Im Frühsommer 1959 starb Charles Raymond Starkweather. Ein Serienmörder. Starkweather war einundzwanzig, als er in Nebraska auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde. Da war sein großes Idol James Dean bereits vier Jahre tot. Und François Truffaut drehte Sie küssten und sie schlugen ihn mit Jean-Pierre Léaud als Junge Antoine, der sich seine Welt besser denkt und gegen all das da draußen still rebelliert. Mag man das jetzt nachvollziehen können oder stirnrunzelnd darüber hinwegsehen, aber das Bild von diesem trotzigen Antoine taucht auf, wenn von der traumatisierten Kindheit der Mörder die Rede ist, die Revoluzzer in ihrem eigenen sinnverdrehten Krieg spielen. Eine erbärmliche Rolle. Keine Truffaut-Rolle.
„Scheiße, Mann, ich bin der geborene Killer!“ weiterlesenSchlagwort: Nachtkurier
Arsen mal ohne Spitzenhäubchen
Arsen und Spitzenhäubchen hätte es vielleicht ohne die Giftmörderin Amy Archer-Gilligan nie gegeben. Wie gut und wahrlich mehr als gut, dass Joseph Otto Kesselring ihre Geschichte kannte.
Keine schöne Geschichte. Vom Grundsatz her wenig witzig, da es die einer Serienkillerin ist. Ein bisschen schwarzhumorig freilich schon. Das bleibt aber (moralische?!) Ansichtssache. Allemal, Kesselring, freiberuflicher Autor und Bühnenschriftsteller (1902 – 1967), las über das böse, nicht mehr ganz so taufrische MädchenAmy und schrieb eine Komödie mit imposanter Sahnehaube. Giftspritzer als I-Tüpfelchen. Ein Theaterstück, das weltberühmt wurde: Arsen und Spitzenhäubchen, im Original Arsenic and Old Lace, uraufgeführt 1941 am Broadway und derart erfolgreich, dass der noch im selben Jahr von Frank Capra gedrehte gleichnamige Spielfilm mit einem phantastisch-köstlichen Cary Grant als Mortimer Brewster sozusagen verpflichtend erst 1944 in die Kinos kam. Ein begeisterter Kritiker dazu:
Arsen mal ohne Spitzenhäubchen weiterlesenEs wurde dunkel in seinem Kopf
Ich habe über ihn gelesen. Nikolai Dzhumagaliev. Keine populäre Lektüre. Die Geschichte ist so furchtbar, dass man sie grundsätzlich gar nicht kennen möchte. Nichts für sensible Gemüter.
Nikolai Dzhumagaliev. Killer und Kannibale. Genannt „Kolja, der Menschenfresser“. Klingt wie ein Filmtitel, der in den 1980ern auf dem Index stand. Dzhumagaliev ist aber kein fiktives menschliches Monster. Er ist echt. Und ich las, dass der gebürtige Kasache , Jahrgang 1953, weit über einhundert Frauen ermordete. Er vergewaltigte sie. Er zerstückelte sie. Er trank ihr Blut. Er füllte Teigtaschen mit ihrem Fleisch und Innereien, alles gut durch den Wolf gedreht. Er kochte und briet sie und bot sie ahnungslosen Gästen an. Und das alles fand nicht irgendwann im Irgendwo statt, sondern gestern auf der Landkarte (fast) um die Ecke. Nur hörte man so gut wie nie etwas darüber.
Serienkiller haben für gewöhnlich einen Ruf, dessen dumpfes Echo einmal um den Globus geht. Vorausgesetzt, wir kennen uns ein wenig mit den bösen, wahren Geschichten aus, wissen wir natürlich von den Kiez-Mördern Honka und Lüdke, dem „Totmacher“ Fritz Haarmann, natürlich von Ted Bundy, Jeff Dahmer, John Wayne Gacy… Aber Nikolai Dzhumagaliev?
Es wurde dunkel in seinem Kopf weiterlesenDie denkwürdigen Morde der nörgelnden Frauen
Dies ist die unglaubliche Geschichte der 50 Frauen aus Nagyrév, die über 300 Menschen ermordeten. Tatmotive: Wut, Überdruss, Enttäuschung. Langeweile. Sex. Richtig. Hier und da wohl auch Verzweiflung. Kaltschnäuzigkeit allemal. Mangel an Respekt vor dem Leben des anderen in jedem Fall. Die Frauen mordeten, als würden sie sich in einem makabren Wettbewerb befinden. Eine von ihnen war Juliane Libke. Sie tötete ihre Stiefmutter, Tante, Schwägerin, ihren Bruder und zu Weihnachten ihren Mann. Und noch einige Familienmitglieder, die ihr lästig waren und Grund zum nörgeln gaben. Derart geübt bot sie der unzufriedenen Nachbarin Maria Koteles gern ihre Hilfe an. Auf der Anklagebank senkte Juliane, laut Gerichtsprotokoll „stämmig und ungestalt, mit bösestem Gesichtsausdruck“, etwas kleinlaut das Haupt, zuckte vermutlich ratlos mit den Achseln und erklärte schlicht:
Die denkwürdigen Morde der nörgelnden Frauen weiterlesenBöse Geschichten: Wenn Mutter weg muss
Erst kürzlich passierte das grundsätzlich Unentschuldbare wieder. Im Film. Trotzdem. Ein französischer Krimi. Das alte Paris, geheimnisvoll schwarz-weiß. Zimperlich sind die Leute dort alle nicht. Aber höflich. Der Sohn sagt mit sanfter Stimme zu seiner Mutter, die erschöpft von einem deftigen Streit mit ihm auf dem Bett liegt: „Dors bien, maman. Repose-toi, maman.“
Das klingt sehr viel hübscher als gemeint. Schlaf‘ gut, Mama, ruh‘ dich aus, Mama. Sagt er ergo und drückt ihr ein Kissen auf das Gesicht. Heult noch, während sie mit den Beinen strampelt. Weil er sie ja eigentlich nicht töten will. Wischt sich trotzig die Tränen mit dem Handrücken ab, als sie sich nicht mehr bewegt, und seufzt deutlich vernehmbar höchst erleichtert auf. Weil er sie tatsächlich nicht auch nur einen Tag länger um sich haben wollte. Weil sie ihn immer nur gegängelt, den Bruder vorgezogen, ihm seine Schwäche, sein Versagen vorgeworfen hat. Und weil sie überhaupt eine fürchterliche, freche, fiese Mutter war. Da zählte ihr Tod für ihn als logische Konsequenz.
Böse Geschichten: Wenn Mutter weg muss weiterlesenDas Hexenmädchen von Pendle Hill
Tatsächlich passiert: Da bringt ein neunjähriges Mädchen seine komplette Familie unschuldig an den Galgen. Lebt frei und mehr oder weniger fröhlich weiter. Entkommt als erwachsene Frau der eigenen Hinrichtung, weil höchst wundersam das Glück über sie wacht. Lebt anschließend offiziell unbescholten weiter, bis…nun, mehr ist nicht überliefert.
Vielleicht hat der Blitz sie getroffen. Vielleicht traf er auch Richter Roger Nowell. Das wäre gerechter gewesen. Aber dies ist keine gerechte Geschichte. Und keineswegs eine nette Geschichte. Da gefällt uns schon die Basis nicht, obgleich sie noch gar nicht richtig erzählt wurde. Großes Defizit: Es fehlt komplett die Moral. Irgendwie berührend, vielleicht betroffen machend, gar heldenhaft und ehrenwert ist da rein gar nichts. Dafür lacht der Teufel sich über so was eins ins Fäustchen.
Das Hexenmädchen von Pendle Hill weiterlesenRaimis böse Hand und was aus ihr wurde
Der Koch-Horror-Kurztrip „Attack of the Helping Hand“ war kein Meilenstein in der Filmgeschichte. Kennt vermutlich auch kaum jemand. Ist aber eine spannende Sache, weil der sechsminütige Schauerstreifen als Erstlingswerk von Sam Raimi gilt. Der nun ist Schöpfer der legendären Evil-Dead-Trilogie und längst schon ein weltberühmter Filmemacher. Hat ergo recht bescheiden klein angefangen und wurde ziemlich schnell ziemlich groß. So kann’s gehen. Knapp zwanzig war Samuel Marshall Raimi, Literaturstudent aus Franklin in Michigan, als er gemeinsam mit seinem „Blutsbruder“ Bruce Lorne Campbell, dem Ash zu späterer Stunde, seinen Kurzfilm über eine mörderische Hand drehte.
In der Küche ging der Horror los

Wir schreiben 1979, Schauplatz Küche, Hauptdarsteller eine ahnungslose Hausfrau, die scheinheilige „Helping Hand“ und ein trotteliger Milchmann, gespielt von Raimi persönlich. Die „helfende Hand“, als freundliches Werbebild auf einer Fast-Food-Packung bekannt, wird lebendig und vor allem böse, greift die Frau an und will ihr an die Gurgel gehen. Sie wehrt sich panisch, kämpft mit der Hand und haut versehentlich den Milchmann um, der plötzlich in der Küche auftaucht. Der Milchmann verkennt komplett die Lage, bis ein Messer in seinem Rücken steckt. Die Frau kümmert das nur bedingt, sie will mit allen Mitteln die Hand loswerden. Klappt mit einem Mixer. Beschwingt holt sie sich eine neue Fast-Food-Schachtel, da grinst sie ein Marchmallow-Männchen auf dem Küchentisch an, sagt was und…
Raimis böse Hand und was aus ihr wurde weiterlesen