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Schlagwort: Colin Dexter

Die schweigende Welt des Nicholas Quinn / Colin Dexter

Morse ist ein interessanterer Charakter. Er ist ein Mann, der den Leser fasziniert, dem man aber auch mit Vorbehalten gegenübersteht. Lewis findet ihn zuweilen unnötig grob, und das ist er auch. Morse ist ein Effekthascher wie viele großen Detektive, und seine Grobheit dient dazu, die Leute aufzurütteln. Außerdem ist er ein rasender Egoist. Er sagt den Leuten, die er trifft, ziemlich oft, dass er „den besten Verstand in ganz Oxford“ hat. Interessanterweise zeigt er es dann auch. Morse vereint viele widersprüchliche Charaktereigenschaften. Bewunderung und Abscheu liegen nah beieinander, und das ist der Grund, warum Morse so ein überragendes literarisches Gesicht und Gewicht trägt.

Dabei musste Colin Dexter nicht lange nachdenken, wie er seinen Inspektor anlegt. Er nahm sich selbst als Vorbild. Nicht nur, was das Interesse an Bier, englischer Literatur, kryptischen Kreuzworträtseln usw. betrifft, sondern gerade von der Persönlichkeit. Beim Lesen der Morse-Romane hat man unweigerlich das Gefühl, Colin Dexter selbst vor sich zu haben und nicht etwa nur eine fiktive Figur. Morse kennt – wie Dexter – seine Fehler nur zu genau, ist aber nicht imstande, sich für sie zu entschuldigen.

Zuletzt gesehen in Kidlington / Colin Dexter

Vor mehr als zwei Jahren verschwand Valerie Taylor, eine siebzehnjährige Schülerin der Roger Bacon School in der Nähe von Oxford, unter mysteriösen Umständen. Inspector Morses Kollegen von der Polizei fanden trotz intensiver Nachforschungen nichts heraus. Warum also den Fall jetzt wieder aufrollen, wo die Spuren längst kalt sind und die Erinnerungen verblassen? Sicherlich laufen jedes Jahr Hunderte von Mädchen von zu Hause weg und machen sich auf den Weg zu den hellen Lichtern der Großstadt. Morse bevorzugte eine Leiche: eine Leiche, die eines unnatürlichen Todes gestorben ist. Und sehr bald bekommt er eine.

Colin Dexters zweiter Roman ist voller roter Heringe, falscher Fährten also, die äußerst unterhaltsam sind, weil Morse sie selbst legt und dann, wenn wir mit ihm in der Sachgasse angekommen sind, wieder verwirft. Morse springt von einer Idee zur nächsten, operiert oft mit ein paar fragwürdigen Fakten und zieht daraus wackelige Schlüsse. Er verzweifelt, nachdem eine Theorie nach der anderen ins Gras beißt, aber am Ende bekommt er doch noch Recht. Es ist eine sehr verschwenderische Art, Detektivarbeit zu leisten, und es steckt nicht viel Logik dahinter; Morse stolpert fast zufällig über die Lösung des Verbrechens. All das macht die Lektüre des Romans zu einer sehr akademischen Übung, und es ist gerade das, was Colin Dexter vom Rest seiner Kollegen abhebt.

Der letzte Bus nach Woodstock / Colin Dexter

Alte Sendung aus dem „Phantastikon-Podcast“
Colin De Wood

Der 2017 verstorbene Norman Colin Dexter formte einen der beliebtesten und berühmtesten Detektive sehr nach seinem eigenen Vorbild. Auch Dexter war ein Liebhaber englischer Kreuzworträtsel (nicht zu verwechseln mit den unsrigen) mit einem blitzschnellen Verstand, ein von Diabetes geplagter Biertrinker und ein Kenner klassischer Musik. Bis zum Schluss kannten die Leser weder den Vornamen des Autors noch den von Morse. Erst später stellte letzterer sich als Endeavour heraus.

Um sich eine Pause von seinen launischen Kindern zu gönnen, begann Dexter 1972, die ersten Absätze eines Kriminalromans zu notieren. Zunächst war es sein einziges Ziel, sich etwas Zerstreuung zu gönnen. Daraus wurden 13 Romane und die beliebteste britische Fernsehserie aller Zeiten mit John Thaw als Inspektor Morse, die bald ein Prequel und ein Sequel bekam. Der letzte Roman der Morse-Reihe wurde 1999 veröffentlicht und beschließt einen Zeitraum von 25 Jahren. Auf der Liste der besten Detektive aller Zeiten rangiert er auf Platz 7, hinter Sam Spade, aber vor Father Brown.