Im dunklen Trüb

Früher eine Schänke, Quellen aus Mondlicht, ein Splitter der Ver­ gangenheit. Hier wurde weder Licht noch die Luft selbst gelüftet, die Gäste sprachen Double Dutch, flüsterten laut, hatten sich nichts zu sagen und sagten sich nichts zum tausendsten Mal. Das Strand­ gut eines Sommerplatzes: den Elenden gab man gastfrei. Sie stand in der Ecke und sah mich früher als ich sie, stand in meinem Rücken, die­ ser weiten Fläche, ein Fächer für Blicke, weder die Kleidung, die man trägt, noch die Haut widersteht dem Stechen eines in Gedanken arrangierten Blickes. Sie stand da und stand verborgen, karge Mauern hüllten sie ein, Gedanken ohne Gestalt, ohne ein Wort, ein Bild. In der Mitte flackerte ein entsetzlich fun­zeliges Licht, das sich für eine Sonne hielt. Im Keller siechte das Wasser eines Brun­nens, darin keimte die Erinnerung wie in einem Aquarium Escheri­cha Coli, geisterhaft tauchte aus der Tiefe all das empor, was man längst kannte: sich selbst zu fassen bekam man sich nicht.

Muttermörder

Sie sagt »Ba!«, spricht, mehr mit Händen, die Matte in der Ecke an, hebt das Fleischgewitter unzart in den Horizont, ich folge mit den Augen. »Ba!« schalmeits, das Urweib urlautet festgestampft auf dampfem Boden (Käulen statt Schmuck), sie steht da und sagt »Ba!« wie ein Kind, das zum ersten Mal die Zunge lippt, das erste Wort des homo gartenbauikus, zeigt auf ihr Lager wie : Dein Weigern ist dein Tod.
Im Dorf : Muttermörder ohne Anrecht auf Bestattung und Wiedergeburt in einen Sack gesteckt in den Fluß geworfen, auch sah ich Männer, deren Bauch aufgeschlitzt, ihr Gedärm die Wunde eines Baumes bedecken, den sie widerrechtlich fällen wollten, an dessen Stamm festgebunden, bis sie ihr Leben aushauchten, ich ein Mann in einer Gynaikokratie, nicht um zu zeugen war ich ausersehen, sondern zur Befriedigung der weiblichen Lust, die Weiber zeugten und gebaren aus sich selbst, die Idee der Befruchtung war ihnen fremd, zögernd bewege ich mich hin, wo sie mich haben will und dort schlägt sie mich nieder mithilfe der z(h)ornigen Schwielen ihrer Hand, grätscht sich taillen und teilnahmslos über den Gefällten, den Regen beginnend, der aus dem Urwald ihrer Möse schüttet, so erbärmlich der Gestank der wilden Jauche, dass mich Übelkeit umfängt, schnuppernd fällt sie sich auf die Knie, die Nüstern ein saugendes Organ, die rauhblaue Zunge leckt mich in eine empfindungslose Bereitschaft, Tollwut wuchtet sich auf mich und reitet ein Ackerpferd, ganz Veilchen und rot der Beckenschlag, ich lebte von Bett zu Bett in einer Zeit des Schlafes, der unteilbaren Begierde, der Lust Wünsche Vorhaben Illusionen, sie nahmen mich ja mit, als gälte es, Früchte zu pflücken, die Phantastereien purzelten wie ein sich entleerender Pilzekorb aus meiner Mundschlagader, fremdsternig, hier nicht zu Hause, frei, in meinem überwältigenden Bedürfnis nach dem Ander=Part entdeckte ich Urtum, nichts mit Verstand, und sie bewegt sich doch, soviel kann ich dir ja schon Mal sagen, oder anders. Wie ich meine Tage verbringe … lesend, an die Blätter gefesselt, jede Störung ist ein Schmerz in meiner Brust, der Wut entfacht und Abscheu.

Nimrod

Nichts ist mir zu heiß in diesem Land des Nimrod, nichts ist mir die Sonne, der Sand, vor allem aber die Sonne, die wankt, den ganzen Tag wankt, die mich anglüht. Eile Du nur vorwärts! eile zu den Gärten, erblicke die große nichtssagende Schönheit, die alles enthält: das Ganze und dich; jede Blume, auch dich!
Unter der Zunge schwärt die Lüge, die große große Saat. Ich möchte mich niedersetzen auf den Sternenstein, sinnieren mit keimenden Trollblumen, über die Nebel hinweg schauen. Ich möchte an der Hitze erfrieren; die weiße Erde erstarrt.
Was willst du dich beklagen, dass du lebst, wenn du lebst und alles andere stirbt. So weit der Weg nach Mitternacht, der schwarzen Frucht der Finsternis. Dein Herz klopft dort noch leise weiter, wird gehört von Tausenden, die wie Du am Kragen schlottern.
Nichts ist mir dunkel wie die Stunde, die ich nicht verlassen kann. Wenn sie endet, ende ich.
»Will jemand mit mir speisen?«, fragte Nimrod dort am ersten Stein, der lag, wo sich dann Babylon erhob. Nie sagte jemand Nein zu Datteln, nicht zu Wein. Jeder dachte an die große Geschichte, die noch zu schreiben war.

Titanomachia

Alle Mütter stehen Spalier, senden ihre Töchter aus, ihre Hände wedeln dich nach unten, zart wie Tulpenpastellblüten. Halten werden sie dich nicht, aber mildern den Sturz, Titanomachia.
Das Thema ist natürlich die Zeit, es gibt kein anderes. Sie steckt tief in Adams Splancha. Der stellt sich vor, wie es wohl wäre, wirklich in einen anderen Körper einzudringen, so wie er in das Schloss gedrungen ist, in das Zeitloch, das 2007 von der High Active Auroral Frequency (HAARP) in Ramfjorden generiert wurde, das über einem zusammenschwappt wie die Fänge der Dionaea. Der Same trägt aus, trägt die Laster vorne auf dem Bug. Da sitzt er, begrüßt jeden neuen Morgen mit einem Glückskeks des Zufalls, auf dem steht : »Zeit existiert nur, um zu verhindern, dass alles gleichzeitig geschieht.«
Es gibt nur Irrenhaus oder Tod, schon still, die Sprache nur ein Rudiment dessen, was er sieht. Der Traum switcht nahtlos in den Tag, oft hält er noch für ein paar Minuten die Lampe in der Hand. Der Dschinn könnte ihm sagen, wo er sich befindet, was er getrieben hat im Nachtfrost, im unwegsamen, schwarzen Unterholz, Grashalme im Geäst. Vor anrückender Dunkelheit in die wegrückende Dunkelheit hasten. Kaum reibt er das Messing der Lampe, bemerkt er, dass er sich einen runterholt, aber kein Geist erscheint.

Sieh mich an, Liebste, ich erkenne dich durch den Nebel der Jahrtausende, wenn du dich einmal im Leben einem fremden Manne geben musst, weil die Kodizes davon sprechen, so will die Willkür der Götter, dass ich es bin, sieh mich an, ich werde dir die Münze geben, die du dann der Ischtar weihst, und du bist frei, frei zu gehen und mich erneut zu treffen in den Gassen der Stadt, ich komme mit dir, doch lieben solltest du mich nicht, nimm, was ich dir zu geben vermag, in deine Erinnerung auf, dann suche mich nicht mehr, du würdest nur Unglück finden, ich bin eine Dienerin der Amytis, die als Sprössling des Medischen Herrscherhauses nach Babylon gekommen war und nun so sehr an Heimweh leidet, dass man ihr einen Garten entwarf mit den fremdesten Blumen aus niedergeworfenen Welten, dort gieße ich die Orchidee, die sich in Lust auf den Terrassen windet, dann werde ich dich von hier freien

– Von der Schwarzen Sonne freit man nicht

diese Figuren sind Tänzer im Universum, sie haben keinen Namen, also gebe ich ihnen Namen, da sind sie, auf schwarzen Tablaren wirbelnd, zirkuid artistend, sind voll Raum in den Weiten ihrer Schatten, liebend sind sie die Bewegung, lamentierend, von hier aus beobachte ich mein Schreiben, seismographend, was kommt und rührt mich an

(Sack voll Blut)

in ihm Gedanken, die Seele des Krieges Unruhe ist Frieden

Höhle oder Loch

eine bestimmte Stelle an der Schulter bringt das radfahrende Mädchen in die Bredouille, das umfällt während ein Papierfetzen Bazooka-Joe auf das Ufer späht zappelt, die Hose ist fast weg, der weiße Teig zeigt die Sitzbacken jetzt aber schon etwas arg die Voyeure atmen oder besser gesagt, die Hacke eines Fußes, feuert auf das Kaugummipapier beim Wiedererstarken des gefällten Mädchens, das aufsteht und um sich schlägt wie eine Transportschnecke wenn ich groß bin, will ich eine Wolke heiraten, die soll mir dann Ja sagen und Kaffee kochen, überall Steine, die wachsen da wie Blumen, die sich bewegen, vor der Menschheit Häuser bauen
(nennen wir das Höhle oder Loch?)

Nekyia

Tausend Jahre der Nacht. Die Sonne ist nicht mehr zu sehen. In dieser stahldunklen Umgebung wird alles zu Stein; die Sinne der Menschen und Tiere mutieren. Die Ultraschalljäger dominieren. Licht wird künstlich hergestellt.Sie sitzt in einer Höhle und näht ihr Hochzeitskleid. Er schläft bei ihrem Grab.
Ach was ist sie für ein wundervolles Wesen, unreduzierbar auf Geschicke. Sie fliegt und schwebt. Wenn sie will, kann sie die Erde berühren, lebt aber anderswo; und sichtbar ist die Wolkenburg, durch die ich manchmal schreite ohne jemals drin gewesen zu sein.
Wie in der bezaubernden hemimetabolen Metamorphose, wenn aus dem Ei die Nymphe wird, aus dieser die Imago; dann steigt sie auf über die Pflaumen von Damas, dann schwebt die Libelle über ihre efeuumwundenen und solemnen Kranzgesimse.
Tatsächlich bin ich beherrscht von einem unglaublichen misstrauen. Das Verstehen ist nicht zu erlernen, Visionen nicht handelbar. Ich verhandle nicht, ich teile Visionen. Das Schleichen in den Schlangengruben – ein unentrinnbares Gewirr. Auf diesen Feldern verharren. Die Rosen schneiden. Für immer verschwunden sein. Immer weiter die Blaue Blume suchen.
Hellgolden erreicht deine Haut ein Schüttern. Du bist gewarnt durch deinen Instinkt. Ich könnte einmal der gewesen sein, der Dich band an Leib und Seele, den wildesten Tiefen hold, den wildesten Tiefen heil.
Du bist gewesen mein Brauenschlag, mein Narbengezeter, mein loderndes Selbst, bist gewesen mein Acker der Lust. Perle deiner Gestalt, deiner großen Höfe; nähere dich, nähere dich, Perle, nähere dich dem Velours der Noppenzunge, gestalte mir ein Sinnenreich, ein Xanadu, erzähle die Geschichte weiter!

Felder, verrutschende Äcker

Es ist in mir eine Zerstörung im Gange, die Prospero in seinem Schloss schon kommen sah. Von Angesicht zu Angesicht stand er dem Übel gegenüber: der Pest.
Ich kam von Wolken, aber sie gehörten mir nicht. In der Tat schaukelte der Mann sehr schön, und nach Art und Gewohnheit der Gehängten jener Zeit starb er als galanter Mann mit vorgestreckter Lanze.

Felder, verrutschende Äcker – was sie freigeben, ist Zerwürfnis.
O : Warum nimmst du mich nicht mit?
T : Ich würde dich mitnehmen, aber du sagst gewisse Worte, die mich daran hindern, und solange du sie sagst, darf ich dich nicht anfassen.
O : Welche Worte?
T : Mit der Zeit wirst du sie vergessen, und dann bist du mir ausgeliefert.

Sprecht mit mir, macht mir mein Geheimnis bitter! Nachtgespenster, lasst die Mitte mich an diesem Abend sein, die Mitte mich im Bette. Es sind Girlanden dort an jenen Schnüren festgemacht, die auf zum Galgen führen.