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Dunst in Sepia

Last updated on 14. Juli 2024

Der Mensch und die Paarung ertragen Intensität nicht lange; wie aber steht es mit dem Gedankenerwecker?

Ich folge den orphischen Vasallen, die in ihrer Sangeskunst Melodien aus Gedanken formen, die ein tanzendes Wort ergeben. Aus der Höhle erster Dunkelheit heben vergessen Zorn und Sein, Gespenster, die im Geisterrauch den Mund nicht brauchen. Da bist du, trägst uns durch dein Flötenspiel dem Hafen entgegen, den flaschengünen Nixen zu, den sonnenlosen Reichen, die keine Formen missen lassen.

Man weckte den Toten, der schlief. Ist das nicht ein Lied für dich?

Mir träumte, die Zeit ginge nicht so lächerlich dahin, ließ weilen an der Kreuzung mancher Momente. Aus allem tiefen Schlaf fällt Regen, der das Bettzeug feuchtet, die Splitter findet, sie entfernt, die Wunden auswäscht.

Noch im Halbschlaf die Melodie, ces bis f, komische Quarte, Diablous in Musica, Bewegungs- und Dialgoszenen, Grundelemente des Dramas.

Unstet das Klirren der Nerven; ungestimmt nehme ich eine sitzende Position ein, Laken und Wasser, Schuppen, am Bauch abgerundet, nicht gekielt. Die Lasur des Schweißes ist ein Wellenkamm, die Pleura hinkt, unter die Oberfläche des Lakens gedrückt, geschlürft ein nackter Traum, eine Attacke des Lebens gegen die Suffokation, gegen unstillbaren Durst. Die Tür schließt nicht mehr richtig gegen den Wind, springt aus der Wiege, Tanzpartner eines flüchtenden Gastes, der zum Fenster eilt, durch den korallenroten Giebel zurückstiebt. Es ist still im Zimmer, dreckiges Licht dringt durch das verschmierte Fenster über dem Bett, um sich im ganzen Raum wie ein giftiger Dunst in Sepia auszubreiten. Die eigene Stimme, die sich anhört, als käme sie aus dem Trichter eines Grammophons gewolpert. Ich befinde mich in Blickkontakt mit der leeren Stelle neben mir, zerwühltes Stalingrad, berühre den Abdruck der Leere in der Hoffnung einer plötzlichen Materialisation. Myrrha hat die Tür geschlossen, wie sie das immer tut, mit der gleichen Sanftheit; die berührte Tür, das verlassene Ich, die überflogene Treppe nach unten, hinein in die schlechte Luft, zu Schildern und Laternen. Das Licht ist ein Ersatz für ihren Körper, der es verdient hätte, nackt durch die Lüfte zu schweben, frei von allen Konventionen des Fleisches. Wenn sie nicht hier ist, dann ist sie diese Frau, reines Hirngespinst, Traum, Einbildung.

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