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Wolf aus Erz: 1 Todesfels

Last updated on 16. Juli 2024

Sie hörten vom Tod nur flüstern. In ihre Spanbrettbude, die sich den ausladenden Flur erobert hatte, drangen die Geräusche eines Zeitpunkts nur sporadisch ein, mischten sich mit Träumen, die noch vormundan das verwirrende Spiel mit ihrer gegenwärtigen Existenz trieben.

Jedes Wochenende knallte mindestens ein Auto, für alle Insassen stets tödlich, gegen den Stein, auf dem ›Granitwerk Vates‹ stand. Darunter befand sich, ebenfalls gemeißelt, ein Pfeil, der die Richtung vorgab, in der der Steinmetzbetrieb an der Eger zu finden war.

Es gab da keine Kurve, aus der man hätte herausfliegen können. Die Straße führte kerzengerade an der Auffahrt vorbei nach Hebanz. Der Granit zog sie magisch an. Ludwig war immer der Erste, der beim Sterben half, erzählte dann beim Frühstück seinen Kindern von zerstückelten Leibern, den wieder rein gestopften Gedärmen, den zappelnden Torsos. Die Decken, die er aus seinem LKW nahm, ließ er am Unfallort zurück. Am nächsten Tag waren da Splitter und braune Flecke geblieben, die sich Adam mit Claus zusammen ansahen. Obwohl Claus Angst hatte, berührte er den gemeißelten Stein, etwas, das Adam selbst nie wagte. Und wenn sie mit dem Fahrrad von Schwarzenhammer herausfuhren, glaubten sie, einen Sog zu spüren, kurz bevor sie die Auffahrt erwischten. Sie hatten von den zahlreichen Unfällen keinen einzigen je mit eigenen Augen gesehen, aber weil es unmöglich schien, auf dieser Strecke von der Fahrbahn abzukommen, glaubten sie, dass der Stein, der tief in einem Rasenstück auf der rechten Straßenseite saß, um auf das Granitwerk hinzuweisen, selbst hinaus griff, um sich das vorbeirasende Auto nicht entgehen zu lassen. Schreie hörten sie nie. Das Krachen hörten sie immer, das singende Blech, und vielleicht gingen alle, die dort starben, um, vielleicht bildeten sie jene Gesichter, die sie manchmal in den Fischteichen oder in den Gedärmen der Aale gespiegelt sahen. Adam glaubte einst einen Traum gehabt zu haben, der das bestätigte. Er wusste nicht, ob die junge Frau, die darin vorkam, ihm ihren Namen genannt hatte, aber die Erscheinung erzählte ihm, dass sie kurz vor dem Aufprall plötzlich aus dem Auto gerissen wurde und unverletzt hinter der Unfallstelle auf dem Asphalt stand, frierend und zitternd in ihrem dünnen Kleid, und den qualmenden Totalschaden mit ihrem verdrehten, blutverschmierten Körper hinter dem Lenkrad betrachtete. »Vielleicht kannst du etwas damit anfangen«, sagte sie und verschwand. Aber das konnte Adam nicht, denn was die Unbekannte ihm im Traum erzählte, deutete darauf hin, dass sie vor Schreck gestorben sein musste. Was sie vor dem Aufprall gesehen hatte, verriet sie ihm nicht.

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