Wir werden durch Symbole, Rituale, Religionen, Sprache und Kunst gelehrt. Unsere gesellschaftliche Sicht der Sterblichkeit verschiebt sich immer dann, wenn sich in unserer Kultur Veränderungen vollziehen. Zum größten Teil, zumindest in der westlichen Gesellschaft, fürchten wir den Tod und versuchen ihn irgendwie zu besiegen, um Unsterblichkeit zu erlangen.
Die Notwendigkeit, den Tod zu besiegen, war stets ein Hauptimpuls der Menschheit. Vielleicht versuchen wir, Unsterblichkeit über die biologische Schiene zu erreichen, indem wir durch unsere Elternschaft versuchen, eine genetische Kontinuität zu erlangen. Ein anderer Weg, auf dem Menschen versucht haben, den Tod zu besiegen, ist durch Kreativität und Erfindungsgabe. Indem wir etwas machen, das über unsere Lebenszeit hinausgeht, versuchen wir die Unsterblichkeit zu finden. Dramatische oder bildende Kunst, Musik, Literatur, Gedanken; neue Wege, der Menschheit zu dienen, ermöglichen dem Schöpfer ein gewisses Maß an Leben jenseits des Grabes.
Wir suchen auch irgendeine Form des ewigen Lebens durch die Religion zu erreichen: eine Wiedergeburt, eine Auferstehung, eine Metamorphose, eine Art von Leben nach dem Tod. Religion in der Vergangenheit bot Trost, aber sie erzeugte auch Ängste, die zu gesellschaftlichen Kontrollen wurden. Lebe ich ein gutes Leben? Werde ich zur Hölle verdammt? Steht mir nach dem Tod ein Urteil bevor? Die Schaffung von Werten und Moral war ein Ergebnis dieser Annahme, dass ein Leben jenseits der Gegenwart irgendwie von den Handlungen oder Überzeugungen im eigenen Leben abhing.
Der Respekt, den wir den Toten entgegenbringen, ist ein anderer Weg, die Sterblichkeit zu besiegen. Die ersten nachweisbaren Zeichen der Zivilisation und der Anerkennung des Lebenszyklus waren die Art und Weise, wie WIR unsere Toten bestatteten. In der Tat basiert das, was wir heute über die Vergangenheit wissen, in der Regel auf Grabbeigaben und Artefakten, die mit den Toten bestattet wurden.
Friedhof bedeutet „Schlafplatz“. Denkmäler und Grabsteine sind ebenfalls eine Möglichkeit, das Vergessen zu vermeiden. Die einfachen Grabsteine und das Vorherrschen des Schädelsymbols in den frühen puritanischen Grabmälern spiegelten das Beharren des Puritaners wieder, dass die „Endzeit“ nahe war und zeigten die Verachtung für eine garantiert temporäre Welt.
Im neunzehnten Jahrhundert wich die grimmige theologische Konzentration auf eine zum Untergang verurteilte Welt mit wenig Aussicht auf den Himmel schließlich einer weniger pessimistischen Form des Christentums. Es wurde Hoffnung auf ein besseres Leben in einem jenseitigen „gelobten Land“ angeboten, wo man mit denjenigen wieder vereint werden konnte, die man vorher verloren hatte. Auch kam es zu einem soziologischen Wandel durch die neuen Wissenschaften der Psychiatrie und Psychologie und sogar der Kriminologie, so dass man glaubte, dass die Menschen reformiert oder zum Besseren verändert werden könnten. Auf Friedhöfen wurde dieser neue Optimismus durch süße, geflügelte Putten, tröstende Engeln, verzierte Gräber und den milden Grabinschriften jenes Jahrhunderts widergespiegelt. Der Tod selbst schien durch das Versprechen eines Lebens jenseits des Grabes weniger abschreckend zu sein.
Unsere modernen parkähnlichen Friedhöfe nehmen hier ihren Anfang als angenehme Orte innerhalb der städtischen Grenzen für die Lebenden, die so unter den Toten spazieren können, um über ein mögliches Wiedersehen nachzudenken. Tod und Trauer wurden im neunzehnten Jahrhundert häufig etwas romantisiert. In einer Zeit, als die Säuglings- und Kindersterblichkeit extrem hoch war, konnte dies ein beruhigender Gedanke sein.
Die Totenacker waren nicht länger an einen privaten ländlichen Familienfriedhof oder an das heilige Gelände der Kirche gebunden. Jede Person konnte an diesem neuen Ort der Ruhe begraben werden. Wenn sie wollten, konnten sie mit ihren Nachbarn oder Feuerwehrleuten oder Veteranen oder solchen, die die gleiche ethnische Herkunft hatten, begraben werden. Wenn man an das Leben nach dem Tod glaubte, konnte man sich auf einen Tag konzentrieren, an dem Gläubige aus dem Grab gerufen wurden. Der Gedanke war tröstlich, zu denken, man würde eines Tages selbst aus dem Grab gerufen. Die Religion war immer noch einflussreich, aber die städtischen gesellschaftlichen Bindungen koexistierten mit ihr. Ein weiterer ganz praktischer Einfluss war der erhöhte Platzbedarf durch verschiedene Krankheiten, die in nur kurzer Zeit Tausende auslöschten. Anfangs waren diese „Friedens-Höfe“ vollgestopft mit gotischem Marmor und sogar kleinen Mausoleen. Aber schließlich ersetzten die schlichten einheitlichen Grabsteine der Moderne das Individuelle und Dekorative. Sie spiegeln unsere gegenwärtige Betonung der Rationalität und unsere bürokratische Zeit wider.
Heute hat die Religion kein Monopol mehr auf den Tod – Gesetz und Medizin haben das übernommen. Durch Gesetzestexte können die Toten durch Vermächtnisse und Testamente unnatürliche Macht über die Lebenden ausüben. Der Tod ist kein natürlicher Teil des Lebens mehr. Unser Leben wurde erweitert und verlängert. Wir sterben nicht mehr zu Hause bei Verwandten, sondern in Institutionen, in die uns die moderne Wissenschaft versetzt hat. Wir fürchten den verlangsamten Akt des Sterbens in diesen Tagen vielleicht mehr als den Tod selbst. Jetzt sind es die Alten, die annehmbar und unter wenig Kummer sterben, und der Tod wird nicht mehr als nützlich erachtet. Einst kam der Tod vor allem über die Jungen und die Schwachen; jetzt ist es das junge, unerfüllte Leben, das man, wenn es verkürzt wird, betrauert.
Im Horror haben wir uns immer schon mit den Toten und mit dem negativen emotionalen Terror der Unsterblichkeit beschäftigt. Die meisten unserer Archetypen sind symbolische Darstellungen des Lebens jenseits der Realität und jenseits eines tröstlichen Lebens nach dem Tod. Gespenster sind hier meist die gestörten Geister der Toten; Zombies sind die lebenden Toten; Vampire sind ein Triumph der Unsterblichkeit – und auch ihr Fluch. Unsere Monster – wahre, verwandelte und menschliche – sind erschreckend, weil sie den vorzeitigen Tod bringen. Wir personifizieren das, was uns am Tod ängstigt: dass das nächste Leben schrecklicher sein könnte als das gegenwärtige; dass die Toten uns als Beute betrachten und dass all unsere Religion und Vernunft dies nicht verhindern kann; dass es böse Mächte gibt, die den Tod benutzen, einen Tod, der gewalttätig und unnatürlich ist; selbst wenn wir unsterblich sein sollten, werden wir ewig Leiden.
In den Vereinigten Staaten sind wir fasziniert von einem gewaltsamen, gefährlichen Tod, ja, vom Tod selbst – genau wie wir von der Erotik fasziniert sind. Das erwächst aus der Zurückhaltung in unserer Kultur, sich öffentlich mit diesen Themen zu befassen. Das, was wir leugnen, ist immer verführerisch. Es wurde beobachtet, dass, wenn Sex von den Gefühlen, der Liebe und der Zuneigung getrennt wird, pornografisch und daher reizvoll wird, es sich ebenso mit dem Tod verhält: auch er wird dadurch pornografisch, wenn er sich von der natürlichen Emotion der Trauer getrennt zeigt. Vielleicht ist es die angloamerikanische Prüderie gegenüber Sex und Tod, die den Horror in der Kultur so populär macht.
Wir behandeln diese Themen im modernen Horror ständig. Wir verführen den Leser und Betrachter dazu, Angst zu haben, indem wir ihn dazu nötigen, darüber nachzudenken, welche Annehmlichkeiten wir doch gefunden haben, um mit dem Tod fertig zu werden.