Kategorie: Stories

direkt aus dem lateinischen „storia“ übernehme ich diesen begriff, der mir immer schon eine andere konnotation ausdrücken zu schien als das vermaledeite „geschichten“.

Flamboyant 3: Wir haben ein Date

»Ich fühle etwas Großes, Chef«, sagte er jetzt, während Ulrich ihn bitter anblickte und eine Antwort erwartete, die es ihm ermöglichte, seinem heißspornigen Volontär nicht fristlos zu kündigen. Solange er selbst mit den Leuten sprach, um seine Spinnereien zu kultivieren, von Angesicht zu Angesicht, vielleicht über den zwischen den Parteien stehenden Bierschaum hinweg, wollte er gerne derjenige sein, der es ertrug, von Zeit zu Zeit mit verblüffenden Analogien konfrontiert zu werden, die so oft zum Brüllen komisch waren. Als Chefredakteur, der das Heft in der Hand behalten musste, war es ihm allerdings unmöglich zu dulden, dass der gute und langweilige Ruf der Zeitung auf das Niveau des San Francisco Examiner hinuntergezogen wurde.

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Flamboyant: 2 Investigativer Journalismus

Die breite Fronttür sprang auf, Malte Buschbeck wehte herein, ein entwurzeltes Nachtschattengewächs, frappierende Ähnlichkeit mit einem Schaffner obendrein. Er orientierte sich kurz, durchschwamm den herabhängenden Chiffon mit dem Motiv ›Riesenblumen‹, der so etwas wie Grenzen symbolisieren sollte, und sein Gesicht nahm einen grimmig-erkennenden Ausdruck an. »So eine schöne Versammlung«, rief er durch den Raum. »Zeigt mir gleich mal den Brief, dass ich auch schnell wieder wegkomme! Ich habe eine Welt zu betreuen!«

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Flamboyant: 1 Der Volontär

Im Januar dementierte der Bürgermeister Max Hager die Gerüchte, Wölfe könnten aus der Tschechoslowakei in das Fichtelgebirge gespült worden sein und Menschen angefallen haben. Das tat er schriftlich in schöner Sütterlinschrift, die in der Redaktion der Frankenpost erst einmal nicht entziffert werden konnte, bis man den verrenteten Chefredakteur Malte Buschbeck bat, seine Eisenbahn – den Waldsteinexpress en miniature – dem man in der Wirklichkeit gerade die Gleise unter dem Treibsatz fortgerissen hatte, kurz abzuschalten, und sich diesen Brief, am besten gleich, anzusehen. Malte wollte noch zwei, drei Bäume pichen, eine neue Naßdampf-D11 auspacken, und versprach, zu kommen, vorausgesetzt, es gäbe keine besonderen Vorkommnisse, die ihn daran hinderten. Manchmal nämlich legten die Kinder Pfennigstücke auf die Schienen, um den Zug entgleisen zu lassen, und das könne er nicht zulassen, da müsse er mit Enthusiasmus und …

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Das Schnarren der Feuerglocke

Als sie zum ersten Mal beobachtete, wie sich ein Vogel in vollem Flug über dem Haus in ein Skelett verwandelte, nahm sie sich noch nicht vor, das Haus selbst einmal zu inspizieren. Das kam erst, als sich das Phänomen wiederholte und als es einem ganzen Schwarm passierte. Sie blieb stehen, starrte über die ausgefransten Bäume in den Himmel, hörte noch die munteren Töne über das Tal springen und dann nichts mehr. Die skelettierten Segler fielen senkrecht herunter, auf das Dach, vermutete sie, oder vor die Haustür. Sie stellte sich vor, wie die zarten Knochen durch den Kamin flitzten und in der alten Asche einen Haufen bildeten, wie sich der Staub in diesem leeren Raum verteilte, zu einem Gesicht wurde, das sich dort zwar immer aufhielt, aber nie zu sehen war, weil seine Substanz vor langer Zeit schon niemanden mehr hatte, der sich an sie erinnerte.

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Wolf aus Erz: 4 Er hatte die Welt verlassen

Erneut stieg Adam in seinen Kaninchenbau hinab. Dazu brauchte es nicht viel. Einfach den Blick auf ein Farbpigment gerichtet, und schon sah er sich und seinen Bruder zurück in ihre Betten schlüpfen, obwohl das gar nicht zur Dramaturgie der Fotografie gehörte. Noch war nichts geschehen, Helmut noch nicht gefressen worden. Nur der Wolf war schon da. Er forderte durch seine Existenz, ab jetzt aufmerksam zu sein, denn bald würde alles aus den Fugen geraten. Adam war verblüfft, wie frei er sich bewegen konnte. Er schlich an Lumpi vorbei – das war eigentlich ausgeschlossen. Wie ein Seismograph reagierte der nämlich auf jede kleine Veränderung. Der Kettenhund bemerkte ihn nicht und schlummerte mit der Schnauze auf seinen schwärenden, vom Kot verklebten Pfoten. Er winselte leise im Schlaf. Adam dachte darüber nach, ob er ihn befreien sollte, sozusagen als Test, ob er wirklich in der Vergangenheit vorhanden war. Er spürte sich gleichzeitig da oben auf der Couch sitzen (von einem Kaninchenbau aus gesehen, musste es oben sein) und hier neben dem elendig aussehenden Hund stehen. Er hob eine Hand vor sein Gesicht, um sie zu betrachten, hatte das Gefühl, den Arm zu heben, aber vergeblich. Er war unsichtbar, nur ein Gedanke, der durch längst vergangene Erinnerungen strolchte. Sein Körper saß in diesem Hotelzimmer und starrte ein Bild an, das sein Vater einst geschossen hatte. Trotzdem dachte Adam darüber nach, warum er nicht fror und keinen Schnee sah, wo doch das Bild ein Weihnachtsbankett zeigte. Oder irrte er sich? Befand er sich in der falschen Zeit, oder konnte er gar gehen, wohin er wollte?

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Nope!