Ich strecke die Hände aus, auch im Geiste, die Hände aus nach dir. Du windest dich, ich halte es für einen Tanz. Manchmal tanzt du, windest dich nicht, ergibst dich dir selbst, und ich mache mich über dich her, beuge mich nach vorne, zu dir hin, in dich hinein, durch dich hindurch. Ein Ort, an dem deine Kräuter wachsen. Ich bin verloren. Wie ich mich in deinen Gewittern winde, Blitzfinder im Regen. Ich gehe den Weg unaufhörlich, finde mich auf mich selbst wartend vor, nur um mir zu sagen, geh weiter, wer immer du auch bist. »Wer bist du?«, rufe ich und sitze bereits in dir, halte Kräuter in der Hand. Du wirst mich finden, die Orakel werden meinen Namen nennen, die Wurzeln werden nach dir greifen, die Vögel werden deine Ohrentrommel bersten lassen durch Lieder, Lieder, Lieder, die meinen Namen singen, die meinen Namen kreischen, die meinen Namen kennen. Stets du die Biene, der geöffnete Kelch, der von der Sonne trinkt. Stets ich das Aufflattern der Pollen, stets wir der Honig des Leibes, golden flüsternd die Unendlichkeit zweier Körper bedeckend, gliederlose Schweißperlen rinnenden Harzes, das überbordende Weltenall, das sich selbst erblickt. Auf Stufensteinen hinauf zum Mond, in den Tann, in rätselhafte Momente, in Staub, ewigen Staub, des Leibes Durst, der Kehle Durst, der Kehlen Durst. Die goldenen Eier des Widders. In den hinteren Auen, am Tanzplatz dort, an dir, nah an dir dran, dir dran. Ich komme aus allen Trögen, Flaschen, Fässern. O sprich mir in den Mund die Lieder, höre mir das Herz heraus!
Monat: März 2007
Pupillenängste
Glotzende Gesichter. Pupillenängste; eine lachende Taube in einer nichtbeleuchteten Gasse; die Stille hat ein Gesicht, zeigt sich im kalten Stein, poliert, erinnert an die Vergänglichkeit. Unkraut umrankt eine Oase des Friedens, Verlassenheit lehnt sich aus einem dunklen Fenster. Die Tür ist schwer zu öffnen, es riecht nach gar nichts. Bilder vergangener Tage ziehen gleichmütig vorbei, kein Vogel pfeift : niemals; kein Blatt fällt: jemals. Irgendwann muss man eines Tages Tagwerk beginnen. Aufgeblasene Scham, pumpende Energie, wie ein Schiff, senkrecht angeordnete Zylinder, Schaufelräder gegen Wind und Flut. Wo wohnst du? Bei der Nachbarin im Bett. Stinkende Straßen, kalte Keller : dreh dich doch einfach mal um!
Ich rittere nach dem Gral, folge den Zeichen, plane nichts. Die Pfütze, die sich nach einem Tritt nicht leert, der Fuß, der darin verschwindet (die Wasserflut schwappt über den Schuh hinweg, rankt das Bein hinauf). Da ist ein Loch, ein verrücktes Loch (im Universum). Diese Löcher; wie wäre es mit uns? Abgetaucht, die Atemluft wird knapp, die See; sieht das denn niemand? Die See auf langer Wanderschaft. Sieht das denn niemand: da ertrinkt doch einer!
Die Sehkraft schwindet, aber der Wald ist da, durch den das Frühjahr gerade gezogen kommt. Obskurer Wechsel der Ortschaft, da blättert es, dort grünt es, Blick in das schlanke Rauschen (auch Tanzen der Zweige); beschlagene Räder, Deichsel der Zeit. Jemand macht sich auf, dem Geräusch entgegenzugehen. Unsere Welt, das ist eine Welt der Wahrnehmung; ändern wir die Wahrnehmung, ändern wir die Welt. Kommt mir bekannt vor, so dreckig hier unten.
»Sie zogen mich durch den Schweinepfuhl!« (Du erfindest dir Geschichten.)
Ich erinnere mich an die Speisen vor hundert Jahren, ich erinnere mich an dich und an die Bibliothek : jedes Buch hatte Flügel, aber keine Seiten. Alle Bücher schreiben sich selbst.
Sie kamen am hellichten Tag, wir bohrten Früchte aus dem Acker, der wenig hergab in diesem Jahr. Was übrigblieb (die Vogelscheuchen fielen um, so fragil erbaut), verschlangen die kehlenden Krähen, wie Totenvögel sahen sie aus, rissen den Strohkopf von deinem Leib. Mit der Axt wollten wir die Ernte retten, die Vögel klagten.
Regen in der Stadt
Regen in der Stadt, er bringt die Oberflächen zum Glänzen
(reinigt die Skulpturen menschlicher Behausung)
der Wetterbericht, der Sturm nicht angekündigt, der sich über Mülleimer hermacht, wie ein zorniges Kind Zweige von den Bäumen der Alleen bricht und die herabstürzenden Tropfen in jeden Winkel wirbelt, wer in den Betten liegt
– Es geht etwas vor
wird durch das Trommeln gegen die Fensterscheiben und heruntergelassenen Rolladen dazu ermuntert, sich tiefer in den Schlummer zu begeben, niemand wagt sich um diese Zeit freiwillig nach draußen, sag es mir, wo bist du gewesen
– Wo gehst du hin
wenn du dich aus dem Atelier schleichst, wenn du
(wie ich weiß)
im Werkzeug wühlst, was uns trennt, was uns noch nicht trennt, die Nacht das Zepter in der Hand, wie es aussieht, wird es einen neuen Tag nicht geben
-Ein Traum
wenn es gut geht, läuft es auf ein Unentschieden hinaus, die Sonne brennt ein diffuses Licht in die Schwärze, ohne sich auch nur einmal sehen zu lassen, das Ergebnis ist ein nebelverhangener Schleier, der wie eine Glocke über allem hängt
(kein Traum, sondern)
niemand ist da, um die Gestalt in dem knöchellangen Mantel zu beobachten, die dem Wind trotzt, ihre linke Hand faßt den Kragen enger, als würde sie sich selbst würgen, die rechte trägt einen hellen Ballon, torkelnd kommt das Wesen, sich weit nach vorne beugend die Straße entlang, hält im Torbogen kurz inne und müht sich weiter zum Rain, seit 1478 das Festgelände, dort findet es, was es sucht
– Da geht etwas vor sich und du wirst mir nicht erlauben, was es ist
(einen Pfahl, an dem noch lose ein paar Drahtreste hängen)
der Draht ist unwichtig, aber auf dem Pfahl soll das Ding, das der Mann mit sich führt, seinen Platz einnehmen
– Sei ruhig, sei wieder ruhig
vereinzelt tropft immer noch Blut aus dem abgeschlagenen Kopf, rinnt durch den Regen begünstigt das Holz hinunter als er aufgespießt wird
(werden es morgen wissen)
der Umfang des Pfostens ist wie eigens dafür geschaffen in den abgehackten Hals zu gleiten, kurz betrachtet der Unheimliche sein Werk, nickt
(und das Haus hat Schaden genommen)
und schlenderte an der Unteren Mühle vorbei Richtung Rotmoos, wo er verschwindet
– Es geht etwas vor
– Was denn
sei ruhig, es war nur ein Traum, ein Traum, der dich einlud, vor die Türe zu sehen, aber da war nichts
– Aber es geht etwas vor
– Aber da ist nichts, nur ein Wetter
nur das Wetter gegen das Haus, alter grober Wind, was bläst du so stark
(alter grober Wind)
wie eine übermütiges Kind