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Der Gitarrist als Revolverheld

Last updated on 6. September 2024

Der Gitarrenheld ist eine Figur, die in der Vergangenheit – vor allem in den 70er Jahren – stark an den Revolverhelden des Wilden Westens angelehnt war, der wiederum aus dem griechischen Mythos der unbesiegbaren Heldenfiguren im Allgemeinen stammt. Man hat sie oft nicht als gewöhnliche Musiker gesehen, sondern als Teufelskerle, die eine geheime Magie besitzen, ein Geheimnis, das sie nur durch ihre Musik weitergeben können, manchmal überirdische Wesen, die sich weit hinauswagen und mit ungeahnten Fähigkeiten in die Welt des Alltags zurückkehren, um uns allen einen musikalischen Schatz zu schenken. Oder zumindest denjenigen, die die erhabenen Klänge zu schätzen wissen, die ein Meister einer brennenden Fender Stratocaster entlocken kann. Die Anspielung versteht sich hoffentlich von selbst.

Da ich nach der Babyboomer-Generation geboren wurde, war ich zu jung, um die Legenden live zu erleben, aber einer meiner Onkel hatte Jimi Hendrix am 6. September 1970 bei seinem letzten Festival auf Sylt spielen sehen. Ich war damals erst ein Jahr alt, aber ich habe später von seinen Erzählungen profitiert. Es gab viele kleine Bausteine in meiner Jugend, die mich zu dem Musikhörer gemacht haben, der ich heute bin. Man wird geboren, und von da an ist alles nur noch eine Erzählung, wie ein Bilderbuch über einen versunkenen Kontinent, vielleicht einen wie Atlantis. Nie ganz wahr, aber auch nie ganz erfunden.

In den 80er Jahren hatte das Spektakel der Rockshow seinen Höhepunkt erreicht, als das von Machismo geprägte Genre des Heavy Metal dominierte. Der Gitarrenheld war überlebensgroß geworden.

Die Virtuosen Ritchie Blackmore, Yngwie Malsteem und Michael Schenker hatten in ihren melodiösen Kompositionen musikalische Elemente aus Barock, Klassik und Romantik vereint und dabei die Grenzen des technisch Machbaren immer weiter verschoben. Die Texte berührten Themen von mystischer Tiefe, aber es war nicht der Sänger, der die Jugendlichen in Scharen anzog.

Auf der Bühne war der Gitarrist ein Gott, ein wahrer Herrscher über Tausende von begeisterten Menschen, die ihn verehrten. Vielleicht kam er der Vorstellung von Nietzsches Übermensch oder Superman näher als alles, was die populäre Musik der einfachen Jugend je zu bieten hatte. Denn im Gegensatz zu den talentlosen Stars der heutigen Musikszene war er mehr als ein Hampelmann. Durch seine individuelle Leistung und Aufopferung hatte er sich einen besonderen Platz über und neben dem Rest der Band verdient… seiner Herde. Und er war sehr, sehr gut in dem, was er tat. Plötzlich war es cool, nach Größe zu streben. Es war cool, ein bisschen größenwahnsinnig zu sein.

Auch heute noch wird der Begriff “Neoklassik” gerne verwendet, um ein Subgenre zu beschreiben, das von den genannten Virtuosen populär gemacht wurde, aber wie so oft ist der Begriff irreführend. Die Rockgitarre war nie eine traditionelle Verkörperung klassischer Musik und hat dies auch nie behauptet. Ihre Vertreter haben lediglich klassische Strukturen in ein populäres Genre integriert und dabei Wert auf Geschwindigkeit, Präsentation und technisches Können gelegt.

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