Brouillon

Die Zeugen / Jaime Begazo

Auch wenn oft behauptet wird, Jorge Luis Borges sei ein Meister der Irreführung gewesen, verhält es sich vielmehr so, dass er seine Leser doch eher davon überzeugte, dass es keinen Unterschied zwischen „Realität“ und Fiktion gibt. Dazu musste er nicht auf das Werkzeug einschlägiger Philosophen zurückgreifen; er begriff die bedeutende Rolle, die Sprache bei der Schaffung von Realität spielt und entwickelte das, was später die postanalytische Sprachwissenschaft dankbar aufnehmen sollte, durch sein literarischen Spiel.

Jorge Luis Borges wird völlig zurecht als der Inbegriff der Literatur gesehen. Damit löste er einst Kafka ab, wenn auch in gänzlich anderer Weise. Es ist für jeden an der Literatur interessierten wichtig, ihn so früh wie möglich zu studieren, aber nicht zu früh, weil eine gewisse Lebens- und Leseerfahrung vonnöten ist, dem großen Mann durch seine hermetischen Labyrinthe folgen zu können.

Spricht man über Borges, dann spricht man zu Eingeweihten, zu jenen, die einem geistigen Adel angehören, oder einer Gruppe von Intellektuellen, die den Templern ähnelt, man spricht über ein Geheimnis, in dessen Mitte unweigerlich Borges thront. Ähnlich verhält es sich damit, das Buch „Die Zeugen“ von Jaime Begazo zu lesen, der im Grunde – auch wenn er seine eigene findige kleine Erzählung präsentiert – damit nichts anderes tut, als eine letzte Geschichte Borges‘ zu Papier zu bringen, oder zumindest ein Geflecht vorzulegen, das auf das Literaturverständnis des großen Mannes rekurriert, inklusive des äußerst präzisen Stils.

In Borges‘ Erzählung Emma Zunz taucht einmal kurz der Name Milton Sills auf, ein Schauspieler der Stummfilmzeit, der – außer der Erwähnung einer Daguerreotypie mit seinem Konterfei – keine andere Rolle spielt, als Inventar der Geschichte zu sein. Jaime Begazo stellt sich allerdings in diesem kleinen Kabinettstückchen ganz berechtigt die Frage, was es mit dieser Erwähnung auf sich hat, ausgehend von dem Wissen, dass bei Borges kein einziges Wort jemals bedeutungslos ist. Der Erzähler berichtet uns von seinem Besuch in Genf, wo er Borges 1986, kurz vor seinem Tod, die Frage nach Stills stellen kann. Und der große alte Mann erzählt die „wahre“ Geschichte, die sich hinter Emma Zunz verbirgt. Das heißt, er betont die „Realität“ dieser Geschichte. Wäre das, was Borges dem Erzähler berichtet, wahr, könnte das alles, was man über Borges weiß, ins Wanken bringen.

Bouquinist

Die Sünden der Väter / Lawrence Block

Eine der wichtigsten Konstanten in Lawrence Blocks mehr als 30-jähriger Schriftstellerkarriere, die mehr als 50 Romane und zahlreiche Auszeichnungen – darunter den renommierten Grand Master of Mystery Writers of America – umfasst, ist der Privatdetektiv Matthew Scudder, der erstmals 1976 in „Die Sünden der Väter“ auftaucht. Damit ist Scudder eine der beständigsten Schöpfungen Blocks und des gesamten Krimigenres. Als ehemaliger New Yorker Polizist, der zeitlebens mit Alkoholismus zu kämpfen hatte, tauchte Scudder bisher in 17 Romanen und einigen Kurzgeschichten auf.

Schon früher beschrieb er die Abgründe, in die junge Erwachsene Anfang der sechziger Jahre gerieten. Es ist eine Welt der Drogen, der Prostitution, der Verkommenheit und der blutigen Wohnungen.

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Journal

H.P. Lovecraft: Verkünder des Erhabenen

Die meisten Menschen wissen, dass Grimms Märchen nicht das verwässerte Zeug sind, das uns Walt Disney gegeben hat. Sie sind viel düsterer, viel grimmiger. Wenn ich darüber nachdenke, kommen mir zwei Fragen in den Sinn: Erstens, wozu dienten die echten Geschichten? (Sie wurden von Generation zu Generation weitergegeben, und ich habe gehört, dass ihre Wurzeln so tief reichen, dass sie geradezu prähistorisch sind), und zweitens, warum wurden sie verschlimmbessert? Wir können nicht alles auf den armen Walt schieben.

Die Zensur des 19. Jahrhunderts

Der Reformimpuls des 19. Jahrhunderts hat viel Schaden angerichtet. Das ist ein großes Thema, aber im Moment konzentriere ich mich darauf, wie die Verwalter der Literatur den Geschmack kleiner Mädchen zu einem Nadelöhr machten, durch das alles passieren konnte. Der Haushalt, einst eine politische und wirtschaftliche Institution, wurde durch die industrielle Revolution und den Aufstieg des Wohlfahrtsstaates seiner Funktionen beraubt. Aber seine Befürworter interpretierten ihn neu und verwandelten ihn in den sicheren Hafen, den wir heute kennen, einen Ort der Gefühle und der Zärtlichkeit, einen Kult um Heim und Herd. Und Geschichten von Kindern, die zerstückelt und in Töpfe geworfen wurden, wollte man nicht mehr hören. (Nicht nur die Volksmärchen litten unter dem Messer, sondern auch die Bibel. Man weiß nicht, wie viele Jungen in der kirchlichen Sonntagsschule wegen der Flanellbilder verloren gingen. Mark Twain war einer davon.). Aber wenn Dinge, die einen vergessenen Zweck erfüllen, verloren gehen, kehren sie in neuer Form zurück.

Das Erhabene

Ich erinnere mich an ein Time Life-Buch, das wir als Kind hatten. Es enthielt diese erstaunliche ausklappbare Illustration von Rudolph Zallingers „Das Zeitalter der Reptilien“. Ich fühlte mich fast unwillkürlich davon angezogen, und sobald ich es aufschlug, sah ich den Tyrannosaurus Rex, den König der Dinosaurier, vor mir: dieses große, zähnefletschende Maul, diese donnernden Schenkel, diese winzigen Arme, die so seltsam liebenswert und nutzlos waren.

Was hat es damit auf sich?

Warum lieben kleine Jungs (meistens) dieses Zeug? Edmund Burke wusste es. Er hatte einen Namen dafür. Er sagte, dass wir uns nach dem Erhabenen sehnen. Hier ist, was er über das Erhabene sagt, aus seinem Werk „A Philosophical Inquiry into the Origin of Our Ideas of the Sublime and Beautiful“ (1757).

(Es ist) … alles, was in irgendeiner Weise geeignet ist, die Vorstellung von Schmerz und Gefahr hervorzurufen … alles, was in irgendeiner Weise schrecklich ist oder sich auf schreckliche Gegenstände bezieht oder in einer Weise wirkt, die dem Schrecken entspricht. Die Quintessenz ist folgende: Aus unerklärlichen Gründen fühlen wir uns zu großen, mächtigen, gleichgültigen und schrecklichen Dingen hingezogen, die uns erdrücken könnten. Diese Erfahrung macht uns glücklich. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen nachts bei Gewitter auf der Veranda: Blitz! „Einundzwanzig, zweiundzwanzig…“ Bumm! „Puh, das war knapp!“, sagt man und grinst. Erhaben.

Das Christentum und das Erhabene

Die Bibel ist erhaben. (In Kinderbibeln würde man das allerdings nicht vermuten.) Von den Anfängen mit dem Geist Gottes, der über dem bodenlosen Meer brütet, über die Sintflut Noahs, über den wirklich merkwürdigen Moment, als Gott mit Abraham einen Bund schließt, über den Herrn, der an Mose vorübergeht, als er in der Felsspalte Zuflucht sucht, (und ich bin noch nicht einmal aus dem Pentateuch heraus), bis zum Wirbelsturm bei Hiob, bis zum Herrn, der durch das Meer watet und auf dem Sturm reitet in den Psalmen, bis zum Zertreten der Weinlese in seinem Zorn, bis zum großen Fisch, der aus der Tiefe auftaucht, um den Propheten zu verschlingen – das sind bewegende Dinge. Aber wir haben die Bibel zurechtgebogen. Es ist nicht das erste Mal, dass C. S. Lewis beklagt, dass in der Synchronizität des mittelalterlichen Kosmos etwas verloren gegangen ist. Das Christentum neigt dazu, in seinem Drang, die Dinge in Ordnung zu bringen, zu weit zu gehen. Und selbst wenn wir einen Blick auf den Gott erhaschen, der in der dichten Dunkelheit wohnt, verwandeln wir ihn in etwas so Süßes, dass sich mir der Magen umdreht.

Christen mit einer Vorliebe für das Erhabene haben einen theologischen Namen dafür, es ist das starke Getränk im Schrank des reifen Christen, das manche das Numinose nennen. (Ich ziehe mysterium tremendum vor.) Soren Kierkegaard, John Milton und J. R. R. Tolkien hatten alle eine Vorliebe dafür.

H. P. Lovecraft und das Erhabene für Atheisten

Aber als die moderne Kosmologie uns den Himmel öffnete, so dass wir ihn und uns selbst neu sehen konnten, fanden die literarischen Liebhaber des Erhabenen etwas Neues, mit dem sie arbeiten konnten. Vielleicht ist H. P. Lovecraft ihr Vater. (Wenn nicht Lovecraft, weiß ich nicht, wer es sonst sein könnte, vielleicht H. G. Wells?)

Ob Lovecraft nun der Vater ist oder nicht, er hat viele Kinder. Einige der populärsten Autoren der heutigen spekulativen Literatur halten ihn für den Meister. Hier ist eine kurze Liste: Neil Gaiman, China Meiville und Stephen King. Keine schlechte Liste von Anhängern für einen Mann, der in der Dunkelheit lebte und mittellos und halb verhungert starb. Ich habe an anderer Stelle über Lovecraft und seine unheimliche, spiegelbildliche Beziehung zu C.S. Lewis geschrieben. (Sogar Lovecraft-Fans scheinen mir zuzustimmen.) Beide sind heute literarische Kultfiguren, und zusammen mit Tolkien bilden sie die Grundlage für den größten Teil der fantastischen Literatur, die heute auf dem Markt ist. Natürlich gibt es einen großen Unterschied in der Weltanschauung zwischen Lewis und Tolkien auf der einen und Lovecraft auf der anderen Seite. Lovecraft war Atheist. Aber das sollte nicht über die Gemeinsamkeiten hinwegtäuschen. Sie alle geben uns das Gefühl, klein zu sein.

Kosmizismus

Für Tolkien war es die nordische Mythologie, für Lewis die Planeten des mittelalterlichen Kosmos, aber für Lovecraft war es die schreckliche Unermesslichkeit und das Geheimnis des Kosmos, wie es die Wissenschaft enthüllt. Er nannte es Kosmizismus. Er stellte es seinen Lesern im ersten Absatz einer seiner größten Erzählungen vor: Der Ruf des Cthulhu,

Das Barmherzigste an der Welt ist, glaube ich, die Unfähigkeit des menschlichen Geistes, alle seine Inhalte miteinander in Beziehung zu setzen. Wir leben auf einer ruhigen Insel der Unwissenheit inmitten der schwarzen Meere der Unendlichkeit, und es war uns nicht bestimmt, weit zu reisen. Die Wissenschaften, von denen jede in ihre eigene Richtung strebt, haben uns bisher wenig Schaden zugefügt; aber eines Tages wird die Zusammenfügung unzusammenhängenden Wissens so erschreckende Aussichten auf die Wirklichkeit und unsere schreckliche Lage in ihr eröffnen, dass wir entweder vor der Offenbarung verrückt werden oder vor dem tödlichen Licht in den Frieden und die Sicherheit eines neuen dunklen Zeitalters fliehen werden.

Viele von Lovecrafts Geschichten enden mit einem Abstieg in den Wahnsinn. Und Lovecraft zeichnet sich dadurch aus, dass er uns das gibt, was Tolkien uns gegeben hat: eine in sich geschlossene (soweit das möglich ist) Nebenwelt, bevölkert von Wesen, die so gewaltig und gleichgültig gegenüber der Menschheit sind, wie der Kosmos es zu sein scheint. Der Grund, warum Lovecraft einer der ganz Großen ist, liegt nicht darin, dass er sich als Stilist hervortat; er ist groß, weil es ihm gelang, seine Leser die Macht des Erhabenen spüren zu lassen.

Zwei Gedanken zum Schluss: Erstens glaube ich, dass es immer Märchen, Mythen und unheimliche Literatur (Lovecrafts Lieblingsbegriff) geben wird, weil sie die zugänglichsten literarischen Formen sind, um das Erhabene auszudrücken. Man kann sie entstellen, wie man will, das Erhabene wird einfach neue Formen finden und mit Macht zurückkehren.

Aber zweitens, und hier würde sich Lovecraft zurückhalten, glaube ich, dass die Sehnsucht nach dem Erhabenen eine Sehnsucht nach Gott ist, nach dem Geheimnis, das uns erschauern lässt. Nicht dieses rührselige Idol, das in einem Lobgesang als Gott durchgeht, ich meine den Gott Abrahams, Hiobs und Jonas. Herr der Heerscharen ist sein Name. Das ist ein starkes Getränk und nur für Erwachsene.

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Schlafparalyse und die Mädchen aus „The Ring“

Ich kann fast in keiner Nacht einschlafen. Vor zwei Nächten war mein Gehirn überaktiv und ich wusste, dass die nächste Schlafparalyse durch die Poren meiner Haut dringen würde. Jetzt bin ich daran gewöhnt. Die Taubheit. Die Hilflosigkeit, wenn es losgeht. Nach jahrelanger Erfahrung weiß ich, wie ich mich davon befreien kann. Ich weiß, dass die Angst nur vorübergehend ist. Ich weiß, wie ich die Schattenhände anschreien muss, die meinen Hals packen oder sich in meine Schultern und meinen Bauch krallen. Während der Schlafparalyse ist die Welt in Schwarz und Weiß getaucht. Die Umgebung ist statisch und still. Ich öffne meine Augen in einer grauen Dimension und weiß, dass mich etwas beobachtet und darauf wartet, meinen Körper zu ergreifen. In diesen Träumen bin ich eine Außenseiterin. Ich kann meinem physischen Körper nicht sagen, dass mich etwas beobachtet.

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Bouquinist

Sommer der Nacht / Dan Simmons

Liest man sich etwas in die Reviews zu Summer Of Night ein, wird man immer wieder auf die Vergleiche mit Stephen Kings ES stoßen. Sollte der Vergleich gerechtfertigt sein, ist Simmons mit diesem Roman gescheitert. Betrachtet man Summer Of Night für sich und sieht die Parallelen als im Horror-Genre übliches Setting an, liest man dieses Buch nicht ohne Gewinn, auch wenn es gegenüber anderen Simmons-Büchern durchaus abfällt.

Nach eigenen Angaben ging es Simmons nicht so sehr um „Monster“ als um die Geheimnisse einer Kindheit in Elm Haven, Illinois um 1960 herum. Eine Zeit, die für Kinder eine relative Unschuld bedeutete, mit langen Sommertagen und vergessener Freiheit, einer Zeit, in der man morgens sein Fahrrad nehmen und erst lange nach Einbruch der Dunkelheit zurückkehren konnte, ohne sich irgendwelche Sorgen zu machen.

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Brouillon

Manche Türen kommen den Flur entlang

Es ist ein schwieriges Unterfangen in einer Welt zu existieren, von der man weder weiß, wie sie funktioniert, noch, wie man es überhaupt herausfinden kann. Dieses Problem haben – zugegeben – die Wenigsten. Ihre putzigen Probleme sind ein steter Anker der illusorischen Sicherheit, für die wir eigentlich alle mehr oder weniger Konditioniert werden. Nur funktioniert das halluzinogene Gespinst immer weniger und immer mehr werden durch die großen Risse im Netz fallen. Sie werden eines Tages vor sich selbst Rechenschaft ablegen und zugeben müssen, dass alles, was man ihnen in der Schule beigebracht hat, erstunken und erlogen ist. Aber wem ist dabei ein Vorwurf zu machen? Wer ist der eigentliche Interpret dieser konstanten und anhaltenden Desinformation? Natürlich ist es ein undurchdringliches Gestrüpp aus Wissenschaft (die keine ist), Medien (die längst schon korrumpiert sind), und Politik (von der noch nie etwas zu halten war). Wir bewegen uns im Dunklen und ich selbst bin hin und her gerissen, ob ich nicht lieber dort geblieben wäre, unter den Schafen, die aus ihrem tiefen Schlaf gar nicht herauswollen. Aber manche Türen öffnet man gar nicht absichtlich, sondern eher im Vorbeigehen. Zufällig. Oder die Tür ist beweglich und rauscht von alleine den langen Flur entlang, bis einem gar nichts anderes übrig bleibt als sie zu öffnen, um nicht von ihr erdrückt zu werden.

Natürlich ist es völliger Nonsense, darüber zu sprechen. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Ich komme mit dieser Isolation durchaus zurecht, die über die Jahrzehnte immer mehr zugenommen hat, aber – wenn ich ehrlich bin – schon immer der wesentliche Faktor meines Lebens gewesen ist. Viele Dinge, die ich Tat, wurden klein; und auch das Arbeiten an diesem oder jenem Blog ist ein grober Unfug, der nur dadurch erklärt werden kann, dass man sich selbst ein paar Notizen hinterlässt. Es ist gar kein Widerspruch, sich für Sherlock Holmes oder Donald Duck und Quantenphysik zu interessieren, für Freddy Krueger und Astrophysik. Für kleine Gespenster und Spuk und für ein gutes Kochrezept, Vinyl und Philosophie. Es war schon immer ein großes Ärgernis für mich, in diesem lächerlichen Land zu leben, obwohl es natürlich Vorteile hat, von Idioten umgeben zu sein.

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Die Phantome des Franz Hellens

(c) Franz Hellens

Von Franz Hellens ist heute kaum noch mehr als dieses traurige Gemälde zu finden, das Modigliani gemalt hat, der als Künstler bekannter ist als sein Modell. 1881 in Brüssel geboren, und für den Dienst an der Waffe für untauglich befunden, ließ er den ersten Weltkrieg in Nizza vorbeiziehen, wo er auch Modigliani begegnete, und seiner zukünftigen Frau Maria Marcovna. In einem späteren Buch voller Aufsätze und Erinnerungen mit dem Titel Geheime Dokumente, erzählt Hellens, wie Modiglini das Portrait in ein paar wenigen Stunden aufs Papier geschleudert hatte, während, unterbrochen von gelegentlichen Spaziergängen an der frischen Luft, drei Liter Wein durch seine Kehle rannen. Hellens und Maria waren von dem Portrait nicht begeistert. Er beschreibt seinen Eindruck in einer seiner besten Geschichten, Der Hellseher:

„… es war lebendig, lebhaft; ‚es sprach‘, wie manche Kenner sagen würden. Aber es hatte wirklich keine Ähnlichkeit.
Es muss gesagt werden, dass der Maler nicht für einen einzigen Augenblick daran dachte, dem Gesicht, das er vor sich hatte, zu schmeicheln. Es war seltsam in die Länge gezogen; das Oval des Gesichts derart zu strecken hebt ohne Zweifel eine charaktervolle Schlankheit hervor, einen Charakter aber, der nicht dem meinen entspricht. Außerdem hatte er die Schultern völlig weggelassen, so dass das wenige, das auf dem Portrait vom Körper zu sehen ist, noch weiter zum Fehlen des Volumens beiträgt, wie es nicht von dem, der ihm saß, stammen konnte. Letztlich sind die wenigen Falten, die damals bereits mein Gesicht zierten, übertrieben dargestellt worden. Das Portrait atmet eine geistige und körperliche Erschöpfung, gerechtfertigt durch das schwierige Leben, das ich bis dahin gelebt hatte. Trotz allem war ich am meisten von diesem jugendlichen, sogar kindlichen Ausdruck beeindruckt, genauso unverhältnismäßig und paradox wie der Rest, der sich aus der absichtlichen Fragilität der Konstruktion ergibt. Da war auch noch etwas anderes, das ich allerdings nicht erklären konnte.“

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Bouquinist

Die Gasse der dunklen Läden / Patrick Modiano

In Patrick Modianos Erzählungen dreht sich fast alles um die Erinnerung, dieser schwer fassbaren Eigenschaft.

“Ich bin nichts” lautet dann auch der erste Satz in “Die Gasse der dunklen Läden” von 1978. In Modianos Welt bestehen wir aus unseren Erinnerungen, unserer Geschichte, den Geschichten, die wir über unser Leben konstruieren. Wenn wir uns nicht daran erinnern, wer wir sind, sind wir dann überhaupt?

Der Protagonist Guy Rolland verlor vor 15 Jahren bei einem mysteriösen Unfall sein Gedächtnis, bis ihn der Privatdetektiv Hutte bei sich eine Anstellung verschaffte.

Als Hutte sich zur Ruhe setzt und nach Nizza zieht, übernimmt Guy die Aufgabe, herauszufinden, wer er wirklich ist, denn sein augenblicklicher Name ist nur eine künstliche Identität.

Mit Hilfe von Fotos, kleinen Hinweisen, Telefonbüchern und Gesprächen mit verschiedenen Personen setzt er sein Leben langsam zusammen, aber es ist eine verschlungene Straße mit vielen Löchern. Jeder Hinweis führt zu einem anderen; manchmal denkt er, er habe herausgefunden, wer er ist, nur um kurz darauf Beweise dafür zu finden, dass er doch ein anderer ist. Ist er Pedro Stern oder McEvoy? Wie lautet der Name der Frau auf dem Bild, die er wiedererkennt? Warum sind sie aus Paris geflohen? Es häufen sich die Fragen und es gibt kaum Antworten. Guy tappt im Dunkeln, in einer fast filmischen und traumhaften Welt, bevölkert von einer Vielzahl mehr oder weniger seltsamer Figuren. Auf der Grundlage der wenigen Informationen beginnt Guy, eine Geschichte zu erzählen, aber ist es wirklich so gewesen oder erzählt er sie nur, um zumindest eine eigene Geschichte damit festzuhalten?

Das Buch wird langsamer, als er beginnt, die scheinbar endlosen Hinweise auf das Rätsel um seine Identität zu lösen, und der Roman verwandelt sich von einem Detektivroman in einen Roman der Reflexion und Kontemplation, als Guy erkennt, dass der Schlüssel zur Entdeckung seines vergangenen Lebens von der Besatzung Frankreichs abhängt.

Modianos Stil ist einerseits klar in seinen Abläufen, und noch präziser, wenn er sich damit befasst, zu erkunden, wie das Gedächtnis funktioniert und was den Erinnerungsmechanismus jeweils auslöst. Und so erinnert der Roman an die Filme von Alain Resnais (Letztes Jahr in Marienbad, dessen Drehbuch Alain Robbe-Grillet verfasste), die die Beziehung zwischen Bewusstsein, Erinnerung und Vorstellungskraft erforschen.

“Die Gasse der dunklen Läden” ist ein melancholischer und unheimlicher Roman mit einer Rahmenhandlung, die genauso gut ein sehr konventioneller Krimi hätte werden können. Die fragmentierte Erzählung und die umgekehrte Chronologie machen ihn jedoch alles andere als konventionell. Wie üblich schreibt Modiano mit einer begnadeten leichten Hand. Schnell kann es deshalb sein, die kleinen wunderbaren Details in der Sprache und den Beschreibungen der Umgebung zu verlieren. Einige Kapitel sind nur eine Seite lang und bestehen aus Listen mit Namen, Adressen und Telefonnummern. Aber selbst in diesen Listen gelingt es ihm, die Poesie des Verlorenen sprechen zu lassen.

Modiano beschäftigt sich oft mit der tückischen Natur der Erinnerung und ihren Unzulänglichkeiten. Für ihn sind sowohl die Erinnerung als auch die Identität fließend und flüchtig, sie verändern sich ständig.

Für diesen Roman erhielt Modiano 1978 den renommierten Prix Goncourt für die nahtlose Integration des Psychologischen und Existenziellen in das oft formelhafte Genre der Detektivliteratur. Er ist ebenso erfreulich wegen seiner erwartbaren Szenen voller Spannung und Geheimnis als auch wegen der oft tiefgründigen Analyse von Identität und Erinnerung, die alle in unverblümter, geradliniger Ego-Prosa präsentiert werden, die der von Meursault in Albert Camus’ “Der Fremde” nicht unähnlich ist. Wie seinem Nobelpreisträger-Kollege gelingt es ihm, die komplexen Themen, die er behandelt, zugänglich zu gestalten, während andersherum die zahlreichen Charaktere und Anekdoten unüberschaubar bleiben.

Journal

Die Welt bei Kerzenschein (Folklore und Legenden)

Folklore und Legenden sind Teil eines Vermächtnisses unserer ursprünglichen Ängste, die in der Morgendämmerung der Menschheit ihren Ursprung haben, als die Welt noch vom Übernatürlichen dominiert war: Wälder, Hügel, Berge und Flüsse waren der Lebensraum von alten, unsichtbaren Dingen. Leben bedeutete, im Schatten dieser Geheimnisse zu leben. Kerzen drückten die tiefe Angst des Menschen aus, nur in einem kleinen Lichtkreis inmitten einer riesigen, dunklen Welt zu leben.

Dieses Motiv ist eine Konstante in fast jedem Mythos. Hrothgar, der König der Dänen, erbaute eine große Festhalle in den wilden Mooren Dänemarks und brachte damit das Licht und das Lachen der Menschen in die dunkle Landschaft seines Reiches. Grendel, einer der drei Gegenspieler des Beowulf, zahlt es den Eindringlingen in sein Gebiet heim, indem er sich nachts in die Halle schleicht und alle Anwesenden ermordet. Die goldenen Tapeten sind abgerissen, die Lichter der Halle erloschen, und das Moor liegt wieder still und leise da.

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Brouillon

Gu und der Teddypir

Anmerkung

Dies ist ein Auszug, der einer anderen Podcastsendung vorangestellt wurde und dort als Intro seinen Nutzen fand. Daraus resultierte dann die Idee, die beiden Figuren weiter auszubauen und in künftigen (eigenen) Sendungen zu übernehmen.

Nach nun mehr runden zehn Jahren Phantastikon-Magazin und Podcast war leicht abzusehen, dass wir mit dieser Arbeit auf äußerst wenig Interesse stoßen. So ein rundes Datum kann leicht dazu genutzt werden, eine Sache zu ändern oder zu beenden. In diesem Fall steht ein eher „lockeres Ende“ fest. Das bedeutet, dass alles im Netz stehen bleibt und hier und da ein Artikel neu hinzu kommt, wenn es sich ergibt. Allerdings findet der Podcast sein definitives Ende, oder besser gesagt: er wird restauriert und in anderer Form hier unter dem Banner der VERANDA weitergeführt (was bereits geschehen ist).

Das bedeutet aber auch, dass mit neuen Formen experimentiert wird, und eine davon ist die Hinzunahme der Figuren GU (Puppe) und Teddypir (ein blutsaufendes Monster aus dem fernen Ransilvanien). Um das auszuprobieren, habe ich ein kleines Intro für einen anderen Podcast erschaffen, der sich mit Musik beschäftigt: Allgäu Doom. Eine erste Originalsendung mit den beiden befindet sich bereits in Produktion. Dabei sollen die grundsätzlichen Themen merkwürdiger und bizarrer Geschichten beibehalten werden, allerdings aufgelockert durch etwas „Muppet-Vibe“.

Journal

Durst – Ein Vampirfilm ohne Klischees

Als Park Chan-Wook seinen Vampirfilm “Durst” drehte, wollte er die Knoblauchzehen, Opernumhänge, Holzpfähle und andere schimmelige Genre-Stereotypen weglassen. Er beabsichtigte auch nicht, der gegenwärtigen Flut an Blutsauger-Fabeln mit ihren pubertierenden Helden und Heldinnen, wie etwa “Twilight” oder “True Blood”, noch ein weiteres Kapitel hinzuzufügen. “Im Westen gibt es diese große Ansammlung von Klischees in Vampirfilmen”, sagte der südkoreanische Autor und Regisseur.

“Ich dachte, mir könnte etwas Einzigartiges einfallen, indem ich diese Klischees wegließ.”

Aus diesem Grund sollte “Durst” als scheinbar erster Vampirstreifen in Erinnerung bleiben, in dem der Protagonist ein asiatischer römisch-katholischer Priester ist, der sich wegen seiner bisherigen Hilflosigkeit schuldig fühlt. Dieser bescheidene Mann des Glaubens, der vom führenden koreanischen Schauspieler Song Kang-Ho gespielt wird, wird aus Versehen zu einem sinnlichen nächtlichen Raubtier, als er freiwillig an einem Impfstoff-Experiment teilnimmt, das einen tödlichen Virus bekämpfen soll. Stattdessen erhält er eine ansteckende Transfusion, die ihn zum Vampir macht.

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Bouquinist

Agatha Christie – Die Königin so mancher Verbrechen

Schon früh wurde mir klar, dass ich mich eines Tages dem Verbrechen zuwenden würde. Noch in der Schule scheute ich die vorgeschriebenen Bücher und verschlang stattdessen die Ellery Queen- und Alfred Hitchcock Mystery Magazines sowie die Romane von Agatha Christie.

Ich fühlte mich sofort mit dieser Autorin verbunden, und das nicht nur, weil wir am selben Tag geboren wurden (wenn auch, wie ich hinzufügen möchte, nicht im selben Jahr). Was ich an ihrem Ansatz des „Rätselschreibens“ am meisten schätzte, war ein ausgeprägter Sinn für Logik, kombiniert mit einer Verspieltheit, einer Verschlagenheit, einer verflixten Freude an der Täuschung, die man mit Genugtuung zur Kenntnis nahm, selbst wenn man zugeben musste, dass sie einem wieder einmal das Fell über die Ohren gezogen hatte. Man war zwar wütend auf sich selbst, weil man hereingelegt worden war, aber gleichzeitig konnte man nicht anders, als dem genialen Taschenspielertrick zu applaudieren. Aber beim nächsten Mal, beim nächsten Buch, das schwörst du dir, wird das alles anders werden.

Zugegeben, einige der Muster, auf die sie zurückzugreifen pflegte, wurden mit der Zeit vertraut, und man konnte sie gelegentlich in Frage stellen. Je mehr Bücher ich las, in denen meist ihr exzentrischer und egozentrischer, schnauzbärtiger belgischer Detektiv und die trügerisch zerbrechliche, strickende Jungfer aus St. Mary’s Mead die Hauptrolle spielten, desto mehr Anzeichen und Signale tauchten auf, die zur richtigen Schlussfolgerung führen konnten, bevor die Detektive sie erreichten.

Jedenfalls beschloss ich, nachdem ich den bestmöglichen Unterricht zur Entwicklung einer kriminalistischen Denkweise erhalten hatte, lieber Krimis zu schreiben als sie zu lesen. Das Problem, mit dem wir Krimiautoren immer wieder konfrontiert werden, ist jedoch, dass, sobald man glaubt, eine großartige Wendung gefunden zu haben, diese bereits bekannt ist. Dame Agatha hat es schon vor Jahrzehnten vorgemacht, und man kann eigentlich nur noch einige ihrer Beispiele modernisieren. Das Rad wurde erfunden und sie hat es dann noch ein paar Mal neu erfunden, damit es sich auch bewährt. Jetzt können wir es also nutzen.

Die Antwort auf ihre Rätsel lag oft in der Vergangenheit; je scheinbar harmloser die Erwähnung von etwas, das vor langer Zeit geschah, desto mehr Einfluss hatte es auf die Gegenwart. Diese kleinen Hinweise auf Ereignisse von gestern konnten doch unmöglich etwas mit den aktuellen Ermittlungen zu tun haben, oder? Natürlich konnten sie das, und sie würden es auch.

Aufgrund ihrer medizinischen Kenntnisse, die sie während des Ersten Weltkriegs in einem Lazarett und später als Apothekergehilfin erworben hatte, liebte es Dame Agatha auch, ihren fiktiven Opfern verschiedene Gifte zu verabreichen.

Abgesehen von ihren „normalen Krimis“, in denen der Schuldige entlarvt wurde, nachdem alle Verdächtigen zweimal befragt und dann wie verirrte Schafe in einem Salon zusammengetrieben worden waren, gab es einige Romane, die in ihrer Herangehensweise und der letztendlichen Lösung so kühn waren, dass sie andere Krimis über Jahrzehnte hinweg beeinflussen sollten. Vielleicht hat sie nicht alle diese Wendungen erfunden, aber da sie sie perfektioniert hat und die Autorin ist, mit der sie in Verbindung gebracht werden, ist es so, als hätte sie es getan.

Achtung… Spoiler…

Der Erzähler war es

Wenn Sie in letzter Zeit ein paar Filme gesehen haben, sind Sie diesem „Überraschungselement“ mit Sicherheit schon begegnet: Die Person, der Sie eigentlich am meisten vertrauen sollten, ist in Wirklichkeit die schuldige. Oder (gähn) das Opfer und der Täter sind tatsächlich dieselbe Person. Aber als Der Mord an Roger Ackroyd 1926 veröffentlicht wurde, war es ein spektakulärer Einfall, dass sich der Ich-Erzähler als der Mörder entpuppte. Einige Kritiker beschwerten sich darüber, dass Christie gemogelt habe, indem sie die Untaten im „Off“ stattfinden ließ und Dr. James Sheppard einfach nicht über seinen damaligen Aufenthaltsort und seine mörderischen Handlungen nachdachte. Wahrscheinlich waren sie jedoch wütender auf sich selbst, weil sie ertappt wurden und nicht selbst daran gedacht hatten. Im Jahr 2013 wurde dieses Buch von 600 Schriftstellerkollegen der Crime Writers‘ Association zum besten Kriminalroman aller Zeiten gewählt.

Sie alle waren es

In Mord im Orientexpress werden auf sehr sportliche Art und Weise sachdienliche Hinweise gegeben. Es gibt eine bestimmte Anzahl von Stichwunden. Es gibt eine bestimmte Anzahl von Verdächtigen, die sich alle so verdächtig verhalten, dass eine Figur nach der Befragung eines jeden von ihnen ausrufen kann: „Er hat es getan!“ oder „Sie hat es getan!“ Ja, natürlich. Ganz genau. Das wird sich als richtig erweisen. Er hat es getan. Und sie hat es getan. Zusammen mit all den anderen.

Eine tote Person war es

Oder der Mörder war nicht wirklich tot, zumindest nicht zu dem Zeitpunkt, als man ihn dafür hielt. Und er hatte Hilfe. Und die Person, die ihm bei seiner Täuschung half, war die nächste, die dran glauben musste. Und dann gabs keines mehr bewies, nur für den Fall, dass es irgendeinen Zweifel gab, dass Dame Agatha ihre ausgeklügelten Muster, die sie eine Zeit lang perfektioniert hatte, beiseite legen und über den Tellerrand hinausschauen konnte. Sie wagte sich auf ein Gebiet jenseits des Kriminalromans. Es war ein kühner Coup, der diesen Roman zu ihrem Bestseller machte, von dem inzwischen 100 Millionen Exemplare verkauft worden sind, Tendenz steigend. Der Roman wurde mehrfach verfilmt, was den Nebeneffekt hatte, dass Christie die Grundregeln für das erfand und festlegte, was später als Slasher-Film bekannt wurde – ohne die eimerweise blutigen Stellen, die wir heute von solchen Filmen erwarten, und mit Charakteren, die durch und durch verdorben waren. Was sie hier schuf, war eine Detektivgeschichte ohne Detektiv. Und mehr noch: einen Krimi ohne Held oder Heldin.

Das vermeintliche Opfer war es

Um ein Verbrechen zu begehen, musste jemand nicht so weit gehen und seinen eigenen Tod vortäuschen, wie im obigen Beispiel – ein vermeintlicher Angriff reichte aus, wie zu Beginn von Das Haus an der Düne, als Magdala „Nick“ Buckley (wie wir glauben) fast erschossen wird. Wenn tatsächlich jemand Nick töten wollte, wer wäre dann der am wenigsten verdächtige Kandidat? Das arme erschossene Mädchen selbst. Das Einschussloch in Nicks Sonnenhut lenkt den Verdacht des Lesers garantiert ab, und wenn sie nicht bald darauf stirbt, suchen wir die Schuldigen natürlich woanders.

Jemand hat es in fremden Gefilden getan

Die Autorin ist mit ihrem zweiten Ehemann, dem Archäologen Sir Max Mallowan, viel gereist. Während er seiner Arbeit nachging, beschäftigte sie sich mit der Ausgrabung von Plots, die vor Bosheit und vornehmem Chaos nur so strotzen. Die betreffenden Länder, zumeist im Nahen Osten, boten die Kulisse für heimtückische Taten, die in einem anderen englischen Landstrich vielleicht ein wenig langweilig gewirkt hätten. In einem exotischen Milieu waren sie frisch und neu. Überall, wohin sie reiste, fand Christie Das Böse unter der Sonne. In jedem Land, das sie kannte, war die Bühne für eine Verabredung mit dem Tod bereits bereitet. Ein paar andere Beispiele sind Mord in Mesopotamien, Sie kamen nach Bagdad und Tod auf dem Nil.

Jemand hat es vor Jahrhunderten getan

Das Buch spielt im Jahr 2000 v. Chr. in Theben, und man kann sich nur vorstellen, wie viel Recherche in Rächende Geister geflossen sein muss. Trotz all der überzeugenden Details über das tägliche Leben im ägyptischen Haushalt vor 4000 Jahren wird es nie zu einer trockenen, informativen Lektüre, sondern eher zu einer brutalen Unterhaltung mit so vielen Todesfällen, dass es in dieser Hinsicht mit Und dann gabs keines mehr konkurriert. Die Akteure auf dem Markt für historische Krimis sind sich vielleicht gar nicht bewusst, was sie Agatha Christie zu verdanken haben.

Die Königin des Verbrechens regierte mehr als gut und tut es immer noch. Ihre raffinierten Rätsel werden nicht nur weiterhin neue Generationen von Lesern begeistern, sondern auch künftige Krimiautoren werden ihr weiterhin huldigen – wissentlich oder unwissentlich, ob sie es nun beabsichtigen oder nicht.

Das Original erschien im Blog „Something is going to happen„.

Brouillon

Die Rose ist ohne Warum

Als ich anfing, war es ein Köter. Aber Mary hatte einen Zahn. Die Wiese ging nur bis zum Baum und verschwand in dem einen oder anderen Garten, schließlich waren wir alle nicht besonders rücksichtsvoll und wollten gemeinsam die Alte Mutter ausgraben, die hier irgendwo liegen sollte. Ich grub zuerst (und es war – dann doch) ein Köter, den ich fand. Knochig und von Würmern und Dingen mit so seltsamen Namen wie Triosephosphatisomerase befreit.

Er kam mit mageren Lenden, mageren Beinen, ohne jeden Makel außer seinen zuckersaugenden Lippen (wenn er Zucker fand, dann in Würfelform). Die Rippen eher wie die Adern eines Blattes, die Spanten eines versunkenen Schiffes: So schritt er den Gurtbogen am Tonnengewölbe entlang, kratzte sich die Kehle und blies wie ein Bügelhorn: Jetzt bin ich so weit gekommen, und wenn ich mich umdrehe, erkenne ich meine Hand vor lauter Augen nicht mehr, so neblig scheint mir der Weg, gesponnen aus der Dunkelheit der Seele!

Deine Mühlen werden besser beschienen, Kischote, wenn du dich von Mittag her näherst. Dann werden die Lupinen von deinen Taten zeugen und die Brunnen werden Heimweh haben. Dann wird sich die Erde erheben und die Berge werden dem Gesang lauschen, der hinter einem einsamen Duschvorhang erklingt. Auf einem geschnitzten Abfallhaufen landet deine Lanze, Kischote, wenn du dich vom Abend her näherst, auf einem nur gemalten Gaul, die Rotoren, von Mückenflug und Atemfluch getrieben, zermalmen den Zehnten, den Müller gleich mit, und seine Schürze hängt noch da, wenn du dich vom Morgen her näherst, der Mühle den Hintern zu versohlen, mit Rost und Federhelm und reichlich Irrglauben. Du wirst mit deinen Mühlen besser beschienen, Kischote, wenn du dich von Mittag her näherst.

Wir haben nie etwas voneinander gewusst, sahen uns jeden Tag, verbrachten Jahre miteinander und lernten das Leben kennen, das man uns versprach. Das Wunder ist nicht auszuschließen, aber rechnen dürfen wir nicht mit ihm.

Heute sage ich: Wo warst du? Wir haben das Leben zusammen kennengelernt, wo sind die anderen?

Und du sagst: Ich war fort, ich weiß nicht, wo ich war. Ich habe nichts besser gemacht. Ich hätte jung bleiben wollen. Es gab keine Gelegenheit dazu.

Um schließlich in den Bau zu gelangen, sollten noch einige Enten gescholten werden. Sie waren durch ein Gatter entkommen, das hinter alten Fassaden stand und dort auf uns wartete, kaum wahrnehmbar an einer Grenze zwischen Nebel und Dunkelheit.

Weil es Winter wurde, packten wir unsere Kaleidoskope aus, damit wir die Kälte aus einer anderen Perspektive wahrnehmen konnten, doch sie waren zu dieser Zeit nicht besonders zuverlässig, weshalb wir uns um Alternativen bemühten, die wir hinter Schornsteinen fanden. Mal waren sie da, mal waren sie absichtlich absent, indem sie sich versteckten, um uns zu zeigen, dass sie sich bereits nach Norden aufgemacht hatte.

Bouquinist

Die Legende von Sleepy Hollow

Wenn ich heute von der Legende von Sleepy Hollow spreche, dann dreht es sich explizit um die Geschichte von Washington Irving, die ja bereits mehrere Male verfilmt und die direkt von der Sage beeinflusst wurde. Einen Artikel (und Podcast über den kopflosen Reiter gibt es bereits im Phantastikon). Die Unterschiede liegen auf der Hand. Hier wurde ein Stoff fiktionalisiert, der schon lange im Umlauf war.

Die Legende ist sowohl eine charmant-kuriose Geschichte über die Versuche eines unbeholfenen Lehrers, die Tochter eines reichen Gutsbesitzers zu umwerben, als auch eine Charakterisierung des gotischen Schreckens, wie er in Geschichten wie Das Schloss von Otranto, Der Käfer oder Dracula vorkommt.

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