Geschrieben von Dale Bailey
Die Protagonisten sind weder angehende Hollywood-Größen noch durch Gymnastik gestählte Körper, die im Film in unterschiedlichen Phasen der Nacktheit gezeigt werden: es sind alltägliche Leute, die den Hauptteil des Films in Parkas rumlaufen. Das Dokumentarfilm-Motiv ist mittlerweile selbst zu einem Klischee verkommen, aber wir sehen noch immer die gleichen jungen Stahlkörper, die in Scheiben geschnitten und zu Würfeln gepresst werden, auf ihrem unvermeidlichen Weg in das nächste Sequel. Nicht wirklich beängstigend. Genauso wenig wie die literarische Seite der Gleichung – selbst durch die versiertesten Händen (und ich glaube, dass wir eine kleine Renaissance des Genres erleben) – gelingt es kaum, mich zu verunsichern.
Das bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass ich ein unzufriedener Kunde bin. Ich sehe mir mir nach wie vor eine Menge Horrorfilme an und ich lese mich ausgiebig durch das Genre – ausgiebiger als irgendein sonstiges Genre. Es ist ein wesentliches Geheimnis, dass ich, als ich mich zum ersten Mal an der kürzlich verschiedenen Trinoc*Con einklinkte, mich selbst zugeben hörte (zu meinem Entsetzen – Wortspiel beabsichtigt), dass ich nicht wirklich hart daran arbeite, die Leute zu erschrecken, und auch gar nicht groß daran interessiert sei: und das von einem Schriftsteller, der ziemlich regelmäßig schreibt, wenn auch nicht ausschließlich für das Genre, und der regelmäßig für die jährlichen Awards nominiert wird. Ich habe sogar einen gewonnen, den internationalen Horror Guild Award, für die Novelle „Death and Suffrage,“ die von Zombies handelt, die von den Toten zurückkehren … um zur Wahl zu gehen. Nicht gerade der Stoff, aus dem Alpträume gemacht werden.
In seiner klassischen Studie über den Horror, Danse Macabre, sagt Stephen King, dass sich das Genre über drei mehr oder weniger eigenständige Stufen definiert, jede etwas weniger rücksichtsvoll als die vorangegangene: Terror, Horror, Ekel. Terror arbeitet mit dem Unsichtbaren, mit dem Gespenst, das nur eingebildet ist. Horror präsentiert das Monster als physische Realität. Ekel – das „Widerliche“ – lässt und zurückschrecken vor der Realität unserer Gedärme (ein gutes Beispiel hierfür ist die Szene in Alien, wo der Brustkorb platzt).
Trotzdem bereitet mir nichts davon schlaflose Nächte. Ich kann mir kein feinsinnigeres Beispiel des „Terrors“ als Henry James‘ Die Drehung der Schraube vorstellen – aber es erschreckt mich nicht. Joseph Payne Brennans „Slime“, namensgebendes – und sehr physisches – Monster, lässt mich nicht daran denken, das Licht anzulassen, während ich schlafe. Und selbst die meisten Ekel-Phantasien – ich denke da an Romeros Dawn of the Dead – lässt mich mehr über die Geheimnisse der Spezialeffekte nachdenken (oder über die computergenererierten Bilder dieser Ära motzen) als dass ich meinen Kopf unter die Bettdecke stecken möchte. Eine (sehr) ungezwungene Umfrage unter meinen Freunden, allesamt Fachverständige, deuteten darauf hin, dass meine Reaktionen keinesfalls ungewöhnlich sind – dass keine dieser drei Stufen dazu veranlasst, zitternd unter der Bettdecke zu sitzen, angstvoll den schwarzen Mann hinter der Klotür zu erwarten, wie man das noch vom Kindesalter her kannte. Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen wir als Erwachsene echte Furcht erfahren, so erklärt uns King, kehren wir in unser erschrockenes, zehn Jahre altes Selbst zurück.
Ich will ihm da nicht widersprechen, mache aber den nächsten logischen Schritt nicht mit: Dass wir durch die Darstellungen des Genres abgestumpft sind, oder dass wir aus unseren Vorstellungen herausgewachsen seien. Wäre das wirklich der Fall, würden wir dem Genre den Rücken kehren – zugegebenermaßen tun das einige Leute auch – so wie wir andere Utensilien unserer Kindheit zurücklassen: Actionfiguren und Barbies, Fahrräder mit Spielkarten in den Speichen, Babypuppen, an denen manche von uns den Ernstfall proben.
Als ich zum Mann heranreifte, habe ich all diese kindischen Dinge aussortiert. Aber ich bin nicht bereit, Horror für ein grundsätzlich jugendliches Genre zu halten. Wenn dem so wäre, glaube ich kaum, dass Stephen King regelmäßig den Spitzenplatz der Bestsellerliste einnehmen würde. Aber er tut es natürlich, was die entscheidende Frage aufwirft: Warum halten wir an einem Genre fest, das angeblich sein Ende erreicht hat – das nicht mehr „funktioniert“ (wenn es das je getan hat)? Ich möchte die Frage endgültig beantworten (fragen Sie einen Mathematiker; es gibt nichts befriedigenderes als eine wasserdichte Theorie zu entdecken), aber hier bin ich darauf angewiesen, über zwei nicht notwendigerweise widersprüchliche Theorien zu spekulieren.
Um zur ersten dieser Theorien zu gelangen, will ich Horror mit einem anderen Genre der Phantastik vergleichen: Science Fiction. Science Ficton hängt nicht an einem Sinn für das Geheimnisvolle fest, obwohl das Erstaunen oft für den zentralen Kern des Genres gehalten wird, aber es hängt an dem Glauben an ein geordnetes Universum, das durch Vernunft wahrgenommen werden kann. Arthur C. Clarkes berühmtes Zitat, nachdem jede hinreichend fortschrittliche Technologie nicht von Magie zu unterscheiden ist, geht davon aus, dass das, was Magie zu sein scheint, in der Tat Technologie ist, die nach bisher noch nicht entdeckten Naturgesetzen funktioniert – das Schlüsselwort hier ist noch nicht. Was an der Welt geheimnisvoll ist wird schließlich in den rationalen Verstand einfließen.
Der Horror-Schriftsteller (und Leser) geht hingegen davon aus, dass das Universum grundsätzlich unbekannt ist und bleiben wird. Die Monster aus dem Lovecraft-Mythos sind nicht besonders beängstigend. Tatsächlich ist Cthulhu mit seinen Tentakeln und Flügeln leicht lächerlich. Als Symbol eines Universums, das vom menschlichen Verstand nicht zu erfassen ist, wirkt er (es?) allerdings hervorragend. Wie Lovecraft es selbst in seinem zurecht berühmten Eröffnungssatz zu Der Ruf des Cthulhu ausdrückt – „der Verstand des Menschen ist unfähig, alles sinnvoll zueinander in Beziehung zu setzen“ – trägt nicht dazu bei, an ein geordnetes Universum zu denken, an eine sinnvolle Welt, sondern an eine Welt voller tiefgründiger Geheimnisse: „Perspektiven der Wirklichkeit“, die uns in den Wahnsinn treiben. Horrorliteratur bekräftigt eine existenzielle Position, die das Clarkesche Gesetz in sein Gegenteil verkehrt: Magie ist tatsächlich Magie. Wir leben in einem Universum, ohne Hoffnung darauf, es jemals verstehen zu können, wo die Geheimnisse niemals durch die Macht der Vernunft aufzudecken sind. Das ist sicherlich beunruhigend, aber nicht im Sinne von Ich-lasse-das-Licht-an, wie wir es als Kind erfahren, noch unfähig, zwischen Fantasie und Realität zu unterscheiden.
Zweitens glaube ich, dass die Dissonanz zwischen Realität und Fantasie – und unser zunehmendes Verständnis davon, während wir älter werden – die Fähigkeit der Horrorliteratur untergräbt, uns im Erwachsenenalter zu erschrecken. Ehrlich gesagt, ist eine Welt, in der Attentate mit zahlreichen Toten an der Tagesordnung sind, wesentlich schrecklicher als irgendein literarischer Text, von Spukgeschichten bis hin zu Hannibal Lecter. Es ist nicht das Versagen der Erwachsenenphantasie, die zur Unfähigkeit der Horrorliteratur führt, um uns für echten und dauerhaften Terror zu begeistern; es ist die Überfülle der Phantasie.
Als Lehrer und Ehepartner einer Lehrerin, und speziell als Elternteil, bin ich mir der Gefahr eines Schulmassakers routinemäßig bewusst. Verglichen mit dieser Realität wirkt The Shining wie ein Spaziergang im Park. Und ich glaube nicht, wie einige behaupten, dass diese Werke eine Katharsis bieten oder diese Ängste bannen. Ich glaube im Gegenteil, dass sie etwas viel Beunruhigenderes ausrichten: sie bestätigen die grundsätzliche Dunkelheit der Realität, in der wir leben, eine Realität, wo das Gute kaum mehr aufzufinden ist, und wenn wir es finden, dann ist es äußerst fragil. Horrorleser (anders als Science Fiction Fans) sind mehr als Pessimisten. Sie sind Realisten, und – hier ist das Geheimnis – Horrorliteratur liefert die Bestätigung, nach der sie sich sehnen. Der Schwarze Mann im Schrank ist kaum mehr als die symbolische Widerspiegelung der Welt, in der wir leben. Und wenn nichts schrecklicher ist als die Realität, der wir ausgesetzt sind, dann würde ich doch behaupten, dass nichts wirklich mehr beängstigend ist.