Skurrile Kostüme, spitze Hüte, Jonglierkunst und derbe Scherze – all das sind Merkmale, die wir unweigerlich mit dem Bild eines mittelalterlichen Narren verbinden. Doch obwohl diese Elemente bei besonderen Anlässen durchaus zutrafen, zeigen sie nur einen kleinen Ausschnitt aus dem vielschichtigen Leben dieser historischen Figuren. Die Wirklichkeit war weitaus komplexer: Narren hatten zahlreiche Aufgaben und Rollen, die über das reine Belustigen hinausgingen – und nicht selten begaben sie sich dabei in gefährliche Situationen.
Obwohl der Beruf des Narren heute weitgehend verschwunden ist, lässt sich doch sagen, dass moderne Entertainer in gewisser Weise seine Nachfolger sind.
Interessanterweise wurde der Begriff „Narr“ erst im 16. Jahrhundert geprägt. Davor nannte man diese Unterhalter „Minnesänger“ – eine Bezeichnung, die wörtlich übersetzt „kleine Diener“ bedeutet. Bereits im 12. Jahrhundert jedoch setzte sich die spezielle Rolle des Narren durch, auch wenn die Tätigkeiten sehr unterschiedlich ausfielen: Sie reichten von Gesang und Musik über Akrobatik bis hin zur Gaukelei. Unser heutiges Bild des Narren ist meist der des Hofnarren, der zur Erheiterung von König und Königin auftritt – und obwohl dies tatsächlich vorkam, war das nur eine von vielen möglichen Rollen. Je vielseitiger ein Narr war, desto höher wurde er geschätzt. Im gesamten Mittelalter und während der Tudorzeit war ein Narr oft nicht nur Künstler, sondern auch ein vielseitiger Hausangestellter.
Da höfische Festlichkeiten nicht täglich stattfanden, umfassten die Aufgaben eines Narren oft ganz praktische Dinge: Sie kümmerten sich um Haustiere wie Hunde, erledigten Besorgungen, führten Listen über Vorräte oder übermittelten Nachrichten im Auftrag der Adligen.
Narren traten in drei Hauptformen auf: als lizenzierte Narren, natürliche Narren und Mitglieder sogenannter Narrengesellschaften. Alle hatten das Ziel, zu unterhalten, doch unterschieden sich Herkunft und Status erheblich. Besonders geschätzt wurden jene mit auffälligen körperlichen Merkmalen – etwa Kleinwüchsige oder Menschen mit einem Buckel –, die dem damaligen Schönheits- und Unterhaltungsbild entsprachen.
Lizenzierte Narren, auch Berufsnarren genannt, waren oft hochintelligent, wortgewandt und vielseitig begabt. Sie lebten direkt am Hof, traten im klassischen Narrenkostüm auf – bunt, mit Glöckchen und dem ikonischen Hut mit Eselsohren – und verbrachten ihre übrige Zeit damit, für gute Stimmung zu sorgen. Außerhalb der Auftritte trugen sie normale Kleidung und galten als feste Mitglieder des Haushalts.
Natürliche Narren, oft als unschuldige Narren bezeichnet, litten unter geistigen Einschränkungen oder Verhaltensauffälligkeiten, die als „angeboren unterhaltsam“ galten. Sie traten meist nicht gezielt auf, sondern wurden eher wie kuriose Maskottchen gehalten. Sie erhielten keine Bezahlung im klassischen Sinne, sondern Nahrung, Kleidung und Unterkunft. Ihr Wert lag vor allem darin, dass sie als „wahrheitsliebend“ galten – ungefiltert und direkt, was ihre Aussagen teils amüsant, teils schockierend machte.
Die Mitglieder von Narrengesellschaften hingegen waren reisende Unterhalter, die zu bestimmten Feiertagen durch Städte zogen. Besonders in Frankreich waren diese Gruppen beliebt. Sie führten akrobatische Kunststücke auf, tanzten und bespaßten das Volk mit Musik und Späßen.
Doch die Rolle des Narren konnte auch gefährlich sein. Im Krieg wurden sie eingesetzt, um die Moral der Soldaten zu stärken. Zwischen zwei Frontlinien marschierten sie auf und ab, verspotteten den Feind, machten Witze, sangen und provozierten die gegnerischen Truppen mit Späßen und mutigen Kunststücken – etwa Jonglage mit Schwertern. Diese Form der psychologischen Kriegsführung konnte den Gegner zur unüberlegten Handlung verleiten. Außerdem dienten Narren oft als Boten – eine heikle Aufgabe, bei der ihr Leben vom Inhalt der Botschaft und der Reaktion des Empfängers abhing. Wurde der Feind durch die Nachricht beleidigt, ließ er seine Wut nicht selten am Überbringer aus. In besonders grausamen Fällen wurde der Narr getötet und seine Leiche – oder gar nur sein Kopf – als „Antwort“ zurückgeschickt.
Bezahlung und Lebensweise variierten je nach Anstellung. Hofnarren lebten oft vergleichsweise komfortabel: Sie erhielten festen Lohn, Unterkunft und mitunter sogar Land oder eine Rente. Ein Beispiel: Tom der Narr, der bei der Hochzeit von König Edwards I. Tochter auftrat, erhielt 50 Schilling – eine beachtliche Summe zu dieser Zeit. Roland le Petour, Hofnarr von König Heinrich II., bekam ganze 30 Hektar Land – unter der Bedingung, dass er jedes Jahr an Weihnachten zum Hof zurückkehrte, um zu „springen, pfeifen und zu furzen“. Die meisten Narren jedoch lebten ärmlich und zogen umher – ohne feste Anstellung oder sichere Einkünfte.
Obwohl die Rolle des Narren im Mittelalter beliebt war, hat sie sich mit der Zeit gewandelt. Heute übernehmen Komiker, Clowns oder Entertainer ähnliche Aufgaben – aber unter ganz anderen gesellschaftlichen Voraussetzungen.
Einer der letzten bekannten Berufsnarren war Samuel „Maggoty“ Johnson, geboren 1691. Er diente in den Häusern wohlhabender Engländer und wurde durch sein Theaterstück Hurlothrumbo bekannt, das mit Hilfe seines Gönners, des Herzogs von Montagne, ganze 30 Abende in London aufgeführt wurde – mit Maggoty selbst in der Hauptrolle.
Johnson zog sich in seinen Fünfzigern zurück und verstarb im Alter von 82 Jahren. Auf eigenen Wunsch wurde er nicht auf einem Friedhof, sondern in einem abgelegenen Waldstück beigesetzt. Der Ort trägt bis heute seinen Namen – Maggoty Wood – und gilt als mystischer Ort, an dem sein Geist noch immer umgehen soll.