Zu langsam für die Furcht

Zu langsam für den Kellerdämon. Für die Speicherhexe. Den schwarzen Mann. Den Bi-ba-butzemann. Den Bullemann. Buhmann. Kornmann. Wassermann. Ich hatte als Kind immer Angst davor, zu langsam zu sein. „Erst krieg ich dich, dann fress ich dich.“ Eine gruselige Drohung.

Mein Großvater sagte das gern. „Erst krieg ich dich, dann fress ich dich.“ Ich fürchtete mich, wenn er das sagte und lachte und nach mir griff. Meist entkam ich. Er war uralt und müde. Das war mein Glück.

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Das Spiel mit der Angst

Angenommen, es wäre so. Die Bahn steht, wir sitzen am Fenster, blicken hinaus, und da tauchen sie auf. Zombies. Zumindest sehen sie so aus. Könnten echt sein. Könnten sie tatsächlich?

Sie wanken, schlurfen, staksen, kommen. Sie rütteln an den Türgriffen, kratzen am Glas, schlagen ihre Köpfe gegen die Scheiben, glotzen uns sabbernd an. Würden wir denken, das sei ein schlechter Witz? Wären wir so verdammt realistisch, dass wir nicht ernsthaft in Erwägung ziehen würden, das könnte jetzt tatsächlich wahr sein? Glauben wir Verschworenen, die wir uns ständig auf dem Papier mit den tiefsten Abgründen des Möglichen beschäftigen, dass dort keine Zombies sein können? Nicht sein dürfen. Weil es sowas nicht gibt. Nein?

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Es ist angerichtet!

Ich habe diese sonderliche Sache von der jungen Frau gelesen, die ihre Zehen abschneidet, um sie zu essen. Genaugenommen isst sie nur die Hälfte, die verbleibenden fünf bietet sie guten Freunden an. Sie macht das nicht, weil sie dazu gezwungen wird. Oder einfach nur, krass und klar gesagt: Weil sie hungrig ist. Sie hat andere Gründe. Die spielen jetzt allerdings prinzipiell keine Rolle.

Entscheidend für mich ist an der ganzen bemerkenswerten Angelegenheit, dass ich, während ich das las, spontan dachte, dass an solch einem Zeh ja eh‘ nichts dran ist. Jedes noch so mickrige Hühnerbein ist da ergiebiger. Dachte ich und erschrak. Nicht unbedingt fürchterlich, dafür bin ich zu sehr Stammesschwester, aber immerhin recht eindrucksvoll. Innerlich schalt ich mich einen groben Klotz. Folter, Messer, Scheren, Rasierklingen, Beile, Qual und Blut…das war alles nicht auf meinem Bild zu sehen. Knochen, Sehnen, Schmerzen, Schreie, Ekel, Angst, Zorn, Unsinn, Schwachsinn, Irrsinn,Wahnsinn und noch mehr Blut…ist mir alles nicht eingefallen. Zumindest nicht sofort. Ich hatte einzig im Kopf, dass solch ein Zeh nicht sättigen kann. Auch nicht fünf.

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Familie Gämperl: So war das

Es gibt diese Geschichten, die irgendwie Steine schlucken lassen. Die so verstörend unangenehm sind, dass man sich schüttelt und denkt, dass das alles jetzt so irgendwie nicht wahr sein kann. Sollte. Dürfte. Ist es aber. Es ist so echt wie das zerbeulte Auto im Straßengraben. So wahr wie das Kreuzzeichen der alten Witwe, die seit zweiundzwanzig Jahren keine Farben trägt und dreimal über die rechte Schulter spuckt, wenn von links eine schwarze Katze kommt. So wahr und echt wie das Morden, die Folter, die unsinnigen Geständnisse, die abstoßende Zusatzstrafe und der Feuertod der Pappenheimer. Auf die stößt man, wenn man in Berichten über historische Serienmörder blättert. Die erwischen einen eiskalt. Und packen zu in der Nacht, die keinen Schlaf gönnen will, nur diesen finsteren Film zulässt, der sich immer wieder abspult, jeglichen Protest ignoriert, das Grauen rechtfertigt, das Entsetzen bespöttelt: So war das eben. Damals. Fertig.

Zimperlich war man Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts wahrlich nicht. Und wenig verwöhnt, was den Unterhaltungswert betraf, den das eigene Leben auf so kaltherzige, unfaire Art entbehrte. Wanderzirkus, Pranger, Laientheater. Gaukler, Diebe, Mörder, Huren, Kräuterweiber. Wunderheiler. Schmerzen. Schreie. Galgen und Schafott für das kriminelle Pack. Scheiterhaufen für das Hexergesinde. Der Rest war trister, harter Alltag.

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Die Weiße Frau

Im vertrauten Flüsterton sprechen wir über Frauen. Jene Frauen, die sich in weißen Kleidern irgendwo in Burgruinen, Altbauwohnungen, verwitterten Parkanlagen, Spiegeln und Bildern, auf Türmen, Brücken, Highways und vergilbten Schreckfotos, an dunklen Flüssen und bröckelnden Mauern zeigen. Wir sollen sie sehen. Ihr Leid und ihre Wut verstehen. Angst vor ihnen haben. Sie sind zornig. Verzweifelt. Und, das sei nicht vergessen: Sehr wohl mordlustig.

Weiße Frau
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Dämonen im Land der Dämmerung

Tatsächlich sind keine Dämonen im Land, das es nicht gibt. Von ihnen erzählt Astrid Lindgren nicht. Sie erzählt von einem einsamen Jungen, von einem winzigen fliegenden Herrn, von toten kleinen Menschen und greisen Unterirdischen mit roten Augen. Land der Dämmerung ist eine Kurzgeschichte, und sie gehört in ein Buch, das für mich geschrieben wurde. Nicht wirklich. Aber gefühlt. Gehofftt. Für wahr befunden als Kind. Und heute? Irgendwie immer noch.

Astrid Lindgren erzählt

Tatsächlich heißt das Buch einfach nur: Astrid Lindgren erzählt. Vom geheimnisvollen, uralten Tomte Tummetott, der wacht und hilft, wenn alle schlafen. Vom einsamen Lahm-Peter, der sich etwas Lebendiges wünscht. Von jenen, die man nicht bei Namen nennen darf. Und eben vom Land der Dämmerung. Ich denke, dass genau diese Geschichte die richtige für mich gewesen ist. Obgleich sie vermutlich nicht dafür gedacht war, mir jene Angst vertraut zu machen, die meine Phantasie seit jeher wortlos nickend begleitet hat, ohne mich selbst irgendwann so derart fassungslos verstummen zu lassen.

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Und immer lockt der Ripper

Jack The Ripper. Weltberühmt. Längst schon tot. Nie wirklich identifiziert, nie geschnappt. Seine Morde: Cold Cases. Wie besonders war der Ripper? Wie extrem? Und wie hat er sich von der Bühne des Lebens und Tötens so klammheimlich verabschiedet?

Jack The Ripper By Angel Biljana
(c) Angel Biljana

Zumindest im Weltlichen ist der mysteriöse Ripper (= Aufschlitzer) vermutlich völlig ungestraft davongekommen.Vielleicht wurde er irgendwo in einem urigen Hinterhaus mit Blick auf die Themse steinalt. Über 300 Personen waren im Fall der „Whitechapel-Morde“ dringend tatverdächtig , 80 wurden verhaftet. Privatermittler und eine Bürgerpolizei waren neben Scotland Yard und den offiziellen Londoner Beamten fieberhaft auf der Suche nach dem Richtigen. Dabei hätte man es gern gesehen, wenn der gerade mal kein Engländer gewesen wäre. Eher vielleicht ein Franzose oder ein Deutscher wie der Maler Walter Sickert, der auch zu den mit Argwohn betrachteten Kandidaten für das Schafott gehört hat.

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