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Der Taubenfütterer: 3 Gurru, Gurru

Last updated on 15. Juli 2024

»Gurru, Gurru!« Das ist natürlich Zufall, sie kann nicht wissen, dass er Tauben füttert, allein, um sich das Recht zu erwerben, sie auch zu verspeisen: Taubenfilet, Grilltaube, Taubeneintopf, nimmt dabei Kümmelbrot mit Kräuterbutter als Köder. Ihre Hand umfängt den Wetzkegel wie ein Kompressor, die Grobschlächtigkeit macht ihn richtig scharf. »Gurru, Gurru!« Von unten nach oben: sie kniet immer noch vor seinen Schienbeinen und reckt die Hände: mein Scheißerschmutzerle. Sein Blick fällt auf den Picatrix, 1256 für den kastilianischen König Alfons X. aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt, daneben das Heptameron des Petrus von Abano, das Dictionnaire Infernal, den Codex Seraphinianus, und dann, jawoll: Johannes Hartliebs Von der verpotenen Kunst.

»Die Grimoiren!« Er wird sagen, dass es die Zauberbücher waren, die ihn abregnen ließen – und nicht ihre Caterpiller-Hand, und vor allem nicht das Gegurre. Sicher ist er jedoch nicht, weiß aber nun, dass es ihm nichts ausmacht, in fremder Umgebung nackt herumzustehen. Schöne Linienornamente auf dem Knüpfteppich, eine Perlenkante.

Den ersten Toten ihres Lebens sah sie, als es ihrem Vater gelungen war, zwölf Uhr mittags, höchster Tag (oder höchste Zeit, wenn man etwas von Humor verstand) in der Arena seines eigenhändig erbauten Bauernhofes, dem Vorhof, umzukippen. Nur die Fasane wurden Zeuge, kümmerten sich aber bald wieder um ihre eigenen Geräusche, spielten Regenbogen im Angesicht der letzten Stundʼ. Da lag er im Staub, 7870.277 Kilometer von Dodge-City entfernt, wo er nicht weiter aufgefallen wäre, der Kansas-Kid mit der Burschenschaftskappe, die jetzt neben ihm lag, bis das Milankerl von der Schule kam und ihn da sehr bedeutsam liegen sah.

»Wie ein Blitz den Baum fällt!«, zeigte sie mit der Handkante: »Schlaganfall.«

Zarias hatte ihn gefragt, daran erinnert er sich (als stünde es da drüben im Eichenhain geschrieben), was er denn an diesem doch schon älteren Mädchen fände. »Sie leckt mein Arschloch!«, die knappe Antwort. »Das finde ich nie wieder.«

Außerdem schrieb er ihr Gedichte, die Titel trugen wie ›Cupitus in den kochenden Schlammteichen‹, oder: ›Falten der Luft‹:

Unter Luna mich treibt’s über Äste gefährlich
Abwerfend ihr Kleid, stöckelstarr, überland
Ich drunter die Runen an Bäumen beschirmt
Klammer an diese Rinden mein Aug’, zu verstehn
Was die Welt da geschrieben am Baum.

Und auch wenn ich mich in allen Straßen vergasse
Blicke ich stets hinunter zur steinernen Schrift
Vor den Schritten, gemacht von den Schrittmacher-Beinen
Aufzulesen den Weg, der gleich hinter mich flieht
Wenn ich weiter und weiter und weiter zerlaufe.

In den Augen verschwimmt all das Wasser sich drehend
Ich schau hinterher dem Gewirbel, ein Spuk
Der ganz greifbar geworden sich deckt mit dem nass
Seiner flüssigen Stimme mir sagt, wer ich war
Wer ich war in den Falten der Luft.

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