Das Crimson’sche Semikolon

Die Erklärung, daß Staub nur Staub ist, ist ein gut gekleideter Irrtum. So viel die Himmel sich verdunkeln, gräbt mein Herz nach Abenteuern. Es bleibt nichts, die Ewigkeit endlos, die Dämonen der Chetin Bat Scheba, der Mutter des Salomon, Autorin der Tora, Kompilatorin des Tanach, Erfinderin des blasphemischen und skandalösen Gottes Jahwe, sticht aus eisigen Wolken hervor, steckt ihre Klauen in die staunenden Münder, reißen jedwedes Wort von der Zunge (die Lippen zerfetzen sich selbst).
Formen werden zu Brüsten, Brüste werden zu Bergen, nehmen das Gesicht zwischen ihre Höcker, irgendwo die fremde Stimme, kommt sie doch von außerhalb, dringt an das Ohr im Dämmerzustand, eingeklemmt zwischen zwei Brüsten.
„Ich habe noch eine Dose Nescafé; wenn einer noch eine Dose Nescafé hat, ist seine Lage nicht völlig aussichtslos, er kann noch eine Weile durchhalten.“

Im Lande Ingwäoni

Hatten nicht immer die Frowen die Kunst verstanden die in Stäbe eingeritzten ›Buohstaben‹ zu deuten, Buohstaben=Künstlerinnen, die das Raunen losten, die durch das, was sie durch das rizzan gelost, dem Reißer huldigen, wie heute noch, ob brüllig ob klein
ist die Alliteration geglückt, darf er sich im Bade mit ihr suhlen
(schreibt nicht jeder für die Weps?)
Kepse mio
im Lande Ingwäoni: die Flattermannen, die Bernsteingefäße voller Rabenblut, ›dies martis‹ erzähle ich das Gerücht nun weiter, wir sind nicht an dem Städtebau interessiert, leben abseits lieber als in seiner Nähe, nicht wie ihr in Rom, die ihr gut und gerne aufeinander hockt, den Schweiß des anderen deutet
(ein Moschusgeflecht auf Pergament)
ihr habt sie lange nicht mehr gesehen: Druckgeister, Manwulfe, Alben und Wichte mit ihrem König Oberon, Alraunen, Feen und Wahl=Küren, eure Gespinster sind euer eigener Gestank
schlanke Wirrnis Welt, stand auf dem Telegramm, ich hatte es mir selbst geschrieben, habe einen falschen Namen angegeben
(Solipsismus und das Problem des Fremdseelischen)
was ist der Mensch ohne Menschen, aussterbendes Tier, Nahrung der Unterdrückter
(ganze Jahre lang, unendliche Tage)
letzte löchrige Bibliothek, Chronik eines Überlebens, Fantasma, Biograf für niemanden mehr, Sucher nach dem Anderen
(da wird doch wohl noch einer)
für meine eigene Erinnerung, die aufsaugt, was ich fabriziere, in der eigenen Suppe wende ich mich
(nachts)
ich drehe mich um, es sind Geräusche da, sie stammen nicht von mir, die Gedanken lassen mich nicht schlafen, hängen von der Leber ab, die Säfte gären dort, Begierden, umfangen der Gipfel leuchtet ein Morgenrot, gewälzt in dampfrosschwerem Schweineschweiß, jetzt warten auf das Nimmerlein sakrosankt.

Trolle & Barstukken

Die Erinnerung ist aus den Gegenständen herausgeblasen, ihre Be­ deutung leer. Es scheint für alles einen Zwilling zu geben, jeder real existierende Gegenstand ist gleichzeitig das Requisit eines Traumes. Diese Regale hier unten sind müde Bretter, aus einem toten Forst gebrochen, verwandelt, unseren Knochen so ähnlich, wenn sie zerstoßen, zermahlen, genagelt oder verschraubt die Flaschen Wein umkrallen, im Kellerstaub auf Nachschub warten, denn es sind noch Plätze frei.

Der Mond leuchtet den Wichteln, Trollen, Barstukken, leuchtet je­ nen, die selbst nicht glühen und in ihrer hölzernen Hand keine La­ terne mitspazieren lassen. Stock und Stein, Wurzeln, Farne: leuch­ tet der Prozession hinunter ins Dorf! Wölfe küssen feucht.

»Was ist mit den Räubern?« Sie lercht, lächelt nicht in ihren Gum­ mistiefeln, die ihr bis knapp unter die Knie reichen; sie bie­ gen sich noch kaum, starren um ihr schmales Gesöck herum, stempeln die halbtrockene (halbnasse) Erde, ritzen Dagewesenes hinein.

Und dann gibt die Erde nach; sie stampft noch etwas tiefer, blickt mit gemarterten Augen auf zu den Gesichtswipfeln, die vor einem aschfahlen Himmel wippen, Bärte daran gekauert.

In der Nacht wollte sie die Erinnerungen zähmen. Am Tage, sagte sie, gelänge ihr das nicht, weil sie ständig in die Einsamkeit hin­ einsehen müsse, die sie zwischen zwei Menschen entdecke. Sie sagte, sie suche gern Dinge oder Orte, mit denen sie einen Pakt zur Animation ihres persönlichen Dramas geschlossen habe, wieder auf.