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Der Weg nach Raha: 9 Adam und der Schatten (2)

Last updated on 19. Juli 2024

Dem Dante gleich wurde ich durch die Asche geführt, durch die Ringe höllischer Täler. Wir spazierten an schreiendem Morast vorbei und passierten Ruinen, die im Dunst der ewigen Dämmerung aufragten wie Steingebisse. Aber an meiner Seite befand sich nicht Vergil sondern ein Schatten. Deshalb zieht es mich zu den Höhlen hin, zu den moosbewachsenen Steinen, zum Sicker, den variskischen Falten, schmeicheln den Wollsackverwitterungen will ich da, gespreiztes Gestein, durch dich hindurchgleiten, phallischer Fels, mich von dir abkünftig wähnen.

»So«, sagte der namenlose Schatten, »das ist der Fleck«, sagte er; und ich weiß es doch eigentlich selbst, aber er – er will der Fleck sein, er will jede Fliege hier erfunden haben, er will sagen: »Diese Schönheit ist mir zu verdanken. Siehst du den Baum da?«

Endlich lerne ich den Demiurgen kenne, den Unvollkommner höchst selbst. War hier alles einst Flut, Wasser also, war hier höher als die Alpen. 530 Millionen Jahre ist das jetzt her und wir haben nur die ganze Zeit gepennt, oder bist du der Meinung, wir sind alle auf dem Amboß Feuer-und-Eis geschmiedet worden? Wie schmiedet man denn so ein Seelendingchen, oder ist’s am Ende doch nur Atem, also Hauch, so ein kosmischer Wind, der gar nicht richtig weht?

»Stell dir vor, alle würden in Reih und Glied stehen und gemeinsam gleichzeitig eine Richtung anblasen!« sage ich zu ihr, die mich sieht, wie ich sie sehe, die ich sehe, wie sie mich sieht.

»Da würde nichts geschehen.«

»Nein, da würde nichts geschehen, aber wäre das mal ein Gebet; was sagst du?«

Keine Worte, nur Wind. Von allen Dingen das unmöglichste.

Dieser Ort war beatmet, hier war der Hauch eines großen Mysteriums gegenwärtig. Platon kannte solche Orte und schrieb im Phaidon : Du kennst die Geschichte von den Seelen, die ruhelos über Gräber und Friedhöfe wandern, in deren Nachbarschaft man geisterhafte Phänomene sah; es handelt sich dabei genau um jene Art von Erscheinung, wie Seelen sie hervorbringen, die im Moment der Entlassung nicht rein waren, sondern noch Teile der sichtbaren Substanz mit sich führten, was erklärt, warum man sie sehen kann. Ganz eindeutig sind das nicht die Seelen der Guten; es sind die Seelen der Bösen, die als Strafe für ihre schlechten Taten im früheren Erdenleben dazu verdammt sind, an jenen Orten umzugehen.

Ich fragte meinen unsichtbaren Begleiter, ob wir es hier mit einem derartigen gespenstischen Ort zu tun hatten.

»Es ist so ein Ort!«, sagte er.

»Du glaubst, dass selbst dieser Fremde …«

»Dieser Mann ist nicht hier, ebenso wie die beiden Kinder, die du Verliebte nanntest, nicht hier sind.«

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