In Teseo Albinesis Aufzeichnungen aus dem Jahr 1539 wird beschrieben, wie der Okkultist Ludovico Spoletano den Satan beschwor, weil er Fragen hatte, die ihm sonst niemand beantworten konnte. Ein Magier, der sehr von dem deutschen Gelehrten Johannes Trithemius beeinflusst zu sein schien, schrieb Werke wie das Steganographia, das alchemistische und magische Inhalte mit verschlüsselten Botschaften kombinierte, bis er an einen Punkt kam, wo er – ähnlich wie Doktor Faustus glaubte – alles bereits zu kennen, aber doch nichts zu wissen.
„Komm in meinen Körper, Majestät; ganz einfach, um den Stift in meiner Hand zu führen. Was sind diese verschollenen Wahrheiten, von denen ich vermute, dass es sie irgendwo geben muss? Was steht in den uralten Schriften, die ich nicht besitze?“
Der Teufel aber blieb diesmal unsichtbar. Womöglich hatte er seine vorrangige Garderobe gerade in der Wäsche, oder ihm fehlte ein Knopf an seinem feurigen Jackett.In Ludovicos Körper wollte er ebenfalls nicht fahren, um sich als menschliches Wesen über das Schreibpult zu beugen. Also schnappte er sich nur den Stift des Gelehrten, um als körperloser Autor zu fungieren.
Was der Teufel schrieb, war vielleicht nur von Ludovico zu entziffern: eine Reihe von diabolischen Kritzeleien, die von links nach rechts zu lesen sind. Nachdem der Text an mehrere gelehrte Männer weitergegeben wurde, ohne dass die Entschlüsselung gelang, verschwand er auf wundersame Weise in der Versenkung.
Selbstverständlich ist die Geschichte über Ludovico Spoletano eine Anekdote.
In einem bibliografischen Anhang zu Fortunato Castellanis „Tractatus contra hereticos” (Mantua, 1683) findet sich ein einziger, beiläufiger Vermerk über einen gewissen Ludovicus Spoletanus. Von ihm heißt es, er habe „mehr gewusst, als ihm erlaubt war”, und er sei „weder mit der Kirche noch mit dem Himmel versöhnt gestorben”. Die Bemerkung steht zwischen zwei Notizen über die Besitzverhältnisse einer lombardischen Reliquie und den Tod eines Benediktinerabts in sinistra fama – doch in ihr liegt ein Rätsel, das seither einige Leser beschäftigt.
Spoletano war, dessen scheinen wir gewiss zu sein, im Umfeld der römischen Kurie tätig. Allerdings nicht als offizieller Gelehrter oder Mönch, sondern als Mann, der Bücher kopierte und zugleich verbarg. Es heißt, er habe Handschriften aus Toledo, Avignon und dem zerstörten Scriptorium von Bobbio besessen, darunter auch eine italienische Teilübersetzung der sagenumwobenen Clavis Inferni.
Erschütternd ist jedoch der Bericht, der nur einmal überliefert ist – in einer anonymen Fußnote eines italienischen Grimoire-Drucks aus dem Jahr 1721 –, dem zufolge Ludovico Spoletano in der Nacht des 3. November 1666 eine Gestalt traf, die sich selbst nicht beim Namen nannte.
Er soll, nach dieser Quelle, drei Fragen erhalten haben:
„Wie viele Stufen führen zur Erkenntnis?“
„Was trennt das gesprochene Wort vom geschriebenen?“
„Wem gehört ein Gedanke, der vergessen wurde?“
Spoletano, so heißt es, tat sich mit der Beantwortung der ersten Frage nicht schwer, die zweite wusste er mit einem lateinischen Zitat zu umgehen – doch bei der dritten habe er geschwiegen. Die Gestalt habe daraufhin geantwortet: „Dann wirst du zwar sehen, aber das Gesehene nicht deuten können.“
In den darauffolgenden Jahren schrieb Spoletano ein Werk mit dem Titel „De Umbris Pactis“, von dem nur drei Fragmente erhalten geblieben sein sollen: Eines befindet sich angeblich in der Bibliothek des Escorial, ein anderes in einem privaten Archiv in Mailand und das dritte ist auf dem Index der verlorenen Bücher von Borges’ imaginärer Biblioteca de Babel verzeichnet. Die Fragmente selbst bestehen aus Diagrammen, abgebrochenen Aphorismen und einer sich endlos wiederholenden Fußnote: „Der Pakt ist ein Spiegel. Wer hineinblickt, sieht nicht sich selbst, sondern das, was ihn sieht.“
Ob Spoletano tatsächlich den Teufel traf, sei dahingestellt. Vielleicht war es nur ein anderer Teil von ihm selbst, ein übermüdeter Kopist, der am Rand eines Pergaments mehr sah, als dort stand. Vielleicht hat er nie existiert, sondern wurde nur als Warnung erfunden – wie so viele andere, die von Wissen kosteten, das nicht getrunken werden wollte.
Doch in einer marginalen Anmerkung des Jesuiten Botero findet sich ein Satz, der uns zu denken geben sollte. Er schreibt: „Spoletano? Das ist lediglich ein Fluch ohne Autor.“