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Schlagwort: Kemptener Tagelohn

Kaffee bei Birnstiels

Kaffee gibt es in den unterschiedlichsten Höhenlagen, deshalb natürlich auch in Kempten. Wer es gerne hat, dass sein Kaffee nach alten Zeitungsrollen und Druckerschwärze schmeckt, der beehre den Herrn Birnstiel, seines Zeichens freilich kein Kaffee-Ausschenker wienerischer Couleur, sondern hoheitlicher Marketender für Druckartikel aller Art – und einer der letzten einer aussterbenden Zunft.

Presse Birnstiel

Heute empfing er den Meister ganz im Blüschen, mit Schlips und ordentlicher Bommelei, festlich und fesch, gekämmt und adrett. Ein stattlicher Zeitungswaren-Vorzeiger (der sich auch mit Tabak, Haschischpfeifen und – nur so zum Spaß – einem Kaffeeautomaten brüsten kann. Man kann sich hier im Laden schlicht über alles unterhalten: Knötchen in der Brust, wo bekommt man ein bezahlbares Hirschgeweih, war die Fußpflegerin heute wieder schick?; bei Presse Birnstiel tobt der Figaro-Gedanke wie sonst nirgends mehr. Hätte Kempten eine Mutter, dann hieße sie Herr Birnstiel. Weiland kaufe ich meine wie auch immer gearteten Heftchen dort, die dann, Opfer jeder Sammlung, irgendwo im Keller lagern. Aber nicht diesmal. Diesmal bin ich auf der richtigen Spur, die da lautet: Hochphilosophie. Im Zeitungsschlabberladen? Oh ja, denn ich habe es auf die Buchrücken der LTBs abgesehen, Kater Karlo als intergalaktischer Schurke. Ist das nicht very well by the way? Tröstet euch: auch wenn der Kaffee für umme war, er schmeckte nicht besser als ein angebohrtes Leitungsloch und ich habe ihn dennoch getrunken. Wird das Auswirkungen auf meine Gesundheit haben? Ich glaube nicht, denn selbst die schlimmste Kloake verwandelt sich in Kempten in ein übersinnliches Tröpfchen aus dem Acheron.

Der Fall Sissi

Der Traum vieler Mädchen, eine Prinzessin zu sein, lässt sich leicht mit der von Romy Schneider selbst gehassten Rolle der jungen Kaiserin, die sie im gleichnamigen Gummi-Film von 1956 spielte, in Verbindung bringen. Ein strammes Korsett hat die leibhaftige Kaiserin ja tatsächlich bis zu ihrer Ohnmacht hin geschnürt.

Ob Elisabeth hingegen etwas mit Magenta und rosarotem Plüsch anfangen konnte, bezweifle ich. Dazu war ihr Leben viel zu tragisch. Wie das aber bei Tortenbauern und Zuckerschmieden so ist, liebt man das glitzernde Süß über alle Verhältnisse hinweg, und wenn dann in der Familie die cinemascopische Legendenbildung mit den vielleicht persönlichen Vorlieben, Puppen an- und auszukleiden, eine genetische Tatsache darstellt, hat man den Salat, beziehungsweise das prunken=trunkene Gebäck.

Ist nicht schlecht, sieht nur so aus, weil der Wind weht

Das Töchterlein huscht dem Vater in den Hobbykeller nach und zwingt ihn, das kleine Modell eines Wirtshauses anzufertigen, rosarot bitte, denn wenn ich einmal groß bin, dann werde ich Kaiserin sein! Und wenn du’s nicht tust, trage ich nur noch Bubenklamotten und spiele Fußball mit der versauten Dorfjugend, die gern Frösche anpinkelt.

„Eines Tages werden wir einen Gast haben, der kommt von einem anderen Stern. Eigentlich ist er ja Dichter, aber seine Frisur ist auch nicht schlecht.“

Der Schock wird tief sitzen beim Papa, der sich fortan mit Herzog Max Joseph anreden lassen muss, vor allem, weil er es nicht fertigbringt, seiner Tochter zu sagen, dass er im Hobbykeller nicht mit Holz herumplauscht, sondern Zuckertürme spachtelt. Aber – Heißa! – da hat er die Idee! In Kempten wird bald eine Kneipe frei, die sich ja ganz leicht in ein Café verwandeln lässt. „Wir zerfetzen einfach deine Unterwäsche und hängen sie dort an die Decke, bekleistern die Theke damit und du wirst schon sehen! Die rosarote Scheißhausbrille nehmen wir von hier, Mutti kann das Ding ohnehin nicht leiden.