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Schlagwort: Brouillon

Hexenkiel

Noch einmal wiederhole ich: Schwärzer als die Textur der Nacht schält sich ein Symbol aus der dunklen Leere.

Die Gesichter der Vergangenheit sind auch am besten dort aufgehoben, aber ich begegne ihnen manchmal auf den Straßen. Es könnte sein, dass sie mich gar nicht bemerken, nicht bemerken, wie ich kurz zusammenfahre. Der Vergangenheit kann man sich nicht offenbaren, eine gefährliche Begegnung ist das, die Zeit lässt nicht zu, dass man sich versöhnt.

Bilder sind nicht wirklich, sie sind nur eine Erscheinungsvariante. Das Szenario wird beherrscht von der Traumsubstanz. Ob ein Ding fest erscheint oder durchlässig ist, ist ganz und gar unerheblich.

Schutz vor dem Autor

Es ist, wenn man über Bücher schreibt, nicht anderes,  als ob man über sich selbst schriebe; nur ein Vorwand zwischen sich und dem Gedanken, den man formuliert. Auch sucht man selbstverständlich sich selbst, wenn man nach Büchern sucht, die man zu lesen beabsichtigt. Man wartet auf ein Signal, eine Merkwürdigkeit, die aus einem selbst kommt. Bücher sind natürlich keine Lebewesen, auch wenn das ab und zu behauptet wird, sie können nichts leisten ohne unser Zutun, und was wir tun, ist ein Abgleich unserer Selbst mit dem, was ein anderer stellvertretend für uns gedacht hat. Im günstigsten Fall gibt es keine Distanz zwischen dem Leser und dem, der für ihn, unwissentlich, geschrieben hat. Es ist nie verkehrt, wenn der Autor, den man liest, bereits verstorben ist oder zumindest ganz und gar unerreichbar, weil er etwa auf einem anderen Kontinent lebt. Auf diese Weise kann man sich am besten vor ihm schützen und vor all dem, was er über uns weiß.

Traum vom Zahnarzt-Urinal

Zum Zahnarzt kam ich durch eine dünne, aber hohe Hintertür, die in einer billigen hellen Pappwand eingelassen war. Zunächst sah ich überall nackte Patienten auf Tragen und Tischen liegen, teils mit in die Höhe gereckten Extremitäten. Der Arzt erschien in Schweiß gebadet, mit fettigen Haaren und vollkommen übernächtigt.

Ich musste aufs Klo, betrat die Praxis also zunächst nicht, sondern das Damenklo, wo eine dicke Frau in der linken äußersten Kammer in einem schwarzen Kleid auf dem Boden lag und sich entleerte. Allerdings war nur ihr Arm zu sehen, der aus der Tür lugte. Ich pisste in ein Urinal, was in einem Damenklo merkwürdig fehl am Platze wirkte. Es erhob sich – aus braunem Sandstein – vor einem großen Schaufenster, an dem Leute auf der Straße vorbei gingen, die aber nicht ihren Kopf in meine Richtung wendeten. Später rutsche ich vom Dach, hielt mich fest und erinnerte mich, dass ich schon einmal da war, allerdings mit einem Freund, der mich wieder nach oben zog. Diesmal blieb mir nichts anderes übrig, als hinunterzuklettern. Ich wusste allerdings, dass es mir nicht gelingen und ich fallen würde.

Das Ende eines Plattenspielers

Der Fisher, dessen Direktantrieb seit 1979 rotiert, hat nun Schwierigkeiten bekommen, mitzuhalten. Was sich so belanglos anhört, ist nichts weiter als das Ende eines alten Plattenspielers, der jetzt einem Pro-Ject weichen muss. Sicher könnte ich mir eine alte Maschine zum Ausschlachten besorgen – was ich zunächst auch wollte; aber auch dieser Motor wird 40 Jahre auf dem Buckel haben, das Ende also nur verschleppt. Außerdem wird es ohnehin Zeit für ein Lift-Off. Das war all die Jahre nicht klar, aber es stehen einige Blue Note-Veröffentlichungen an, die ohne eine Verbesserung der ganzen Anlage kaum ihren Preis wert wären. Mehr später.

Gumbo Variationen

Es war Frank Zappa, der mich gestern, beim Hören seines Albums „Hot Rats“ auf die Idee der heutigen Speisekarte gebracht hat. Nämlich durch seinen Song „The Gumbo Variations“. Und tatsächlich träumte ich mich in der Nacht durch New Orleans. Es ist unklar, wie viele Gumbo-Variationen es geben mag, aber fest steht, dass es seit heute eine weitere gibt. Die Okra-Schoten gab es hier natürlich nicht, aber ich habe das mit Nelken und Lorbeer kaschiert. Der Rest ist dann aber tatsächlich vorhanden.

Jazz ist dem Dichter am nächsten

Jazz zu hören ist eine ganz andere Form des Lebens. Seine Geschichte ist ebenso dunkel wie lang. Und auch wenn Puristen die akustischen Traditionen bevorzugen (die es im Jazz tatsächlich nur schwerlich zu finden gibt, weil dessen Form alles destillieren und neu erschaffen kann), fühle ich mich auch in der Fusion-Welt recht wohl. Ich glaube, der Jazz ist jene Musikform, die dem Dichter am nächsten steht. Der Jazz hat es natürlich zu etwas gebracht, die Dichtung eher nicht. Ich bin mir nicht sicher, behaupte aber, dass John Ashbery der letzte war, dem man vertrauen konnte.

Hermann Szobel, unbekannt

Andy Edwards erzählte mir von einem österreichischen Musiker namens Hermann Szobel, der 1976 im Alter von 18 Jahren ein einziges Album aufnahm. Beim Einspielen seines zweiten Albums wurde er verrückt und verschwand. Bis heute konnte er nicht aufgefunden werden. Ich habe die Platte gefunden und sie auch sofort im Amerika bestellt. Wenige Exemplare gibt es, aber warum das Album selbst in Jazz-Fusion-Kreisen so unbekannt ist, bleibt ein ebensolches Rätsel wie Hermanns verschwinden.

Portulakröschen

Eine Zeit der Schlaflosigkeit ist mir nicht unbekannt. Auf allen Strecken ging sie mir entgegen und spuckte aus, wenn sie ungesehen um die Ecke bog.

Es kam vor, dass ich sie nicht bemerkte. Doch meistens saß sie bei den anderen, die sich über Alpträume unterhielten. Ich hatte sie gar nicht kommen sehen, in ihrem Schal wirkte sie lächerlich laut. Aber Schall war von ihr nicht zu erwarten, dazu wäre sie auch dann nicht imstande gewesen, wenn auf den Toren die eingehängten Rollen versagt hätten.

Ich sitze wie ein Nachtgeschwader fest in diesen aus Bienenwachs hergestellten Figuren, die alle eine Variation meiner ungeahnten Kräfte zur Schau stellen. Sie bewegen sich wie ein einziger Frosch.

Now spinning: Jean-Luc Ponty – Enigmatic Ocean (1977)

Honig Pause Zucker Zucker

ona wotscha pusn ona wotscha pusn nei (Background: ona wotscha pusn nei!)

hoh hoh ho Honig (dü dü dü dü dü dü)

oh Zucker Zucker

Ohrendilemma

Es plagt mich seit einem halben Jahr in meinem rechten Ohr, was natürlich von den Anti-Lärm-Pfropfen stammt, die ich mir seit Jahren ins Ohr ramme. Anders ist in einer Welt voller Höllenlärm auch nicht zu schlafen.