Morse ist ein interessanterer Charakter. Er ist ein Mann, der den Leser fasziniert, dem man aber auch mit Vorbehalten gegenübersteht. Lewis findet ihn zuweilen unnötig grob, und das ist er auch. Morse ist ein Effekthascher wie viele großen Detektive, und seine Grobheit dient dazu, die Leute aufzurütteln. Außerdem ist er ein rasender Egoist. Er sagt den Leuten, die er trifft, ziemlich oft, dass er „den besten Verstand in ganz Oxford“ hat. Interessanterweise zeigt er es dann auch. Morse vereint viele widersprüchliche Charaktereigenschaften. Bewunderung und Abscheu liegen nah beieinander, und das ist der Grund, warum Morse so ein überragendes literarisches Gesicht und Gewicht trägt.
Dabei musste Colin Dexter nicht lange nachdenken, wie er seinen Inspektor anlegt. Er nahm sich selbst als Vorbild. Nicht nur, was das Interesse an Bier, englischer Literatur, kryptischen Kreuzworträtseln usw. betrifft, sondern gerade von der Persönlichkeit. Beim Lesen der Morse-Romane hat man unweigerlich das Gefühl, Colin Dexter selbst vor sich zu haben und nicht etwa nur eine fiktive Figur. Morse kennt – wie Dexter – seine Fehler nur zu genau, ist aber nicht imstande, sich für sie zu entschuldigen.