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Traummutationen im Werk von Algernon Blackwood

Er ist bekannt für seine atmosphärischen Edwardianischen Gespenstergeschichten. Sein John Silence schlägt eine Brücke zwischen Le Fanus Van Hesselius und Hope Hodgesons Thomas Carnacki in der Literaturgeschichte der ‘Psychodetektive’, die alle Ärzte oder Wissenschaftler sind. Doch diese Aussage wird seinem erstaunlichen Werk nicht gerecht. Im Laufe seines langen Lebens erwarb er nur so viel Besitz, wie in einen Koffer passte, und viele seiner gesammelten Notizen wurden bei einem Blitzschlag im Haus seines Neffen vernichtet, einer Katastrophe, bei der Blackwood selbst nur knapp mit dem Leben davonkam.

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Sein Erwachsenwerden feierte er mit der Flucht aus dem repressiven christlichen Milieu seines Vaters mithilfe der Erforschung der Geheimnisse des Buddhismus und Blavatskys Theosophie; von der harten Disziplin und den klaustrophobischen Zuständen bei den Herrnhuter Brüdern am Rande des Schwarzwaldes, hin zu der feierlichen Unermesslichkeit der Wildnis selbst. Schließlich führte ihn sein Fluchtweg über die erhabenen Höhen der Alpen in die schneebedeckten Weiten des amerikanischen Nordens. Diese Spannungen zwischen Häuslichkeit und Wildnis, zwischen Gott und Natur, die so früh in ihm angelegt waren, haben sein Leben lang in ihm nachgeklungen und sein Werk beherrscht. In beidem blieb er labil. Seine Jugend war eine Wanderung zwischen Fehlstarts und Frustrationen, und er setzte sich der Wildnis aus, wann immer sich die Gelegenheit bot.

Eines Winters experimentierte Blackwood mit Opium, aber als der Frühling kam, erwies sich die Natur als die stärkere Droge, und er verließ die Stadt wieder, um im Norden des Staates New York zu jagen, zu fischen und Kanu zu fahren. Mit Ende dreißig hatte er die gebräunte Haut und den durchdringenden Blick eines Trappers. Die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer sicherte er sich mit Jagdanekdoten oder einer authentischen Geistergeschichte – oder einer Mischung aus beidem, was seinen Ruf als Meistererzähler begründete.

Angelockt durch das Angebot einer Trockenmilchfirma kehrte er nach England zurück, doch ein Freund entdeckte zufällig eine Schublade voller Manuskripte aus Blackwoods Feder. Dieser Fund führte zur Veröffentlichung. Seine dritte Anthologie “John Silence -Physician Extraordinaire” wurde dank einer innovativen Werbekampagne ein sofortiger Verkaufserfolg. Fast durch Zufall wurde Blackwood noch vor seinem 40. Geburtstag ein professioneller Schriftsteller.

Die Untergliederung des Werkes von Algernon Blackwood

S. T. Joshi plädiert dafür, Blackwoods Werk in drei Kategorien einzuteilen: Geschichten der Ehrfurcht, Geschichten des Grauens und Geschichten der Kindheit. Lässt man die letzte Kategorie außer Acht, fällt es schwer, Blackwoods Werk in die beiden anderen einzuordnen, denn wie Joshi sicher weiß, hinterlässt die Mischung aus Ehrfurcht und Schrecken bei Blackwood eine zutiefst beunruhigende Wirkung. Nirgendwo wird dies deutlicher als in “The Willows” (1907), seiner wohl am häufigsten in Anthologien vertretenen Erzählung, dicht gefolgt von “The Wendigo” (1910), in der Blackwood den Höhepunkt seiner künstlerischen Fähigkeiten erreicht. Die Erzählung beginnt wie eine vornehme Reisechronik und handelt von einer zweimonatigen Kanufahrt zweier Männer auf der Donau. Nach und nach löst Blackwood geschickt das Alltägliche aus der verschlungenen Landschaft, bis die Erzählung ihren Höhepunkt erreicht. Damit ist sie ein nahezu perfektes Beispiel für die von Lovecraft idealisierte Form der “True Weird Tale”.

Blackwood mochte jedoch nicht, was China Miéville als die “Teratologie” des Phantastischen schlechthin bezeichnet, bestehend aus James Fitz O’Briens “What was it”, Guy de Maupassants “Le Horla” und Ambrose Bierces “The Damned Thing”. In dieser Tradition stünde auch “The Willows”.

Wie bei Borges in seiner Lovecraft-Hommage “There are more things” (eine Erzählung aus “Das Sandbuch”, zu finden in Band 6 der Hanser-Gesamtausgabe, in der Fischer-Taschenbuchausgabe in “Spiegel und Maske”) zeigt die Erzählung ihre Anatomie nur indirekt, wie der Schatten eines Tieres. Auch wenn sie vom Erzähler selbst erlebt wird, bleibt die Deutung dem Leser überlassen, der die Information aus den vagen Formen und Präsenzen herausfiltern muss. Er findet sie in der unerklärlichen Bewegung der Blätter, mit der die ganze Erzählung korrespondiert, in dem unerklärlichen Riss im Kanu, das zur Flucht nicht mehr taugt, in den tiefen Höhlen im Sand, beckenförmig, unterschiedlich groß, unterschiedlich tief, sich ständig verändernd. Die Monstrositäten, die entstehen, sind überflüssig, wenn die Landschaft selbst zu einer solchen Verwandlung fähig ist. Die Weiden bewegen sich von selbst, obwohl kein Wind weht, ihre Wurzeln zittern nach oben. Wenn sich an sich vertraute Dinge schrecklich abstrakt verhalten, regt das die Phantasie mehr an als Dinge, die ungewöhnlich aussehen. Diese unheimliche Immanenz ist in ihrer historischen Einordnung schwer zu deuten. Blackwoods Wildnis ist ahistorisch, die seltsamen Erscheinungen haben Äonen vor der Menschheit außerhalb des Raumes gewartet. The Willows ist eine ungewöhnliche Geistergeschichte, die kein Interesse daran hat, wie wir die Vergangenheit verstehen, kein Interesse an der Geschichte, wie wir sie verstehen wollen.

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