

Possenspiele
Die romantische Faszination für Somnambulismus, Hypnose, bzw, organischen Magnetismus beruht auf der Vorstellung, dass sich im Zustand des ausgeschalteten Bewusstseins das Geheimnis einer tieferen Verbindung des Individuums mit der Natur und dem kollektiven Unbewussten in einer immateriellen psychischen Dynamik enthüllen lassen.
Ashbery sagt über William Carlos Williams, daß er in einer offenen Form und in Alltagssprache dichte. Was mir bleibt, ist die offene Form, fern jeder Schematik, die fehlende Geschraubtheit, ja, durchaus. Aber in seinen Prosagedichten rafft er Horizonte zusammen.
Seite 107, Paterson: Der letzte Wolf wurde im Jahr 1723 in der Nähe des Weisse Huis erlegt. Das ist fast wörtlich ein Satz, den ich in die Sandsteinburg schrieb, nämlich so (Seite 101):
Der letzte Wolf wurde am 21. Juli 1882 bei Mehlmeisel von Martin Wiesend, einem Gasthofbesitzer, im Laufe einer Jagd erschossen.
Ashbery, geschult an Elizabeth Bishop, Marianne Moore, W.H. Auden, und eben Williams, bedeutet mir sprachlich mehr, aber Paterson bleibt mir als Langgedicht ein unvergessliches Erlebnis
Ich gehe auf der Straße und gebe vor, ein Auto zu sein, was man mir scheinbar nicht abnimmt, sonst wäre kein Hupkonzert aufgekommen. Unbeeindruckt blinke ich (hat man kein recht auf Langsamfahrt?) nach alter Herren Sitte mit dem linken Arm. Ich muss gar nicht aussteigen, um den Laden zu betreten, bin bereits das Ausgestiegene höchstselbt. Heute bedient wieder die blonde, feiste Nachbarin, die nach ihrer Schwangerschaft vor über zehn Jahren nie wieder in eine gewisse Windschnittigkeit zurückfand. Außerdem gibt es ja noch das zweite, das jüngere Kind.
kleine pastellfarbene fasane verfingen
sich im zaun, der über die felder
zackte, über die talsohle fegte,
blaßblau die mäntel der statuen,
deren blässe die gesichter immer weiter
bearbeitete; so warteten sie darauf,
wieder erweckt zu werden
Antwort von Fr. Mayröcker, die mich ermutigt, ihr weiter zu schreiben. Es ist das für mich ein Tunnel, durch den ich kriechen kann, um all die Zeiten zu überbrücken, die ich nicht in 1. Instanz erleben konnte. Ich erlebe nach Hinten hinaus, während mich das Künftige mit dem Rücken ansaugt. Vor mir liegt die Vergangenheit. Das Problem an diesem Begriff ist seine Unschärfe.
Ich gehe wieder etwas in der Zeit zurück und beschäftige mich mit Erzählungen des 19. Jahrhunderts, die ich eventuelle auch in der Klangschmiede aufnehmen will. Da bin ich nun bei Der Marquise von O… gelandet, diesem „Grundstock für das Kunstjournal Phöbus“ (1807). Allerdings findet sich das Motiv der Erzählung bereits in Michel de Montaignes „Essay über die Trunksucht“ – 1588. Ein ähnliches Thema behandelt Cervantes in der Novelle „Die Macht des Blutes“. Doch sind das nur stoffliche Verwandtschaften, Kleist vertiefte die Problematik auf seine Weise.
Die Zigarette fiel mir aus der Zigarettenspitze und verfing sich eine Etage tiefer im Blumengesteck der Nachbarn unter mir, die sich gerade in Spanien aufhalten, was dazu führte, dass es ganz und gar unmöglich war, sie wiederzubekommen. Dort hing sie im Grün und qualmte vor sich hin. Ich steckte eine neue auf und beobachtete diejenige, die als verloren gelten musste. So rauchten wir gemeinsam, der Blumenkasten und ich. Dass wir dabei schwiegen, war mir ein doppelter Genuss.
Wie die Hunde hängen sie heute am Wasser rum, die Stadt ist wie leergefegt. Ich verkrieche mich (niemals ohne Kaffee) in meinem abgedunkelten Arbeitszimmer. Mich wirft alles aus der Bahn, komme nicht vor acht Uhr aus dem Bett, sehe dann aus wie ein gemästeter Hering in der Sonne. An mein tägliches Bad ist in den letzten Wochen ohnehin nicht zu denken. Hantiere an Tableau No. 9 herum, wünsche mir das Fieber zurück. Der Herbst vor der Tür, mich freuts. Beruhige und zentriere mich mit Sir Walter Scotts aus dem Roman Redgauntlet ausgekoppelter Erzählung Wandering Willie’s Tale, mit seiner authentischen schottischen Idiomatik, der mehrfachen perspektivischen Brechung und der Detailgenauigkeit. Ein Glanzstück englischer Ezählkunst, ganz eigentlich Scotts Meisterwerk.