After Nine

Wir haben uns entschlossen, die Minzblättchen, die wir nach dem großen Fressen fressen, ‚After Nine‘ zu nennen. Acht war gestern. Natürlich handelt es sich dabei nicht um dieselbe Fabrikware, hiesige hier sind mürber und klingen anders; eher wie „Morks Krumb-Krumb-Krumb“. Die Nach-Acht-Dinger hören sich vielmehr nach „Gnorm“ an. Gnorm nach Acht. Ob die Scheiße nachher auch nach Minze duftet, ist noch nicht beforscht. Mentha x piperita.

Warum ich ein Phantast geworden

Vielleicht ist es das Dilemma der Geburt, das die Perspektive ein für alle Mal verändert, nachdem wir vorher nichts als Wärme kennengelernt haben, die sich um unseren Körper schmiegt, den wir noch gar nicht kennen und zu diesem Zeitpunkt auch nicht kennen wollen. Uns genügt das mütterliche Meer, in dem wir endlos träumen, bis eines Tages die Vertreibung eingeleitet wird. Das erklärt uns später die Sage von Eden, aber kein Apfel war daran schuld – Erkenntnis ist doch eher ein hartes Brot.

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Fleischsauce am Haken

Gäbe es eine Disziplin der Unmöglichkeiten, wäre Fleischsauce am Haken ein Dauerbrenner. Kempten hat noch sehr viele echte Fleischer, Haudegen am Hackebeil, am Viehschußgerät und am Rippenzieher. Die Auswahl fällt schwer, ein Qualitätsproblem gibt es hier nicht, die umgebundenen Schürzen der Metzger sehen besser aus als die im Klinikum, hygienischer auch, schließlich ist es beim Tier nicht egal, wie es verreckt.

Vinzenzmurr
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Radsfatz

Heute sind wir das erste Mal auf unseren Böcken den Berg hinunter zum Feneberg gezickelt. Um uns wasserlösliche Feennuggets zu kaufen, die so gut wie immer auf unseren Neonpostitz notiert sind, die wir uns in der Hoffnung eines in die Zukunft reichenden Weitblicks schreiben. Einer, der uns im Hier und Jetzt die Aura der Lebensmittel wahrzunehmen vermöge macht, die bald durch ihr Nichtmehrvorhandensein in unserer Kemenate glänzen werden. Klappt aber nicht immer. Hinzu kam noch ein Sack Kartoffln, zwei kleine ovale Bassins mit eingelegten Heringsfilets & ein O-Saft (o o). Wir waren schnell, radsfatz! Wie auch du es die letzten Wochen mit der SANDSTEINBURG warst. Wir haben nun über 800.000 Zeichen, wir sind jetzt bei Seite …, vermeldest du immer am Ende der verrichteten Arbeit eines Tages (manchmal auch einer Nacht) an ihr. Wir …: als ob ich sie mitgeschrieben hätte. Klammheimlich womöglich. Was ja feuchtversteckt bedeutet, denke ich über dieses Wort nach, das sowohl vom Wetter als auch von einer tiefen, engen Gebirgsschlucht erzählt, in der ein Wildbach fließt oder reißt. Die heimliche Nässe im Stoff und den Dingen. Denn: Vor allem aus Wasser bestehen wir. Sehr falsch dagegen, wie du erst kürzlich anmerktest, ist der Ausspruch: Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst. Asche zu Asche usw.. Wieder zu Erde zu werden ist mir ja nachvollziehbar, jedoch ein Nymphenbad in ein Marienstaubbad zu verwandeln, würde aus uns ganz andere Wesen machen. Sehr trockene und flüchtige im Angesicht des Windes. Stets Verwehte wären wir, die nichts hält, solange kein Regen, kein Wasser uns bindet. Ähnlich den Orten und Wesen der SANDSTEINBURG. Wabernde, fragmentarische und doch ineinander verwobene Welten eines Kosmos, der sie ermöglicht und doch nicht inne hat. Faszinierende Erscheinungs- und Formenreichtümer, wie wir sie vom Mandelbrotmännchen kennen, die sich stetig wandeln und neuern. Welten, wie wir sie in der Welt vorfinden können, können wir es noch, wie es unserem eigentlichen Wahrnehmungsvermögen entspricht / entsprechen könnte, unterlägen wir nicht auch der Fähigkeit dieses Vermögen unseres Bewusstseins eichen und formen zu lassen.

Verlorene Vergangenheit

Heute kam nach sieben Jahren, die ich nun bereits wieder in Deutschland bin, der Rest meiner Manuskripte und Bücher an. Fabienne, die wirklich eine ausgezeichnete Archivarin ist, hat Bilder, Briefe, Romananfänge mitgeliefert, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass es sie gibt, teilweise bis in die 80er Jahre zurückreichend, als ich noch für das Theater arbeitete. Es waren Studioberichte dabei, als ich meine ersten Hörbücher einlas, Zeitungsberichte und eine Menge skurriler Dinge mehr. Teilweise kann ich gar nicht glauben, dass dies wirklich mein Leben war – aber natürlich weiß ich es besser. Schließlich war auch das Manuskript einer Story von Christian Kind, dessen Nachlassverwalter ich ja bin, dabei.

Wege sind kaum mehr zu finden

Dorfstraßen sind mächtige Wege; das heißt, sie waren es früher einmal. Heute gibt es nur noch Straßen, Wege aber sind kaum mehr zu finden. Der Unterschied besteht darin, dass Straßen irgendwo hin führen müssen, deshalb bewegt man sich auf ihnen, man will die Strecke schnell bewältigen. Ein Weg hingegen ist zum Flanieren gedacht, nicht allein, um anzukommen. Wo auch sollte man ankommen wollen?

Früher war alles besser; aber nur, wenn man heute lebt. Fortschritt ist doch nur das Fortschreiten – das sich-entfernen – vom Guten. Vergessen wir dabei nicht, dass ein Gutes kein Paradies ist, kein endgültiger Zustand des Bestmöglichen; das Bestmögliche nämlich meint keine Existenz. Im Leben kann die Grausamkeit nicht ausgeblendet werden, sie kann nur durch etwas Gutes gemildert erscheinen. In anderen Fällen erreichen wir das Gute überhaupt erst jetzt. Dabei gibt es allerdings kein Wir. Wer spricht, ist entscheidend. Früher war alles besser, weil die Illusion noch funktionierte und weil es etwas Natürliches gab – und das Analoge.