Hell erleuchtetes Elfenbein

dass ich den Tanz nicht mehr fürchte, nicht einmal
die Treppen, die ihn unterbrechen und Skelette sich
an die Wände kauern, ein schlotterndes Rippchen
nagt an ihrem Selbstvertrauen, der knochigen Gewissheit,
einst Fleisch geteilt zu haben mit den hungernden
Größen der Unterwelt. Doch nahmen sie alles; was bleibt
ist hell erleuchtetes Elfenbein. Einmal muss man auf dem Arsch sitzen können und strampeln, die Luft aufwirbeln (vielleicht wirbelt auf etwas anderes mit).
Im Keller ist nichts mehr, ich habe nachgeschaut. Sauberkeit hat hier eine Menge zerstört. Der nächste Staubintervall wird ein anderes Bild zeichnen und andere Dinge benetzen. Warum nicht einfach eine Lücke lassen für gewesene Dinge? Sie könnten wiederkehren, wenn ich nur den richtigen Schlüssel finde.
Vor Kurzem sprach ich bereits den ersten Satz einer neuen Monarchie.

Manche Tage sind das Gewürm unserer Erzählungen.

Bruno Schulz

Bruno Schulz drückt die Sache so aus: Das Unwirkliche ist das, was man untereinander nicht teilen kann. Was auch immer aus dieser Gemeinsamkeit herausfällt, das fällt aus dem Kreis menschlicher Angelegenheiten, geht über die Grenzen des menschlichen Theaters, über die Grenzen der Literatur hinaus.

Das Problem mit Bruno Schulz ist: jeder weiß, dass er ein Genie ist, jeder spricht über seinen enormen Einfluss, kommt es aber hart auf hart, bleiben diese Aussagen auf Banalitäten beschränkt, als wäre das Maß dichterischer Größe abhängig von einer Gemeinschaft populärer Entscheidungen. Auf der anderen Seite ist das auch nicht sonderlich überraschend.

Schulz überfällt den Leser von der ersten Seite an und erlaubt ihm nicht, ein einziges Mal innezuhalten, erlaubt ihm nicht, seine Gedanken zu sammeln. Seine Niederträchtigkeit liegt in der Tatsache, dass er jeder Übersetzung widersteht, uns aber dazu ermutigt, zu imitieren, zu paraphrasieren und zu fälschen. Es ist einfacher in Schulz’ Sprache zu sprechen als über Schulz zu sprechen. Lesen wir einen einzelnen Absatz, wissen wir sofort, das ist Schulz, obwohl wir nicht wissen, was wir über den gelesenen Absatz sonst noch sagen könnten.

Selbstporträt von ca. 1933, Bleistift, Kohle, Papier; 11,4 × 9,6 Adam-Mickiewicz-Literaturmuseum in Warschau

Bruno Schulz ist ein Magier, der mit der Exaktheit einer Traumsprache hantiert, ein geistiger Bruder Kafkas, mit dem er überraschende Lebensmomente teilt. Kafkas Texte sind Bleikristalle, während Schulz eine lyrische Phantastik schreibt, die dem Surrealismus und dem Expressionismus noch näher kommt. Die Vernichtung des Individuums aufgrund der Gleichschaltung durch die Massenindustrie sah er voraus. Ein Entkommen durch den Traum ist, wie wir heute wissen, unmöglich. Aber es gibt eine Schönheit des Zerfalls, die tröstlich ist. Scheitern, Vergeblichkeit – sind schließlich die Dinge, die wir haben.

Bruno Schulz wurde in Drohobycz, das heute in der Ukraine liegt, in eine jüdische Familie hineingeboren. Die Gegend war damals Teil des österreichischen Kaiserreichs. Sein Vater besaß ein Stoff- und Kleidergeschäft, überließ die Leitung aber seiner Frau, weil es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand.

Schulz studierte Architektur an der Universität Lemberg und Bildende Kunst in Wien, spezialisiert auf Lithohraphie und Zeichnung. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt arbeitete er von 1924 bis 1939 als Kunstlehrer in der lokalen Turnhalle. Einer seiner Schüler erinnerte sich später daran, dass Schulz eine sehr merkwürdige Erscheinung besaß und man hinter seinem Rücken über ihn lachte. Er trug stets eine Flanell-Jacke und einen Schal um den Hals. Nachdem sein Freund Wladyslaw Riff an Tuberkulose starb, hörte er über Jahre hinaus auf, Prosa zu schreiben. Als die Kammer von Riff desinfiziert wurde, verbrannte man auch gleich alle Manuskripte und Briefe von Schulz, die dort gelagert waren.

Schulz startete seine literarische Karriere erst in den 1930ern. Seine Rezensionen erschienen in der Literaturzeitschrift “Wiadomosci Literackie” und er korrespondierte mit den polnischen Avantgardisten Witold Gombrowicz und Stanislaw Ignacy Witkiewicz, begab sich aber nie in literarische Kreise. Mitte der 30er verbrachte er Zeit in Warschau und Paris, stand in regem Kontakt mit der Dichterin Deboah Vogel und anderen Frauen, heiratete aber nie.

1939 erhielt er den Goldenen Lorbeer der polnischen Akademie für Literatur. Als 1939 Deutschland Polen überfiel und der Rest des Landes von der Sowjetunion besetzt wurde, lebte Schulz im von der Roten Armee okkupierten Gebiet, bis die Nazis auch die UdSSR angriffen und der braune Fäzes Drohobycz besetzte.

1942 wurde Schulz auf offener Straße von den Nazis erschossen.

Die Kurzgeschichtensammlung “Der Zimtladen” (1934), gefolgt von “Das Sanatorium zur Sanduhr” (1937) begründeten den Ruhm, den Schulz bis heute weltweit genießt.

In seinen Geschichten entwirft Schulz eine mystische Kindheit, gepaart mit autobiographischen und fantastischen Elementen. Das Artifizielle dieser Prosa ist außerordentlich und spielt mit dem Ungesagten. Eine herkömmliche Entwicklung von Handlung und dergleichen gibt es nicht. Die Welt des Bruno Schulz folgt ihrer eigenen Logik, die Metamorphose ist ihr großes Thema.

Yuggoth 28 – Erwartung

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Ich kann nicht sagen, warum manche Dinge in mir
Ein Gefühl von unergründeten Wundern hervorrufen
Oder von einem Riss in der Wand des Horizonts,
Der sich zu Welten öffnet, in denen es nur Götter gibt.
Da ist eine atemlose, verschwommene Erwartung,
Wie die an riesige alten Prunkstücke, an die ich mich halbwegs erinnere,
Oder auf wilde Abenteuer, unkörperlich, ekstatisch
Und so ungebunden wie ein Tagtraum.

Das Rätsel liegt in Sonnenuntergängen und fremden Stadttürmen,
Alten Dörfern und Wäldern und Nebelschwaden,
In Südwinden, dem Meer, sanften Hügeln und beleuchteten Städten,
Alten Gärten, halbgehörten Liedern und dem Mondfeuer.
Aber obwohl jede dieser Verlockungen allein schon das Leben lebenswert macht,
Errät oder vermutet keiner, was sie zu geben bereit sind.

Roderers Eröffnung / Guillermo Martinez

Roderer ist ein „zerebraler Held“, der eifrig und manisch nach der Möglichkeit eines „neuen Denkens“ sucht, das der aristotelischen binären Logik (Sein oder Nichtsein), die er als starres Korsett und philosophisches Gefängnis betrachtet, entkommt, um das „ausgeschlossene Dritte“ zu finden. „Etwas“, wie er sagt, zwischen Sein und Nichtsein, vermutet er in den Schöpfungen der Kunst. Es ist eine Analyse des Seins des Menschen und des Seins der Sprache, die die tiefe Verbindung zwischen ihnen berücksichtigt, wie Michel Foucault sie in den 1970er Jahren vorschlug und ihr den Status einer entscheidenden Frage des zeitgenössischen Denkens zuschrieb. Im Schatten dieses Gedankens (und des Poststrukturalismus im Allgemeinen) scheint Roderers einsames und herzzerreißendes Genie zu wachsen, der binären Logik zu entkommen, Nietzsche folgend, sich im Wandel, in den Fluktuationen zu behaupten und die verlorenen Verbindungen, die Zwischenzustände des Denkens wiederzufinden.

Roderers intellektuelles Bemühen gerät auf eine schiefe Bahn, wenn er sich seinen „Erleuchtungen” hingibt, sich im Konflikt mit den Göttern und der Zeit des Todes wähnt und mit seiner Krankheit, seinem Schmerz und seiner unvorstellbaren Einsamkeit nicht zurechtkommt. Das narrative Design, das Roderers Leben umgibt, folgt einer binären Logik, die in Gegensätzen und Zwielicht verharrt – wie das Leben selbst –, von dem er sich zu isolieren versucht, um seinen „Blick in den Abgrund“ zu wagen. Das luzide Schachspiel, das schulische Wissen und die Selbsterziehung, die Intelligenz und das Genie, Cambridge und die Falklandinseln, das universitäre Wissen und die heilige Vision von Machu Picchu, der Himmel und die Hölle – kurz: die Funktionsweise und Vereinfachung der Intelligenz – wiederholen sich bis zur Hartnäckigkeit. Roderer kämpft gegen diese Tradition an – allein und krank.

Man könnte meinen, dass die Handlung dieses Romans ausschließlich aus der intellektuellen Beziehung zwischen Roderer und dem Erzähler besteht. Da es sich jedoch um eine Allusion handelt, ist dies ein guter Ausgangspunkt, um den Inhalt einer Beziehung zu verstehen, die nicht in den Bereich der Freundschaft, sondern in den eines eventuellen Wettstreits ungewöhnlicher Intelligenzen fällt und somit in die letzte Bedeutung der Suche nach Antworten auf den Schmerz des Daseins eintaucht.

Roderer kommt in die Stadt Puente Viejo, um dort die weiterführende Schule zu besuchen. Er lebt allein mit seiner Mutter, einer aufopferungsvollen Frau, die versucht, alle Bedürfnisse des wissbegierigen Teenagers durch die zahllosen Bücher zu decken, die ihn überallhin begleiten – auch in die neue Schule. Dort sucht er Zuflucht in ihnen und versucht, seinen Platz und seinen Sinn im Leben zu entschlüsseln. Zu Beginn wird er in einem komplexen Kräftemessen in einer Schachpartie mit dem Erzähler konfrontiert. Dieser ist ein hervorragender Spieler und erlebt mit, wie Roderer ihn nach und nach geistig erstickt und schließlich besiegt – fast so, als wäre es eine reine Formalität gewesen.

Doch ab diesem Moment wird der Protagonist und Erzähler Teil von Roderers Existenz – und umgekehrt. Die beiden befruchten sich in einem bisweilen einseitigen Dialog gegenseitig, denn Roderer scheint ein tragischer Erleuchteter zu sein. Er nimmt die Wirklichkeit jenseits des Unmittelbaren mit einer verblüffenden Klarheit wahr. Was Roderer bei diesem Kräftemessen wirklich antreibt, ist der Wunsch, eine Art Resonanzboden vor sich zu haben. Seine Gleichgültigkeit gegenüber der Welt erfordert jemanden, der die Tiefe seines Verstandes begreift.

Roderer beschäftigt sich mit Autoren, die der Mehrheit unbekannt sind und die sein ungewöhnliches Wissen nähren. Zusammen mit seiner besonderen Intelligenz bringt es ihn an den Rand des Ungleichgewichts. Aus der Geschichte unseres Protagonisten ergibt sich, dass die anderen, weil sie substanzlose Wesen sind, eine banale Realität gestalten, die ihnen aber zusagt. Andererseits trägt Roderer den untrüglichen Stempel einer bestimmten Sorte von Genies, die sich nicht in ein menschliches Universum einfügen können und wollen, da sie dieses in Form und Inhalt verabscheuen.

In der Schule wird er als seltsames, zurückgezogenes Individuum wahrgenommen, das sich von seinen Mitschülern entfernt. Dennoch übt er eine unausweichliche Anziehungskraft auf Frauen aus. Cristina, die schöne Schwester des Erzählers, ist schließlich von der geheimnisvollen Atmosphäre, die Roderer ausstrahlt, geblendet, ohne es zu wollen. In dieser Perspektive wird auch Daniela Rossi, ein junges Mädchen, eine ungesunde Verehrung für Roderer empfinden. Diese geht so weit, dass sie auf alarmierende Weise an Gewicht verliert, was in einer fulminanten Magersucht mündet, die mit ihrem Tod endet. Dieses beunruhigende Ereignis führt zu Roderers dauerhaftem Rückzug vom Studium.

Seine Misanthropie verschlimmert sich. Er schließt sich in seinem Zimmer ein und verlässt es kaum noch. Tag und Nacht ist er in seine beklemmende Lektüre vertieft. Der Erzähler kommt zu ihm und sie führen umständliche Gespräche über Roderers unstillbare Suche. Dabei gehen sie Spinoza, Thomas de Quincey und seine Ausflüge in das Opium als Wunderdroge, Hölderlins Texte und seine strengen Analysen der Verbindung mit dem Teufel als Substrat seiner Werke sowie schließlich Nietzsche, Goethe und Heidegger durch. Schließlich gelangen sie zu dem großen fiktiven Satz von Seldom, der die Mathematik revolutionierte und den der Erzähler Roderer nach seinem Eintritt in die Universität nahebrachte.

Dies ist auch ein wesentlicher Teil des unvorhersehbaren Schlusses des Romans. Roderers obsessive Suche nach dem Sinn des Daseins ist das, was Nietzsche als „die neue menschliche Erkenntnis” bezeichnete. Das Werk verführt uns nicht nur mit dem Talent seines Autors, sondern berührt uns auch mit dem trostlosen Leben Roderers: eine einzigartige Figur, die es nicht geschafft hat, irgendwo hinzugehören, obwohl sie vielleicht ihre eigene Welt gewonnen hat.

Thermostatus

Es war heiß an diesem Tag, aber auch nicht so heißt, dass man gesagt hätte: Es ist heiß heute. Das wäre den wirklich heißen Tagen gegenüber nicht gerecht gewesen, die sich immerhin bemühten, durchs Fleisch zu dringen, um die Knochen zu Gelatine zu verarbeiten. Aber es war verdammt viel wärmer als es hätte sein sollen, was impliziert, dass es da jemanden gab, der den Regler nach Herzenslust hin und her drehten konnte. Schau, es gibt da diese Kluft zwischen all den mittelalterlichen Marotten und den fliegenden Strümpfen, zwischen all den Heinis, die in Windeseile Verbrechen aufklären und Mädels, die mit Vampiren vögeln. Die Zeit der Megasuppen ist gekommen, nichts hält uns mehr auf, Sherlock Holmes gegen Graf Dracula in den Kampf zu schicken.

Yuggoth 27 – Der alte Leuchtturm

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Von Leng kommend, wo Felsgipfel trostlos und kahl
Unter kalten Sternen krabbeln, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben,
Dort schießt in der Dämmerung ein einziger Lichtstrahl hervor,
Dessen ferne blaue Strahlen die Hirten im Gebet wimmern lassen.
Sie sagen (auch wenn es keiner hört), dass sein Ursprung
In einer Kammer aus Stein zu finden sei, ein Leuchtturm,
Wo der letzte der Älteren für sich alleine vegetiert
Und durch Trommelschläge mit dem Chaos spricht.

Das Ding, so flüstern sie, trägt eine seidene Maske
Von gelber Farbe, deren seltsame Linien ein Gesicht zu verbergen scheinen,
Das nicht von dieser Erde stammt, obwohl niemand zu fragen wagt,
Was das für Züge sind, die sich im Inneren offenbaren.
Viele haben in der Frühzeit des Menschen dieses Leuchten gesucht,
Aber niemand wird je erfahren, was sie wirklich fanden.

Der Fall Alice im Wunderland / Guillermo Martinez

Der Fall Alice im Wunderland
Guillermo Martínez: Der Fall Alice im Wunderland

Mit “Der Fall Alice im Wunderland” gewann Martinez 2019 den spanischen Nadal-Preis und ist die Fortsetzung von Die Oxford-Morde. Beide Romane können dennoch völlig unabhängig voneinander gelesen werden. Was sie verbindet ist der Schauplatz Oxford und die Figuren des berühmten Logik-Professors Arthur Seldom, des argentinischen Studenten Martin, sowie des Polizeiinspektors Petersen. Mit ein paar Sätzen verlässt Guillermo Martínez den vorherigen Roman, einen Fall, der eigentlich schon abgeschlossen war, um sich auf diese neue Geschichte zu konzentrieren, eine Geschichte, deren Hauptfigur nicht Seldom oder Martin ist, sondern Lewis Carroll und das Universum von Alice im Wunderland.

Der Roman basiert auf realen Ereignissen, wie dem Fund eines Zettels, der den Inhalt der aus den Tagebüchern von Lewis Carrol herausgerissenen Seiten zusammenfasst, um einen völlig fiktiven Mordfall zu schaffen.

Dies geschieht in einem sehr britischen Stil, nicht nur wegen des Schauplatzes Oxford, sondern auch, weil er, wie schon bei den Oxford-Morden, unweigerlich an den Stil der Romane von Agatha Christie erinnert. Denn obwohl er an mehr Schauplätzen spielt als sein Vorgänger, könnte er sehr gut als Theaterstück umgesetzt werden. Es gibt wahrscheinlich mehr Dialoge und Überlegungen als Handlung.

Lewis Carroll
Lewis Carroll

Die Geschichte des Romans dreht sich um eine Gruppe von Fans von Lewis Carroll, dem Autor von Alices Abenteuer im Wunderland, eine Bruderschaft, die nicht nur das Werk und das Vermächtnis des Schriftstellers bewahrt, sondern auch seinen Mythos pflegt und sein Andenken schützt. Unter ihnen ist auch Seldom. Es ist ein heikles Thema – vielleicht heute mehr denn je, auch wenn der Roman vor einem Vierteljahrhundert spielt -, denn wie wir wissen, wurde das Werk, das Carroll, der eigentlich Charles Dodgson (1832-1898) hieß, unsterblich machte, von einer der Töchter eines gewissen Henry Liddell, seines Dekans am Christ Church College in Oxford, inspiriert. Dodgson, der Mädchen liebte und ein erfahrener Fotograf war, brachte diese beiden Leidenschaften zusammen und porträtierte Liddells Töchter – wie auch viele andere Mädchen – bei zahlreichen Gelegenheiten. Die Grenze zwischen dieser freizügigen Faszination und ihren dunkleren Konnotationen war schon immer eine Quelle von Konflikten, die zweifellos durch die Falten einer Epoche – der viktorianischen – genährt wurden, deren moralische Strenge voller Widersprüche war.

Alice Liddell
Alice Liddell als Bettlerin

Die Handlung des Romans wird durch das Auftauchen eines kleinen Zettels ausgelöst. Darauf notiert eine von Carrolls Nichten, misstrauisch, aber letztlich schuldbewusst, das Wesentliche dessen, was auf einer der Seiten stand, die sie aus den Tagebüchern des berühmten Schriftstellers herauszureißen beschloss. Das Seltsame ist, dass dieses Blatt von all jenen, die sein Leben bis ins kleinste Detail erforscht haben, darunter auch Mitglieder der Bruderschaft, unbemerkt blieb. Diese wenigen Zeilen, so scheint es, könnten die Perspektive, aus der Carroll bisher betrachtet und beurteilt wurde, erheblich verändern. Sie würden unter anderem die Gründe für seinen Bruch mit der Familie Liddell offenbaren. Die bevorstehende Veröffentlichung der Tagebücher wirbelt alle möglichen Gespenster auf und es geschehen Morde, die direkt aus Carrolls Büchern entnommen zu sein scheinen.

Martinez ist ein überzeugter Anhänger des Klassizismus, und seine Herangehensweise an die “weiße” Polizeiarbeit (bei der nur der Verstand zur Lösung kommt und alle Emotionalität hinten angestellt wird) ist ein Bekenntnis zu seinen Prinzipien. Die Darstellung der Charaktere – die weiblichen sind vielleicht am gelungensten -, die Entwicklung der Handlung und ihr Fortschreiten bis hin zur Auflösung der Schleier am Ende entsprechen bestimmten Klischees des klassischen Kriminalromans, und es steht außer Frage, dass er sie mit Geschick wieder aufgreift. Am besten ist der Roman jedoch, wenn er seine Vorlage aus den Augen verliert, insbesondere, wenn er in die Zwischenräume und Zweideutigkeiten von Carrolls geheimnisvollem Leben eintaucht.

Yuggoth 26 – Die Vertrauten

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

John Whateley lebte etwa eine Meile von der Stadt entfernt,
Dort oben, wo die Hügel anfingen, dichter zu werden;
Wenn man sah, wie er seinen Hof verkommen ließ,
Wollte und musste man an seinem Verstand zweifeln.
Er vergeudete seine Zeit mit einigen seltsamen Büchern,
Die er auf dem Dachboden seines Hauses gefunden hatte,
Bis sich merkwürdige Linien in sein Gesicht gruben,
Und sich alle darin einig waren, sein Aussehen als Abstoßend zu empfinden.

Als er mit diesem nächtlichen Heulen begann, beschlossen wir,
Ihn besser vor Schaden zu bewahren,
Also gingen drei Männer von der Stadtfarm in Aylesbury zu ihm –
Kamen aber zurück: allein und verängstigt und ohne ihn.
Sie hatten ihn im Gespräch mit zwei kauernden Dingern gefunden,
Die auf großen schwarzen Flügeln augenblicklich davon flogen.

Hexenstunde, Geisterstunde, Teufelsstunde

Hexenstunde

Im zarten Tanz zwischen Nacht und Tag gibt es einen flüchtigen Moment, der von Legenden und Überlieferungen durchdrungen ist – eine Zeit, in der die Grenzen zwischen dem Physischen und dem Metaphysischen verschwimmen. Dieses flüchtige Intervall ist als Geisterstunde bekannt, ehemals als aber als Hexenstunde. Ein Begriff, der manchmal sowohl Angst als auch Staunen hervorruft. Die Geisterstunde wird gemeinhin als die Zeit zwischen Mitternacht und 3 Uhr morgens definiert, eine Zeit, von der man annimmt, dass übernatürliche Aktivitäten auf ihrem Höhepunkt sind.

Das Konzept geht auf die europäische Folklore zurück, der zufolge Hexen, Dämonen und andere übernatürliche Wesen in dieser Zeit besonders aktiv sind. In dieser Zeit versammelten sich Hexen zu ihrem Sabbat und nutzten die dunklen Energien der Nacht. Oft wurden diese Versammlungen als böse dargestellt und aufgrund des Aberglaubens versetzten sie viele Menschen in Angst und Schrecken. Auch ist es die Zeit, in der die Geister der Vorfahren die Lebenden besuchen kommen, und man achte darauf, diese Wesen vor dem Schlafengehen zu ehren, um etwaiges Unglück zu vermeiden.

In bestimmten afrikanischen Traditionen wird diese Zeit ebenfalls als eine Zeit erhöhter spiritueller Aktivität angesehen, in der Wahrsagerei, spirituelle Rituale und Ahnengespräche am wirkungsvollsten sind. Die Nacht dient in vielen Kulturen als Brücke zur spirituellen Welt, in der Weisheit und Führung von den Ahnen erbeten werden können. Die Vorstellung von einer Hexenstunde hat tiefe Wurzeln in der Folklore hinterlassen. In der Nacht verstärken sich unsere tiefsten Ängste, aber auch das Begehren, das Vertraute verwandelt sich in das Unbekannte und führt zu Geschichten über Spuk und unerklärliche Phänomene.

Der Begriff “Witching Hour” lässt sich bis ins Jahr 1775 zurückverfolgen, und taucht zum ersten Mal in Reverend Matthew Wests Gedicht “Night, an Ode” auf. Die Ursprünge reichen jedoch noch weiter zurück, als die katholische Kirche aus Sorge vor dem wachsenden Einfluss der Hexerei in Europa eine Ausgangssperre für die Zeit von 3.00 bis 4.00 Uhr nachts verfügte.

Hexenprobe; (Stich von G. Franz, 1878)

Geprägt wurde der Begriff “Hexenstunde” erst im Jahr 1560 von Papst Pius IV. Die Hexenverfolgung hatte begonnen, da die Menschen nicht verstehen konnten, warum Krankheiten so weit verbreitet waren, und beschlossen, die Praxis der Hexerei dafür verantwortlich zu machen, wie es manche geisteskranke Kleriker empfahlen. Dies löste eine weit verbreitete Panik und Misstrauen aus, da die Menschen diejenigen anzeigten, von denen sie annahmen, dass sie die dunklen Künste ausübten. Man glaubte, dass die Hexerei vor allem während der Hexenstunde praktiziert wurde, da ihre Kräfte dann größer waren. Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert wurden schätzungsweise 60 000 Menschen im Rahmen von Hexenprozessen hingerichtet. Im Buch Exodus des Alten Testaments (22:18) heißt es eindeutig: “Du sollst nicht zulassen, dass eine Zauberin lebt“, und die Beschuldigten wurden entweder auf dem Scheiterhaufen verbrannt, erhängt oder enthauptet. In dieser Zeit wurde auch Wasserprobe angewandt, bei der eine beschuldigte Person gefesselt ins Wasser geworfen wurde. Wer unterging, galt als unschuldig, während diejenigen, die schwammen, als Hexen überführt waren.

In der abendländischen christlichen Tradition gilt diese Stunde seitdem als Spitzenzeit für übernatürliche Aktivitäten. Von der Kirche wird dieser Zeitraum als “Stunde des Teufels” bezeichnet, weil er der Zeit entgegengesetzt ist, zu der Jesus angeblich starb, nämlich um 3.00 Uhr nachmittags. Man glaubte, dass diese dunkle Umkehrung der Zeit es bösen Mächten erlaubte, frei umherzuziehen und die Nacht mit Schatten des Schreckens zu überziehen. Die Entscheidung der frühen katholischen Kirche, während dieser Stunde Beschränkungen aufzuerlegen, war durchaus bedeutsam. Mit diesem Erlass wurde aktiv das bekämpft, was die Kirche als das Aufkommen ketzerischer Praktiken, einschließlich Hexerei und anderer heidnischer Rituale, ansah. Die Beschränkungen zielten gleichzeitig darauf ab, diese Umtriebe einzudämmen und die Nacht symbolisch von den Bösen Einflüssen zurückzuerobern.

In der heutigen Zeit lebt die Idee der Hexenstunde als Geisterstunde weiter, wenn auch oft in einem eher spielerischen oder symbolischen Sinne. Sie ist nach wie vor ein beliebtes Thema in Filmen, Büchern und anderen Medien und spiegelt unsere anhaltende Faszination für das Mysteriöse und Makabre.

Historisch gesehen haben die Gesellschaften die Geisterstunde immer schon unterschiedlich betrachtet. Manche sagen, sie dauert von Mitternacht bis 1 Uhr morgens, während andere glauben, dass sie sich von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang erstreckt. Psychologische Studien deuten jedoch darauf hin, dass Erfahrungen mit unerklärlichen Erscheinungen am häufigsten zwischen 2:00 und 4:00 Uhr nachts auftreten und ihren Höhepunkt tatsächlich um 3:00 Uhr morgens erreichen, also dann, wenn der Melatoninspiegel am höchsten ist.

In Hamlet schrieb William Shakespeare:

‘s ist jetzt die Hexenzeit der Nacht, wenn die Kirchhöfe gähnen und die Hölle selbst ausatmet.

Ronald DeFeo; Suffolk County Police Department photographic records.

Eine der berühmtesten Horrorgeschichten der Welt beruht auf tragischen Ereignissen aus dem wirklichen Leben. Am 13. November 1974 um 3 Uhr morgens erschoss Ronald DeFeo, Jr. seine Mutter, seinen Vater und seine vier Geschwister, während sie in ihren Betten schliefen. Um 18 Uhr desselben Tages betrat er eine örtliche Bar und schrie: “Ihr müsst mir helfen! Ich glaube, meine Mutter und mein Vater sind erschossen worden!” Die Morde ereigneten sich in der Ocean Avenue 112 in Amityville, Long Island, das heute vor allem durch den Film Amityville Horror bekannt ist. Die Ereignisse rund um die Morde waren insofern ungewöhnlich, als die Nachbarn keine Schüsse hörten und keines der Familienmitglieder aufwachte, als die ersten Schüsse abgefeuert wurden. Außerdem lagen alle Familienmitglieder mit dem Gesicht nach unten in ihren Betten, und es gab keine Anzeichen eines Kampfes. Die Morde bestätigten den Glauben, dass 3 Uhr morgens die Stunde des Teufels ist, da DeFeo den Ermittlern erzählte, dass er zuvor Stimmen in seinem Kopf gehört hatte und sich in einem tranceähnlichen Zustand befand und erklärte: “Als ich einmal angefangen hatte, konnte ich einfach nicht mehr aufhören.” DeFeo wurde des sechsfachen Mordes zweiten Grades für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Eine urbane Legende aus Mexiko, die als La Mala Hora bekannt ist, wird mit “Die böse Stunde” übersetzt. Die Legende besagt, dass um 3 Uhr morgens ein böser Geist auftaucht, der einsame Reisende in der Nacht heimsucht. Sie hat das Aussehen einer alten Frau mit dem Gesicht eines Dämons, und wenn man das Pech hat, ihr zu begegnen, wird angeblich ein geliebter Mensch bald sterben. Diejenigen, die in abgelegenen Gegenden auf dem Land unterwegs sind, werden von den Einheimischen gewarnt, dass sie wahrscheinlich auf ihre unheimliche Präsenz stoßen werden. Es wird vermutet, dass der Ursprung der Spuklegende darin liegt, alle davon abzuschrecken, spät in der Nacht allein unterwegs zu sein, und als Warnung zu dienen. Dass sich La Mala Hora in der Dunkelheit der Nacht an Orte am Stadtrand heranpirscht, ist auch ein Symbol dafür, dass das Übernatürliche an diesen Grenzen lauert – vor allem um 3 Uhr morgens.

Im Jahr 1910 beschrieb Aurelio Espinosa la Mala Hora oder la malogra als einen bösen Geist, der nachts die Kreuzungen heimsucht und diejenigen jagt, die allein auf der Straße unterwegs sind. Wer ihn sieht, wird unweigerlich in den Wahnsinn getrieben. Laut Espinosa sieht La Malogra wie ein großes Wollknäuel oder eine schwarze Wolke aus, das sich vor dem Betrachter ausdehnt und zusammenzieht. Sie erscheint selten in menschlicher Gestalt, aber wenn, dann ist es ein sicheres Omen des Todes. Modernere mexikanische Versionen beschreiben sie auch als eine furchterregende Frau in Schwarz, die Reisenden nachts erscheint, wenn ein Todesfall bevorsteht.

Der grüne Mann

Der grüne Mann

Der Grüne Mann ist ein Waldgeist, der seit Hunderten, vielleicht sogar Tausenden von Jahren in der Folklore verankert ist. Die Legende vom Grünen Mann stammt angeblich aus Europa, doch es gibt Geschichten und Belege dafür auf der ganzen Welt. Googelt man nach diesem Wesen, findet man eine Fülle von Informationen über seine Motive und Skulpturen, die in Kirchen in ganz Europa zu sehen sind. Doch hinter der Legende des Grünen Mannes steckt mehr.

Während der Grüne Mann in der heutigen Zeit als Gartenkunstwerk betrachtet wird, war er für unsere heidnischen Vorfahren einst ein Waldgott und der ultimative Wächter des Waldes.

Er wird als Mann mit grüner Haut dargestellt, der vollständig mit Blättern verschiedener Arten bedeckt ist. Die beliebtesten Darstellungen des Grünen Mannes zeigen Eichenblätter und Eicheln, Weißdornblätter und manchmal Stechpalmenblätter und -beeren. Manchmal hängen Blätter aus seinem Mund. Er ist ein allgegenwärtiges Symbol für Wiedergeburt, Verjüngung und den Kreislauf von Leben und Tod in der Natur. Seine Aufgabe ist es, den Wald wild zu halten – die Heiligkeit des Waldes (Pflanzen, Bäume, Flüsse und Tiere) zu bewahren, die durch unseren “Fortschritt” bedroht ist.

Bevor wir uns mit den verschiedenen architektonischen Darstellungen des Grünen Mannes befassen, sollten wir zunächst klären, warum er überhaupt auf Kirchenwänden und in der Architektur zu sehen ist. Schließlich war es das Ziel der Kirche, das Heidentum auszurotten. Es gibt zwei Theorien: Erstens könnten die Menschen, die die Kirchen bauten, noch an ihren alten heidnischen Glaubenssystemen festgehalten haben. Zweitens könnte die Kirche der Meinung gewesen sein, dass die einzige Möglichkeit, die alten Götter (oder „Teufel”) zu besänftigen, darin bestand, ihnen einen Ehrenplatz an den Wänden der Kirche einzuräumen. Eine andere Theorie besagt, dass die Grünen Männer in die Architektur der Kirche integriert wurden, um den Einheimischen zu zeigen, dass die alten Götter jetzt zu Stein geworden sind und somit von der Kirche besiegt wurden.

Grüner Mann, Kathedrale Chartres

In der Kathedrale von Chartres in Frankreich sind die Grünen Männer an der Wand dieser Kirche interessanterweise zu dritt. Buchstäblich drei grüne Männerköpfe zusammen … Sie scheinen eine dreifache Gottheit oder Trinität darzustellen. Die gotische Kirche stammt aus dem Jahr 1194, also lange nachdem die Kirche die Heiden in der Gegend bekehrt hatte. Es scheint, als hätten die beiden auf der äußeren Seite Blätter aus ihren Mündern hängen, während der mittlere Grüne Mann keine hat. Der Mann auf der linken Seite scheint Trauben in seinem Laub zu haben, während die beiden anderen eher mit Eichenlaub bedeckt sind. In der Kathedrale von Exeter in England, die im 12. Jahrhundert etwa zur gleichen Zeit wie die Kathedrale von Chartres erbaut wurde, finden sich in der gesamten Architektur dieser normannisch-gotischen Kirche mindestens 20 Darstellungen des Grünen Mannes. Viele von ihnen ragt Grünzeug aus ihrem Mund. Der Grüne Mann ist auch ein beliebtes Motiv auf schottischen Friedhöfen und steht wahrscheinlich für die Schöpfung und das Leben, das aus dem Tod hervorgeht. Neben den beiden genannten Kirchen gibt es buchstäblich Dutzende weitere, die den Grünen Mann als Motiv aufweisen. Oder ist er mehr als nur ein Motiv? Wir denken schon. Auch wenn er kein Bestandteil der Kirchenarchitektur ist, ist es doch interessant, dass viele alte Gasthäuser und Pubs in Großbritannien und den USA nach ihm benannt sind. Möglicherweise hängt dies mit der Tradition zusammen, dass alte Apotheker, die vor Jahrhunderten Kräuter sammelten, oder Förster (Holzfäller), die sich in Grün kleideten, mit dem Grünen Mann in Verbindung gebracht wurden.

Green Man Pub in der Edgware Street, London

Es gibt die Theorie, dass der Grüne Mann einst eine zentrale Figur des Maifeiertags war. Dieser wurde im alten Irland Beltane genannt und war ein Feuer- und Fruchtbarkeitsfest. Während diese Theorie umstritten ist, können wir den Grünen Mann in der Figur Jack in the Green betrachten. Jack in the Green ist ein Mann, der in Laub gekleidet ist und am Maifeiertag in einer Prozession mitläuft. Dieser Brauch war fast ausgestorben, erfuhr aber durch heidnische und historische Gruppen in England eine Wiederbelebung. Während dieser Brauch in der heutigen Zeit seltsam anmutet, wurde er in der Antike durchgeführt, um eine reiche Ernte zu sichern. In Schottland gibt es mit dem Burryman eine ähnliche Tradition: Ein Mann wird mit klebrigen Klettenköpfen (den sogenannten Burries) bedeckt und tanzt durch die Stadt, um Glück für das kommende Jahr zu bringen. In Derbyshire wiederum ist der Garland King ganz in Blumen gekleidet. Die Tradition, sich mit Laub zu bedecken, ist demnach nicht neu.

Faun
Faun

Der Mythos des Grünen Mannes spiegelt verschiedene Waldgeschöpfe und Götter wider. Er könnte mit diesen gleichgesetzt werden oder die Legenden anderer ähnlicher Wesen, wie die der Wilden Männer (auch bekannt als Woodwose, Wodwose oder Wudwas), des gehörnten Gottes Cernunnos und der griechischen Waldgeister, der Faune, inspiriert haben. Die Wilden Männer des Waldes sind Waldwesen, deren Herkunft ebenso geheimnisumwoben ist wie die des Grünen Mannes selbst. Es handelte sich um Männer, die in den Wäldern lebten, überall mit Haaren bedeckt waren und über eine überirdische Weisheit verfügten. Die Waldmenschen könnten einst heidnische Götter gewesen sein, die von der Kirche verteufelt wurden und in die Kategorie „Folklore” fielen, nachdem ihre Kulte unter dem Druck der Bekehrung zusammenbrachen. Im finsteren Mittelalter wurden die Menschen davor gewarnt, zu tief in die Wälder zu gehen, da sie befürchteten, dort auf Ungeheuer, Feen und wilde Männer zu treffen. Waren diese Wilden Männer des Waldes die deutsche Version der römischen Faune? Oder waren sie dasselbe wie der Grüne Mann?

Da die wilden Männer der Wälder ziemlich haarig waren, tief in den Wäldern lebten und oft mit Blättern und Zweigen in den Haaren gesehen wurden, könnte es eine Verbindung zum Sasquatch der amerikanischen Legende geben. Sicher, der Sasquatch hat im Laufe der Jahre einen schlechten Ruf bekommen – vor allem wegen Scharlatanen, die seine Existenz für ein paar Dollar vortäuschen. Die Ureinwohner des pazifischen Nordwestens jedoch haben Legenden über den Sasquatch, der im Wesentlichen als Wächter des Waldes gilt. Ähnliches gilt für den Yeti aus dem Himalaya, der wie ein Affe aussieht und die Berge des Himalaya in Tibet bewacht. Ein anderer Name für den Yeti ist Migoi, was so viel wie „Wilder Mann” bedeutet.

Auch Robin Hood wurde mit dem Grünen Mann in Verbindung gebracht. Auf der Website LeftLion heißt es:

„Robin war nicht so sehr der Held der Selbstjustiz, für den er heute gehalten wird, sondern er erinnerte eher an launische, heidnische Feen und Kobolde.“

Bis zur Herrschaft von Elisabeth I. verkleideten sich die Festbesucher oft als diese Verkörperung des Unfriedens und der Fröhlichkeit und zogen randalierend durch die Stadt. In einem von einem Volkskundler zitierten Fall aus dem Jahr 1492 rechtfertigte eine Gruppe junger Männer, die sich als Robin und sein Gefolge verkleidet hatten, ihr betrunkenes Verhalten damit, dass es sich dabei um eine alte Tradition handele, durch die der Rausch zum Kulturerbe werde. Es sei darauf hingewiesen, dass Robin bekanntlich grün trägt und ‚aus dem Wald‘ stammt. Und die Legende des Grünen Mannes ist in der gleichen Gegend Englands allgegenwärtig, aus der Robin Hood stammt.

Cernunnos
Cernunnos

Faune sind römische Fabelwesen, die den Wilden Männern des Waldes ähneln. Der Faun hat ziegenähnliche Züge, während die Wilden Männer des Waldes menschenähnlich sind. Er hat Ziegenbeine, gespaltene Hufe und einen Schwanz. Aber täuschen Sie sich nicht – sowohl Faune als auch Wilde Männer waren haarige Bestien, die in den Wäldern lebten. Sie wurden gefürchtet und verehrt. Sie waren dem Grünen Mann sehr ähnlich, der allerdings mit Blättern statt mit Haaren bedeckt war.

Ich möchte auch auf die Legende und den Kult des Cernunnos, des gehörnten Gottes der Kelten, hinweisen. Auch hier haben wir es mit einem Wesen zu tun, das Herr des Waldes war, Hörner auf dem Kopf trug und dessen Spuren sich in ganz Europa finden lassen. Ich bin nicht der Erste, der einen Vergleich zwischen Faunen und Cernunnos zieht, und auch nicht der Erste, der Cernunnos mit der Legende vom Grünen Mann vergleicht. Denn sie alle stehen für den ursprünglichen, wilden Teil des Menschen, der einst so tief mit der Natur verbunden war. Sie alle symbolisieren die unberührten Teile des Waldes, die sich weigern, gezähmt zu werden. Sie sind allesamt fruchtbare, virile Kreaturen mit einer Liebe für die Wildnis. Und während die meisten Normies diese Wesen als Fantasie betrachten, waren sie einst mehr als das.

Yuggoth 25 – Tsathoggua

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

“Hüte dich vor dem zerrütteten Glockenspiel der Kröte!”, hörte ich
Ihn schreien, als ich mich in diese verrückten Gassen stürzte,
Die sich südlich des Flusses, wo die alten Jahrhunderte träumen,
In dunkle und verdrehte Labyrinthe teilen, alle ohne Ziel.
Er war eine verstohlene Erscheinung, gebückt und zerlumpt,
Und in einem Nu war er aus dem Blickfeld entschwunden,
Also grub ich mich weiter durch die Nacht,
Dorthin, wo sich die bösartig-zackigen Dachgaupen erheben.

Es gibt keinen Leitfaden, in dem verzeichnet steht, was hier lauert –
Doch nun hörte ich einen anderen Alten schreien: “Hüte dich vor
Dem zerrütteten Glockenspiel der Kröte!” Und als mich die Schwäche überkam,
Hielt ich inne, als ein dritter Graubart voller Angst krächzte:
“Hüte dich vor dem zerrütteten Glockenspiel der Kröte!” Voller Entsetzen
Floh ich dann – bis plötzlich diese schwarze Spitze drohend vor mir ragte.

Frightened / Flynn Berry

Der etwas befremdliche deutsche Titel “Frightened” – im Original treffender “Under the Harrow”, ein Wortspiel aus “Unter Qualen” und “Unter der Egge” – markiert Flynn Berrys Debütroman, der für den Edgar Award nominiert war. Häufig wird das Buch mit Bestsellern wie “Gone Girl” oder “The Girl on the Train” verglichen. Und tatsächlich gibt es Parallelen, insbesondere die unzuverlässige Erzählerin. Doch Berry gelingt es mit ihrem eigenwilligen Schreibstil, der gleichermaßen die Geschehnisse enthüllt und verschleiert, eine eigene Stimme zu finden und sich von der überfüllten Landschaft der Psychothriller abzuheben – wenn auch ohne die Wucht der genannten Vergleichstitel zu erreichen.

Die Geschichte beginnt mit Nora, unserer Ich-Erzählerin, die mit dem Zug von London aufs Land reist, um ihre Schwester Rachel zu besuchen. Doch kaum betritt sie das Haus, wird sie mit einem grausamen Anblick konfrontiert: Rachel und ihr Hund wurden brutal ermordet.

Bemerkenswert ist Berrys Entscheidung, die Geschichte in Präsens zu erzählen – eine eher seltene, aber hier durchaus gut umgesetzte Wahl. So gelingt es ihr, die Handlung zugleich intim und distanziert wirken zu lassen. Wir erleben die Geschehnisse hautnah mit, doch unser Wissen bleibt begrenzt auf das, was Nora preisgeben will. Ihre wahren Gedanken bleiben verborgen, und wir müssen ihre Gefühle aus den Reaktionen der Menschen um sie herum selbst deuten. Das Lesen gleicht dem Schälen einer Zwiebel – Schicht für Schicht werden neue Facetten enthüllt, doch das Zentrum bleibt lange im Dunkeln.

Der Roman spielt gekonnt mit den Erwartungen des Lesers. Wir sind es gewohnt, unseren Erzählern zu vertrauen, doch Nora entzieht sich dieser Gewissheit. Dadurch entsteht eine permanente Unsicherheit, die perfekt zum Genre des Psychothrillers passt. Der ungewöhnliche Schreibstil verstärkt diese Wirkung zusätzlich. Die Erzählweise im Präsens vermittelt ein Gefühl der Rastlosigkeit und Vorahnung – wir wissen nicht, was als Nächstes passiert, und auch Nora hat keine Gewissheit, wie alles enden wird. Es gibt kein reflektierendes Zurückblicken, keine Sicherheit, kein Versprechen, dass sie unversehrt aus der Geschichte hervorgeht. Alles ist möglich.

“Frightened” erinnert eindringlich daran, wie selbstverständlich wir eine bestimmte Erwartung beim Lesen eines Romans vor uns aufbauen – und wie leicht sie uns entzogen werden kann. Zudem thematisiert das Buch, dass wir die Fehler der Toten oft wohlwollender übersehen als die der Lebenden und dass die gefährlichsten Lügen oft jene sind, die wir uns selbst erzählen. Nora verliert sich in Erinnerungen an die Vergangenheit, insbesondere an einen gewaltsamen Übergriff, der Rachel nie losgelassen hat und zu ihrer Obsession führte, den Täter zu finden.

Als Nora die Fäden von Rachels geheimer Suche aufnimmt, taucht sie immer tiefer in eine gefährliche Wahrheit ein. Die Handlung entwickelt sich wie ein ins Rollen geratener Felsbrocken – unaufhaltsam und mit wachsender Intensität. In dem verschlafenen Städtchen, das Nora aufmischt, werden zu viele Geheimnisse ans Licht gezerrt, die viele Leben unwiderruflich verändert. Alles steuert auf ein Finale zu, das alles Vorangegangene auffliegen lässt.

Flynn Berry gelingt mit “Frightened” ein spannender, atmosphärisch dichter Thriller, der das Genre um eine interessante Stimme bereichert. Wer unzuverlässige Erzählerinnen, subtile Psychologie und ein langsames, aber unaufhaltsames Aufdecken düsterer Wahrheiten schätzt, wird hier auf seine Kosten kommen.

Die Magie der “verborgenen Schuhe”

versteckter schuh

Ein „verborgener Schuh“ ist ein Schuh, ein Stiefel oder eine Pantoffel, die in den Wänden von Gebäuden und Häusern versteckt sind – manchmal mit magischer Absicht durch Bauherren und Hausbesitzer. Aberglaube und spirituelle Überzeugungen veranlassten die Menschen, diese Gegenstände an geheimen Orten zu verstecken, um Hexen und böse Geister abzuwehren. Schließlich wurden so viele dieser Schuhe gefunden, dass Gelehrte und Archäologen erkannten, dass sie absichtlich aus unheimlichen Gründen, die man heute noch nicht ganz versteht, dort angebracht wurden. Dieses Ritual war vor allem in Großbritannien verbreitet, kam aber auch in den Vereinigten Staaten, Spanien, China und Australien vor. Die Schuhe wurden in Schornsteinen und Vorräumen von Häusern gefunden. Sie dürften von Kindern, Männern und Frauen getragen worden sein. Viele Schuhe wurden an den Eingängen von Häusern gefunden, wo der Schutz vor bösen Geistern am dringendsten benötigt wurde. Es gibt jedoch auch die Theorie, dass es eine Tradition der Baumeister war, die Schuhe dort anzubringen. Vielleicht sollte damit an etwas erinnert werden, das wir heute – wie so vieles – nicht mehr verstehen.

Schuhe sind seit jeher Teil der Folklore und der Märchen, wie Aschenputtels Glaspantoffel, Hans Christian Andersens rote Schuhe und Dorothys Rubinpantoffeln zeigen. Im England des 19. Jahrhunderts musste ein junges Mädchen, das von ihrem zukünftigen Ehemann träumen wollte, nur ihre Schuhe schräg stellen und sagen:

„Ich stelle meine Schuhe in Form eines T, in der Hoffnung, dass meine wahre Liebe sie sieht.”

Wenn sie ein Kleeblatt in einen ihrer Schuhe steckte, dann würde der nächste Mann, den sie traf, ihr zukünftiger Ehemann sein. Es ging jedoch nicht nur darum, einen Ehemann zu finden. Einige dieser Rituale waren enger mit dem Glück verbunden – im Guten wie im Schlechten. Wurde ein Mann von einem Blitz getroffen, mussten seine Schuhe sofort vergraben werden, um zu verhindern, dass sich die spirituelle Kraft des Blitzes ausbreitete. Wenn ein irisches Kind vermisst wurde, sollte das Vergraben eines Paars alter Schuhe, die das Kind besaß, dessen sichere Rückkehr gewährleisten. Früher glaubten die Menschen, dass es Glück bringt, einen alten Schuh nach jemandem zu werfen. Königin Victoria warf einen Schuh auf die Soldaten, die in den Krimkrieg zogen. Charles Dickens hat sogar eine entsprechende Szene in „Große Erwartungen” eingebaut, in der Biddy und Joe Pip mit Schuhen bewerfen, als er nach London aufbricht.

Die meisten der in Haushalten gefundenen versteckten Schuhe waren gebrauchte Alltagsschuhe, die gut abgenutzt waren und die Persönlichkeit ihrer Träger widerspiegelten. Im Gegensatz zu den historischen Schuhen, die in den Kleider- und Kostümabteilungen von Museen ausgestellt sind, waren die Schuhe, die in den Wänden von Scheunen und Häusern gefunden wurden, in Bezug auf Stil und Kosten das genaue Gegenteil. Gewöhnliche, praktische Schuhe wurden bevorzugt. Wenn jemand nach vielen Jahren auf ein Paar stieß, sah es vielleicht einfach nur wie ein Stück alter Plunder aus. Amerikanische Schuhe waren aus robustem und widerstandsfähigem Kalbsleder gefertigt und nicht aus feinerem und teurerem Ziegenleder. Beliebt waren Latchet-Tie-Schuhe, das heißt Schuhe, die mit einem schmalen Lederriemen oder -verschluss am Fuß befestigt wurden, sowie Bluchers, geschlitzte Vamps und knöchelhohe Brogans. Die amerikanischen Männer des 19. Jahrhunderts schienen für ihre versteckten Schuhe Wellington-Stiefel zu bevorzugen und die Frauen hatten Gummistiefel, die sie zu Hause oder unterwegs tragen konnten. Diese versteckten Schuhe waren jedoch nicht für besondere Feste oder Anlässe gedacht. Je gewöhnlicher, desto besser, wenn es darum ging, die Schuhe in den Wänden zu verstecken.

In magischen Praktiken ruft ein Gegenstand, der einer Person sehr ähnlich ist, bei der mit ihm ausgeführten Magie Sympathie hervor. Diese wird manchmal auch als homöopathische Magie bezeichnet. Ein Bild der Person funktioniert etwa auf die gleiche Weise. Ein anderer Glaube besagt, dass bei anziehender Magie ein Gegenstand verwendet wird, der bereits mit einer Person in Kontakt war. Ein Schuh, der lange von einer Person getragen wurde, wirkt also auf beiden Ebenen und ist ein sehr mächtiger magischer Gegenstand. In einem schottischen Mordprozess aus dem Jahr 1890 wurde ein Polizist aus der Gegend vor Gericht gefragt, warum er die Schuhe des Ermordeten im Wasser vergraben habe, anstatt sie als Beweismittel für den Prozess aufzubewahren. Er antwortete, dass er nach einem alten Brauch handelte, demzufolge er durch das Untertauchen der Schuhe den Geist des Ermordeten zur Ruhe brachte. Er wollte die Nachbarschaft vor dessen ruhelosem Geist schützen, der Unheil über sie alle hätte bringen können.

Einige Historiker glauben, dass die Verwendung von Schuhen als magischer Zauber in Gebäuden auf die frühere Praxis der Menschenopfer zurückgeht, durch die dem Gebäude eine Wächterseele verliehen wurde. Versteckte Schuhe könnten aber auch magische Fallen gewesen sein, die ein Menschenopfer ersetzten und als Köder dienten, um eine Hexe oder ein böses Wesen zu fangen. Ein ähnliches Phänomen trat in Form einer Hexenflasche auf, die typischerweise in Wohnungen des 17. und 18. Jahrhunderts gefunden wurde. Dazu mussten Haare, Urin oder abgeschnittene Zehennägel gesammelt und in ein Material eingearbeitet werden, das in Form eines Herzens mit Nadeln oder Nägeln durchstoßen wurde. Man fand sie in den Öffnungen der Häuser, genau wie die versteckten Schuhe, beispielsweise in Türöffnungen. Alle Zaubersprüche, die auf die betreffende Person gewirkt wurden, wurden auf die Hexe projiziert. Der Korken oder der Stöpsel in der Flasche bewirkte, dass die Hexe nicht urinieren konnte und starb. Die magische Verbindung zwischen dem menschlichen Inhalt und der Hexe bewirkte, dass jeder Schaden, der dem Inhalt zugefügt wurde, auch der Hexe schadete. Es wird angenommen, dass dieser Vorgang tatsächlich auch für die alten Schuhe galt, die an denselben Orten gefunden wurden. So konnte möglicherweise jeder, der sich verhext fühlte, die Hexe ruhigstellen, indem er seinen Schuh in die Wände stopfte.

Genau wie der Glaube, dass man einer Hexe Schaden zufügen konnte, indem man ihren Schuh oder ihre Flasche manipulierte, war das Zerschneiden der Schuhe vor dem Anziehen eine Möglichkeit, der Hexe, die einen verflucht hatte, Schaden zuzufügen. Eventuell wurden die Schuhe aber auch nur aufgeschnitten, damit eine Frau ein großes Paar über ihren eigenen kleineren Schuhen tragen konnte. Möglicherweise wurde auch einfach das Leder eines sehr alten, zerlumpten Paares verwendet, um daraus neue, kleinere Schuhe herzustellen. Einige Schuhe sind jedoch irreparabel beschädigt. Eine plausible Erklärung ist, dass sie zerstört wurden, um den Geist des Schuhs zu „töten” und ihn ins Jenseits zu schicken. Dies ähnelt der heidnischen/frühchristlichen Praxis, Dinge wie Münzen und Opfergaben an Heilige zu schicken.

Kamine, Schornsteine, Fenster und Türen waren allesamt Eingangspunkte zu Wohnungen, in denen versteckte Schuhe gefunden wurden. Dies waren Orte, von denen man glaubte, dass sie für eindringende Geister von besonderem Interesse waren. Denken Sie nur daran, wie der Weihnachtsmann an Heiligabend alle Geschenke ausliefert!

Es ist durchaus möglich, dass das Baugewerbe mehr mit dem Verstecken von Schuhen zu tun hat als mit Hexen und dem Weihnachtsmann. Während das Verstecken von Schuhen vielleicht ursprünglich dazu diente, Unglück abzuwehren, könnte es auch ein rituelles Mittel gewesen sein, um die Arbeit für beendet zu erklären – unabhängig davon, ob das gesamte Haus fertiggestellt wurde oder nur eine Reparatur oder ein letzter Teil der Konstruktion ausgeführt wurde. Das Bridges House in North Andover, New Hampshire, wurde im frühen 18. Jahrhundert sowie bei der Wiederverheiratung eines späteren Besitzers im Jahr 1830 umfassend renoviert und umgebaut. Unter dem Eingang wurde ein Damenschuh aus dem Jahr 1790 gefunden. Man nimmt an, dass er entweder der zweiten Frau des Besitzers gehörte, um ihr Glück in ihrem neuen Heim zu wünschen. Oder er gehörte seiner ersten Frau, die bei einem Unfall ums Leben kam – der Schuh könnte also ein Andenken an sie sein.

Nachdem die Archäologen 44 Stiefel und Schuhe in den Wänden des Geburtshauses von John Adams (ein amerikanischer Revolutionär, der von 1744 bis 1849 lebte) entdeckt hatten, vermuteten sie, dass Schuhmacher dort den rituellen Brauch des Versteckens von Schuhen ausgeübt haben könnten. Adam und Samuel Curtis waren Brüder, die von 1821 bis 1830 in dem Haus lebten und beide Schuhmacher waren. In einem der Wellington-Stiefel für Kinder stand der Name George Curtis, Sohn von Adam Curtis. Die Tatsache, dass in dem Haus, in dem 44 Schuhe gefunden wurden, einst Schuhmacher lebten, ist vielleicht keine große Überraschung – vor allem, wenn man weiß, dass Schuhe ein Symbol für ihren Lebensunterhalt waren. Es gibt 13 dokumentierte Fälle von versteckten Schuhen in den Häusern von Schuhmachern. Ein ähnlicher Brauch war im vorrömischen London verbreitet, wo Handwerker ihr dringend benötigtes Werkzeug in die Themse warfen, um die Götter zu besänftigen und sich Glück und Wohlstand zu erhoffen. Es ist auch möglich, dass das Schuhversteck im Haus der Adams lediglich ein Ort war, an dem grundsätzlich alte Lederstücke aufbewahrt wurden, die zum Ausbessern von Schuhen wiederverwendet werden konnten. Dies wäre typisch für die Sparsamkeit der Schuhmacher, die ja dafür bekannt sind, wertvolles Leder niemals zu verschwenden.

Schuhe dienten als Andenken an Verstorbene. Manche glaubten, dass man den Schuh eines verstorbenen geliebten Menschen in den Wänden aufbewahren konnte, um dessen Geist im Haus zu behalten. In den Urkunden von Papillon Hall in Leicestershire steht geschrieben, dass das Paar Hausschuhe, das einst einem kleinen Mädchen gehörte und jetzt hinter einem Paravent im Esszimmer versteckt ist, niemals entfernt werden darf. Vermutlich war die trauernde Familie so verzweifelt, dass sie in den Urkunden festhielt, dass die Schuhe für immer dort bleiben sollten. Hier taucht die alte Idee der verbindenden oder anziehenden Magie wieder auf: Der Schuh und die Art und Weise seiner Aufbewahrung hängen mit seinem früheren Träger zusammen.

Yuggoth 24 – Der Kanal

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Irgendwo im Traum gibt es einen bösen Ort,
An dem sich hohe, verlassene Gebäude entlang
Eines tiefen, schwarzen, engen Kanals drängen und stark
Nach schrecklichen Dingen stinken, aus denen ölige Flüsse brechen.
Gassen mit alten Mauern, die sich halb nur über der Erde treffen,
Winden sich zu Straßen, die manche kennen, viele nicht,
Und schwaches Mondlicht wirft einen spektralen Schein
Über lange Fensterreihen, dunkel und tot.

Es gibt keine Trittflächen, und das eine leise Geräusch
Ist das des öligen Wassers, das unter Steinbrücken hindurch
Und an den Seiten seiner tiefen Rinne entlang gleitet,
Um als vages Band dem Ozean entgegen zu strömen.
Keiner kann mehr sagen, wann dieser Fluss seine traumverlorene
Region von der Welt des Lehms abgespült hat.

Burke und Hare: Die Leichenräuber

Burkeandhare Thumb

Frische Leichen waren im Schottland des 19. Jahrhunderts eine begehrte Ware. Mit den Fortschritten in der modernen Medizin stieg auch die Nachfrage nach Leichen für die Forschung und den Anatomieunterricht, vor allem in Edinburgh, wo mehrere Pioniere der Anatomie ansässig waren. Allerdings sah sich die Ärzteschaft mit einem Kadavermangel konfrontiert – die einzigen Leichen, die legal seziert werden durften, waren die von Kriminellen, Selbstmordopfern und nicht abgeholten Waisenkindern.

Was sollte ein Anatom tun, wenn das legale Angebot an Leichen in Schottland versiegte? Nun, einige besorgten sich ihre Leichen von Grabräubern. Andere wendeten sich einer noch einfallsreicheren Lösung zu: Mord. Hier kamen die berüchtigten Mörder Burke und Hare ins Spiel, die sich gerne zur Verfügung stellten.

Damals wurden die Leichendiebe, die frisch begrabene oder noch nicht begrabene Leichen von den örtlichen Friedhöfen stahlen und an Anatomieschulen verkauften, als Auferstehungsmänner bezeichnet. Obwohl die Auferstehungshelfer eine kurze Blütezeit erlebten, wurde die Öffentlichkeit bald auf sie aufmerksam. Um zu verhindern, dass der Leichnam eines geliebten Menschen gestört wurde, ergriffen die Familien eine Reihe von Maßnahmen: Sie stellten Wachen ein, die auf den Friedhöfen patrouillierten, errichteten Wachtürme und bauten Mortsafes, also eiserne Käfige, die die Grabstätten abdeckten.

Aber die Ärzte brauchten immer noch etwas für ihre Anatomietische und waren bereit, viel Geld für frische Leichen zu bezahlen. Einer dieser Ärzte war Robert Knox, ein Dozent für Anatomie, der versprach, in jeder Vorlesung eine “vollständige Demonstration anatomischer Themen” zu geben. William Burke und William Hare verkauften ihm 1828 innerhalb von 10 Monaten 16 Leichen. Da Leichendiebstahl unabhängig von der Herkunft der Leichen ein Verbrechen war, machten sich die Ärzte in der Regel nicht die Mühe, sich nach der Quelle ihres Angebots zu erkundigen. Hätte er dies getan, wäre Dr. Knox auf eine erschreckende Wahrheit gestoßen: Mit Hilfe von Hares Frau Margaret und Burkes Geliebter Helen McDougal töteten die beiden Menschen, um sich selbst zu bereichern.

Robert Knox
Eine Illustration von Dr. Robert Knox. Photo Credit: Hulton Archive / Getty Images

Die erste Leiche, die Burke und Hare dem Arzt verkauften, war ein Mieter von Mrs. Hares Haus, der gestorben war, während er noch Miete schuldete. Um ihren Verlust auszugleichen, füllten Burke und Hare den Sarg des Mannes mit Rinde und brachten seine Leiche zur Universität Edinburgh. Laut Burke wollten sie Professor Munro sprechen, wurden aber stattdessen zum Surgeon’s Square geschickt, wo sie Dr. Knox trafen. Dieser nicht sehr gute Arzt bezahlte sie bereitwillig, um ihnen die Leiche abzunehmen, ohne Fragen zu stellen.

Das erste wirkliche Opfer der Männer war ein fiebriger Untermieter namens Joseph. Hare befürchtete, dass eine kranke Person im Haus das Geschäft verderben würde. Ihre verrückte Lösung war, den ahnungslosen Untermieter zu töten und seine Leiche an Dr. Knox zu verkaufen. So begann die Mordserie des Paares, als sie erkannten, welch reiche Gelegenheit sich ihnen bot.

Begeistert von der Aussicht, ihre Brieftaschen zu füllen, machten sich Burke und Hare auf die Suche nach weiteren potentiellen Leichen, die vorher noch keine waren. Bei den meisten Opfern handelte es sich um weibliche Untermieterinnen oder Gäste im Haus von Mrs. Hare. Andere waren Bekannte der beiden oder Leute, die auf der Straße lebten.

Burke und Hare einigten sich auf eine Methode, um ihre Opfer zu beseitigen: Die meisten wurden mit Alkohol getränkt und erstickt. In einem Fall jedoch brach Burke einem 12-jährigen Jungen – dem stummen Enkel einer alten Frau, die sie ebenfalls töteten – das Rückgrat. Die Leichen wurden dann in Teekisten oder Heringsfässer gepackt und in das Anatomiekabinett von Dr. Knox gebracht.

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Mrs. Hare’s lodging house, where many of the murders took place.Photo Credit: Wikimedia Commons

Ihr vorletztes Opfer war ein geistig behinderter junger Mann namens James Wilson, oder “Daft Jamie”, wie er in der Gemeinde genannt wurde. Dr. Knox bezahlte für den Leichnam wie für jeden anderen auch. Doch als er am nächsten Morgen das Laken von der Leiche abzog, erkannten mehrere seiner Studenten Wilsons Gesicht wieder.

Knox bestritt, dass es sich bei der Leiche um den vermissten jungen Mann handeln könnte, und sezierte die Leiche vorzeitig. Indem er den Kopf und die charakteristischen Füße des jungen Mannes entfernte, die deformiert waren und ihn offensichtlich hinken ließen, machte Dr. Knox die Überreste unidentifizierbar.

Das letzte Opfer der Mörder war eine Frau namens Mary Docherty, die Burke in das Gasthaus lockte und tötete. Doch das Haus war nicht leer. Als zwei andere Gäste, James und Ann Gray, am nächsten Abend ein Bett suchten, entdeckten sie Dochertys Leiche darunter. Das entsetzte Paar alarmierte die Polizei, die das Haus durchsuchte. Obwohl Burke und Hare die Leiche inzwischen weggeschafft hatten, fanden die Polizisten blutverschmierte Kleidung im Haus und misstrauten den widersprüchlichen Aussagen der Hausbewohner. Am nächsten Tag fand die Polizei Dochertys Leiche in den Sezierräumen von Knox.

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Die letzten beiden Opfer: James “Daft Jamie” Wilson (links) und Mary Docherty (rechts).Photo Credit: Wikimedia Commons

Kurz nachdem Burke und Hare verhaftet worden waren, erhielt Hare die Möglichkeit, gegen seinen Partner auszusagen und dafür Immunität zu erhalten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Nachricht von dem tödlichen Duo bereits verbreitet, und Hares Immunität kam in der Öffentlichkeit nicht gut an. Schließlich musste Hare von der Polizei vor der aufgebrachten Menge gerettet und mit Hilfe von Kutschen und Verkleidungen in Sicherheit gebracht werden. Auch Hares Frau Margaret und Burkes Geliebte Helen bekamen den Zorn der Menge zu spüren. Sie wurden während des Prozesses unter Polizeischutz gestellt, und Hare, seine Frau und Burkes Geliebte flohen schließlich ganz aus Edinburgh. Während Gerüchte über ihren Verbleib kursierten – eine besonders rachsüchtige Geschichte besagte, Hare sei von einem Mob geblendet worden und als Bettler in London gestorben – blieb ihr Schicksal unbekannt.

Obwohl Dr. Knox nie wegen seiner Beteiligung angeklagt wurde, war seine Karriere irreparabel beschädigt. Er wurde unter Druck gesetzt, sein Amt als Kurator des Museums des College of Surgeons niederzulegen, und verließ schließlich ganz das Land, um sich in London niederzulassen und dort den Rest seines Lebens zu verbringen.

Der Prozess gegen Burke begann am Weihnachtsabend des Jahres 1828, als er für drei der 16 Morde angeklagt wurde. Der Prozess dauerte 24 Stunden; Burke wurde eines Mordes für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Am 28. Januar 1829 wurde er vor einer Menge von mehr als 20.000 Menschen gehängt. Am nächsten Tag wurde sein Leichnam öffentlich im Anatomischen Theater seziert, das er mit frischen Leichen beliefert hatte. So viele Menschen wollten der Sezierung beiwohnen, dass es zu einem Tumult kam. Schließlich ließ die Universität die Zuschauer in Gruppen zu je 50 Personen ein.

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Großer Auflauf bei Burkes öffentlicher Hinrichtung.

Bei der Sektion tauchte Professor Munro, der selbst nur durch Zufall nicht mit den Mördern in Verbindung gebracht werden konnte, eine Feder in Burkes Blut. Er schrieb: “Dies ist mit dem Blut von William Burke geschrieben, der in Edinburgh gehängt wurde. Dieses Blut wurde von seinem Kopf genommen”. Nach seinem Tod und seiner Sezierung verkauften Menschen auf den Straßen Edinburghs Geldbörsen, die angeblich aus seiner Haut gefertigt waren.

Burkes Vermächtnis hinterließ Spuren in der Sprache in Form des heute archaischen Wortes “burking”. Es bedeutet “durch Ersticken töten” mit der Absicht, die Überreste zu verkaufen. Die Untaten von Burke und Hare inspirierten auch Nachahmer – die Londoner Burker ermordeten Menschen unter ähnlichen Umständen und nahmen sich die berüchtigten Mörder von Edinburgh zum Vorbild.

Die heftigen Reaktionen auf den Aufsehen erregenden Fall von Burke und Hare führten unmittelbar zur Verabschiedung des Anatomiegesetzes von 1832, das den Ärzten den Zugang zu Leichen erleichterte, indem es ihnen erlaubte, gespendete und nicht abgeholte Leichen zu sezieren. Es regelte auch die Praxis, indem es von den Anatomen eine Lizenz verlangte und staatliche Inspektoren einsetzte, um die Rechtmäßigkeit der Sektionen zu überwachen.

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Burkes ausgestelltes Skelett im Anatomischen Museum in Edinburgh.

Als Burke zum Tode verurteilt wurde, sagte der vorsitzende Richter zu ihm: “Ihr Körper sollte öffentlich seziert und anatomisiert werden. Und ich vertraue darauf, dass, wenn es eines Tages üblich sein wird, Skelette zu konservieren, das Ihre konserviert werden wird, damit die Nachwelt sich an Ihre grausamen Verbrechen erinnern kann”.

Seine Vorhersage erfüllte sich. Heute ist Burkes Skelett im Anatomischen Museum der Universität Edinburgh ausgestellt, zusammen mit seiner Totenmaske, einem Gipsabdruck seines Gesichts nach der Hinrichtung.

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