Poeme

Kein Bach springt in den Krug

Ich habe vieles vergessen, von den Taten weiß ich nichts und immerfort zähme ich meine Erinnerung aus bunten Strukturen in einem gläsernen Gewand. Ich könnte nicht sagen, was es mir bedeutet, selbst vergessen zu sein, obwohl niemand je von mir gehört.

Alle Gefäße bleiben mir leer, kein Bach springt in den Krug. Niemand kam, um mich zu finden, also suchte ich die verworrenen Pfade für mich selbst.

An dieser Scheibe ein zürnendes Klopfen, aber ein lautloses Geräusch für alle anderen. Hatte meine Versuche wie Schuhe hinterlassen; standen da und stoben auseinander.

Der erste Strich könnte eine Legende sein, vom Drachen eventuell, von jemanden, der ihn erstach. Glaubst du nicht, dass nur Gespenster eine Geschichte zu erzählen haben? Sie warten, um sie an dich weiterzugeben.

Seien wir auf der Hut vor Fliegenkastellen. Lange nach der Geschichte gemäßigter Findelkinder, gekleidet in Laken, aus Zement und Asche geformt, aber mit Stoffresten an den Ausläufern. Die Hinterbliebenen sind des Sprechens müde geworden durch all die Wirrnisse aussortierter Erlebnisse. Ein Tablett mit verdorbenem Kuchen geht durch zauberhafte Hände, um am Ende auf dem Boden abgestellt zu werden. Da wird es nicht leichter, den Klöppel zu schwingen; nur ein dumpfes Geräusch, wenn der Zwerg sich übergibt und das eiserne Fabrikat um die Lenden herum enge wird. Ein Schlüssel hülfe, aber kein Schlüssel ins Sicht. Ein magischer Spruch könnte die Erscheinung beenden, aber wer spräche ihn aus? Wer zöge seine Lippen auseinander und bleckte die Zunge aus seinem rotierenden Maul?

Ich kann nicht wissen woran ich denke auf der Suche nach dem ultimativen Geheimnis hinter jedem Ding, vor allem aber hinter einem künstlerischen Ausdruck. Ein Weg ist so gut wie der andere und vielleicht ist ein anderer Weg auch immer derselbe, der einzige, der sich nicht spaltet oder der ein Hufeisen nachbildet und dann auf einer Parallele zurückführt; dann dreht sich noch etwas die Erde und dann haben wir es. Die Quelle ist ein einziges Ding, aber zu erfassen ist ein einziges Ding eher nicht, man möchte es sogleich zerreißen und die Marmelade schmecken, oder wie beim Wein: Asphalt, Brombeere, Rauch, Schweiß – obwohl es sich nur um zermalmte Trauben handelt. Füllen wir einen Gedanken in ein Glas, schwappt es nicht über. Man gibt Wasser hinzu und es schwappt solange nicht über, bis das Wasser den Rand erreicht, vom Gedanken ist nichts zu sehen, der bleibt in diesem Glas, bis wir ihn wieder herausdenken.

Dass ich den Tanz nicht mehr fürchte, nicht einmal die Treppen, die ihn unterbrechen – und Skelette sich an die Wände kauern; ein schlotterndes Rippchen nagt an ihrem Selbstvertrauen, der knochigen Gewissheit, einst Fleisch geteilt zu haben mit den hungernden Größen der Unterwelt. Doch nahmen sie alles; was bleibt ist hell erleuchtetes Elfenbein. Einmal muss man auf dem Arsch sitzen können und strampeln, die Luft aufwirbeln (vielleicht wirbelt auf etwas anderes mit). Im Keller ist nichts mehr, ich habe nachgeschaut. Sauberkeit hat hier eine Menge zerstört. Der nächste Staubintervall wird ein anderes Bild zeichnen und andere Dinge benetzen. Warum nicht einfach eine Lücke lassen für gewesene Dinge? Sie könnten wiederkehren, wenn ich nur den richtigen Schlüssel finde. Vor Kurzem sprach ich bereits den ersten Satz einer neuen Monarchie.

Manche Tage sind das Gewürm unserer Erzählungen.

Als ich dann anfing zu singen, dachte ich, dass ich singe, um Sänger zu werden, dass ich auf die Uhr fünf nach acht sah, das Morgenlied in der dritten Klasse, ein hohes Gezwitscher, fast wie Farinelli, der Kastrat, die Glocken noch nicht in Betrieb, aber dann sackte mir der Kehlkopf eine halbe Oktave ab, die Stimmlippen gedehnt & ich sang nicht mehr, ich gurgelte nur noch, bis ich meinen Bariton fand, natürlich den hohen Bariton. Man könnte doch Geisterhymnen singen, sang ich Geisterhymnen. Man könnte doch Moorleichen besingen, besang ich Moorleichen, denen man die Brustwarzen in Scheiben geschnitten hatte, auf dass sie keine Könige mehr seien, aber tanzten.

Zwar bekam ich das nicht, um ihnen die Prozession der toten Clowns zu singen, aber weit von der Vokation war ich nicht entfernt.

Der Phänomenbereich: Sprache als Struktur, nicht als Äußerung einer kommunikativen Handlung. Um die écriture nicht körperlos zu lassen, muss ich sprechen vor allem dann, wenn ich die kommunikative Sprache hinter mir lasse; da winde ich mich aus dem Wandler – das ist wie Geistsein, neue Substanz ohne mich, die Quelle, neuer Körper allüberall, Ton ist Berührung, Händeschütteln, mehr –

Poeme

Blutberberitze

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Hundertprosa

Sodoms Tage sind gezählt

Man sagte mir, ich solle ruhig zugreifen, am besten mit beiden Händen, da sonst die Gefahr bestünde, das ganze Spektakel nicht wirklich fassen zu können. Aber meine Arme wurden allein schon bei dem Versuch schwach, sich degeneriert zu zeigen, ein Muster, das die Altvorderen in ihre Hügel und Kuppen einbauten, damit wir es eines Tages finden und sagen können, was wir fanden. Die Zungen waren viele, zu viele, wie sich herausstellte.

Aber ohne sie wäre der Wind niemals von Westwärts gekommen. Nicht, dass ich etwas dagegen gehabt hätte, aber eine stille Verabredung rettete mich von allen Gebräuchen, säuberte mich von den Stallgerüchen, die über mir ein neues Zimmer zementierten. Der Lärm war nicht zu verachten, er konnte sich – wie man sagt – sehen lassen. Hätten wir unsere Bürsten geschultert, dann hätten wir natürlich unsere Rüssel frei gehabt. Aber wir taten selten, wie uns geheißen. Lag das am Sonnenstand?

Über die Heide schließlich sahen wir sie kommen. Wir mussten noch etwas graben, um unseren Fixpunkt zu verbessern, aber dann waren sie heran, ihre Peitschen hatten sie zum Trocknen an den Seiten der Pferde aufgehängt. Ich hätte an ihrer Stelle das Gleiche getan, aber ich war nicht an ihrer Stelle.

Ich betrachtete gerade eine neue Situation, als wir auch schon fliehen mussten. So war es schon immer gewesen, die gemachten Betten zerwühlt von kreidebleichen Gesichtern, aber mit Gefühl in der schimmernden Brust. Man könnte leicht auf die Idee verfallen, es gäbe nur Mehlspeisen, die sich unter der besonderen Bläue des Tages zu einer neuen Form aufraffen. Die Steintreppen hinab gerann der Luftzug an den Wangen, einzelne Hinweise lagen verstreut an den Rändern der Gassen oder lehnten für einen kurzen Augenblick an den wankelmütigen Gebäuden. Es wäre uns recht gewesen, wenn zumindest irgendwo irgendjemand am Fenster gestanden hätte, aber die Uhrzeit war noch nicht reif.

Um schließlich in den Bau zu gelangen, sollten noch einige Enten gescholten werden. Sie waren durch ein Gatter entkommen, das hinter allen Fassaden stand und dort auf uns wartete, kaum wahrnehmbar an einer Grenze zwischen Nebel und Dunkelheit. Wenn es Winter wurde, packten wir unsere Kaleidoskope aus, damit wir die Kälte aus einer anderen Perspektive wahrnehmen konnten, doch sie waren zu dieser Zeit nicht besonders zuverlässig, weshalb wir uns um Alternativen bemühten, die wir hinter Schornsteinen fanden. Mal waren sie da, mal waren sie absichtlich absent, indem sie sich versteckten, um uns zu zeigen, wer sich bereits nach Norden aufgemacht hatte.

Nichts an uns war maßgeschneidert, die Lumpen besaßen ihr Eigenleben. So kam es vor, dass sich die Nahten selbständig machten, wenn sie an Ort und Stelle gebraucht wurden, um jene Teile zusammenzuhalten, die ebenfalls entschlossen waren, eine ganz andere Party zu feiern. Niemand kümmerte sich in jenen Tagen um die Reste der Nacht, die auf den Fensterbrettern lagen und bereits damit begannen, sich in den Urmorast zu verwandeln. Es wäre ein seltsamer Anblick gewesen, verkleinerte Darstellungen geschuppter Reptilien über den Teppich laufen zu sehen, denn es spukte ohnehin in all den Köpfen. Es wäre durchaus möglich gewesen, verschiedene Tassen umzudrehen, um Eindringlinge davon abzuhalten ihren Tee daraus zu trinken, aber wir fanden die Schlüssel nicht, die eine andere Welt aufsperrten, also beließen wir es bei der bloßen Hoffnung, es möge etwas geschehen, das mit uns rein gar nichts zu tun hatte.