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Ein Brunnen in all den Wüsten

 

In Rehau gab es bei unserer Ankunft derzeit wenige Masthallen und Lebensbrunnen zu besuchen (es war schließlich schon etwas spät auf den Fluren), aber nach einem elendigen Getuckel mit der Bahn mussten wir dringend etwas unternehmen, um die Schüttelreime in unserem Kopf verschwinden zu lassen und wieder mit echten Grammatikbrüchen aufwarten zu können. Wäre Neil Armstrong ebenso begeistert wie ich, wenn er einmal noch den Mond betreten könnte? Es wäre kein gutes Zeichen gewesen, im Land der Biere sich nicht sofort um die regenerierende Flüssigkeit zu kümmern, die ewiges Leben verheißt. Nicht mehr aus dem Fass der Bäckerfamilie Scherdel, aber aus einem vergoldeten Hahn mit Chorgesängen aus dem Garten Eden. Die ersten Schlückchen bringen einen um den Verstand (der ein paar Minuten allerdings gestärkt und tanzend wiederkehrt).

rehau

Hin und wieder zurück

Waldnaab in der Oberpfalz

Im Allgäu gewöhnt man sich im Laufe der Zeit an Pfeifen und Schnabel, das heißt, man gewöhnt sich an ein Leben, wie es die meisten führen wollen: goldene Wollmäuse brechen aus jeder Matratze, die Welt an sich ist ein ewig strömendes Fass. Ich selbst befinde mich seit 1994 in den unterschiedlichsten Gäuen und es ist mir zu einer zweiten Heimat geworden (was eine seltsame Aussage für jemanden ist, der sich selbst als heimatlos bezeichnet). Mein Werk allerdings ist ohne das Gebürg in mir nicht denkbar. Ich denke sogar, dass dies der eigentliche Schlüssel zum Verständnis vieler meiner Arbeiten ist. Sei es wie es seibl post… (auf deutsch: sei es, wie es ist), es kamen in meiner Vergangenheit immer wieder Versuche auf, mich zu transmutieren, mich ins Blätterwerk des Hufeisenlandes zu transportieren (auf dass es mir wohl ergehe und ich lange leb’ auf Erden). Das Leben aber ist ein Widder (achtet auf den Widder!) und folgt anderen Spuren; das linke Horn weiß oft nicht, was das rechte Horn tut.

Rehau, Maxplatz

In den letzten Tagen ging es deshalb um ein Sondieren, denn es darf nicht verschwiegen werden, dass auch hier die Zeit in einer gewissen Weise vergeht, wenn auch völlig anders, als man das gemeinhin zu glauben hat. Die Destination Rehau liegt leicht oberhalb des Gebürgs, 12 km von Selb entfernt (man erreicht sie über den Tatterdemalion-Express, der die Achse Hof – Oberkotzau – Rehau – Selb abnudelt; das ist eine gute Achse – man kann sehr schnell in die umliegenden Dörfer rauschen, oder nach Böhmen gelangen, das sozusagen nur von einer künstlichen politischen Grenze durchstoßen wird, geographisch aber ebenfalls eine gute Portion Fichtelgebirge in sich vereint).

Es wäre schön gewesen, wenn wir nicht über München geprängelt worden wären, oder wenn wir nicht auf Hin- und Rückfahrt zwei Stunden dort auf einen Anschluss hätten warten müssen. Ja, ich habe dort studiert – und ja, ich war einst ein Verfechter der Schönheiten dieser Großstadt, aber das ist lange her. In der Zwischenzeit hat sich München in die Kloake eines riesigen dreckigen Arsches verwandelt (oder in das, was aus einem großen, dicken Arsch herauskommt, wenn der Darm murrt und der Betreiber des Darmes etwas Falsches gegessen hat). Ich könnte das jetzt zwar im Einzelnen ausführen, aber dann ginge es ja um München, und das tut es nicht. Doch Unbilden müssen erwähnt und kartographiert werden, damit in Zukunft ein anderer Weg hinauf und hinab gefunden wird (es böte sich die Achse Augsburg – Nürnberg – Bayreuth an, auch wenn man von Nürnberg in diesen Tagen ebenfalls nichts Gutes hört).

Es gibt unterschiedliche Wahrnehmungsmöglichkeiten der Stille. Da gibt es also die Abwesenheit von Lärm oder auch nur irgendeiner akustischen Regung, es gibt ein leichtes Wohltönen der Geräusche des Landes und es gibt ein generelles Fehlen von etwas, nachdem es jedoch war und also auch einer Notwendigkeit entspricht. In Rehau haben wir das zweite Beispiel vor uns. Die Stille hier ist natürlich dennoch ein Fehlen von etwas, hier nämlich einem unsinnigen Lärm, aber das eigentliche Prädikat ist das Wohltönen der Geräusche des Landes. Während ich in Kempten gerne jeden einzelnen Autofahrer aus seiner Raviolidose zerren würde, um ihm den Levitikus zu lesen, ist eine Fahrt mit dem Automobil hier dem Transport geschuldet und fällt in seiner Spärlichkeit nicht unangenehm ins Gewicht (ja, hier würde ich dem Fahrer sogar gerne einen Luftballon schenken).

Pfarrkirche Rehau

Ich weiß, dass der Geist meines Großvaters für immer auf Wanderschaft ist. All die vorhandenen Wege; andere, über die Gras gewachsen ist. Nichts davon ist vergangen. Ich erbte sein Gesicht und seinen Wanderstab.

Timeline

Ein Brunnen in all den Wüsten

In Rehau gab es bei unserer Ankunft derzeit wenige Masthallen und Lebensbrunnen zu besuchen (es war schließlich schon etwas spät auf den Fluren), aber nach einem elendigen Getuckel mit der Bahn mussten wir dringend etwas unternehmen, um die Schüttelreime in unserem Kopf verschwinden zu lassen und wieder mit echten Grammatikbrüchen aufwarten zu können. Wäre Neil Armstrong ebenso begeistert wie ich, wenn er einmal noch den Mond betreten könnte? Es wäre kein gutes Zeichen gewesen, im Land der Biere sich nicht sofort um die regenerierende Flüssigkeit zu kümmern, die ewiges Leben verheißt. Nicht mehr aus dem Fass der Bäckerfamilie Scherdel, aber aus einem vergoldeten Hahn mit Chorgesängen aus dem Garten Eden. Die ersten Schlückchen bringen einen um den Verstand (der ein paar Minuten allerdings gestärkt und tanzend wiederkehrt).

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Tschu Tschu gen Rehau

Morgen in der Frühe besteigen wir die Eisenbahn, die uns über München nach Hof zockeln wird. Von dort aus sind es nurmehr sechs kümmerliche Minuten nach Rehau. Natürlich hört es sich etwas abfällig an, von einer Geschäftsreise zu sprechen, aber genau das ist es, obdoch wir uns am Dienstag durchaus zu erquicken wissen. Eine Stippvisite in meine Geburtsstadt Selb kann zwar nur ein kleines Pflaster auf die entwurzelte Seele sein, aber es ist durchaus ein reißfestes Pflaster mit viel Saugkraft. Tatsächlich war ich exactamente seit zehn Jahren nicht mehr da, die Veränderungen aber werden sich mir zu liebe im Rahmen halten müssen. Wir werden uns gegenseitig fragen, wie es uns in all der Zeit ergangen ist, ein Pfeifchen schmauchen und einen Filterkaffe trinken (denn das verkohlte italienische Zeug ist uns ein Graus), uns baldiges Wiedersehen versprechen, und Pläne für diese Zeit ausrollen.