffen mit Amanda und seiner “Gegenwart” im Jahre 1995 bewegt. Im Laufe der Geschichte treffen wir auf eine Reihe berühmter historischer Figuren, darunter der große Mann selbst, aber auch Christopher Marlowe und William Henry Smith, die allesamt farbenfroh gezeichnet sind. Es gibt allerlei schöne Parallelen zwischen den Zeitebenen, insbesondere zwischen den drei verschiedenen Buchhändlern, deren Verhalten letztlich die Handlung beeinflusst und entwickelt. Lovetts offensichtliche Liebe zu Büchern und sein tiefes Verständnis für die Welt des antiquarischen Buchhandels und der Restaurierung bereichern nicht nur Peters Charakter, sondern sind auch für jeden interessant, der sich für den Aufbau und die Reparatur von Büchern interessiert.

Unterschiedliche Genres

“Das Buch der Fälscher” ist tief in der Literaturwissenschaft verwurzelt, voll von lustigem Klatsch und historischem Spiel, die die kurzen Kapitel sehr schnell und leicht lesbar machen.

Peters Aufrichtigkeit, mit der er versucht, das Richtige zu tun, selbst wenn er von seinem Kummer oder dem Hunger seiner Besessenheit geplagt wird, treibt die Geschichte voran und bietet einen ausgezeichneten Kontrast zu den weniger ehrlichen Machenschaften derjenigen, die ihn umgeben, insbesondere derjenigen, die eine Rolle im Geheimnis des “Pandosto” gespielt haben. Peters Heilung entwickelt sich im Laufe der Kapitel auf natürliche Weise und macht den Roman letztlich zu einer ungemein befriedigenden und vergnüglichen Lektüre, die eine Reihe von Genres miteinander verbindet und vor allem die Schönheit und das Wunder des literarischen Wortes zelebriert.

Lovett führt hier mehr als geschickt drei Handlungsstränge zu einem perfekten Ende. Tatsächlich werden hier alle Fragen beantwortet (einschließlich die nach dem mysteriösen Gemälde), was bei den vielen Wendungen, den überraschenden Enthüllungen und den Geschichten innerhalb der Geschichte nicht einfach ist. Man hat schon größere Männer daran scheitern sehen. Und tatsächlich finden wir hier auf engstem Raum alles vor: Das Abenteuer der Suche, eine von Hass geschürte Familiengeschichte, eine komplexe Fälschung, Mord und dramatische Entdeckungen.

Der Anfang des Romans aber wendet sich an Sentimentalisten mit einem Hang zur Nostalgie, an Menschen, die die Restaurierung von Büchern faszinierend finden und die wissen wollen, wie der “Pandosto” jahrhundertelang versteckt überleben konnten. Der letzte Teil des Romans ist dann für die Abenteuerlustigen, die eine gute Spannungsgeschichte lieben.

Da Lovett selbst ein ehemaliger Antiquar ist, sind die Abschnitte, in denen Peter Byerlys Arbeit behandelt wird, ausgefeilt und maßgebend.

Der dritte Strang erzählt die tragische Liebesgeschichte zwischen Peter und Amanda, die sich hervorragend mit den anderen Erzählfeldern verträgt und das ganze zu einem vollmundigen Lesererlebnis macht. Natürlich richtet sich das Buch nicht an die gewöhnliche Thriller-Fraktion, das muss von vorneherein klar sein. Jemand, der in Büchern nur den Text sucht und der sich nicht in eine Existenz der Einsiedelei und Panikattacken einfühlen kann, der von Nostalgie nicht eben viel wissen will und alles, was mit einer romantischen Liebesgeschichte zusammenhängt, verachtet, sollte die Finger davon lassen.

Samuel Bjørk: Federgrab (Munch & Krüger #2)

Ein ortsansässiger Botaniker stößt auf die Leiche eines Teenagers, der anscheinend Teil eines rituellen Mordes war. Die Leiche des Mädchens liegt auf einem Bett aus Eulenfedern und in einem Pentagramm aus Kerzen. Zusätzlich zu ihrem Mordfall haben Munch und Mia Krüger mit persönlichen Dramen zu kämpfen. Munch muss feststellen, dass seine Ex-Frau im Begriff ist, wieder zu heiraten. Mia wurde kürzlich vom Dienst suspendiert und ist psychisch nicht in der Lage, den Tod ihrer Schwester Sigrid zu verarbeiten und denkt darüber nach, sich das Leben zu nehmen. Munch gelingt es, Mia zurück in sein Team zu holen, um diesen Fall zu lösen, denn er weiß, dass ihre besonderen Fähigkeiten erforderlich sind, um den Mörder zu finden.

Krüger, die über wenig emotionale Reserven und viel Intuition verfügt, gilt als Genie, wenn es darum geht, in die dunklen Tiefen eines Falles vorzudringen. Obwohl sie mit Alkohol und Tabletten und dem unbändigen Wunsch kämpft, ihren Eltern und ihrer Zwillingsschwester ins Grab zu folgen, erklärt sie sich bereit zu helfen. Sie hat eine träumerische Art zu denken, die sich allerdings auf eine Punkt fokusiert, wenn sie sich auf die Detail des Falles konzentriert.

Rückblenden in die Vergangenheit der Hauptfiguren und derjenigen, die wir noch nicht kennen, vermischen sich im Laufe des Romans mit dem aktuellen Fall. Neben diesen Handlungssträngen verfolgen wir auch die Geschichte von Munchs Tochter Miriam. Kürzlich hat Miriam einen Mann namens Ziggy kennengelernt und sich einer Gruppe von militanten Tierschützern angeschlossen – eine Welt, in der sie sich stark engagiert hat, bevor sie Mutter wurde.

Die Beziehung zwischen Holger Munch und Mia Krüger ist das Herzstück dieses Romans und treibt den Leser dazu, sich um die Zukunft der beiden Gedanken zu machen. Der Roman bemüht sich, den Schwung der Lösung des Verbrechens aufrechtzuerhalten. Zwar ist man sofort in die Lösung des Falles involviert, aber in der Mitte der Geschichte verliert man sich im Dickicht des ganzen Hintergrundrauschens.

Dies ist nach “Engelskalt” der zweite Roman mit den Osloer Ermittlern Holger Munch und Mia Krüger, dem in diesem Jahr mit “Dunkelschnee” ein Prequel vorangestellt wurde. Die Idee ist klar, es geht um die Arbeitsbeziehung der beiden, die stets Gefahr laufen, selbst auseinanderzubrechen.

Munch, übergewichtig und von seiner gescheiterten Ehe geplagt, leitet ein Team von Ermittlern, die den rituellen Mord an einem Teenager untersuchen. Aus dem Bericht des Pathologen geht hervor, dass sie erdrosselt wurde, und er findet Schürfwunden an Knien und Ellbogen, Blasen an den Händen und hebt ihren ausgemergelten Zustand hervor.

Leider verbringt Mia Krüger fasr die Hälfte des Buches damit, darüber zu jammern, wie sehr sie dem Ganzen ein Ende setzen möchte, aber Munchs Freundlichkeit und seine Sorge um sie hindern sie daran, wirklich ernst zu machen.

Dabei wirkt sie wie eine selbstsüchtige, egoistische Göre und nicht wie eine brillante Detektivin, die, wie man uns glauben machen will, die Gabe hat, abartige Kriminalfälle zu durchschauen. Das Einzige, was Krüger gut zu können scheint, ist Jägermeister trinken.

In der anderen Hälfte des Buches befasst sich Munch mit familiären Problemen, seine Ex-Frau macht mit ihrem Leben weiter, und seine einzige Tochter, eine junge Mutter und vermeintlich verantwortungsbewusst, verliebt sich Hals über Kopf in einen Typen, den sie kaum kennt.

Munch selbst ist ebenfalls keine große Leuchte. Er raucht zu viel und sein Gewicht wird häufig als harte Anklage gegen sein Aussehen verwendet. Weder ist er bemerkenswert oder besonders klug. Ihn durchschnittlich zu nennen ist bereits ein Kompliment.

Sein Team scheint zwar relativ gut zu sein und da Munch ihm als Chef vorsteht, könnte dadurch der Eindruck entstehen, dass er extrem kompetent ist, was er aber nicht ist.

“Federgrab” war sicher kein Komplettausfall, aber die Handlung ist unübersichtlich und unklar, und die Hauptfiguren sind nicht stark oder einprägsam genug, als dass man verstehen könnte, was sie in jüngster Zeit so erfolgreich gemacht hat.

Das größte Manko sind sicher die Dialoge. Niemand scheint seinen Gesprächspartnern zuzuhören oder generell aufmerksam zu sein, denn jeder fragte ständig “warum? was? wer? wo?” und denkt mitten im Gespräch an etwas anderes und wurde dann mit noch mehr “was? wo?” in die Realität zurückgerissen. Der Autor versucht sich auf diese Weise zwar an der Beschreibung, wie müde und desorientiert die jeweilige Figur ist, aber wenn fast jeder Dialog so abläuft, wird es unerträglich.

Die Handlung ist im Grunde ein Aufguss des ersten Romans und die Charaktere entwickeln sich nicht wirklich weiter. Selbst ohne die wiederverwendeten Teile zu erkennen, bleibt die Handlung vorhersehbar, und die meisten Charaktere sind entweder platt oder absolut nutzlos, wie zum Beispiel Mia Krüger, die ein Dutzend willkürlicher Anschuldigungen macht, sich selbst mit Psychopharmaka und Alkohol vollpumpt und objektiv gesehen wirklich schlecht in ihrem Job ist.

Ich werde mir bei Gelegenheit noch den letzten augenblicklich erhältlichen Band anschauen, aber erst nach einem gewissen Abstand.

Jim Butcher: Sturmnacht (Die dunklen Fälle des Harry Dresden #1)

Dieser Artikel ist Teil 1 von 2 der Reihe Dresden-Files

Harry Dresden gehört definitiv zu den besten Detektiven aller Zeiten. Dass er dabei noch ein Magier ist, mag ihm scheinbar hilfreich sein, aber das ist es nicht. Jim Butcher hat Harry ins Leben gerufen, ohne zu ahnen, dass er damit die beste und erfolgreichste Urban Fantasy-Reihe aller Zeiten zu Papier bringt, die mittlerweile zigfach kopiert wurde, ein Ende ist nicht in Sicht. Bei uns hat die Veröffentlichungspolitik dieser über alle Maßen erfolgreichen Bücher leider einen unglücklichen Weg genommen, der allerdings jetzt beendet scheint. Die ersten Bände wurden noch von Knaur herausgegeben, bevor der Verlag das Interesse verlor und Harry zu Feder & Schwert wechselte. Wäre der Verlag nicht bankrott gegangen, hätten er es fast geschafft, alle 17 Bände herauszugeben, aber dem war nicht so.

Die Neuauflage bei Blanvalet

Blanvalet

Ab dem 23. November 2022 wird die Serie nun endlich von Blanvalet neu aufgelegt, und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir diesmal in den Genuss des gesamten Werkes kommen werden. Die Cover sind vielleicht nicht ganz so schick wie seinerzeit die von Feder & Schwert, aber sie sind auf keinen Fall so unterirdisch wie es bei uns fast schon Mode zu sein scheint. Den Auftakt machen an diesem Tag die beiden Bände “Sturmnacht” und “Wolfsjagd”. Man hat also auch die alten Titel stehen lassen, was auch nicht immer vorkommt.

Jim Butchers Dresden-Files sind eine perfekte Verbindung aus dem hartgesottenen Detektivgenre und der Urban Fantasy. Als einziger “beratender Zauberer” der Welt tritt Harry Dresden gegen eine Vielzahl von Wesen an – darunter Geister, Vampire, Werwölfe und andere Monster – und nimmt Fälle von menschlichen und nichtmenschlichen Klienten sowie von der Sonderermittlungseinheit der Polizei von Chicago an. Dem Strand-Magazine, jener Zeitschrift, die durch die Veröffentlichung vieler Sherlock Holmes-Geschichten Legendenstatus erreichte, sagte der Autor:

“Mir wurde klar, dass Zauberer und Privatdetektive genau das Gleiche tun. Sie spielen dieselbe Rolle und haben nur unterschiedliche Hüte auf. Ob sie nun in die kriminelle Unterwelt Chicagos oder in die buchstäbliche Unterwelt wie im Herrn der Ringe eintauchen, beide sind Menschen, die sich an dunkle Orte begeben und eine Bedrohung darstellen, nicht unbedingt wegen dem, was sie alles zu tun vermögen, sondern hauptsächlich wegen dem, was sie wissen. Als mir klar wurde, dass Zauberer und Privatdetektive auf demselben Konzept beruhen, wurde es ganz einfach.”

Mittlerweile gibt es viele dieser Dresden-Klones, ob es sich nun um Kevin Hearnes Eisernen Druiden oder Ben Aaronovitchs Peter Grant handelt, aber Harry Dresden ist für die Urban Fantasy das, was der Herr der Ringe für die High Fantasy ist.

Sturmnacht

Sturmnacht beginnt mit einem ganz normalen Tag, an dem die potenzielle Kundin Monica Sells bei Harry vorbei schaut. Sie macht sich Sorgen um ihren Mann Victor und befürchtet, dass er sich zu sehr in die Welt der Magie eingemischt hat. Sie möchte, dass Harry herausfindet, was mit ihm los ist.

Gleichzeitig bittet Leutenant Karrin Murphy von der Polizei in Chicago Harry Dresden wegen eines Mordes, der sich ereignet hat, um Hilfe. Das tut sie regelmäßig, wenn es um einen Fall geht, der mit dem Übernatürlichen zu tun haben könnte. Harry ist als Berater für die Polizei in Chicago tätig und wird für seine Arbeit auch bezahlt.

Als Harry die Fälle untersucht, wird ihm klar, dass sie beiden miteinander zusammenhängen und er sie unter einen Hut bringen muss, aber er muss auch Murphy bei Laune halten, ohne ihr alles zu erzählen, während er versucht, die beiden Fälle aufzuklären. Es gibt einen abtrünnigen Zauberer und einen Dämon, der bekämpft werden muss. Harry möchte Murphy nicht mit hineinziehen, um sie nicht in Gefahr zu bringen.

Im Laufe des Buches lernen wir Figuren kennen, die nicht nur in dieser Geschichte eine Rolle spielen, sondern auch in der weiteren Serie. Wir bekommen mehr von Harry und Karrin Murphys Interaktionen und wie sie zusammenarbeiten. Wie in eine ersten Band üblich, werden wir in dieser Geschichte gewissermaßen mit Murphy bekannt gemacht.

Wir lernen den Gangsterboss und gelegentlichen Gentleman Johnny Marcone kennen, und wie er in diese Geschichte verstrickt ist. Marcone spielt in der gesamten Serie eine Rolle und Harry muss sich immer wieder mit ihm und seiner Bande auseinandersetzen.

Wir erhalten auch bereits Hinweise auf den Weißen Rat der Zauberer, und wir lernen den Aufseher dieses Rates, Donald Morgan, kennen, der Dresden bei seinen Verfehlungen gerne auf frischer Tat ertappen will. Harry wurde aufgrund seiner Vergangenheit, die ebenfalls in die Geschichte einfließt, an die kurze Leine gelegt. Morgan soll dafür sorgen, dass Harry sich an die Regeln und an die strengen Gesetze hält, was ihm nicht leicht fällt. Morgan würde nichts lieber tun, als Harry dabei zu erwischen, wie er eines der Gesetze der Magie bricht, um ihn vor den Weißen Rat zu bringen und ihn daraufhin hinrichten zu lassen.

Susan Rodriguez hat in dieser Geschichte ebenfalls ihren ersten Auftritt. Sie ist Reporterin für die Zeitung Arcane, die über übernatürliche und magische Dinge berichtet. Susan sieht Harry als ihren wichtigsten Kontakt und nervt ihn ständig mit den neuesten Gerüchten. Susans Geschichte beginnt hier, und ihre und Harrys Beziehung entwickelt sich im Laufe der Geschichte von beruflich zu freundschaftlich und dann zu einem Liebesverhältnis. Am Ende hat Susan einen großen Einfluss auf die gesamte Serie und auch auf Harry.

In einem Kellerlabor haust Harrys Assistent Bob, ein alter und intelligenter Geist, der in einem Schädel gefangen ist und ihn ohne Harrys Erlaubnis nicht verlassen kann. Bob hilft Harry bei seinen Zaubersprüchen und der Herstellung von Tränken und bringt ihm neue magische Techniken bei. Natürlich versucht er jede Gelegenheit zu nutzen, den Schädel zu verlassen und ab und zu lässt Harry ihn für 24 Stunden heraus. Die Beziehung zwischen Harry und Bob ist unterhaltsam und entwickelt sich im Laufe der Serie auch weiter.

Wir bekommen auch einen ersten Blick auf Mac und seine Taverne McAnally’s, die ein lokaler Treffpunkt für Harry und andere aus dem magischen Reich ist. Mac ist der starke, schweigsame Typ, der einen neutralen Ort für alle bietet, um sich zu treffen. Er ist ein Teil von Harry und hilft ihm oft, wenn er in Schwierigkeiten steckt.

Eine der magischen Kreaturen, die wir in dieser Geschichte kennen lernen, ist eine Tautropfen-Fee namens Toot Toot. Er ist eine Hilfe für Harry und erledigt oft Aufgaben für ihn im Tausch gegen Pizza. Er taucht von Zeit zu Zeit in der Serie auf und hier sehen wir ihn zum ersten Mal.

Eine groß angelegte Serie wie die Dresden-Files benötigen eine kluge Einführung, und das bekommen wir hier. Trotzdem wird die Geschichte der Sturmnacht abgeschlossen und aufgelöst, so dass auch bei jenen kein Frust entsteht, die nicht weiter in diese fantastische Welt eintauchen möchten. Alle anderen lernen die Protagonisten kennen, die im weiteren Verlauf eine wichtige Rolle spielen werden. Wir lernen Harrys magisches Systhem kennen und lesen ein wenig über seine Vorgeschichte, seinen Mentor und seine Familie, die später in der Serie ebenfalls eine Rolle spielen wird.

Allen, die dabei bleiben, kann ich versprechen, dass sie einen Höllenritt vor sich haben, der seinesgleichen sucht.

Das Geheimnis des Glockenturms

Elizabeth C. Bunce: Das Geheimnis des Glockenturms (Myrtle Hardcastle #3)

Knesebeck

Elizabeth C. Bunce erzählte einmal die Geschichte, wie wie auf den Namen Myrtle kam. Das ist deshalb interessant, weil alle Titel im Original das Wort “Myrtle” anstelle von “Murder” beinhalten, was in der Übersetzung leider verloren gegangen ist. So heißt der erste Band, der bei uns bei Knesebeck erschienen ist “Mord im Gewächshaus”, in Wirklichkeit aber “Premediated Myrtle” anstatt von Premediated Murder, also vorsätzlicher Mord. Der zweite Band – “Mord im Handgepäck” heißt “How to get away with Myrtle” anstelle von “Wie man mit Mord davonkommt” – und der Band, um den es heute hier geht, nennt sich “Cold Blooded Myrtle”, anstelle von Kaltblütiger Mord. Übersetzt wurde der Titel mit “Das Geheimnis des Glockenturms”.

Myrtle war tatsächlich ein simpler Versprecher ihres Ehemanns, der Elizabeth Bunce einen Artikel über einen vorsätzlichen Mord vorlas und das Wort “Murder” so herausbrachte, dass es sich wie der Name unserer Detektivin anhörte. Es dürfte klar sein, dass Myrtle etwas zu sagen hatte und sich auf diesem Wege bemerkbar machen wollte.

Bunce kanalisiert in ihren Romanen geschickt die Energie britischer Detektivgeschichten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Damit ist sie zwar nicht allein, aber während zum Beispiel Robin Stevens in seiner Wells und Wong-Reihe eher den Stil von Agatha Christie als Vorbild nimmt, arbeitet Bunce feministische Themen ein, die häufiger bei Dorothy L. Sayers zu finden sind. Myrtle selbst ist ihrer Zeit weit voraus und kann sich mit Hilfe von Miss Judson, Dr. Munjal und einigen anderen sympathischen Erwachsenen auf eine Weise weiterentwickeln, die vielen Mädchen ihrer Zeit verwehrt blieb – und wir sprechen hier vom viktorianischen Zeitalter.

Szene vom Originalcover; Algonquin Young Readers

In “Das Geheimnis des Glockenturms” stößt unsere Ermittlerin auf ihren ersten ungeklärten Fall aus der Vergangenheit, etwas, das sich als Cold Case in unseren Jargon gearbeitet hat. Vor Jahren verschwand eine Studentin des örtlichen Colleges unter mysteriösen Umständen, und es wurde nie eine Spur von ihr gefunden. Ein Mord zu Beginn des Romans erinnert an dieses alte Geheimnis, und Myrtle, Miss Judson und die Katze Peoney machen sich auf den Weg, um eine verwickelte Geschichte von Geheimgesellschaften, kryptischen Botschaften, lang vergrabenen Geheimnissen und einem auf Rache sinnenden Mörder zu entwirren.

Diese Folge spielt in der Weihnachtszeit in Myrtles kleinem englischen Dorf Swinbourne. Festtagskrimis haben eine lange Tradition in der Kriminalliteratur, und viele unserer modernen Festtagsbräuche haben ihren Ursprung im viktorianischen Zeitalter.

Myrtle ist immer noch so impulsiv, entschlossen und unnachgiebig wie eh und je. Aber nachdem sie nun bereits mit mehreren Morden konfrontiert wurde, hat sich ihre Sicht auf die menschliche Natur definitiv erweitert. In mancher Hinsicht scheint sie verständnisvoller zu sein, aber manchmal ist sie sogar noch misstrauischer gegenüber jedem. Jeder, dem sie begegnet, scheint mörderische Absichten zu haben. In “Das Geheimnis des Glockenturms” wird Myrtle in ihren bisher persönlichsten Fall hineingezogen, in dem es auch um ihre verstorbene Mutter geht. Myrtle ist in einem Alter, in dem sie beginnt, ihre Eltern als Menschen mit Vergangenheit und Geheimnissen zu sehen, und vielleicht auch mit weniger liebenswerten Eigenschaften. Sie lernt ihre verstorbene Mutter hier aus einer anderen Perspektive kennen.

Die Myrtle-Hardcastle-Krimis bringen jungen Lesern nicht nur den Spaß an klassischen Detektivgeschichten nahe, sind aber so hervorragend geschrieben und recherchiert, dass sie auch von erwachsenen Liebhabern der gemütlichen Krimis mit Gewinn gelesen werden können. Zum Beispiel sind den einzelnen Kapiteln wie gewohnt Auszüge aus Myrtle Hardcastles Handbüchern vorangestellt. Das sind in jedem Buch andere und in diesem Roman konsequenterweise jene mit dem Titel “Die moderne Julzeit – Ein historischer und wissenschaftlicher Diskurs über Weihnachten & seine altehrwürdigen Traditionen”. Myrtle gibt auch gleich das Datum an, wann sie dies notiert hat, nämlich 1893.

Ihre Erzählung in der ersten Person zeigt – wie auch besagte Notizen und zahlreiche Fußnoten – ein äußerst aufgewecktes, sehr gebildetes und intelligentes Mädchen, von dem man auch deshalb gerne etwas erfährt, weil sie einen sehr feinen Humor besitzt. Auch dieses Buch ist vollgepackt mit historischen Kuriositäten, neuen Charakteren, neuen Blickwinkeln auf vertraute Mitglieder der bereits bekannten Besetzung und weiteren fabelhaften Schauplätzen des 19. Jahrhunderts, denn englische Dörfer haben viele Geheimnisse, denen es sich lohnt, auf den Grund zu gehen.

Es versteht sich von selbst, dass ich auch den dritten Band der hervorragenden Myrtle-Hardcastle-Reihe nicht nur jüngeren Lesern, sondern allen, die klassische Krimis lieben, ans Herz legen will. Die Bände erscheinen bei Knesebeck.

Alan Bradley: Mord im Gurkenbeet (Flavia de Luce #1)

Die Streußel schmecken süß, jedoch
viel süßer schmeckt der Boden noch.”

Eines muss ich vorweg schicken: Wir haben es hier nicht definitiv mit einem Jugendroman zu tun, obwohl man sich natürlich glücklich schätzen kann, wenn Jugendliche diesen Roman lesen und auch genießen können. Sicher ist Flavia de Luce ein elfjähriges Mädchen, aber – wie wir gleich sehen werden – unterscheidet sie sich in fast jeder Hinsicht von dem, was man von einem 11-jährigen Mädchen erwarten kann. Tatsächlich ist die ganze Reihe vom Goldenen Zeitalter der Krimis durchtränkt, beeinflusst von der Wertschätzung des Autors für die Arbeit von Chesterton, Agatha Christie, Conan Doyle oder Dorothy L. Sayers. Das heißt, dass es sich um herrlich altmodische Krimis handelt, die mit einigen intellektuellen Seitenhieben aufwarten.

Random House

Die Entstehungsgeschichte des ersten Flavia de Luce-Romans “The Sweetness at the Bottom of the Pie”, der bei uns wieder einmal jeglicher Poesie beraubt wurde und in nichtssagender deutscher Tradition “Mord im Gurkenbeet” lautet, ist bereits ein kleines Phänomen. Der Kanadier Alan Bradley schrieb bis dahin hauptsächlich Drehbücher, bevor er auf die Idee kam, etwas anderes zu machen. Es war seine Frau, die im Radio davon erfuhr, dass die britische Crime Writers’ Association einen Romanwettbewerb veranstaltete. Es sollte – wie das nicht selten üblich ist – das erste Kapitel und ein Exposé eingereicht werden. Tatsächlich arbeitete Bradley 2006 gerade an einem Buch, das in den 1950er Jahren spielt, als sich die Handlung dahingehend entwickelte, dass ein Detektiv an einem Landhaus ankam und in der Einfahrt ein kleines Mädchen vorfand, das “auf einem Hocker saß und irgendetwas mit einem Notizbuch und einem Bleistift machte”. Dieses kleine Mädchen spielte im Roman gar keine wichtige Rolle, aber Bradleys Frau bestand darauf, dass er für den Romanwettberwerb den aktuellen Roman verwerfen und stattdessen das Zeug mit dem Mädchen auf dem Hocker an die Crime Writers’ Association schicken solle.

Bradley selbst erklärt:

“Sie tauchte auf der Seite eines anderen Buches auf, an dem ich gerade schrieb, und übernahm einfach die Geschichte”.

Ein Kanadier in England

Anfang 2007 nahm Bradley am Dagger-Wettbewerb teil und reichte fünfzehn Seiten über die Figur des “Mädchens auf dem Hocker” ein, die nun Flavia de Luce hieß. Diese Seiten, die in wenigen Tagen geschrieben und mehrere Wochen lang poliert wurden, sollten die Grundlage für “The Sweetness at the Bottom of the Pie werden”.

Bradley siedelte das Buch in England an, obwohl er noch nie da war. Das kommt bei Autoren aus Übersee allerdings häufig vor. Denken sie an einen Krimi, denken sie auch sofort an England. Mit diesem ersten Kapitel überzeugte Bradley die Jury sofort und gewann den renommierten Dagger für ein Debüt, das es noch gar nicht gab. Es kam zu einem Bieterkrieg, und am 27. Juni 2007 verkaufte Bradley dem Verlag Orion die Rechte für drei Bücher in Großbritannien. Im Alter von 69 Jahren verließ Bradley zum ersten Mal Nordamerika, reiste nach London und nahm den Dagger Award entgegen. Dann erst schrieb er den Roman fertig, der 2009 erschien und eine Flut von Lobpreisungen einheimste.

Bradley beschreibt das Thema als “jugendlichen Idealismus” und wie weit dieser Idealismus jemanden bringen kann, “wenn er nicht unterdrückt wird, wie es so oft der Fall ist”. Er erklärt:

“Wenn man in diesem Alter ist, hat man manchmal eine große, brennende Begeisterung, die sehr tief und sehr eng ist, und das ist etwas, das mich immer fasziniert hat – diese Welt der 11-Jährigen, die so schnell verloren geht.”

Der Tote im Gurkenbeet

Tatsächlich ist “Mord im Gurkenbeet” mittlerweile ein moderner Klassiker des Krimi-Genres. Vom ersten Absatz an webt Bradley auf brillante Weise ein Netz aus Mord und Privilegien um die Protagonistin und Detektivin Flavia de Luce. Dabei ist Flavia nicht die typische britische Nachkriegs-Teenagerin. Sie hat eine Leidenschaft für Gift – und für alles, was mit Chemie zu tun hat -, die sie im Labor von Buckshaw, ihrem Familiensitz im ländlichen England, kultivieren kann. Ihre neugierige und unabhängige Art scheint sie eher von ihrer verstorbenen Mutter geerbt zu haben als von ihrem distanzierten, philatelistischen Vater.

Cover der portugiesischen Ausgabe

Diese Fähigkeiten erweisen sich als nützlich, als ein Mann im Gemüsegarten der Familie de Luce stirbt, nur wenige Stunden nachdem ein toter Vogel mit einem ungewöhnlichen Gegenstand im Schnabel vor der Küchentür auftaucht: einer Briefmarke. Flavia bleibt nicht untätig, während sie sich Sorgen macht, dass ihr Vater – den sie am Abend zuvor mit dem getöteten Fremden in seinem Arbeitszimmer streiten hörte – oder sein verbissen loyaler Diener und Tausendsassa Dogger etwas damit zu tun haben könnten. Mit ihrem eigenwilligen Verstand und einigen zufällig aufgeschnappten Informationen von der Polizei beginnt Flavia mit ihren privaten Ermittlungen und beginnt, dieses Geheimnis von Weltklasse zu lüften.

Das Rezept für einen fesselnden Krimi

In einer Kleinstadt wie Bishop’s Lacey gibt es nur einen Ort, an dem ein Fremder eine Unterkunft suchen kann. Aber Flavias Nachforschungen verbreiten sich schnell über die ganze Stadt, als klar wird, dass dieser Fremde nicht nur dem Vater bekannt war. Sogar Mrs. Mullet, die klatschsüchtige Köchin, hat Informationen, die ihr helfen können. Auch sie entgeht Flavias Verdacht nicht, denn es könnte ihr Schmandkuchen gewesen sein, der zwar von allen Bewohnern Buckshaws gemieden wird, der aber durchaus dem Opfer das Gift verabreicht haben könnte.

Tatsächlich entgehen nur Flavias beide ältere Schwestern ihrem Verdacht: die siebzehnjährige Ophelia, “Feely” genannt und die dreizehnjährige Daphne, “Daffy” genannt. Es ist nicht die familiäre Loyalität, die sie schützt, eher das Gegenteil. Die Beziehung der Schwestern ist auf amüsante Weise bissig. Flavia ist zahlenmäßig unterlegen, aber in Sachen ausgeklügelter Streiche ziemlich listenreich.

Die meiste Zeit über tragen die älteren Schwestern jedoch einfach nur zur Handlung bei, indem sie die Familiendynamik aufbauen und mit Feelys ständigem Auftrumpfen und Daffys Lesesucht für eine nette Prise Komik sorgen. Die anderen Mitglieder des Haushalts, der Vater und Dogger, leiden beide noch unter den Narben des Zweiten Weltkriegs, der gerade fünf Jahre zurückliegt. Es ist dieses Trauma, das sie mit sich herumtragen, das Flavia am meisten beunruhigt, denn ihr Vater zeigt kurze Augenblicke seines früheren, selbstbewussten Wesens, wenn er gereizt wird, und Dogger ist dafür bekannt, dass er geistige Aussetzer hat … oder sogar Schlimmeres.

In der Zwischenzeit stehen Fremde und Bewohner gleichermaßen unter der Beobachtung von Inspektor Hewitt. Nachdem er Flavia am Tatort zunächst abgewiesen hat, erkennt der Inspektor schnell, wie kompetent Flavia ist… und auch, wie sehr sie sich in Gefahr begibt. Flavia geht dem Inspektor zielstrebig aus dem Weg, während sie der Spur durch staubige Bibliotheken und verfallene Stadthäuser, Süßwarenläden und ländliche Friedhöfe und sogar bis zur Polizeiwache selbst folgt. Hier wird die Besorgnis von Inspektor Hewitt um Flavia sehr deutlich. Überschattet wird dies von der Aufregung über einen Durchbruch in dem Fall, als der Vater, der den Mord gestanden hat, Flavia von seiner Vergangenheit erzählt und sich die Puzzleteile langsam zusammenfügen. Der Vater nimmt Flavia mit in seine Erinnerungen an seine Internatszeit, in der seine Liebe zu Briefmarken begann, und an die verschiedenen Figuren, die seine steinige Karriere an der Greyminster School prägten. Während seiner Schulzeit lernte er auch die Kunst der Zaubertricks kennen. Dort, wo sich diese beiden Interessen treffen, beginnt das eigentliche Geheimnis.

Nun tritt die Geschichte in ein neues, spannendes Stadium, da sie den Charakter eines “Cold Cases” annimmt. Und nicht nur ein “Cold Case”, sondern ein historisches, jahrhundertealtes Drama, in dem es um Arme, Könige und Briefmarken geht. Der Vater erzählt all diese Geschichten und auch seine eigene, während er in einer Zelle der örtlichen Polizei sitzt. Ein Teil der Geschichte handelt von den “Ulster Avengers”, Rächer von Ulster” genannt, einem Paar einzigartig eingefärbter schwarzer Penny-Briefmarken, die seit ihrem Druck vor einem Jahrhundert sehr begehrt sind. In Vaters Teil der Geschichte geht es um die mysteriösen Ereignisse eines verpfuschten Schülerstreichs, in den eben eine dieser Rächer von Ulster verwickelt war.

Flavia beginnt sofort mit ihren Nachforschungen in der Greyminster-Schule, wo die Stimmung immer bedrohlicher wird, während sie sich durch die verstaubten und verschimmelten Hinweise auf ein Jahrzehnte altes Verbrechen wühlt. Nach ihrer Rückkehr nach Hause kommt Flavia langsam, aber unaufhaltsam der Lösung des Rätsels auf die Spur, das sich durch die historischen und jüngsten Ereignisse zieht und in dem Mord im Gurkenbeet gipfelt. Wie eine Chemikerin, die eine besonders schwierige Verbindung sorgfältig destilliert, ist Flavia in der Lage, die wesentlichen Elemente von Ablenkungsmanövern zu unterscheiden.

Die Struktur der Erzählung ist tadellos, und Bradley ist ein Meister darin, Stimmung und Charakter zu erzeugen. Es scheint, als ob jeder Satz im Gesamtzusammenhang des Romans entstanden ist. Von den ersten Worten an verwendet er beispielsweise Farb-Metaphern, um die Erzählerin Flavia zu beschreiben.

Flavia selbst ist eine fabelhaft humorvolle und komplexe Figur. Ohne Mutter – oder, in vielerlei Hinsicht auch ohne Vater – ist sie einsam, obwohl sie nicht allein ist. Wenn man ihr dabei zusieht, wie sie ihre Unabhängigkeit behauptet und gleichzeitig Einblicke in ihre Verletzlichkeit erhält, kann man Doggers und Hewitts Beschützerinstinkt noch mehr erfassen. Es gibt eine Reihe von ergreifenden Momenten, in denen man an die Zerbrechlichkeit unter ihrer harten Schale erinnert wird.

Alan Bradleys “Mord im Gurkenbeet” ist ein Juwel von einem Buch, trotz des bescheuerten aber nicht ganz falschen Titels. In dieser raffinierten Geschichte finden sich immer wieder Wendungen, über die man staunen – und oft auch schmunzeln – muss. Mit Flavia de Luce hat Bradley einen neuen Archetypus der kriminalistischen Detektivin geschaffen, von der gerade jetzt, da die Reihe abgeschlossen ist – etwas auf Myrtle Hardcastle übergegangen ist, wenn auch in einer ganz anderen Weise.

Robert Arthur: Das Gespensterschloss (Drei ??? #1)

Cover von Aiga Rasch

Es mag manche erstaunen, dass ich noch einmal auf die für Kinder geschriebene Serie zurückkommen, nachdem ich bereits eine kleine Sendung über den Erfinder der drei Fragezeichen – Robert Arthur – gemacht habe. Aber es war eine verdammt gute Serie in ihren Anfängen und neben Miss Marple und Sherlock Holmes sicher eine Reihe, die mich grundsätzlich zum Krimi gebracht hat. Insgesamt gibt es 43 Originalbücher, die von 1964 bis 1987 erschienen, bevor die drei Detektive zu einer rein deutschen Angelegenheit wurden, die mich tatsächlich nicht interessiert.

Die Grundidee, die Mitte der 60er Jahre das Licht der Welt erblickte, bestand darin, dass drei Jugendliche eine Detektivagentur gründen. Namentlich Jupiter Jones, Bob Andrews und Peter Crenshaw. Ihr Hauptquartier befindet sich auf dem Schrottplatz von Jupiters Onkel Titus in Rocky Beach.

Rocky Beach liegt in einer Ebene, begrenzt vom Meer auf der einen und einer Bergkette auf der anderen Seite, nicht weit von Los Angeles entfernt. Die Stadt selbst ist fiktiv, obwohl es ein tatsächliches Rocky Beach im Indischen Ozean gibt, das heute allerdings Gilchrist Beach genannt wird. Und natürlich heißen die drei Detektive in der Übersetzung Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews. Die Hörspiele mit den drei Fragezeichen sind natürlich Kult, obwohl sie nur eine rudimentäre Fassung der Bücher beinhalten, und nicht alle Bücher sind gleich gut, lohnen aber eine neuerliche Entdeckungsreise durchaus. Die Abenteuer begannen mit dem Gespensterschloss, das 1964 im Original und vier Jahre später bei uns erschien. Es ist nicht gerade das beste Buch über die drei Detektive, aber es ist nun einmal das erste. Natürlich geht es hier um ihre blutigen Anfänge. Sie drucken ihre berühmten Visitenkarten und haben zu Beginn noch gar nichts mit Alfred Hitchcock zu tun, der ihnen später immer wieder Fälle zukommen lässt. Anfangs ist er jedoch nicht allzu begeistert, als sich die drei in sein abgeschirmtes Studio mogeln, um für ihn ein Spukhaus für einen seiner Filme suchen zu dürfen.

The Secret of Terror Castle – Endseite; von Harry Kane

Gleich von Beginn an hat man es hier mit einem köstlichen, trashigen Spaß zu tun. Ein Clubhaus mit geheimen Eingängen und allen möglichen Gadgets, die sie aus allem möglichen Schrott zusammengebaut haben. Außerdem steht ihnen sogar ein vergoldeter Rolls Royce zur Verfügung, weil Justus bei einem Wettbewerb im Bohnenzählen die richtige Anzahl nennen konnte, inklusive Chauffeur, der im Original Worthington, bei uns aber Morton heißt, was sicherlich etwas mit der Aussprache zu tun hat. Morton fungiert hier als der ausgewählte Erwachsene, wenn ein Erwachsener von Nöten ist, was im vorliegenden Fall dann auch gleich zur Anwendung kommt.

Das Haus, das sie finden, trägt den ominösen Namen “Terror Castle” und ist das ehemalige Schloss eines Stummfilmstars, der viele Jahre zuvor bei einem mysteriösen Unfall ums Leben kam. In der deutschen Übersetzung ist der Name in “Schloss Terrill” umbenannt worden.

Originalausgabe; Harry Kane

Das Haus scheint jeden zu beunruhigen, der es nach Einbruch der Dunkelheit betritt, was das Trio nur bestätigen kann, als ihre erste nächtliche Expedition scheitert und sie vor Angst fliehen müssen. Entschlossen, nicht zu scheitern, drängt Justus, der mit einem verstauchten Knöchel außer Gefecht gesetzt ist, seine Freunde, das Schloss noch einmal von oben bis unten zu erkunden und ihm jede Kleinigkeit zu berichten. Justus ist die herausragende Intelligenzbestie der drei. Er besitzt eine viel stärkere Persönlichkeit als die beiden anderen Jungen, die sich im Wesentlichen durch ihre Rolle definieren. Bob ist der Bücherwurm, Peter der Sportler. Justus hingegen bekommt eine deutlich größere Hintergrundgeschichte, um einige seiner Fähigkeiten zu rechtfertigen, wie z. B. sein Talent zur Nachahmung anderer Leute, das schon früh in der Geschichte recht amüsant eingesetzt wird. Tatsächlich kommen auch die anderen beiden im Laufe der Abenteuer etwas besser weg, aber das war beim ersten Band natürlich nicht absehbar.

Es gibt hier sogar schon die Andeutung der Rivalität mit Skinny Norris, einem anderen Jungen aus der Schule, die später in der Geschichte schön aufgegriffen wird.

Trotz all des Vergnügens und der Tatsache, dass dieser Roman ordentlich geschrieben wurde, ist die Prämisse für das erste Abenteuer ziemlich schwach. Zunächst stellt sich natürlich die ganz nüchterne Frage, warum Hitchcock nichts von einem Haus in seiner unmittelbaren Umgebung weiß, das den Anforderungen seiner geplanten Produktion entspricht, und warum er ausgerechnet ein Haus sucht, in dem es wirklich spukt. Hitchcock hat ja nie wirkliche Gruselfilme gedreht, wie es etwas missverständlich dargestellt wird.

Glücklicherweise ist das titelgebende Gespensterschloss ansprechend und faszinierend genug, um über den problematischen Aufbau hinwegzusehen. Das Argument, dass wir es hier mit einem Buch für Kinder zu tun haben, sticht zu keiner Zeit. Man sehe sich nur die hohe Qualität an, mit der viele Jugendbücher geschrieben wurden und geschrieben werden.

Die Antwort auf Frage, warum das Haus in der Lage ist, bei denjenigen, die sich darin aufhalten, ein Gefühl der Panik hervorzurufen, ist faszinierend, und die Erklärung ist sicher akzeptabel, allerdings ist sie nicht wirklich überzeugend.

Auf dem Weg dorthin können wir einige recht solide Ermittlungsarbeiten der Jungs verfolgen, die einige ziemlich gute Hinweise liefern. Eine Begegnung mit einem Nachbarn bietet einige besonders starke Beispiele dafür, und während die erwachsenen Leser wahrscheinlich zu keiner Zeit beunruhigt sein werden, trifft diese Geschichte genau das Thema, das noch in meiner Kindheit jeden angesprochen hat und auch jetzt noch einen gewissen Reiz hat.

Obwohl es sich um einen einfachen Krimi nach Erwachsenenmaßstäben handelt und der Aufbau einige kindliche Aspekte aufweist, spricht Arthur nie von oben herab mit seinen Lesern. Wir sollen auch nicht glauben, dass seine kindlichen Protagonisten unnatürliche Fähigkeiten (oder Glück) haben – stattdessen nutzen sie Beobachtungen und Schlussfolgerungen, um herauszufinden, was hier vor sich geht.

Auch wenn “Das Gespensterschloss” nicht zu den besten Krimis der drei Detektive gehört, ist es doch eine wirklich unterhaltsame, fesselnde Lektüre, die – was noch wichtiger ist – eine wunderbare Vorbereitung auf die folgenden Abenteuer darstellt.

Gladys Mitchell: Geheimnis am Weihnachtsabend

Klett-Cotta

Pünktlich zum Herbst legt Klett-Cotta wie gewohnt einen Krimiklassiker für die Weihnachtstage neu auf. Diesmal ist es der 7te Roman mit der detektivischen Heldin Beatrice Adela Lestrange Bradley, die 1929 in Speedy Death zum ersten Mal in einem Buch von Gladys Mitchell auftauchte. Mit “Geheimnis am Weihnachtsabend” leistet der Verlag Pionierarbeit, denn obwohl Mitchell zu den äußerst beliebten Krimiautorinnen des Goldenen Zeitalters gehört, ist sie bei uns völlig unbekannt und wurde auch nach ihrem Tod in England eher vernachlässigt. Liest man das vorliegende Werk, wird jedem einleuchten, warum das so ist.

Gladys Maude Winifred Mitchell – oder “die große Gladys”, wie man sie ebenfalls nannte – wurde 1901 in Cowley in Oxfordshire, England geboren. Sie machte ihren Abschluss in Geschichte am University College London und begann 1921 ihre lange Karriere als Lehrerin. Zu ihren Hobbys gehörten Architektur und das Schreiben von Gedichten. Sie studierte die Werke von Sigmund Freud und interessierte sich außerdem für Hexerei, eine Passion, die sie mit ihrer Freundin Helen Simpson teilte, ebenfalls eine Krimiautorin.

Tatsächlich wird Mitchell oft an die Seite von Agatha Christie und Dorothy L. Sayers gerückt, aber das halte ich für einen übertriebenen Propaganda-Trick, denn um es gleich vorweg zu nehmen, das Buch strotzt vor Langeweile. Tatsächlich handelt es mehr von Schweinezucht und Morris-Tänzen (auch Moriskentanz) als von Weihnachten. Wäre der Mord nicht an Heiligabend geschehen, würde man gar nicht merken, dass es irgendwelche Festlichkeiten gibt. Es mag durchaus sein, dass von den 66 Romanen der ein oder andere hervorragt, aber dieses Buch hier pflegt eine rigorose Langweile und eine verworrene Handlung, die sich hauptsächlich mit völlig unnötigen Spekulationen aufhält, die natürlich dazu dienen, den Leser in eine Richtung zu lenken, um dann im letzten Kapitel mit dem wahren Mörder um die Ecke zu biegen. Das ist nicht gerade subtil eingefädelt, obwohl man sagen muss, dass die Überexzentrik durchaus funktionieren hätte können, wenn sie an manchen Stellen nicht derart gewollt auftreten würde.

Außerdem ist die Figurenzeichnung eine mittlere Katastrophe, und das betrifft tatsächlich alle dramatis personae, inklusive Mr. Bradley selbst, die am laufenden Band gackert und kichert und wie ein Reptil beschrieben wird. Naja.

Trotzdem hat das Buch eine gewisse Unterströmung, die vielleicht in anderen Romanen besser zur Geltung kommt, denn ab und an bemerkt man Mitchells Hang zum Morbiden und ihr Faible für das Übernatürliche. Wir haben mit diesem Roman vielleicht einen der Gründe, warum es Mitchell nie in den Kanon der wirklich großen Autorinnen geschafft hat, aber ein Werk mit Fehlern kann trotzdem seinen Reiz entwickeln.

Jim Butcher: Wolfsjagd (Die dunklen Fälle des Harry Dresden Nr. 2)

Dieser Artikel ist Teil 2 von 2 der Reihe Dresden-Files

Hallo Freunde draußen an den Radiogeräten. Wir kommen heute zum zweiten Teil der beliebtesten und wahrscheinlich besten Urban Fantasy-Serie der Welt. Es geht um die dunklen Fälle des Harry Dresden, im Original Dresden-Files. Der Titel: Full Moon, bei uns: Wolfsjagd. Blanvalet legt die Bände, die bei uns nie vollständig erschienen, wieder neu auf – und das ist ein echter Glücksfall. Auch wenn man ganz leicht in die Serie reinkommt, empfiehlt es sich doch, am Anfang anzufangen. Und wer sich dafür interessiert, der kann sich hier im Phantastikon bereits die Sendung zu Sturmfront anhören.

Bevor wir ins Geschehen hüpfen – möglichst Spoilerfrei, obwohl sich das nicht gänzlich vermeiden lässt – noch ein kleiner Nachtrag zum Autor selbst. Wer ist Jim Butcher überhaupt?

Am 26. Oktober 1971 in Missouri geboren, wurde sein Interesse an Science Fiction und Fantasy schon früh geweckt, als er sich nämlich von einer Halsentzündung erholen musste. Seine ältere Schwester versorgte ihn während seiner Genesung mit J.R.R. Tolkiens “Herr der Ringe” und Brian Daleys “Han Solos Abenteuer”. Das beflügelte seine Fantasie und er begann nach Geschichten zu suchen, die keiner zu dieser Zeit schrieb. Also machte er es selbst.

1995 machte Butcher seinen Abschluss an der University of Oklahoma in den Fächern Englisch und kreatives Schreiben. Außerdem absolvierte er ein Journalismus-Studium. Laut Butcher wurde das Schreibprogramm dort von bereits etablierten Autoren unterrichtet. Deborah Chester, die in den Genres Science Fiction und Liebesromane schrieb, war dort seine Lehrerin und wurde schließlich zu seiner Mentorin. Während dieses Journalismus-Studiums schuf Butcher also Harry Dresden. Jahrelang hatte seine Mentorin versucht, ihm beizubringen, wie man ein professioneller Schriftsteller wird, aber Jim, der immerhin einen Abschluss in Englisch hatte, hörte ihr einfach nicht zu. Um ihr zu beweisen, dass ihre Ideen Mist sind, entschloss er sich allerdings dazu, all das zu tun, was sie ihm sagte. Und zu seiner Verblüffung hatte sie völlig recht gehabt.

Butcher schrieb das, was schließlich Storm Front, das erste Buch der Dresden Files, werden sollte, aber er hatte größere Pläne. Statt mit dem Entwurf des restlichen Buches, kam er mit einem Entwurf für eine zwanzigbändige Serie.

Das Publikum jedoch mochte die Idee einer langfristig angelegten Geschichte. Bei der Erschaffung von Dresden hat Butcher die klassischen Zauberer Merlin und Gandalf aus Herr der Ringe (LOTR) und Privatdetektive wie Sam Spade von Dashiell Hammett “zerhackt” und zu Harry Dresden “zusammengeschustert”. Auch Spider-Man hatte einen Einfluss. Tatsächlich schrieb Butcher 2006 den Spider-Man-Roman The Darkest Hours.

Ursprünglich wollte Butcher die Dresden Files in Kansas City spielen lassen, aber Chester riet ihm davon ab und sagte ihm, er würde damit Laurell K. Hamilton auf die Füße treten. Zur Erinnerung: Hamilton ist die Autorin der Anita-Blake-Serie, die bei uns leider im Bastei-Verlag erschien, ein Verlag, der dafür bekannt ist, Serien einfach mittendrin abzubrechen.

Die titelgebende Protagonistin ist Nekromantin und Vampirjägerin. Und auch diese Serie verbindet hartgesottene Krimis mit Elementen des Übernatürlichen; die Ähnlichkeit liegt zwar auf der Hand, aber Anita Blake ist mehr eine Erotik-Thriller-Serie als irgendetwas anderes, Vampire hin oder her.

Für Butcher kamen vier andere amerikanische Großstädte infrage. Da war einmal Washington DC. Allerdings wollte er Harry nicht dort spielen lassen, weil die Hauptstadt der Nation ein Synonym für Politik ist und wenn man über Politik schreibt, verliert man unweigerlich einen Teil seines Publikums.

Das nächste Ziel war New York City. Aber auch das schied aus, weil alle Redakteure in New York leben. Und dann war da noch Los Angeles. Das schied wiederum aus, weil alle Geschichten im Fernsehen und im Film dort spielen. Und dann war da noch Chicago, eine Gangsterstadt.

Laut Butcher stellte sich diese Wahl als großes Glück heraus, als er anfing, sich mit der Geschichte und der Folklore von Chicago zu beschäftigen, mit den Geistern, die Spukgeschichten, die Serienmörder und die großen Tragödien. Ganz offensichtlich war das die richtige Entscheidung, wie immer sie auch zustande gekommen sein mag.

Die Sünden der Väter

Lawrence Block: Die Sünden der Väter (Matthew Scudder #1)

In seiner über 30 Jahre währenden Karriere als Schriftsteller, die über 50 Romane und zahlreiche Auszeichnungen umfasst – darunter den prestigeträchtigen Grand Master der Mystery Writers of America – ist eine der wichtigsten Konstanten in Lawrence Blocks Leben der Privatdetektiv Matthew Scudder, der erstmals 1976 in “Die Sünden der Väter” auftauchte. Damit ist Scudder eine der beständigsten Schöpfungen Blocks und des ganzen Krimi-Genres. Als ehemaliger New Yorker Polizist, der sein Leben lang mit Alkoholismus zu kämpfen hatte, ist Scudder bisher in 17 Romanen und einigen Kurzgeschichten aufgetreten.

Bereits vorher hatte er die Abgründe beschrieben, in die junge Erwachsene in den frühen Sechzigern geraten waren. Es ist eine Welt voller Drogen, Prostitution, Verderbtheit und blutiger Wohnungen.

Ein Jahrzehnt später machte Block die Welt mit der Figur des Matthew Scudder in “Die Sünden der Väter” bekannt und griff in vielerlei Hinsicht die Idee wieder auf, was mit Jugendlichen geschah, die das College verließen und in den frühen Siebzigern in die Unterwelt von New York City abtauchten.

Insbesondere ist dies die Geschichte einer jungen Frau, die ein Callgirl wurde und mit einem Rasiermesser zerfetzt aufgefunden wurde.

Wenige Minuten nach dem Mord wurde Vanderpoel, ihr männlicher Mitbewohner mit dem Blut des Opfers bedeckt aufgefunden, als er sich auf der Straße vor der Wohnung entblößte und Obszönitäten brüllte. Die Polizei nahm ihn fest, und weniger als achtundvierzig Stunden später erhängte sich der junge Mann in seiner Zelle.

Die Polizei hat den Fall abgeschlossen und Hanniford akzeptiert ihre offensichtliche Schlussfolgerung, dass Vanderpoel seine Tochter getötet hat. Aber er will wissen, warum. Hanniford und Wendy hatten sich seit mehreren Jahren entfremdet, und er weiß nichts über ihr Leben während dieser Zeit. Er weiß jetzt, dass sie in einer teuren Wohnung lebte, ohne sichtbares Einkommen, was für alle Beteiligten das Offensichtliche nahelegt. Dennoch möchte Hanniford, dass Matt Wendys Leben erforscht, um herauszufinden, wie sie zu einem so tragischen Ende kam, egal wie schmutzig die Details sind.

Scudder nimmt den Auftrag an und beginnt auf seine übliche methodische Art zu ermitteln, stößt auf eine Sache nach der anderen, stellt eine Frage nach der anderen und erfährt dabei Dinge über Wendy und Vanderpoel, die kein Elternteil je wissen möchte.

Das ist also das erste Buch einer Serie, die manche für die beste Privatdetektivserie halten, die es je gab, wenn nicht sogar für die beste Krimireihe, die es je gab. Die Matthew-Scudder-Saga umfasst inzwischen siebzehn Bücher und eine große Anzahl von Kurzgeschichten.

Gleich das erste Kapitel ist hervorragend. Auf knappen, knackigen dreizehn Seiten stellt Block nicht nur das zu lösende Rätsel vor, sondern gibt auch eine brillante Einführung in den Charakter von Matthew Scudder. Obwohl sich die Figur im Laufe der Serie weiterentwickeln wird, erfährt man im ersten Kapitel im Grunde alles, was man über diesen Mann wissen muss.

Er ist ein ehemaliger Polizist, der die Polizei verlassen hat. Als er den Dienst quittierte, verließ er auch seine Frau und zwei Kinder, zu denen er nur noch wenig Kontakt hat. Er wohnt in einem Hotel. Er hat keine sehr angenehme Vorstellung davon, wie es ist, ein Polizist zu sein. Da sind die Bestechungen und Bestechungsgelder, die als Routine und ohne Gewissenhaftigkeit dargestellt werden. Da ist der Alkoholkonsum bei den Cop-Treffs und die Tatsache, dass Scudder offensichtlich Alkoholiker ist. Da sind die kleinen Diebstähle, die im Laufe eines normalen Ermittlungstages passieren. Scudder bricht auch ziemlich nonchalant in eine Wohnung ein, die als Tatort markiert ist.

Der Grund für seine Kündigung war ein Vorfall, bei dem er eines Nachts außer Dienst war und einen bewaffneten Raubüberfall vereiteln musste. Einer seiner Schüsse ging daneben, prallte ab und traf ein siebenjähriges Mädchen ins Auge, das auf der Stelle starb. Der Tod dieses Mädchens, Estrellita Rivera, veränderte sein Leben für immer und war die Ursache für viele schlaflose Nächte und wahrscheinlich auch für sein Bedürfnis, Bourbon zu trinken.

Jetzt arbeitet Scudder als Privatdetektiv ohne Lizenz. Die Kunden stellen ihn nicht im herkömmlichen Sinne ein, aber gelegentlich tut er jemandem einen Gefallen, und derjenige dankt es ihm mit einem Geldgeschenk.

Die Geschichte ist sparsam und knapp gehalten – es gibt kein einziges verschwendetes Wort, und sie zieht einen unaufhaltsam in das Leben aller Figuren hinein, besonders aber in das von Matthew Scudder. Es ist ein eindringlicher und mitreißender Einstieg, der die Bühne für all die großartigen Bücher und Geschichten bereitet, die folgen werden.

Die erste gebundene Ausgabe hat eine Einleitung von Stephen King. Im Jahr 1991 veröffentlichte King “Needful Things”, es war der erste Roman, den King nach seiner Rehabilitation von Drogen und Alkohol schrieb. Kings Einleitung enthält vor allem eine Diskussion über den Alkoholismus des Serienprotagonisten Matthew Scudder.

Grundsätzlich bin ich Neuübersetzungen gegenüber reichlich skeptisch, aber Stefan Mommertz hat das richtige Händchen dafür, und das kann man bei Übersetzern nicht oft behaupten.

Colin Dexter: Zuletzt gesehen in Kidlington (Inspector Morse #2)

Vor mehr als zwei Jahren verschwand Valerie Taylor, eine siebzehnjährige Schülerin der Roger Bacon School in der Nähe von Oxford, unter mysteriösen Umständen. Inspector Morses Kollegen von der Polizei fanden trotz intensiver Nachforschung nichts heraus. Warum also den Fall jetzt wieder aufrollen, wo die Spuren längst kalt sind und die Erinnerungen verblassen? Sicherlich laufen jedes Jahr Hunderte von Mädchen von zu Hause weg und machen sich auf den Weg zu den hellen Lichtern der Großstadt. Morse bevorzugte eine Leiche: eine Leiche, die eines unnatürlichen Todes gestorben ist. Und sehr bald bekommt er eine.

Colin Dexters zweiter Roman ist voller roter Heringe, falscher Fährten also, die äußerst unterhaltsam sind, weil Morse sie selbst legt und dann, wenn wir mit ihm in der Sackgasse angekommen sind, wieder verwirft. Morse springt von einer Idee zur nächsten, operiert oft mit ein paar fragwürdigen Fakten und zieht daraus wackelige Schlüsse. Er verzweifelt, nachdem eine Theorie nach der anderen ins Gras beißt, aber am Ende bekommt er doch noch Recht. Es ist eine sehr verschwenderische Art, Detektivarbeit zu leisten, und es steckt nicht viel Logik dahinter; Morse stolpert fast zufällig über die Lösung des Verbrechens. All das macht die Lektüre des Romans zu einer sehr akademischen Übung, und es ist gerade das, was Colin Dexter vom Rest seiner Kollegen abhebt.

Unionsverlag

Tatsächlich ist dieser Roman ein Paradebeispiel für die Aussage: “Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag.” Dieser Satz von Sherlock Holmes fasst Morses Methode, den Fall zu lösen, gut zusammen.

Man tut gut daran, bereits den ersten Band gelesen zu haben, um sich an Morses Eigentümlichkeiten zu gewöhnen, und das trifft auch auf Colin Dexters Schreibstil zu, der sich erheblich vom Mainstream unterscheidet. Tatsächlich ist Morse weit davon entfernt, ein verweichlichter, politisch korrekter Typ zu sein. Er raucht, mag Pornografie, säuft regelrecht und flucht manchmal wie ein Bierkutscher. Und gerade deshalb ist der Roman charmant und unapologetisch ehrlich, wobei Dexter sämtliche Klischees des Kriminalromans untergräbt. Noch stehen die ganz großen Romane um Morse aus, aber die zunehmende Kompaktheit und Perfektion macht bereits einen großen Schritt nach vorne. Dabei benötigt Colin Dexter keine literarischen Tricks oder avantgarde Techniken, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen, er tut das mit einer Raffinesse, die schlicht umwerfend ist.

Und bereits jetzt tut sich etwas in der Beziehung zwischen Morse und Lewis, der übrigens keineswegs dessen Watson ist, wie so oft behauptet wird. Der Kontrast zwischen Morse und Lewis ist zwar vorhanden, aber ganz anders wie Watson, der Sherlock intellektuell völlig unterlegen ist und die Geschichten des großen Detektivs aus seiner Warte betrachtet, ist Lewis nicht immer einverstanden, mit dem, was Morse treibt, auch wenn er sich fragt, mit welchen Kunststückchen er seine Fälle eigentlich löst. So ist Lewis geradlinig, während Morse geistige Verrenkungen fabriziert, die äußerst abenteuerlich sind, und denen Lewis deshalb nicht folgen kann.

Dunkelschnee

Samuel Bjørk: Dunkelschnee (Munch & Krüger #0)

Der vierte Roman der norwegischen Munch-Reihe, der mit “Wolf” übersetzt werden kann, bei uns aber “Dunkelschnee” genannt wird, ist eigentlich ein Prequel zu den laufenden drei Romanen, oder besser: es ist der Roman, der erzählt, wie Mia Krüger zum Team von Holger Munch stieß, und damit eigentlich der erste Band der Reihe.

Der 2015 veröffentlichte und bei uns 2018 erschienene Debüt-Thriller “Engelskalt” von Samuel Bjørk (ein Pseudonym für Frode Sander Øien), war ein sofortiger Erfolg und markierte seinen internationalen Durchbruch als Autor, nachdem er als Musiker mehrere Alben veröffentlich hatte.

Inzwischen ist die laufende Serie in mehr als 20 Ländern erschienen und wird gegenwärtig auch verfilmt.

“Dunkelschnee” erschien jetzt mit einem Jahr Verspätung im Juli bei Goldmann und stellt die Vorgeschichte zu den drei vorherigen Büchern dar.

In einem Vorort von Oslo sind zwei 11-jährige Jungen ermordet worden, und neben den beiden Leichen wurde ein toter Rotfuchs gefunden. Der Fall ähnelt einem anderen ungelösten Fall aus Schweden.

Holger Munch ist Leiter einer neuen Ermittlungseinheit und hat ein Team der besten Detektive zur Verfügung. Dann erhält er einen Anruf von der Polizeischule. Sie haben eine außergewöhnlich begabte Schülerin, die in ihren Tests die besten Ergebnisse erzielt hat: Mia Krüger. Munch zeigt der jungen Mia Krüger Fotos von beiden Tatorten. Innerhalb weniger Minuten sieht sie Dinge, an die sein Team nicht einmal gedacht hat.

Trotzdem ist es nicht einfach, die Identität des Mörders zügig zu ermitteln.

Der Leser hat Holger Munch und Mia Krüger bereits in drei vorangegangenen Krimis kennengelernt, aber in diesem Prequel liefert Bjørk noch viel mehr Hintergrundinformationen über sie. Man erfährt unter anderem, warum Krüger in Munchs neu gebildetes Team aufgenommen wurde. Auch Fredrik Riis, einem der Ermittler der Einheit, wird relativ viel Aufmerksamkeit zuteil. Daher kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine ausführliche Einführung der Charaktere hier das eigentliche Hauptziel des Autors ist. Das Verbrechen, das natürlich trotzdem gelöst werden muss, ist demgegenüber etwas untergeordnet, was die ganze Angelegenheit aber reizvoll macht.

“Dunkelschnee” beginnt mit einem kurzen Prolog, der sich wie der zusammenfassende Bericht über den Tod von zwei 11-jährigen schwedischen Jungen acht Jahre zuvor liest.

Abgesehen davon, dass diese Einleitung so geschrieben ist, dass es so aussieht, als hätten die Morde tatsächlich stattgefunden, weckt sie die Neugier darüber, was dieser Vorfall mit dem Rest der Handlung zu tun hat. Das wird schnell klar, denn der norwegische und der schwedische Fall haben viele Gemeinsamkeiten. Die polizeilichen Ermittlungen kommen in Gang, und eine Vielzahl von Figuren und Handlungssträngen werden eingeführt. Bei manchen weiß man erst nicht so recht, was sie denn mit der Geschichte zu tun haben, aber schließlich fügen sie sich in die Handlung ein und der Leser versteht ihre Logik und ihren Zweck.

Trotz einiger unerwarteter Entwicklungen, die im Laufe der Geschichte auftreten und die einen manchmal auf eine falsche Fährte führen, ist die Spannung hier nicht ganz so hochgedreht wie man das vielleicht von einem nordischen Thriller erwartet, wobei es sich hier doch eher um einen Krimi der Abteilung Police Procedural handelt, zumindest zu einem großen Teil.

Man kann hier bereits erkennen, dass der Roman auf den Film schielt, der ganz sicher eines Tages folgen wird, sollte die geplante TV-Serie funktionieren. Wie bei allen Romanen, die das tun, bleibt hier natürlich die Sprache auf der Strecke. Das ist nicht Samuel Bjørks Versagen, sondern ist dem Genre ganz allgemein geschuldet. Angepasst an die “Echt-jetzt-whatever-Generation” versuchen solche Geschichten natürlich eine Realitätsnähe aufzubauen, die man nachvollziehen kann. Aber bereits hier ist zu sehen, dass es sich wahrscheinlich mehr lohnt zuzuschauen als zu lesen.

Obwohl sich das jetzt nicht gerade positiv anhört, ist die Reihe und auch dieses Buch durchaus zu empfehlen. Man darf nur nicht vergessen, dass man einige Abstriche machen muss.

Erschienen bei Goldmann.

Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs

Originaltitel: Ulven

Paperback , Klappenbroschur, 560 Seiten, 13,5 x 20,6 cm

ISBN: 978-3-442-49285-5

Fuchsmädchen

Maria Grund: Fuchsmädchen

Das mit Spannung erwartete Debüt Fuchsmädchen von Maria Grund ist im Januar bei Random House erschienen. Die Autorin, die ursprünglich aus Stockholm stammt, derzeit aber auf Gotland lebt, ist vor allem Drehbuchautorin und hat zuvor hauptsächlich in der Film- und Medienbranche gearbeitet, unter anderem viele Jahre als Redakteurin für das britische Medienunternehmen The Smalls, bevor sie nach Schweden zurückkehrte. Von der Swedish Academy of Crime Fiction als bestes Debüt des Jahres 2020 ausgezeichnet, standen die Türen für die Autorin offen und das internationale Interesse an der Übersetzung war ungewöhnlich hoch. Für alle NordicNoir-Begeisterten dürfte Fuchsmädchen durchaus ein Leckerbissen sein, und auch wenn die Zutaten nicht in eine neue Richtung ausschlagen, sondern ein handelsübliches Setting beherbergen, macht Maria Grund ein paar entscheidende Dinge anders, die dann auch für klassische Krimiliebhaber interessant sein könnten.

Die Geschichte in Fuchsmädchen basiert auf dem Selbstmord eines vierzehnjährigen Mädchens, deren Leiche in einem mit Wasser gefüllten Kalksteinbruch auf einer vertrauten und doch namenlosen Insel vor der Ostküste Schwedens, die Gotland sehr ähnlich ist, gefunden wird. Ihre Pulsadern sind aufgeschnitten und eine grobe Schnur hat sich in ihrem Haar verheddert, wo sie bei ihrem Tod eine Fuchsmaske befestigt hatte. Die Ermittlerin Sanna Berling will untersuchen, ob es sich tatsächlich um einen Selbstmord oder doch vielleicht um einen Mord handelt.

Schon bald wird klar, dass das nur der Anfang einer ganzen Serie von brutalen Morden ist. Es beginnt ein Kampf gegen die Zeit, bei dem sich herausstellt, dass sieben Kinder den Schlüssel zu der schrecklichen Wahrheit in Händen halten – und der für Sanna Berling selbst viel persönlicher wird, als es ihr zunächst klar ist.

Sanna will bei den zu untersuchenden Morden  immer wieder eine Verbindung zu dem vierzehnjährigen Mädchen im Kalksteinbruch herstellen, während ein sehr unfähiges Dezernat sie auf eine andere Fährte ansetzen will. Aber Sanna und Eir finden diesen Zusammenhang  zu den Kindern, die vor einigen Jahren an einem von der Kirche organisierten Camp teilgenommen haben. Sie finden ein makabres Foto, auf dem die Kinder Tiermasken tragen. Bei der Untersuchung stellt sich heraus, dass diese die sieben Todsünden symbolisieren sollen.

Ähnlich wie die Autorin (was sie in einem Interview gestand) wird Sanna von  Albträumen geplagt, schläft in einem Zeltbett in einer Garage und schluckt  nicht näher benannte Tabletten, um ihren Alltag und ihre Arbeit bewältigen zu können.

Zunächst fällt auf, wie straff die Handlung des Romans gehalten wird. Da gibt es keine unnötigen Abschweifungen; die Autorin behält in jeder Sequenz das Zepter in den Hand, die Überlappungen sitzen ebenso wie die schließliche Lösung des Falls. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass Maria Grund bei ihrem Debüt lieber auf Nummer Sicher geht. Dazu ist ihr dann auch jedes Klischee recht. Aber das macht nichts, denn manchmal entsprechen Klischees einfach dem, was der Wahrheit am nächsten kommt.

Maria Grund schreibt über den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse. Die Protagonistin dieses Dramas ist eine Ermittlerin, die bereits persönlich gelitten hat, als ihr Mann und ihr Sohn bei einem gelegten Brand ausgelöscht wurden. Sie weiß, wer das Feuer gelegt hat, denn sie hat seine Adresse immer in ihrer Tasche. Sie weiß, dass sie ihn eines Tages töten wird. Rache an demjenigen nehmen, der ihr die Familie genommen hat.

Auch handelt das Buch von den schrecklichen Folgen für diejenigen, die sich blind auf falsche Propheten und ihre Taten verlassen, und von den heftigen persönlichen Konsequenzen für die betroffenen Kinder und Erwachsenen, die in diesem Drama leiden.

Maria Grund hat mit Fuchsmädchen einen Roman über eine angegriffene Heldin vorgelegt, die leidenschaftlich nach der Wahrheit sucht und nicht locker lässt, bis die Hintergründe der Todesfälle endlich ans Licht kommen. Unterstützt wird sie dabei von ihrer neuen Kollegin Eir Pedersen. Auch sie hat ihre Dämonen in Form einer jüngere Schwester, die stark drogenabhängig war. Eir ist jetzt für sie verantwortlich und sie leben zusammen in einer Wohnung. Während sie Sanna möglichst gut unterstützen will, macht sie sich gleichzeitig Sorgen um ihre kleine Schwester. Eir war früher bei der NOA (National Operations Department) tätig, wurde aber in Sannas Gruppe Strafversetzt, und wir bekommen gleich zwei traumatisierte Frauen, die versuchen, zusammenzuarbeiten.

Vielleicht merkt man dem Buch an manchen Stellen zu sehr an, dass es sich hier zunächst um eine Drehbuchidee handelte, aus der erst später eine Romanidee wurde, aber wie man hört, wird es mindestens noch einen weiteren Teil geben, und die Autorin wäre nicht die erste, die sich im Laufe der Zeit gesteigert hätte.