Kategorie: Hexenwerch

albera anders stellt hier auszüge einiger ihrer poetischen arbeiten vor. um auch ihre bilder anzusehen (oder ihre essais zu lesen), empfiehlt es sich in die rubrik ALBERA ANDERS zu wechseln.

Die Wölfe wortostwärts

Geschrieben von A. Anders

Weißbärtig und mit langen, sich zuspitzenden Zähnen setzte sich der Frost nur eine Mannshöhe über dem Boden an jenen Stellen der Stadt fest, an denen sich noch immer vergangene Morde leibten, die von niemandem, so hatte es sich herausgestellt, wegzukarren waren.

Weiterlesen

Die falsche Glocke

Geschrieben von A. Anders

Der alte DeLorean, der ihr hügelauf hügelab folgte, als sie sich in den vor ihr liegenden Ort, der wie ein erst kürzlich von Archäologen verworfener wirkte, flüchten wollte, bestand, bis auf sein metallenes Grundgerüst, das bereits rostete, aus nassen braunen Blättern. Der schmale blasse Mann, der ihn fuhr, ließ sie nicht aus seinen schwarzen Augen. Das wusste sie. Und obwohl sie zu Fuß unterwegs war, blieb der Abstand zu ihrem seltsamen Verfolger immer der gleiche. Immer stand sie kurz vor dem kleinen menschenleeren Weiler, dessen halb verfallene Häuser sie nur widerwillig zu erreichen versuchte. Es hatte geregnet, die Wiesen der weiten hügeligen Landschaft schwammen vor Nässe.

Von jeder Stelle aus, an der sie hielt, um Ausschau zu halten, konnte sie den fahlen Glockenturm der Kirche der Ortschaft sehen. Die Glocke erschien ihr wie eine falsche Glocke, ganz glanzlos war sie, ummantelt von einer aschblonden Masse aus Lehm und Talg, die dem langen lehmigen Haar der nackten Frau glich, die sie kurz zuvor auf einen alten Holztisch zu stellen versucht hatte, der vor einer dunkelgrünen Klapptafel stand, die sie an ein leeres Triptychon erinnerte. Die Schwierigkeit jedoch war, dass sich die Körperachse der Frau stark nach vorn neigte. Sie war steif wie eine Puppe. Die beigefarbenen Wildlederpumps, die sie trug, erschwerten den sicheren Stand zusätzlich. Sie hatte es dennoch versucht, ließ los und schaute, was passierte. Reglos knallte die Puppenhafte mit ihrer Stirn gegen die mittlere Tafel, an der das Blut herabrann, das sogleich aus einer kleinen Bruchstelle ihres Stirnbeins floss. Draußen hörte sie es läuten. Sie verließ den Raum, verließ das Gebäude, verließ den Ort. Sie lief über die hügeligen Wiesen, die nass waren vom Regen. Der lange schmutzige Mantel des Mannes, der ihr folgte, wies die Farben des modernden Laubes auf, das überall umher lag und das seinen DeLorean als schuppiges Reptil verkleidete. Er stieg ein. Sie wusste, dass er sie nicht aus seinen Augen lassen würde, bis er seine Aufgabe erledigt hatte. Widerwillig versuchte sie den kleinen Weiler zu erreichen, der still und alt vor ihr lag. Der Abstand zu ihrem Verfolger blieb immer der gleiche. Menschenleer war der Ort, mit dem fahlen Kirchturm, dessen Glocke hell zu läuten begann. Als sie ihn erreichte, blieb der DeLorean mit weiterhin laufendem Motor in der Ferne auf einem der Hügel stehen. Sie lief in die kleine Kirche im Zentrum des Weilers. Nackt, das Haar von aschblondem Lehm ummantelt, stand puppenhaft in beigefarbenen Wildlederpumps reglos eine Frau vor ihr, die sich ihrer Körperachse nach stark nach vorn neigte. Die Pumps erschwerten den sicheren Stand zusätzlich. Da sie sehr leicht war, hob sie sie an und versuchte sie auf den alten, von Holzwürmern durchlöcherten klapprigen Holztisch zu stellen, der vor einem dunkelgrünen Triptychon stand.

Heliose

Geschrieben von A. Anders

Entgegen dem Erstaunen der anderen, war es ihr nicht neu, dass, sobald sie sich hinsetzte, um ihre Beine zu spreizen, Schmetterlinge aus ihr hervorflatterten, die sie in ihrem kleinen Glashaus im Garten mit auf 39 kleinen Gedecken liegenden, bereits gelutschten Bonbons fütterte, die sie sich aus der Bonbonniere der Löwen-Apotheke wie ein Greif, der seine Beute mit zielgerichteten Krallen packt, zu holen pflegte. Ein lohnenswerter Streifzug. Denn immerhin, dies geschah mindestens zweimal pro Woche, wenn sie die ihrer Mutter vom Dermatologen verschriebene Salbe in Auftrag geben und, sobald sie nach ein paar Stunden von einer der Mitarbeiterinnen angerührt worden war, wieder abholen musste. Die Salbe, die Dr. Ball ihr verschrieben hatte, hatte nur eine kurze Haltbarkeitsdauer, weshalb sie auch nur in kleineren Mengen hergestellt wurde. Die Krankheit ihrer Mutter hieß, so hörte sie die Nachbarinnen hinter vorgehaltener Hand tuscheln, Heliose. Ein Wort, das sie zuvor noch nie gehört hatte. Wie eine üppige, warm leuchtende Blume hörte es sich an. Vom Gelben ins leicht Rote sich wandelnd. Die Blüte dicht mit Blättern befüllt.

Weiterlesen

Orte

Geschrieben von A. Anders

Es gibt einen Zwischenraum, getragen von 8 Spinnenbeinen. Er bewegt sich hinter Zeitlupen. Zu langsam für ein menschliches Auge ihn zu erfassen. Zu schnell der Raum, in den es gewohnt ist zu blicken. Begehbar nur durch einen Steg, an dem er zu bestimmten Zeiten steht und ruht. Dann ist er sichtbar. Zwei nebeneinanderliegende Türen hat er, von gleicher Größe und Art. Beide sind sie weiß, mit einer blauen Raute in einer blauen Ellipse darauf. Sein Inneres ist rosig und warm. Kleine Spinnen sitzen auf den feuchten weiten Gewebswandungen, die, sich hinstreckend zu einer langen Passage, zeitüberwindend in die Welt zu allen Orten führen, die ich mir in Gedanken vorstelle. Städte, Wüsten, Berge, Seen, Wälder. Orte, die hinter immer neuen Spinnennetzen entstehen. Netze, die mich umschließen, sobald ich in sie gehe. Feiner als ein Taucheranzug, angereichert mit einem stundenausbreitenden Sauerstoff. Es ist ein Raum, verloren im Hier. Zeit, die ich ablege, wenn ich ihn, durch die rechte Tür tretend, verlasse. Weil ich muss. Um mich wieder schlafen zu legen. Nahe meines Netzes. Hinter dem sich im Wind die Welt abspult.

Was ihr schwarzes Unwesen nach sich zieht

Geschrieben von A. Anders

Hieß zu Lebzeiten einer anders als Hans Christian,
haben sie ihm das Schafott mit Airbrush verschönert
und geraten, doch ein wenig konsequenter als bisher
ins vor ihm entfachte Feuer zu starren.

Verschluckt hatte man sich ohnehin nur
nach Aufforderung von ganz oben,
um im Nachhinein
so etwas wie Bettwäschedruck zu verspüren.

Vielleicht fiele einem dann auch die Frau mit dem Kopf einer Eselin ein,
die einen auf der anderen Seite des Flusses zu sich gewunken hatte,
um einem ins Ohr zu flüstern:

Stehen zwei Türme nah beieinander,
sind sie kaum mehr zu unterscheiden.