Die Geheimnisse von Hill House / Elizabeth Hand

Elizabeth Hand liebt Spukhäuser, die in ihrem Werk eine wichtige Rolle spielen. Leider ist das Werk dieser großartigen Autorin für den deutschen Leser so gut wie nicht zugänglich, was wieder einmal zu einer merkwürdigen Verzerrung führt, der wir als Volk der Kulturnehmer immer wieder ausgesetzt sind.

Die Geheimnisse von Hill House
Goldmann; erschienen am 18. September 2024

Tatsächlich hat das klassische Spukhaus in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt, aber die meisten dieser Geschichten sind nicht besonders gut. Bly Manor, das Overlook Hotel und natürlich Hill House stehen nach wie vor an der Spitze dieses unverzichtbaren Klassikers der Schauerliteratur, und es gibt auch einige kurze Beiträge wie natürlich das Usher House oder das Eel Marsh House, aber es ist kaum zu bezweifeln, dass Shirley Jackson mit „Spuk in Hill House“ die Trophäe gebührt. Dieses Erbe wird von der Familie Jackson natürlich mit Argusaugen bewacht, und ein Nachfolger für den Klassiker wurde über die Jahre immer wieder diskutiert, kam aber nie zustande. Nun aber hat der Jackson Trust erstmals eine Fortsetzung lizenziert und die Rechte an die mehrfach mit dem Shirley Jackson Award ausgezeichnete Elizabeth Hand vergeben. Das kommt nicht von ungefähr, denn Hand steht seit langem in Kontakt mit Jacksons Agentin Mary Weiss und dem Nachlassverwalter Laurence Jackson. Das Konzept für den Roman entstand in mehreren Zoom-Sessions: Eine kleine Gruppe von Theaterleuten zieht für kurze Zeit ins Hill House, um dort ein Stück einzustudieren.

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Die stillen Gefährten / Laura Purcell

Die stillen Gefährten

Laura Purcell ist eine neue Stimme unter den jungen Autorinnen, die sich gerade daran machen, der Gothic Novel wieder neuen Atem einzuhauchen. Man erfährt von dem gegenwärtige Geschehen im Augenblick noch nicht allzu viel, vielleicht gerade deshalb, weil sich die einschlägigen Medien der Sache noch gar nicht angenommen haben und es gibt auch noch keinen spezifischen Verlag, der einen Vorstoß wagt und die New Wave of Gothic Novel ausruft. Alles scheint noch etwas vage beäugt zu werden, aber nach und nach tauchen immer mehr Töchter Jane Austens auf, eine davon jüngst im Festa-Verlag.

Laura Purcell ist eine dieser Anhängerinnen Jane Austens. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass es jene gibt, die Jane Austen nur von den höflichen Komödienadaptionen im TV kennen, dadurch aber gerne ausblenden, dass es durchaus eine Seite an Austen gibt, die der Gothic Novel zugerechnet werden kann. Da scheint es fast schon selbstverständlich, dass moderne Autorinnen, die eine düstere Thematik bedienen, hier neben Daphne du Maurier ihren Markstein finden. Namentlich: Northhanger Abbey, das exemplarisch für die schiere Brandbreite der Schauerliteratur steht. Sie kann eine Satire mit Happy End sein, ein Abenteuer, das der Weird Fiction nahe steht, oder einfach nur Horror.

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Die Augen der Heather Grace / David Pirie

Wir sind nie in den Genuss der bemerkenswerten Krimis gekommen, die David Pirie anfangs der 2000 für die BBC produzierte. Die zweiteilige Geschichte „Murder Rooms: The Dark Beginnings of Sherlock Holmes“ wird auf der Insel zu den besten Präsentationen gezählt, die das Fernsehen auf diesem Sektor je geschaffen hat. Allerdings muss man dazusagen, dass es zu dieser Zeit die Sherlock-Serie noch nicht gab, die erst 2010 ausgestrahlt wurde.

Insgesamt sollte es die Serie, die an die frühen Hammer-Filme und den amerikanischen Film Noir der 1940er Jahre erinnert, auf sechs Filme bringen. Dass sie trotz des Erfolges eingestellt wurde, ist nach wie vor eines der großen Rätsel, hat aber wohl mit BBC-Interna zu tun. Sie kam viele Jahre zu früh und würde heute ganz anders behandelt werden.

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Warum ist Gormenghast ein Meisterwerk?

Als ich 15 Jahre alt war, lange bevor man in Hay-on-Wye über eine Buchmesse nachdachte, durchstreifte ich die Antiquariate der Stadt auf der Suche nach Erstausgaben meines neuen Helden Mervyn Peak. Ich war froh, dass Richard Booth (der Organisator der Buchmesse in Hay) mir dabei half. Aber auch er erklärte mir traurig, dass er kein einziges seiner Bücher vorrätig habe, weil es – und das ist eine Tatsache – nicht die richtige Zeit für Peak sei. Das Problem ist, dass es eigentlich nie eine Peake-Zeit gab.

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Aura / Carlos Fuentes

Carlos Fuentes‘ 1962 erschienene Novelle Aura gilt als eines der repräsentativsten Werke des mexikanischen Schriftstellers und ist ein Grundpfeiler der lateinamerikanischen Erzählkunst des 20. Jahrhunderts. Dieses Meisterwerk literarischer Experimentierfreude und psychologischer Raffinesse bestätigte nicht nur Fuentes‘ Platz als eine der wichtigsten Stimmen seiner Generation, sondern trug auch zur Konsolidierung des sogenannten lateinamerikanischen Booms bei. Diese literarische Bewegung, die die Region zwischen den 1950er und 1970er Jahren prägte, machte Autoren wie Gabriel García Márquez, Mario Vargas Llosa und eben Fuentes weltweit bekannt. Mit Werken wie Aura und Der Tod von Artemio Cruz avancierte Fuentes zu einem zentralen Vertreter dieser Epoche.

Aura von Alejandra Acosta
Aura von Alejandra Acosta
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Die Geisterflöte / Rebecca Netley

Für Autorinnen ist es heute ein Leichtes, einen großen Mixer auf den Tisch zu stellen, die längst geschriebenen Tropen hineinzuwerfen und das, was dabei herauskommt, einem Verlag anzubieten. Vorbei sind die Zeiten, in denen man nicht so einfach alles unter das Lesevieh werfen konnte. Ein Buch jagt das andere, das ist alles. Aber die moderne Gothic Novel leistet hervorragende Arbeit an der Spitze, auch wenn vieles nicht übersetzt wird. Rebecca Netleys Debüt wäre allerdings keines gewesen, das ich zur Übersetzung empfohlen hätte. Natürlich war ich gespannt, in welche Richtung das Buch gehen würde, nur um schon nach den ersten Seiten festzustellen, dass daraus leider nichts werden würde. Offensichtlich wurde hier das interessante Potential ignoriert und ein möglichst breiter Weg beschritten, sozusagen ein Volkswandertag der Schauerliteratur angestrebt. Damit wir uns nicht falsch verstehen: die Gothic Novel lebt wie die Weird Fiction, der Detektivroman etc. von ihren Tropen, und in den Händen eines fähigen Autors wird das meistens auch eine interessante Reise. Aber Rebecca Netley schreibt ihre Geschichte unglaublich hölzern und ohne jede Tiefe.

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Memories of Ice / Steven Erikson:

Auch „Memories of Ice“, das dritte Buch der Serie “Malazan Book of the Fallen” (Das Spiel der Götter) fühlt sich an, als würde man den höchsten Berg der Erde besteigen. Blanvalet macht daraus die beiden Bände Die eisige Zeit und Der Tag des Sehers. Wir kehren auf den Kontinent Genabackis zurück (wo sich Buch 1 entfaltete). Viele Charaktere aus dem ersten Buch tauchen hier wieder auf, wie zum Beispiel die bemerkenswerten Publikumslieblinge Anomander Rake, Der schnelle Ben, Kruppe, Tool, Toc der Jüngere und Elster mit dem ganzen Rest der Brückenverbrenner.

Dazu kommen noch einige Neuzugänge: Der Barghast Hetan, Grantl, der mürrische Hauptmann der Karawanenwache Kallor, der unsterbliche, nachtragende Krieger Itkovian, der tragische Diener eines verlorenen Gottes, die mysteriöse und unerschütterliche Lady Missgunst und natürlich das finstere Totenbeschwörerpaar Bauchelain und Korbal Broach. All diese Figuren sind das Ergebnis eines zweifelhaften Bündnisses gegen ein bösartiges Imperium, das als Pannionische Domäne bekannt ist.

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