Stell dir folgende Szene vor: Du spazierst durch einen malerischen Wald. Die Vögel zwitschern in der Ferne, die Sonne scheint dir in den Nacken, als du auf einen faszinierenden Ring von Pilzen mitten im Wald stoßen. Dein erster Impuls ist wahrscheinlich, diesen seltsamen Anblick näher zu untersuchen. Wenn man jedoch auf den Volksglauben hört, sollte dein erster Gedanke sein, vor diesen Feenkreis-Pilzen wegzulaufen. Seit Jahrhunderten werden solche Erscheinungen auf der ganzen Welt mit dem Wirken von Feen, Hexen oder sogar dem Teufel in Verbindung gebracht, obwohl einige glauben, dass die Kreise ein Zeichen von Glück sind. Feenkreise waren im Laufe der Geschichte ein wichtiger Bestandteil der Folklore und fanden schließlich auch Eingang in andere Medien wie Literatur und Kunst.

Heutzutage ist der Pilz, der dieses Naturphänomen verursacht, gut bekannt. Mycel ist ein Pilzgeflecht, das in fruchtbarer, feuchter Umgebung wächst. Unter guten Bedingungen entwickeln sich die Sporen zu Pilzen. Der bekannteste Vertreter ist der essbare Schopftintling oder Feenringchampignon. Diese ragen aus dem Boden heraus und bilden einen gut sichtbaren Ring. Unterirdisch verzweigt sich das Myzel unter dem Gras, bewegt sich vom Zentrum aus nach außen, ernährt sich von organischen Stoffen und zersetzt diese dabei. Das tote Myzel bildet eine dicke, wasserabweisende Matte, die den Graswurzeln Nährstoffe und Feuchtigkeit entzieht. Schließlich verdorrt das Land innerhalb des Rings und stirbt vor Hunger ab. Der vordere Rand des Rings bleibt jedoch üppig und grün, da das fressende, sterbende und sich zersetzende Myzel Dünger freisetzt. Dieser Kreislauf kann sich über Jahrhunderte fortsetzen und der Ring kann dabei wachsen, schrumpfen und sich durch die Landschaft bewegen, was die einen erfreut und die anderen stört.
Feenkreise sind überall auf der Welt aufgetaucht und viele Kulturen haben ihre eigenen Erklärungen dafür gefunden. Zwar werden sie gemeinhin mit Feen in Verbindung gebracht, doch es gibt viele andere Erklärungen für diese besonderen Ringe. So sollen die Ringe in Österreich von Drachen verursacht worden sein, die die Kreise mit ihren Schwänzen in den Boden brannten. In dem Gebiet konnte anschließend nichts mehr wachsen außer Pilzen.
Die Deutschen nannten diese Formation „Hexenringe” – einen Ort, an dem sich Hexen versammelten. Sie glaubten, dass die Kreise für jeden, der sich an ihnen zu schaffen machte, äußerst gefährlich waren. Die Franzosen glaubten an eine ähnliche Geschichte, nannten sie aber „ronds de sorcières” (Hexenkreise). Tatsächlich befindet sich einer der ältesten Feenkreise in Frankreich und soll über 700 Jahre alt sein. In der skandinavischen Folklore heißt es, dass die Kreise nicht von Feen, sondern von tanzenden Elfen in den Boden gebrannt werden – daher nannte man sie Elfdans. Wenn ein Mensch den Kreis betritt, kann er die magischen kleinen Wesen sehen, wird aber auch in ihren Bann gezogen. Die Niederländer wussten, dass der Kreis der Ort war, an dem der Teufel seine Milch kochte und dass die Milch sauer wurde, wenn ein Tier den Kreis betrat. Ein anderer europäischer Glaube besagte, dass man sein Augenlicht verliert, wenn man einen Feenkreis betritt. Die Schweizer und Russen glaubten, die Kreise markierten versteckte Schätze, die nur mithilfe einer Fee oder Hexe gefunden werden konnten.

In der Folklore von Großbritannien und Irland sind Feen vielleicht mehr als anderswo weit verbreitet. Hier warnt man eindringlich davor, einen Feenring zu betreten, da dies der Ort war, an dem die Fabelwesen tanzten. In einigen Legenden dienten die Pilze den Feen als Schemel, wenn sie vom Tanzen müde wurden. In anderen Legenden wiederum benutzten die Feen die Pilze als Regenschirme oder Esstische. Eine walisische Sage besagt, dass die Kreise darauf hinweisen, dass sich unter dem Ring ein Feendorf befindet. Die Waliser glaubten außerdem, dass das Pflanzen von Blumen in der Nähe dieser Kreise ihre Fruchtbarkeit und ihr Glück steigern würde, solange sich Menschen fernhielten.
Allgemein wird angenommen, dass Feenkreise gefährliche Orte sind, die gemieden werden sollten, da sie mit bösartigen Wesen in Verbindung gebracht werden. In vielen Mythen wird davor gewarnt, dass man jung stirbt, wenn man es wagt, einen solchen Ring zu betreten. Außerdem soll man für die Welt der Sterblichen unsichtbar werden und dem Ring nicht entkommen können. Angeblich wird man auch sofort in das Feenreich transportiert. Für deine Dummheit könntest du auch ein Auge verlieren. In jedem Fall bist du gezwungen, um den Ring zu tanzen, bis du an Erschöpfung oder Wahnsinn stirbst.
Um diesem Schicksal zu entgehen, kannst du bestimmte Maßnahmen ergreifen: Laufen beispielsweise neunmal um den Ring (aber wirklich nur neunmal, denn zehnmal ist zu viel und macht das Verfahren rückgängig). Angeblich kann man den Ring bei Vollmond straffrei umrunden, allerdings nur in der Richtung, in die die Sonne tagsüber wandert. Wenn du das tust, hörst du vielleicht die Feen unter der Erde tanzen. Du kannst auch einen Hut verkehrt herum tragen, denn das soll die Feen verwirren, sodass sie dir keinen Schaden zufügen.
Die Existenz von Feenzirkelpilzen beschränkt sich nicht nur auf mündliche Überlieferungen, sondern ist auch in die berühmteste englische Literatur eingegangen, nämlich in die Werke von William Shakespeare. In „Ein Sommernachtstraum” bezieht sich einer der Elfen auf Feenringe:
„Und ich diene der Feenkönigin, um ihre Pilze auf dem Grün zu betauen.”
Es war seine Aufgabe, die Feenringe zu bewässern. Shakespeare erwähnt Feenzirkelpilze auch in “Der Sturm” und weist darauf hin, dass das Gras im Inneren der Ringe für Tiere giftig ist.
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