Die Leute im Schloss

Miskat Erz

Die Burg stand auf einem steilen Hügel oberhalb der Stadt. Um den Fuß des Hügels verlief die äußere Burgmauer mit einem massiven Tor, und innerhalb dieses Tores befand sich das Haus des Arztes. Die Leute konnten sich dem Schloss nur nähern, indem sie durch die Tür seiner Praxis hineingingen, durch die Gartentür hinausgingen und hundert Stufen hinaufstiegen; aber niemand machte sich die Mühe, dies zu tun, weil es im Schloss angeblich spukte, und wer will schon hingehen und ein leeres altes Haus sehen, das in Trümmer fällt? Soll der Doktor doch selbst herumspazieren, wenn er will.

Der Arzt wurde von den Stadtbewohnern für ziemlich seltsam gehalten. Er war sehr jung, um so etabliert zu sein, er war ständig damit beschäftigt, irgendetwas zu schreiben, und er war oft ziemlich unhöflich zu seinen Patienten, wenn sie zu lange brauchten, um ihre Symptome zu beschreiben, und sagte ihnen dann unvermittelt, sie sollten weitermachen und nicht um den heißen Brei herumreden.

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Handbuch für Detektive

Borges lobte an der Detektivgeschichte dass sie „in einer Epoche der Unordnung eine gewisse Ordnung aufrechterhalten kann“. Dieser Gedanke wird im Handbuch für Detektive von Jedediah Berry spielerisch und surrealistisch umgesetzt. Berry ist bei uns ein Unbekannter, in Amerika kennt man ihn als stellvertretenden Redakteur eines kleinen Verlags, der sich mit Phantastik sehr gut auskennt. Seine Kurzgeschichten fanden nicht selten den stürmischen Beifall der Kritiker. Das Handbuch allerdings ist sein Debüt. 2009 geschrieben, erschien es erstaunlicher Weise 2010 bereits bei uns. In diesem Roman ist die Detektivarbeit mehr als ein Job, sie verkörpert einen geordneten Zugang zum Leben. Rätsel müssen gelöst werden, um Wahrheit und Illusion voneinander zu trennen. Sogar die Verbrecher scheinen sich hauptsächlich für das Verbrechen als Mission, als Kunstform, als Mittel zur Beeinflussung der Welt zu interessieren. Ihre Anführer sind Magier, Meister der Verkleidung, Illusionisten. Der Konflikt zwischen Detektiven und Kriminellen ist ein Aufeinanderprallen philosophischer Positionen, ein metaphysischer Kampf um die Vorherrschaft.

Unser Held ist Charles Unwin, freundlicher Aktenschreiber von Detective Travis Sivart. Er arbeitet bei der Agentur, einem Monolith der Seriosität, der seine Stadt schützt, indem er fest gegen das kriminelle Element steht. Unwin ist ein sanfter, bescheidener Kerl und nie ohne Regenschirm (es regnet immer in der Stadt). Er zeichnet sich vor allem durch die Organisation und Katalogisierung von Akten aus, die er in seiner Funktion komfortabel und zufriedenstellend erledigt. Aber als Detective Sivart verschwindet, wird Unwin unerwartet zum Detektiv befördert und als Agent ins Feld geworfen. Da er völlig ungeeignet für den Job ist, protestiert er gegen seine Beförderung, aber als er wegen Mordes verdächtigt wird, muss er den Hinweisen folgen, um herauszufinden, was vor sich geht. Als er widerwillig anfängt, Fragen zu stellen, stellt er fest, dass viele Fakten in Detective Sivarts Akten falsch dargestellt sind. Bald taucht er aus seinem Schlummer auf und versinkt in Rätseln. In der sich verdichtenden Handlung findet er Beweise, die sich nicht nur auf den vorliegenden Fall beziehen, sondern auch auf Geheimnisse, die alles untergraben könnten, was er für wahr hält.

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Das Schneeberg-Habitat

Hoch auf den Schultern des Landes saß der Berg, so dass er noch ein Stück höher reichte und deshalb wesentlich mehr sah als angenommen.

Wenn er sich bewegte, tönte aus seinem Inneren ein heulender Ton, ein Schnaufen lang zurückliegender Zeiten. Es gab kaum Platz an seinen starken Flanken, kaum ein Emporkommen an den Splittern seiner Gegenwart, und seine Krallen waren finstere Bäche, die in Kavernen hinabstiegen und nicht an den Wiesen interessiert waren, die ihnen schöne Augen machten und über Nacht verschwanden. Sie stiegen in ein anderes Tal und brauchten nicht lange für ihre Entscheidung.

Ein Ornament, schöner als ein Filzhut, blieb zurück und drückte sich tief in die Erde, die ihre Stirn zu runzeln verstand. Diesen Berg bestieg ich aufgrund einer Vorahnung, ein Zeichen, das ich am Grunde eines Suppentellers sah. Es könnte Regen geben und es könnten sich neue Bäche bilden, es könnte ein neues Feld entstehen, abstrakte Muster, die zu lesen waren, wenn der Gipfel nichts dagegen hatte, wenn die Turbulenzen etwas nachgelassen hatten. Noch war die Zeit nicht vorbei, Zöpfe pilgerten die Wangen entlang, blaue Augen starrten in die Nacht aller Nächte hinaus. Ein Bild keiner Sonne. Ein eingerahmter Pflug. Das Schwert vergessener Fahrten. Noch zürnten die heißen Lippen, aber schon tranken sie die nächste Tasse eines fürchterlichen Wimmerns. In den Hütten blieb es still. Der Schlaf ging um und rührte nicht an den Geheimnissen, den unverschlossenen Türen, die in kleine unbenutzte Kammern ohne Fenster führten. Auch dort hingen die Träume bündelweise von der Decke, jeder von ihnen mit einem Preisschild versehen.

Ein Schneedämon, der sich von Fleisch ernährt, um danach in die Wälder zu verschwinden, um sich das eiskalte Schnütchen mit jungen Fichten zu putzen, quergelegt und weich. Die Förster hielten das abgescherte Bäumelein für Windfraß, das Schneelager für Holles Bettenzelt, das Bluträtsel für füchsisches Treiben, das Kochfeuer für Magie. Man erzählte es nicht in der Kneipe, sagte nicht: Ich habe heute im Wald einen Herd entdeckt, Nierengulasch war noch übrig, aber ich wollte nicht riskieren, dass dieser weiße Riese erwacht und mir vielleicht Lungen und Herz abfrühstückt.

Die Melancholie einer ländlichen Idylle

Die Mädchen sind frühreife, sonnenpolierte Nymphen, ein sanfter Splitter im Granit, der den Härtegrad verdirbt. Durch ihr rätselhaftes Fangen-Spiel wetteifern sie mit den Blumen der Lüfte, den Schmetterlingen; sie fassen sich an den luftdurchfluteten Blütenkleidern, klirrend ihr Lachen, die Zeit verwelkt. Heute sind sie jedermännisch, ihrer früheren Geheimnisse beraubt, doch damals konnte man ihre lunare Stimmung erhaschen. Jede von ihnen eine potentielle Jägerin der Nacht, vor Mitternacht zu Bett getragen, um im Traum zu verpuppen. Der Sommer trägt die Gelüste vorwärts, im Frühling versprochen, im Herbst entspannt genossen. Das erste Regen der Exogamie.

Sie schwangen am Baum vor dem Haus : Mone. Und Katjanka, die sich mit ihrem nachtschwarzen Haar, in dem sich verschiedene Blumen gut ausmachten, besonders für Indianerspiele eignete. Das Besondere an diesen fallenden seidenschimmernden Garnen war, daß man Konraden und Zimbelkraut damit festzurren konnte. Diese Art des Blumenbindens verkürzte ihre Frisur zunehmend, vom verhangenen Gesicht zur Windschnittigkeit getrimmt : Frisuren im Wandel der Zeiten.

Ich sah die beiden Hanfseile auf mich zu, von mir weg knirschen. Versteckt unterm Fenster das geflüsterte Trillern der Schaukelnden, die sich im Idiom eines leisen Kicherns miteinander unterhielten, die Mühlgrabenbrücke als geschätzte Kulisse. Ziegen mähten Gras: »Gras! Die wippen, wir fressen. Gras!«

Die Uhr gongte eine verquaste Stunde in die Sommerluft hinein. »Gras! Die wippen, wir fressen Gras.«

GONG! Es stank plötzlich nach Zeit. Im Sommer trägt die Luft den Ton bis in den Raum, in dem man steht. Keiner weiß, was das Nichts ist. Auch das Gelächter da draußen weiß es nicht. Lachen täuscht nicht über Vergänglichkeit hinweg. Jeder Winkel negiert einen Augenblick. Das Nichts als Abwesenheit von Erinnerung.

Ich sehe aus dem Fenster, zwischen die Hanfseile hindurch, an der Linde vorbei, immer weiter über das Tal hinweg, die Schafwiese, in ein anderes Fenster hinein, vor dem zwei Mädchen an einem Baum schaukeln. Hinter dem Fenster aber herrscht Dunkelheit. Die Melancholie einer ländlichen Idylle.

Das Unendlichkeitsprinzip

Mallarmé hat das Lesen immer wieder in ganz prägnanter Weise zum Thema gemacht. Er hat für die Poesie demonstrativ ein Geheimnis reklamiert und ihre Rezeption einer Extensivierung und Beschleunigung der Lektüre gegenübergestellt. Mallarmé kämpfte als Dichter auf verlorenem Posten um Resonanz bei einem bürgerlichen Publikum, das er bereits zu einem großen Teil an die Massenpresse und die wohlfeile Feuilletonliteratur verloren hatte. Er wies darauf hin, dass die Zweckorientiertheit eine ganz spezifische Lesehaltung einübe: die Sprache wird nur mehr als Instrument wahrgenommen und die Texte auf ihren Informationsgehalt reduziert. Dadurch würden Lesetechniken und Lesehaltungen verdrängt, die poetische Texte eigentlich fordern: ein Lesen, das den Zeitaufwand der Lektüre und ihren Nutzwert nicht gegeneinander aufrechnet, das das Geschriebene nicht auf einen konkreten Sinn hin festzunageln sucht und das einen gewissen Respekt der Sprache und dem eigenwilligen oder abseitigen sprachlichen Ausdruck gegenüber voraussetzt. Wer die Poesie liebt, könnte man folgern, hat Zeit.

Von hier aus gelängen wir schnell zu Borges, der einmal sagte, dass man sich ein Buch wie die Ilias oder die Komödie hernehmen und allein ein Leben mit der Lektüre dieses Buches zubringen könnte, weil darin alles enthalten sei. Das gilt natürlich insbesondere für die Lyrik Mallarmés.

In diesem kurzen Vorspiel zeigt sich die Romantik von ihrer stärksten Seite. Mallarmés hermetischer Symbolismus als auch Borges‘ „Unendlichkeitsprinzip“ tragen die aufgegangene Saat ins 20te Jahrhundert hinein, ausgehend davon nämlich, dass bereits Schlegel und Novalis einen Entwurf des Lesers einer romantischen, d.h. „unverständlichen“ Literatur durchaus auf Langsamkeit und Wiederholung anlegten. Freilich reagierte man hier mit einer Abgrenzung gegenüber der unüberschaubar gewordenen Buchproduktion mit der Forderung einer statarischen anstelle einer cursorischen Lektüre, in dem man diese zur Voraussetzung der erfolgreichen Entzifferung ihrer Texte erklärte. Bis zum heutigen Tage ist die im 18ten Jahrhundert beginnende Massenschwemme nicht zum Stillstand gekommen. Daher ist es keineswegs verwunderlich, dass diese Abgrenzung heute von einem zwar noch kleineren Kreis, dafür aber vehementer denn je – nicht wieder, sondern immer noch – ihr Recht einfordert.

Aber diese „Abgrenzung“, also der romantische Versuch, die Rationalisierungsschübe des ausgehenden 18ten Jahrhunderts – die Mechanik naturwissenschaftlicher Weltbilder sowie den analytischen Rationalismus der Philosophie – mit ganzheitlichen Vorstellungen zu überwinden, können vor diesem Hintergrund als Kompensationen verstanden werden. Trotz des bis heute nicht verklungenen Beharrens auf einem substantiellen Zusammenhang von Ich und Welt, Mikro- und Makrokosmos, Natur und Geschichte, darf man jedoch nicht vergessen, dass sich diese ästhetische Einheitsvision allenfalls mit der Kunst als Medium verwirklichen lässt. Man muss kaum erwähnen, dass, wenn diese „Einheit“ einer ästhetischen Differenz untersteht, dadurch bereits ein neuer Bruch auf den Fuß folgt – nämlich zwischen literarischer Differenz und erstrebter, aber immer nur momentan zu erreichender Identität.

Über 200 Jahre tobt bereits der Zweck gegen das Ganze. Der Grund, warum der Zweck so stark ist, liegt an seiner Massenorientierung und seiner völlig ausgereizten Effizienz. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob dabei alles in die Katastrophe steuert, weil die Lügen- und Manipulationsmaschinerie der Materialisten reibungslos funktioniert, die uns zu Land, Wasser und in der Luft – und mittlerweile auch im Äther „unterhaltsame Durchhalteparolen“ rund um die Uhr liefern.

Die verhängnisvolle Leinwand

Miskat Erz

Die Dame von ehrwürdigem Alter führte ihn die alte Holztreppe nach oben, und er verspürte einen Schauder der Begeisterung, endlich hier an diesem Ort zu sein, von dem er so oft geträumt hatte. Es war nicht leicht gewesen, das Geld zusammenzusparen, das ihn den Flug nach Paris ermöglicht hatte – aber er wusste in diesem Augenblick, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hatte. Sie erreichten den oberen Absatz und standen vor der Tür des berüchtigten Mansardenzimmers, wo die verblühte alte Dame zögerte, bevor sie den Schlüssel in das Schlüsselloch steckte.

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Yuggoth 1 – Das Buch

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Darleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Düster und nebelicht verlor sich der Ort fast
Im Geflecht alter Gassen nahe der Kais,
Nach fremden Dingen stinkend, aus den Tiefen der See
Mit kranken Schwaden verschnürt, die der Westwind formte.
Unter von Rauch und Frost verschliffenen Rautenscheiben
Lagen die Bücher in Haufen wie die Rinde verdrehter Bäume,
Verrottet von unten bis hinauf zur Krone,
Ein Gemenge längst schon zerfallener Überlieferung.

Verzaubert betrat ich den Platz und langte durch Spinnweben,
Um den nächstbesten Folianten zu ergreifen und darin zu blättern,
Zitternd vor Erregung aufgrund der merkwürdigen Worte, die ihre
Geheimnisse nicht verrieten; so ungeheuerlich, wenn man sie kennte.
Dann hielt ich nach einem Händler alter Dinge Ausschau
Und fand doch nichts als eine körperlos lachende Stimme.

Die Sprache der Fantasy

Essay

Quenya, Tsolyáni, Láadan, Klingonisch, Kesh, Na’vi, Dothraki … das ist weder ein Zauber noch eine Litanei aus einem alten Gebetbuch, sondern nur einige wenige Beispiele erfundener Sprachen, die es in Büchern oder in Filmen gibt. Wir leben im Zeitalter der konstruierten Sprachen. Da die Fantasy in Büchern, TV und Film immer mehr zum Mittelpunkt geworden ist, hat sich die Vorstellung durchgesetzt, dass jede richtige Fantasy-Welt ihre eigene Sprache benötigt – oder vielleicht mehrere!

Heutzutage sind erfundene Sprachen allgegenwärtig. Organisationen wie die Language Creation Society und Ressourcen wie FrathWiki und das Conlanger Bulletin Board dienen dazu, die Talente derjenigen zusammenzuführen, die daran interessiert sind, ihre eigene Sprache zu entwickeln. Gleichzeitig haben viele Filmfranchises das Konzept der erfundenen, fiktiven Sprachen in den Alltag gebracht: Marc Okrands Klingonisch wurde durch das Star Trek Film- und TV-Franchise bekannt, und Paul Frommers Na’vi wurde für den Film Avatar erfunden.

Die Fantasy zieht durch ihre Darstellung von Welten an, die vertraut genug sind, um den Leser zu orientieren, aber fremd genug, damit sie ihn ständig überraschen. Die Fremdheit der Fantasywelt kann durch Kunst, Musik, Kostüme, Architektur, Artefakte und Magie zum Ausdruck gebracht werden. Aber der einfachste Weg über das geschriebene Wort macht den Leser auf die Fremdheit der Welt durch die Sprache aufmerksam: die Namen, unter denen Menschen und Orte und ungewöhnliche Dinge bekannt sind, die Sätze und Poesie, mit denen sich ein fremdes Bewusstsein ausdrückt. Nichts ist so fremd wie eine Fremdsprache.

Die grundlegendsten Fantasy-Sprachen

Bereits 1726 wusste Jonathan Swift, der die Geschichte des Reisenden in Gullivers Reisen auf satirische Weise porträtierte, die Fähigkeit einer fiktiven Sprache zu schätzen, um seinem imaginären Königreich Liliput Echtheit zu verleihen. Wenn Gulliver die Worte hekinah degul und tolgo phonac hört, ist er sich sofort ganz sicher, dass er sich außerhalb der sicheren, gewöhnlichen und verständlichen Welt befindet.

Swifts Erfindung ist nach modernen Maßstäben schlampig und einfallslos; seine Worte enthalten keine Laute, die im Englischen nicht vorkommen, und die meisten seiner zitierten Sätze sind unübersetzt. Es gibt wenig, was auf eine konsistente Morphologie oder Grammatik in der liliputanischen Sprache hindeutet, da fast jedes Wort eine zufällige, unabhängige Erfindung ist, die nichts mit allen anderen Wörtern zu tun hat. Aber trotz Swifts Naivität des Sprachaufbaus können wir in seiner Arbeit ein Verständnis dafür erkennen, dass die Ausstattung einer fiktiven Nation mit einer eigenen Sprache der schnellste Weg ist, um sie mit einer plausiblen Andersartigkeit zu versehen.

Die Sprache muss natürlich keine echte sein oder gar einer realen Sprache ähneln (obwohl solche Ähnlichkeiten fast unmöglich zu vermeiden sind). Lord Dunsany, dem irischen Schriftsteller von Fantasy-Kurzgeschichten, ist es gelungen, eine Atmosphäre orientalischer Dekadenz durch die Namen Thuba Mleen und Utnar Véhi hervorzurufen, obwohl die Namen keiner Sprache ähneln, die tatsächlich im Nahen Osten gesprochen wird, weder jetzt noch in der Vergangenheit, und die an sich nichts bedeuten.

Ein höherer Detailreichtum

Autoren und die Liebhaber ihrer Werke können viel mehr Freude an einer Sprache finden, die mit einem höheren Detailreichtum erstellt wird. Im Gegensatz zu fiktiven Gebäuden und Büchern und Rüstungen und anderen Artefakten, die nur durch ihre Beschreibung suggeriert werden, kann eine vollständig realisierte Sprache in der realen Welt tatsächlich existieren. Durch das Erlernen und Verwenden der geschaffenen Sprache, oder so viel wie vorhanden, kann ein Leser an der Fiktion teilnehmen und die Lücke zwischen Fantasie und Realität schließen.

In einer ausgefeilten Fantasywelt kann eine Sprache viel mehr sein als ein Hintergrunddetail, das die Glaubwürdigkeit erhöht. Es kann das Vehikel der Magie und des Geheimnisses sein, durch das Kernwahrheiten über die Struktur der Welt vermittelt werden. Diese Vorstellung von der Macht und Heiligkeit der Worte ist oft in der Fantasy verwendet worden. So dient in J. R. R. Tolkiens Der Herr der Ringe die elfischen Sprachen als Medium der Magie, und in Ursula K. Le Guins Erdsee-Büchern definiert und erschafft die alte Sprache der Drachen die Welt. In der Welt der Erdsee ist Magie eine angeborene Fähigkeit, die aber nur durch das Studium der Sprache gelenkt werden kann. Das Wissen um den wahren Namen eines Objekts, den in der Alten Sprache verwendeten Namen, gibt dem Sprecher die Macht über dieses Objekt. Ein Stein, Tolch in der Alten Sprache, kann, wenn er so genannt wird, nichts anderes sein, auch wenn er verzaubert wurde, um etwas anderem zu ähneln. Um sein Wesen zu ändern, muss auch sein Name geändert werden., und das kann nur von Zauberern vollbracht werden. Je genauer und spezifischer eine Sache oder eine Person benannt werden kann, desto größer ist die Macht, die ein Zauberer darüber haben kann, und deshalb beschützen die Menschen auf Erdsee ihre wahren Namen sorgfältig. Dies widerspiegelt die christliche Mythologie, die besagt, dass das Wissen um den Namen eines Dämons dem Besitzer die Macht gibt, ihn zu befehlen. Die Vorstellung von Namen als Macht und Sprache als Magie ist alt.

Das neunzehnte Jahrhundert brachte große Fortschritte in der wissenschaftlichen Erforschung der Sprachen, und gegen Ende dieses Jahrhunderts wurden diese Verbesserungen in Projekte zur Schaffung vollwertiger Sprachen umgesetzt, die den Eindruck der persönlichen Vorlieben und Abneigungen ihrer Schöpfer tragen sollten. Die ersten dieser Versuche hatten zum Ziel, „internationale Sprachen“ zu erschaffen, die die Vielfalt der Sprachen in der Welt ergänzen oder sogar ersetzen könnten, so dass alle Menschen unabhängig von ihrer Nationalität kommunizieren könnten. Schleyers Volapük und Zamenhofs Esperanto gehörten zu den ersten Beispielen dieser Art.

In diesem Milieu begann J. R. R. R. Tolkien, ein Sprachwissenschaftler und Mythenmacher, Geschichten zu schreiben, in denen die Namen von Orten und Personen aus seinen Sprachen Qenya und Goldogrin abgeleitet wurden. Als die Legenden zu dem anwuchsen, was dann das Silmarillion wurde, wuchsen auch die Sprachen an, beeinflusst von den Bedürfnissen der fiktiven Umgebung, und schließlich wurden die reifen Sprachen Quenya und Sindarin zu den Sprachen zweier Elfenclans.

Erst mit der Veröffentlichung von Der Herr der Ringe bekam die Öffentlichkeit eine Vorstellung vom Umfang der Erfindung Tolkiens. Hinter der Galaxie der erfundenen Nomenklatur, die der Leser fand (und über die er manchmal auch stolperte), befand sich eine bemerkenswert subtile und detaillierte Konstruktion, nicht nur einer einzigen Sprache, sondern einer ganzen Sprachfamilie mit ihrer eigenen inneren Geschichte. Das „Primitive Quendian“, sein weiter entwickelter Nachfolger „Common Eldarin“, und verschiedenen daraus resultierende Sprachen, darunter Quenya, Telerin, Sindarin, Ossiriandic und Silvan, teilen sich ein großes Grundvokabular, das aus den Wurzeln des Quendian stammt, aber die Aussprache der Wörter variiert von Sprache zu Sprache auf vorhersehbare Weise, ebenso wie die Grammatik. So lauten die Worte für „Silber“ und „Elfen“ in Quenya tyelpë und eldar, aber in Telerin lauten sie sie telepë und elloi, und in Sindarin lauten sie celeb und edhil. Die historische Entwicklung jeder dieser Sprachen lässt sich heute mit großer Präzision verfolgen.

Quenya war die früheste Elfensprache im Mythos Herr der Ringe, und auch die früheste Elfensprache, die von J. R. R. R. Tolkien erfunden wurde. Er begann mit dem Bau zwischen 1910 und 1920, Jahrzehnte bevor das Buch veröffentlicht wurde. Sie begann, wie die Erdseesprache, damit, dass die Elfen bei der Benennung von Dingen Kraft und Identität fanden. Im Laufe der Zeit entwickelten sich mehrere Dialekte, die von jedem der Elfenclans angewandt wurden. Zur Zeit des Herrn der Ringe wurde Quenya von den Charakteren des Buches als die alte und formale Sprache angesehen, die von den Elfen verwendet wurde, die die Erde verlassen hatten. Sindarin war eher wie Küchenelbisch. Es wurde 1944 von Tolkien erfunden, obwohl es stark von einer „gnomischen“ Sprache beeinflusst wurde, die er jahrelang entwickelt hatte. Beleriandisches Sindarin, ein Dialekt, der von umherziehenden Gruppen von Elfen verwendet wird, war eine gemeinsame Sprache, die von allen Elfengruppen verwendet wurde, um verstanden zu werden. Es war die praktische Sprache der reisenden Mittelerdes , die von einigen Menschen und Zauberern geteilt wurde.

Nicht alle Autoren sind in ihrer Sprachentwicklung so umfassend. George R. R. Martin, der Autor der Serie Das Lied von Eis und Feuer, schuf eine Welt, in der es viele Sprachen gab, darunter Dothraki und Valyrisch. Er sagte den Fans : „Ich habe so etwa acht Worte Valyrisch. Wenn ich ein neuntes brauche, erfinde ich es.“ Dothraki wurde von David Peterson von der Language Creation Society für die Fernsehadaption von A Game of Thrones ausgearbeitet. Peterson wurde von den Produzenten nach einem Wettbewerb ausgewählt, der von der LCS zwischen mehreren erfahrenen Sprachschaffenden veranstaltet wurde. Dothraki selbst ist noch in Arbeit; der verfügbare Korpus ist noch recht klein, mit bisher weniger als 500 Wörtern, aber es ist zu erwarten, dass er noch komplexer und detaillierter wird.

Aus Fans werden Detektive

Andererseits behielten Tolkiens Sprachen ein gewisses Maß an Skizzenhaftigkeit bei. Quenya, die aufwändigste der Sprachen, hat ein Vokabular, das vielleicht ein Zehntel der Größe der Alltagssprache der meisten Sprecher hat. Einige Aspekte der Grammatik wurden nie schriftlich fixiert oder nur auf widersprüchliche Weise beschrieben; jeder, der heute Quenya schreiben möchte, muss sich mit Rätseln und Vermutungen beschäftigen und einige Konstruktionen vermeiden, für die das Quenya-Äquivalent unbekannt sind.

Das bedeutet nicht, dass Quenya keine „echte Sprache“ ist, aber es bedeutet, dass es – wie viele alte Sprachen, die nur durch einen begrenzten Korpus von bröckelnden Denkmälern und Tontafeln belegt sind – unvollständig und unvollkommen bekannt ist.

Die meisten Fantasy-Sprachen arbeiten mit den gleichen Einschränkungen. Selbst wenn sich der Erfinder die Mühe gemacht hat, eine Grundgrammatik und ein umfangreiches Lexikon für diejenigen zu verfassen, die die Sprache verwenden wollen, ist die Sprache selten so ausgereift, dass sie für alle Zwecke einer natürlichen Sprache vollständig nützlich ist. Wenn das Ziel jedoch nicht so sehr darin besteht, eine völlig neue Art der Kommunikation zu ermöglichen (wie bei Esperanto), sondern den Hauch einer fremden Kultur zu vermitteln – aus einer anderen Zeit, einem anderen Ort, einer anderen Welt oder einer anderen Dimension – dann sind sie oft recht erfolgreich.

Zehn Sterne (Es ist ein tolles statement-piece!)

Zuallererst habe ich winzige Handgelenke,
sodass jedes Armband ein crap-shooting ist.
Ich kaufte den glow in the dark one first
& jetzt diese schwarze 1,
aber die schwarze 1 wird definitiv zu meinem Stil passen!
Ich werde sagen, dass ich Silberaugen gewählt habe,
zu den Fehlern dieses Tages.
Es ist dunkel, es ist verstörend.
Es ist so darn cute!
Absolut traumhaft,
auch auf meiner Haut : Tonnen von Komplimenten.
Diese zeitlose schwarze Farbe strahlt einen Hauch von Geheimnis und Raffinesse aus
und ermöglicht es mir, meine innere Zauberin zu umarmen,
und alle zu fesseln, die sie sehen. Ich werde nicht zögern,
mich darüber herumzusprechen! Besessen!
Es übertrifft meine hohen Erwartungen.
Ich würde 10 Sterne geben.

Rokokoernte

Wie es in Frankreich Tradition ist, knüpfen sie hinten auf,
um die grelle Glühbirne zu verstecken und das Licht zu erweichen.
Besonders nützlich, wenn ihr Schatten über einem Bett oder Stuhl liegt.

Sehr hübsch! So feminin!
Diese weißen Netzhandschuhe
fügen diese heidnische Anmut hinzu,
wenn Sie den Kuchen schneiden.

Ein echtes Gesprächsstück,
das jedem Zuhause ein Kuriositätengeheimnis hinzufügt.
Sie könnten aber auch auf einem Doppelbett mit den Rüschen arbeiten,
die zur Seite des Bettes laufen.

Es gibt einige Risse und Reparaturen.
Es gibt auch etwas Schmutz.

Eine blasse Schale Rosa
kommt wie alle Zigeunerartikel
in einer schönen handgefertigten Stofftasche.

Notizen zur unheimlichen Literatur

Natürlich hat das Leben keinen Sinn. Aber der Tod auch nicht. Und das ist eine weitere Sache, die das Blut in Wallung bringt, sobald man Lovecrafts Universum entdeckt. Der Tod seiner Helden hat keine Bedeutung. Der Tod lindert nichts. Er bedeutet in keiner Weise das Ende der Geschichte. Unerbittlich zerstört HPL seine Figuren und bring damit nur die Verstümmelung von Marionetten hervor. Gleichgültig gegenüber diesen erbärmlichen Wechselfällen wächst die kosmische Angst weiter. Sie schwillt und nimmt weiter Gestalt an. Der große Cthulhu erwacht aus seinem Schlaf.

  • Michel Houellebecq*

Ich habe das Gefühl, dass zu viele Menschen von Lovecrafts Monstern, Tentakeln, Polypen und Shuggoths besessen sind. Ehrlich gesagt, ich denke, dass sie den Kern nicht verstehen. Zumindest kann ich sagen, dass sie jenen Teil nicht verstehen, der den größten Einfluss auf mich ausgeübt hat. Da wäre die Wichtigkeit der Atmosphäre zu nennen, das gefundene Manuskript als narratives Element und HPLs Wertschätzung dessen, was Paläontologen und Geologen Tiefenzeit nennen. Tiefenzeit ist entscheidend für seinen kosmischen Schrecken, den existenziellen Schock, den ein Leser aus seinen Geschichten zieht. Unsere Kleinheit und Bedeutungslosigkeit im Universum insgesamt. In allen möglichen Universen. Im Konzept der Unendlichkeit. Nichts und niemand kümmert sich um uns. Niemand passt auf uns auf. Für mich ist das die Aussage Lovecrafts.

  • Caitlin Kiernan

In gewisser Weise ist [Lovecrafts] Ruf das Opfer seines Mythos. Er wurde als ein Gegenmittel zum konventionellen viktorianischen Okkultismus konzipiert – als ein Versuch, den imaginativen Reiz des Unbekannten zurückzugewinnen – und ist nur eine von vielen Möglichkeiten, wie seine Geschichten Schlimmeres oder Größeres suggerieren, als sie zeigen. Er ist auch nur eines seiner Mittel, um ein Gefühl der Verwunderung (Sense of Wonder) beim Leser zu erreichen, mit dem Ziel, die besten Werke des visionären Horrors hervorzubringen (und das ist keineswegs alles, was zum Mythos gehört). Seine Geschichten sind ein Tasten nach der perfekten Form für die Weird Tale, ein Prozess, während dem er alle Formen und Prosa-Stile ausprobierte, die er nur kannte.

  • Ramsey Campbell

Alles, was ich liebte, war bereits seit zwei Jahrhunderten tot … Ich bin niemals Teil von irgendetwas um mich herum – in bin in allen Belangen ein Außenseiter.

Die besten Arbeiten heutiger „unheimlicher Literatur“ (und das schließt ältere Figuren wie Ramsey Campbell, Thomas Ligotti, T. E. D. Klein, Dennis Etchison und andere mit ein) wird zunehmend nur von einem kleinen Kreis von Kennern und nicht von der Allgemeinheit gelesen. Ich weiß nicht genau, was man dagegen tun kann; vielleicht ist es auch nur der Beleg dafür, dass, wie Lovecraft vor langer Zeit schrieb, die Weird Fiction wirklich nur für die „wenigen Sensiblen“ gedacht ist.

  • S.T. Joshi

Per definitionem basiert die seltsame Geschichte auf einem Rätsel, das niemals gelöst werden kann. Abgesehen von der Semantik ist für mich in einer so genannten seltsamen Geschichte das Wichtigste ein undurchdringliches Geheimnis, das die Handlungen und Manifestationen in einer Erzählung erzeugt. Ein gutes Beispiel ist Lovecrafts Lieblingsgeschichte „Die Weiden“ von Algernon Blackwood. Es gibt nichts in den Weiden selbst, das für die Phänomene verantwortlich ist, die die beiden Männer bedrohen, die auf einer Insel rasten, während sie die Donau hinunterfahren. Die Weiden sind nur ein Symbol für eine unsichtbare, unerkennbare Kraft, die nichts Gutes mit denen vorhat, die unglücklicherweise vom schlechten Wetter an diesen atmosphärischen Ort gefesselt werden. Diese Kraft ist offensichtlich übernatürlich – oder, angesichts von Blackwoods Sicht auf die Natur, überwirklich.

  • Thomas Ligotti

ALLE ZITATE ÜBERSETZT VON MICHAEL PERKAMPUS. *DAS HOUELLEBECQ-ZITAT WURDE AUS DEM ENGLISCHEN ÜBERSETZT.

Jemand liest im Roman einen Roman

Ich weiß natürlich noch, dass  ich bei gestrigem Mittagsschlaf, den ich später hielt als gewöhnlich, um dreiviertelfünf aufwachte und kurz die Orientierung verloren hatte, obwohl ich nur eine halbe Stunde eingenickt war. Ich dachte, es sei früh am Morgen, und ich wunderte mich über das sommerliche Zwielicht zu der Zeit. Es hat stets etwas Aufregendes, von Sinnen zu sein, aber nur, wenn danach alles wieder einrastet. Den ganzen Nachmittag mit der Kafka-Biographie von Stach verbracht und einen Aufsatz zu Patricia Highsmith verfasst.


Paradoxon: jemand liest im Roman einen Roman (eine häufig anzutreffende Scene), aber aus folgendem Grunde: um zu verstehen, was das Geheimnis der Romanfigur ist, im Bewusstsein also, eine Romanfigur zu sein. Diese lesende Romanfigur hat dann mehr als wir alle einen tatsächlichen Zugang zu sich selbst, es sei denn, wir führten Buch über uns und läsen uns in den Nöten vor Jahren, aber im Bewusstsein von heute.