Supernaturalistisches Kabinett

I,

Beim betreten der Knochenkammer helfen Schuhe
die an den Fesseln sehr eng geschnürt sind
dabei französische Automobile darzustellen.

Die Luftlöcher
bleiben weiterhin ein Ärgernis
aber keines
das nicht durch eine Partie Schach
aufgelöst werden kann
vorausgesetzt, die Miniaturen werden
von jener Dame abgestaubt
die uns von der anderen Straßenseite aus zuwinkt.

Geben wir uns nicht der Illusion hin
mit Steinen gefüllte Blusen
könnten jetzt
da wir den Tee aus Marmorvehikeln schlürfen
ihre Taktik ändern.

Wir lernen
die Keuschheit in einer Pillendose unterzubringen
die uns zum nächsten Punkt bringt -
der Heiterkeit des Telefons.

Wir hatten von dir gehört.
Du seist mit exotischen Soßen sehr spendabel
würdest, angenommen, das stimmt
auch auf die Gabeln verzichten
die sich unkontrollierbar vermehren.

Also holen wir unsere Affen hervor
und zeigen ihnen leise
wo der Notausgang einen Knick vorsieht
es wäre schließlich unvorstellbar
eine Tube Salz in der trockenen Wäsche zu lagern
obwohl wir unsere Namen noch nicht vergessen haben.

In diesem Buch stehen noch immer dieselben zwei Wörter
die sie schon auf die Innenschenkel von Grashüpfern
tätowieren wollten
damit sie von der Wissenschaft
nicht vergessen werden können.

Niemand kam auf die Idee
ausgerechnet jetzt den Keks
über die am Boden Liegenden zu krümeln.

Das würde morgen zwar in der Zeitung stehen
aber nicht so sehr
wie deine Tanzschritte
unsere neuen Gäste beeindrucken.

Greife doch bitte kurz hinter dich
und reiche uns von dieser köstlichen Farbe
einen Zentimeter mehr Geschick.

II,

Das Klingeln im Ohr war hausgemacht, ein
Manucaptus voller Überraschungen, die nach der
Wahrheit streben, sie aufgrund des
Staubigen Bodens aus den Augen verlieren.
Wo zum Teufel kommt es her? Wer steht
Hinter den Blechfiguren, versucht, sie anzumalen
Während voller Fahrt, Dampf im Kessel,
Himmel unter den Füßen? Eines Tages sollten
Wir es erfahren, das Begehren hintanstellen,
Austreten aus den Sümpfen, den Sumpfgasen, Verballhornungen
Ewiger Ruhe, dem Garten, der darin steht, um
Uns mit Schall und Rauch, mit Tafelwasser
Und einem niederträchtigen Pudding zu versorgen.
Dann werden wir einsehen, wie schwer es ist,
Der Milchmann der Zeit zu sein.

Zorn entweicht den Lippen inniger Küsse,
Ihr Gehege wird durch echte Zeitlupe enttarnt,
epochenschwer weitergeführt auf rutschigem Eis.
Du malst dieses Bildnis zu ende, ich weiß,
Dass in den Briefen von dir Zeichen von bescheidener Kraft
Darauf warten, zerkleinert und als Pulver geschnupft zu werden.
Die Vielfalt ist also nicht nur ein Traum, der
Auf 30 Grad Celsius heruntergekühlt wurde, kein
Wuchtiger Schlag mit der Suppenkelle gegen
Die Brandung ordinärer Musikstücke,
Von zwei Meistern im Delir zusammengegeigt,
Aber nutzlos, wenn es darum geht, dem einen
Nicht das Geld des anderen zukommen zu lassen.

Nature morte

Stuhlbeine
ein künstlicher Wald
auf dem Parkett
der Wunsch, besessen zu sein
oder nichts
mit Bequemlichkeit
zu tun zu haben

Willkürliche Anordnung
von Händen, die sich
Platz schaffen
von dort unten
schaut niemand
nach oben
darüber hinaus nicht.

Der Ruß im Raume wogte

: temperamentvoll hatte sie auf einer ihrer
vierzehn Harfen gespielt, das geschnitzte
Cherubenpaar über der Wendeltreppe aufgehäuft.

Taxierungen mit rascher Abschiedsszene &
1 Schlafzimmer im ersten Stock, zwischen all
den wurmstichigen, mottenzerfressenen Reliquien,

doch der Ruß im Raume wogte.

Man könnte uns das eigene Ich
wegnehmen wie ein Taschentuch.

: zündete ein Streichholz an &
in seinem flackernden Licht

Demnächst
wird die Bestie sich unter Betten ver
stecken, Stücke aus den Füßen beißen. Seiten
Sprünge eines abenteuerlustigen Otters auf
der Suche nach abwechslungsreicher Nahrung.

Man fixiert nicht seine Gedanken auf das
Inventar, trägt kaum braunen Schorf
zu eingefärbten Tennis-Socken (oder, wie
heute so oft gesehen, mit Schönschrift auf
dem Hosenbund. Die Gedanken agieren
freiheitlich & was das Wichtigste ist : pervers.)

Noch einmal steht uns der Sinn nach
diesem Mischgetränk :

Zufälle sind meine Heimat,
Heimat ist Menschsein

Zwangsräumung und Willkommensgrüße warten
bis sie dran sind

Ich könnte jetzt aus dieser Perspektive
einmal noch an mir zweifeln
& der Dichter fährt bekleckert
zurück nach New York, das er zuerst für einen Haufen
von Schafen gehalten hat

Am Brunnen vor der Lore

Wir schmierten Welpenbutter auf ein schornsteindunkles Brot
Nichts kann uns die Nacht erklären, die im Eise schwelgt
Und sich im Fieder wiegt wie leise auch die Motten
Von Firsten bluten Hirschdämonen ihre Kabel-Adern leer
Walmblechuhren schnabeln turteltaub auf diesem Dach
An einem garngesprenkelt kühnen Silberknauf, das Tor, das Tor
Ahndungsgepeitscht, Du Miozän, goschen mundlos sich die Jäger wach
Tragen Aschefleisch durch Schimmelstein
Aus Pferdenüstern steingeworden Atem pumpt hinauf

Fetisch

Die bunte Substanz war nun überall auf
der Chaiselongue verschmiert; eine Folge
falscher Fragen, in alle Himmelsrichtungen
treibend. Mitunter ist der Kopf eine
wässrige Melone, die sich hinter halb
geöffneten Türen daran erfreut, die
abgelegten Strümpfe der Putzfrau unter
die Lupe zu nehmen.

Zwischenspiel:

Beschnüffle sie, ringle sie,
tanze nach dem Timbre,
deinem wonnevollen Plaisir,
schultere, dem Atlas gleich, dein
kleines bisschen Welt, für die du
keine zwei Tüten benötigst. Hab und gut
stört nicht den Zweifel.

Die Straße ist frei, die Überquerung kostet
nur den Zufall. Die Grenze ist ein
Schlachtfeld der Gedanken, die von diesem
Sendemast in die ganze Welt
getragen werden, Frachtpaket
geheimer Lüste, verborgener Bewegungen,
Herbstlaub schützt dich nicht vor Hallu-
zinationen.

Es könnte eine neue Erfahrung bergen,
sich den Laufmaschen zu nähern, sich damit zu
bewaffnen, um gefährlich zu wirken, wenn der
Garten voller Leute ist, die ein Bus mit
unidentifizierbarer Graffiti an der Flanke,
ausspuckt und einsaugt.
Ausspuckt und einsaugt.

Schwerkraft zum halben Preis

Nebenan, beinahe in der Hinterstube, so aber doch noch im Wintergarten, verkaufte Frau Emsrente Schwerkraft zum halben Preis. Es ist da in den letzten Jahren gehörig etwas ins Wanken geraten, und da man zu keinem Zeitpunkt wusste, was Schwerkraft überhaupt ist, wusste freilich auch niemand, wie man ihr Fehlen kompensieren sollte. Aber Frau Emsrente hatte einen Schwerkraftmixer, eigentlich ein zylindrisches Haushaltsgerät, das von außenliegenden Solarringen umschlossen wurde, und auf dessen Innenseite eine mit Sauerstoff gefüllte Biosphäre angelegt war.
Man kaufte Frau Emsrentes Schwerkraft, wenn man etwas im Umland Spazierengehen wollte.

Der Troubadour, die Kaltmamsel, und die Dame

Der Troubadour kniet nieder, greift ihre Hand mit wonnevollem Blick, der dem Ausdruck höchster Pein in nichts nachsteht, so als wäre er mit dem offenen Schneid des Tuzakmessers geeint.
„Meine Dame“, knistert es aus seinem Hals. „Meine Dame – ich bin Ihr ergebener Diener, völlig fertig bin ich, aber Ihr Diener!“
„Hast Du das gehört, Mamsell“, sagt das engelsgleiche Geschöpf. „Er sagt, er sei mein Diener!“
„Das sagt der doch nur so, das meint der doch nicht.“
„Aber ich meine es! Im Staub mein Knie, so schaut!“ ruft der Versemacher und plärrt, die freie Hand auf die Brust gelegt und einen Kropf blasend, los:

Nichts schimmert mehr, wenn es Dein
Antlitz ergafft, das so hell
wie die Sonne es neidet!
Nichts glimmt in den Feuern der
Kesselkanonen, die Gulasch
den Marschallen brühen…

„Jetzt seien Sie aber start! das Mädel erschrickt ja, wenn Sie so einen Käse herumbrüllen – und rot wird sie nicht, weil Sie ihr schmeicheln, sondern weil jeder zuschaut, wie sie da mit Ihrem Flickenteppich an ihre Hand wie einen abgeschlagenen Hühnerkopf halten! Haben Sie keine Heimstatt?“
„Meine Heimstatt ist das Herz der Dame und nur für sie will ich verdampfen im Nebel, der aufsteigt und die Lust mit sich hinan nimmt in den Himmel, der…“
„Jetzt geh, sag doch Du auch mal was!“ unterbricht die Kaltmamsell das mit allerhand Spuckwerk einhergehende Liebesgeschnurre.
„Was soll ich denn sagen. Er liebt mich halt.“

Goethe in Weimar

„Wie ist Euch? Habt Ihr noch nie jemanden pissen gesehen?“
Schwankenden Standes sprach Goethe das Mägdlein an. Sein offenes Hemd lotterte weit über seinen Hintern, und er hielt sich mit der linken Hand am Mauerwerk fest, während er mit der rechten seinen Habicht bediente, den er dem Mädel, das so gar nicht imstande war, wegzulaufen, prompt tröpfelnd zu zeigen wusste. Die Sauferei aus den dreckigen Grabkübeln war noch lange nicht beendet. „Weimar! jetzt werden die Genies erst wach!“ Er packte sich dann aber doch ein, und ging in Wellen an ihr, die sie da immer noch stand, vorbei – nicht ohne sie, wie er dachte, auf den Mund zu küssen, traf aber nur die Nase und das ganze obere Gesicht. Sie selbst wehrte sich nur insofern, als dass man nachher hätte sagen können, sie ließ es nicht arglos über sich ergehen.

Die Entase der Engel

Im Traum sah Sebastian alle toten Menschen, aufgestapelt, über den Horizont der Erdscheibe schwappend wie ausgebeinte Rinderhälften in den abyssalen Rinnstein rutschen. Ihre Ausdünstungen verwesten die Luft, die sich in seine Lungen verirrte und seinen Körper lähmte. Sein Atem gerann und zerfiel in tausend Stücke, die sich von ihm fortbewegten. Die Bäume schwiegen. Er hörte keine Vögel und spürte keinen Wind. Dann aber betraten fünf Tänzer die Lichtung, auf der er stand, Engel in ihrer verkommenen Reinheit, die sich betrunken und wie von Sinnen bewegten. Ein schwarzgekleideter, dürrer Mann mit Borkengesicht näherte sich langsam von links. In seinen Augen waren ›Rote Kobolde‹ gefangen und taxierten die Umgebung. Er beugte sich nach vorne und spuckte aus, traf einen langgestreckten Käfer, der sich zum Trocknen auf den Rücken wälzte. Lange betrachtete Sebastian die ominösen Seraphim und dann die Gestalt, die ihren Zeigefinger in die Luft streckte. Sofort begann dieser, sich in einen Ast zu verwandeln, dessen knorriges Ende Zweige auffächern ließ, die sich mit einem nahegelegenen Baum verbanden.

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