Die toten Augen von London

Toten Augen von London
(c) Constantin Film

Finstere Nacht. Nasser Asphalt. Nebelschwaden über der Themse. Kahler Kopf. Bleiches Gesicht. Weiße Augäpfel. Andy Gerber. Der blinde Jack. Mein erster schwarzer Mann, der im Traum im Keller lauert.

Die toten Augen von London haben bei mir, – seht mich mal als bezopfte Elfjährige -, tiefen Eindruck hinterlassen. Vor kurzem habe ich ein persönliches Exempel statuiert und mir den Gänsehaut-Klassiker von 1961 nochmals angesehen.

Hier spricht Edgar Wallace. Immer noch nicht verstaubt: Dieser Film. Immer wieder gut: Diese Stimme.

Hier spricht Edgar Wallace

Und dieser Gerber und seine Bande? Immer noch die personifizierten Angst-Schocker.

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Eine Geschichte über die Anderen

Nur mal angenommen, wir lernen Menschen kennen, die uns normalerweise erschauern lassen würden. Weil sie gar nicht mehr da sein dürften. Es sind nette, ein bisschen seltsame, durchweg aber freundliche, aufmerksame, hilfsbereite Menschen. Gut so weit. Und dann finden wir Fotos von ihnen. Alte Post-mortem-Bilder. Echte Bilder, die unmittelbar nach ihrem Tod gemacht wurden. Eben Bilder von just Verstorbenen, die man im 19. und frühen 20. Jahrhundert zur Erinnerung an geliebte Familienmitglieder und innig geschätzte Freunde noch eilends anfertigen ließ und in Ehren hielt. Diese Bilder waren die oft einzigen Aufnahmen von ihnen, – die Fotografie, noch in den Kinderschuhen, war halt eine sehr kostspielige Angelegenheit – , und sie zeigten deren Leichen. Das war, salopp formuliert, ja auch besser als nichts.

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Donato Bilancia: Der Missionar des Todes

Die italienische Presse gab Donato Bilancia noch andere unheimliche Namen. Man dachte an Blutrache, an Vendetta. An Verschwörung und Vergeltung jeglichen mysteriösen, düsteren Kalibers. Man nannte ihn: Massenkiller der Mafia. Vollstrecker der Mafia. Missionar der Mafia. Das war, bevor der Mann, auf dessen Konto siebzehn Leichen und ein versuchter Mord gehen, nach seiner Festnahme 1998 im Hafen von Genua frank und frei verkündete:

Ich weiß gar nicht, warum ich das alles getan habe. Ich ging aus dem Haus und nahm mir vor, zu töten. Es ist wohl so, dass ich ein kranker Mann bin.“

Allen vorangegangenen Spekulationen, möglichen Motiven und tiefgründigen Befürchtungen zum Trotze: Donato Bilancio, nach dem in ganz Italien gefahndet wurde, war kein Auftragsmörder. Kein Professioneller, der eiskalt seinen unkommentierten Job erledigt. Kein finsterer Rächer.

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Eine wunderschöne Frau, eine furchtbare Geschichte

Blanche Monnier war eine Schönheit. Umschwärmt. Begehrt. Wie eine Prinzessin aus dem Märchenbuch. Sie war aber kein Rapunzel. Schneewittchen. Dornröschen. Die junge Französin hatte nicht das Glück, aus einem Alptraum wach geküsst zu werden. Sie fand sich wieder als furchtbarer Schatten ihrer selbst. Und erkannte sich vermutlich lange schon nicht mehr.

Blanche, 1849 in Poitiers im Westen Frankreichs geboren, wurde entsorgt, als sie Mitte zwanzig war. Ausgelöscht, ihre Pläne, Hoffnungen, Pläne, Träume. Man nahm ihr komplett das Leben. Schreckliches wurde ihr angetan.

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Sophies Entscheidung

Sophies Geschichte ist furchtbar. Sie ist unfassbar traurig. Die Geschichte macht extrem betroffen. Auch extrem zornig. Und so verdammt hilflos, weil man sich unweigerlich selbst die schreckliche Frage stellt: Für welchen Menschen würde man sich entscheiden, könnte man nur einen retten? Wie verdammt glücklich dürfen wir uns schätzen, wenn wir niemals wählen müssen.

Von der jungen polnischen Mutter in Sophies Entscheidung wird das verlangt. Es ist der Zweite Weltkrieg, Sophie und ihre beiden Kinder Jan und Eva, sieben und vier Jahre alt, sind auf dem Weg nach Auschwitz. Ein SS-Arzt spricht sie vor der Rampe am Zug an. „Du bist so schön, ich möchte mit dir schlafen.“. Sie hat Angst, weicht aus, hält die Kleinen fest umklammert. Er wird wütend, fragt sie, ob sie „eine Polackin, eine dreckige Kommunistin?“ sei. Oder Christin? „Glaubst du an den Erlöser? – Du kannst eins deiner Kinder behalten. Los, wähle!“

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Jeanne Weber, die furchtbare Ogerin aus Paris

Gruselig: Sich selbst mit bloßen Händen zu erdrosseln. Überhaupt schwer vorstellbar. Sich zu erhängen, vergiften, erschießen, ertränken, erstechen…bildhaft in düstersten Farben und praktisch alles machbar. Aber erwürgen? Man sollte meinen, dass jeder instinktiv den Griff lockern würde, gar müsste, wenn die Luft wegbliebe, auch, wenn der Selbstmord beschlossene Sache wäre. Sei denn, man hätte den Wahnsinn im Blick. Im verkorksten Kopf. In den verkrampften Fingern.

1910 tötete sich Jeanne Weber, indem sie sich mit ihren eigenen Händen die Kehle zudrückte. Sie war sechsunddreißig, verschrien als „Ogerin aus der Goutte d’Or“, einer engen Passage in den Slums von Montmartre, und hätte den Rest ihres Lebens als unheilbar Geisteskranke hinter den Mauern der Irrenanstalt Mareville verbracht. Wäre sie nicht auf die Idee gekommen, sich selbst anzutun, was sie ihren völlig wehrlosen Opfern in den vergangenen Jahren mit dem schauerlichen Segen des verborgenen Bösen angetan hatte.

Nachstellung in einem Pariser Journal; links: Jeanne wird von zwei Polizisten abgeführt
Nachstellung in einem Pariser Journal; links: Jeanne wird von zwei Polizisten abgeführt
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Bonnie und Clyde: Ein ewiger Seufzer

Bonnie Parker und Clyde Barrow: Um sie rankt ein Mythos, der die Wahrheit schwer romantisiert. Die Wahrheit ist rau, brutal und blutig. Der Mythos lässt seufzen. So wild. So jung und sexy. Bonnie und Clyde – zwei rebellische Outlaws in der Zeit der Weltwirtschaftskrise auf ihrer fast unbekümmerten Gewalttour durch den Mittleren Westen der Vereinigten Staaten haben es geschafft, sich ein beachtliches Stück Unsterblichkeit zu stehlen. Teils auch gemeinsam mit Komplizen wie Clydes Bruder Buck und dessen Frau Blanche überfielen sie Tankstellen, kleinere Banken und Lebensmittelgeschäfte, erschossen Unschuldige, wurden gehetzt von Polizei und Presse. Gefürchtet. Insgeheim auch bewundert.

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