Heute Morgen aufgewacht und mich an eine kurze Alptraumsequenz erinnert. Ich träumte mich einer Situation beiwohnend, von der ich den Eindruck hatte, ich solle sie einfach nur sehen. Und was ich sah, war grauenhaft: Menschen vernähten ein Schwein in seiner eigenen Haut, die sie ihm von hinten her ab- und übers Gesicht zogen. Es erstickte in ihr.Um kurz vor Zehn dann mit J. nach Oberstdorf gefahren, um uns mit den Gondeln hinauf auf´s Nebelhorn bringen zu lassen. Schade, dass du nicht auch dabei sein konntest. Zumal ich zum ersten Mal in den Bergen war. Es war großartig. Weder beim Hinauf- noch Herunterfahren musste ich erstaunlicherweise einen Druckausgleich machen. Nachdem wir auf dem Gipfel gespeist hatten, haben wir uns talwärts jede Ebene im Einzelnen vorgenommen. Um dich dann kurz nach 17 Uhr aus dem Haus zu klingeln, um mit dir noch einen Abstecher in die Stadt zu machen. Das hat er sich nicht nehmen lassen. Neugierig war er. Und du warst es auch.
Nun bin ich bergmüde.
P.S. Verzeih mir, dass du den ganzen Tag die Wohnung nicht verlassen konntest und auf der Suche nach deinem Schlüssel warst. Er war in meiner Tasche.
Die Stadt, die mich heimsuchte, ich wusste nicht welche, nichts über ihr Ausmaß, lag in einem dichten grünen Nebel getaucht. Schritt für Schritt nahm sie jeden meiner Füße derartig moosweich auf, dass ich bei jedem erneutem Kontakt das Gefühl hatte in einem unfassbar weiten Moor zu versinken. Die Glocke um meinen Kopf wog schwer. Der an ihr, auf Höhe meines Hinterkopfs, angebrachte spürbare Schlauch, der mir offenbar Sauerstoff zuführte, reichte anscheinend weit zurück. Wie weit jedoch, das kann ich nicht sagen, da ich mich nicht erinnerte, wie lange ich schon durchs Grün schritt, wie weit ich mich schon von einem Ausgangspunkt entfernt hatte, den ich in meiner Erinnerung gar nicht abrufen konnte. Mein Ausgangspunkt. Ein Ausgang, der doch vielmehr einen Eintritt bedeuten musste. In etwas, das ich immens wahrnahm. Obwohl ich zugleich dachte, das lag wohl an der Weise wie meine Schritte von ihr aufgenommen wurden, dass sie doch eher mich wahrnahm. Mich langsam in sie einverleibte. Es war mir als wäre Tag. Als ob Licht in diesem üppig grünen Nebel lag. Er schien in seiner Natur konvex zu sein, konvex zu funktionieren. Sich mir geradezu entgegen zu wölben in seinen ‚Bildern‘, setzte ich einen Fuß vor den anderen, und doch waren sie nie so nah, wie sie mir schienen, ja ich würde sogar sagen, wie ich sie sah. Denn ich sah in ihm tatsächlich etwas. Sah sich entwickelnde und verändernde Landschaften, Figuren und Formen, die sich mir darboten als wären sie Begleiter meines unbestimmten Weges, den ich nahm. Doch eigentlich bietet es sich an, sie eher als Begleiter meines Daseins zu bezeichnen, da von einem Weg ja nicht wirklich gesprochen werden kann. Ich ging schließlich nur. Ohne Ziel. Ohne irgend einen Anhaltspunkt. Hielt ich je an? Hatte ich geruht? Gar geschlafen? Ich weiß es nicht. Schritt ich überhaupt voran? Oder trat ich nur auf der Stelle?
Immer wieder blitzten mir weiße Augen auf. Hier und da. Dort drüben. Milchig aus den sich zusammenziehenden Dickichten schauend. Dickflüssig weiß. Mit den Lidern in die fließend grünen Landschaften verwoben, die sich mir wellenweise wie Kontaktlinsen näherten. Als ob sie mich besahen. Sich ein Bild von mir machten, mich in Augenschein nahmen, sich mir in sich immer verändernder Weise zeigend, als ob sie mich aus jeder denkbar möglichen Form, die sie annahmen, wahrnehmen wollten. Und immer wenn sie das taten, vernahm ich an diversen Stellen meines Körpers Lidschläge, als würde ich meine Augen auch an anderen Stellen meines Körpers öffnen. Mal an meinen Beinen. Mal an meinen Oberkörper. Mal an meinen Armen. Ich versuchte meinen Körper abzutasten, nahm ihn jedoch in seinen Einzelheiten, seinen Untergliederungen und Extremitäten als einen einzelnen Vielkörper wahr. Das heißt: Wenn ich nach meinem Bein tastete, spürte ich eine Vielzahl von meinem Bein, die sich aus meinem ergab. Ich spürte also ein Vielbein. Gleiches nahm ich an meinen Armen wahr, berührte ich sie. Es war ganz gleich wohin ich fasste, einzig mein Kopf, der in der Glocke geborgen lag, blieb mir vom Versuch verschont auch ihn in einer Vielzahl wahrzunehmen. Jedoch wusste ich nicht, ob es sich dann ebenso verhielte, nähme ich die Taucherglocke ab, zumal ich auch nicht wusste, ob ich in dieser nebelgrünen Atmosphäre atmen konnte. Und ich brannte auch nicht gerade darauf es herauszufinden. Zu wahnsinnig erschien mir die Idee, meinen Kopf, meine Gedanken, alles, was ich wahrnahm und mir zu einer sich stetig verändernden Information einer Welt wurde, in der ich mich befand, potenzierter wahrzunehmen als ich es ohnehin schon tat. Und so konnte ich die Augen nicht tasten. Fand nur immer wieder diese Vielzahl von meinen Beinen und Armen bestätigt, versuchte ich mich erneut davon zu überzeugen, dass ich in den vorherigen Versuchen einem Missempfinden gefolgt war. Das Kuriose war, je länger ich konzentriert zu tasten und zu fühlen versuchte, desto schneller rasten die Beine und Arme aus meinen Beinen und Armen hervor. Als würde damit verhindert, dass eine Kette des Fortdauerns unterbrochen würde. Das hatte etwas sich Generierendes. Als brachte eine Blüte sich selbst immer wieder hervor. Eine Blüte die der Blüte dient, um überhaupt zu sein.
Dieser Gedanke machte mich rasend, ebenso rasend wie sich mir die Vegetation des Nebels anpasste. Ich wusste nicht, ob ich es war, die sich dabei schnell bewegte, obwohl ich keinen einzigen Schritt tat, oder ob es diese fließend dickichte Landschaft war, die mich umgab, mich in sich hatte, so sehr war ich mit ihr verbunden, dass ich mir das nicht beantworten konnte, dass ich das Gefühl hatte, dass meine Haut nun ganz mit ihrer verwoben war. Es war ein von Anfang an warmes waberndes Empfinden. Klimatisch feucht. Doch jetzt, obwohl ich noch immer die Taucherglocke trug, hatte ich das Gefühl, dass es mir meinem Atem raubte, ich immer weniger Luft bekam, mich erdrückte, meinen Brustkorb fasste und engte. Ich blieb am Boden, versuchte mich zu sammeln, zu beruhigen, um erfassen zu können, was um mich herum passierte. Strengte meine Augen mehr an, indem ich sie leicht zusammenkniff, in der Hoffnung: doch noch etwas zu erkennen, das vielleicht hinter diesem konvex dickichten Nebel lag, den ich durchdrang ohne mich zu erinnern in ihn, diese Vegetation, eingedrungen zu sein, die mir undurchmessbar erschien. Als wäre ihre Weite eine Dauer, die mir zugleich jegliche Empfindung für Zeit nahm. Ich versuchte etwas zu erkennen, das mir einen Weg hier raus bedeuten könnte. Ich suchte allein mit meinen Augen. All meinen Augen, die sich aufschlugen, denn mir war klar, mich fortzubewegen, würde nichts nutzen, da ich ja überhaupt nicht wusste, ob ich es überhaupt getan hatte, mit jedem meiner Schritte. Zunehmend hörte ich meinen Herzschlag in der Glocke, meine Atmung wurde heftiger und kurzfrequenter. Das kleine Fenster beschlug nun im Innern. Ich konnte noch sehen, dass sich um mich herum Umrisse einer Stadt abzeichneten, die der grüne Nebel nach und nach freigab. Aber sogleich sie mir wie eine erlösende Fatamorgana erschienen war, wurde sie vom Kondenswasser meines Atems verdeckt, das sich an meinem, so dachte ich mittlerweile: kleinen Seelenfenster sammelte. Ich entschied mich auf allen Vieren zu ihr vorwärts zu krabbeln. Zu weich waren meine Beine vor Angst. Nur woher sollte ich wissen, dass ich mich immer noch in der richtigen Richtung befand. Ich kam mir vor wie eine heillose Eva in der grünen Hölle. Einzig der moosartige Boden unter meinen Händen und Knien blieb mir als etwas Reales, das mir Orientierung gab, mir versicherte, dass noch etwas außerhalb dieser Glocke, die nun die sichtbare Welt um mich herum bedeutete, existierte. Das war ein beklemmendes, kaum auszuhaltendes Gefühl, mit dem Körper in einer zu sein, die außerhalb derjenigen lag, die ich sehen konnte. Diese Zweiteilung: Der eigene Körper, der sich in einer für mich nicht (mehr) sichtbaren Welt die fortdauernde Existenz erkrabbelt, während mein Kopf, meine Gedanken in einer kleinen Taucherglocke festsaßen. Knie um Knie, Handfläche um Handfläche krabbelte ich voran. Der moosige Boden wuchs mich ein, mit jedem Zentimeter, den ich mich weiter traute, mich von ihm umschließen zu lassen. Näher den Umrissen der Stadt zu. Ich bewegte mich, je mehr es mich in sich nahm, weich und weicher werdend, spürte meine Kniescheiben, die Knochen und Muskeln meiner Hände kaum noch. Kam aber dennoch weiter, denn ich verlor auch an Gewicht, das ich zu tragen hatte. Ich wurde leichter und leichter. Bis keines mehr da war. Nur mein Kopf blieb durch die Taucherglocke unverändert schwer. Bald war nur noch er es, in dem ich mir bewusst war. Die inneren Ränder der Glocke wurden mir zum letzten Raum, in dem ich mir noch gewahr wurde. Das aber wurde mir im Nichts, in dem ich mich ansonsten befand, zuviel. Noch immer, das Fenster war weiterhin beschlagen und beschlug auch weiterhin, atmete ich. Was mir aus mehreren Gründen ein Rätsel war, da ich meinen Brustkorb nicht mehr spüren konnte, und auch nicht das Gefühl hatte, dass der Schlauch mich weiterhin mit Sauerstoff versorgte. Ich war einfach nur noch. War nur noch in dieser Taucherglocke. Sah weiter nichts als meinen eigenen Atem, der sich an dem kleinen Fenster zu Wasser kondensiert hatte. Ich ertrank an meinen eigenen Gedanken, die diese Hölle mir machte, die kein Mensch auszuhalten fähig wäre. Und so stieg das Wasser in ihr. Es wurde dunkler und dunkler. Ich sank. Erinnerte mich sogar mich noch dankbar empfunden zu haben. Doch je mehr ich sank, umso mehr spürte ich einen stärker werdenden Sog, der mir meinen Körper wieder ins Bewusstsein gab. Mit einer Gewalt, die zur Folge hatte, dass ich ihn wie ein tonnenschweres Gewicht wahrnahm, das mich in meiner Taucherglocke rasant in die Tiefe zog. Mir wurde kalt und kälter, umso mehr sich mein Körper rekonturierte. Mein kleines Seelenfenster gefror zunehmend bis es schließlich sprang und ich mich in vielen kleinen Spiegeln im Dunklen als ganzes Wesen sah: Nackt und klein. Ich versuchte die Spiegel mit den Händen aus meiner Glocke zu lösen. Einen nach dem anderen. Und mit jedem einzelnen, den ich löste, legte ich ein sonderbares Wesen frei, das sich hinter diesem Seelenfenster schon die ganze Zeit verborgen hielt. Ein Wesen in Nacht, das über mir beugte wie ein riesiger Falter. Das mich mit großen grotesk runden Augen puppig betrachtete, dessen Körper ich mit meinen Händen als einen männlichen tasten konnte. Es war als blickte ich in das personifizierte Kindchenschema der Natur, das den Blick nicht von mir nahm, mich ansah als würde es in mich hineinsehen, und je länger es schaute, desto mehr nahm es in seinen Gesichtszügen, ja gar in der Farbe seines Haaransatzes meine Erscheinung an. Es, dieser Scheme, verpuppte sich durch mich. Durch mein offenes Fenster muss er wohl eingedrungen sein. Oder war ich es mit fellnen Flügeln, die seine Gestalt annahm?
Amor und Psyche von Johann Heinrich Füssli (um 1810)
Heute sind wir das erste Mal auf unseren Böcken den Berg hinunter zum Feneberg gezickelt. Um uns wasserlösliche Feennuggets zu kaufen, die so gut wie immer auf unseren Neonpostitz notiert sind, die wir uns in der Hoffnung eines in die Zukunft reichenden Weitblicks schreiben. Einer, der uns im Hier und Jetzt die Aura der Lebensmittel wahrzunehmen vermöge macht, die bald durch ihr Nichtmehrvorhandensein in unserer Kemenate glänzen werden. Klappt aber nicht immer. Hinzu kam noch ein Sack Kartoffln, zwei kleine ovale Bassins mit eingelegten Heringsfilets & ein O-Saft (o o). Wir waren schnell, radsfatz! Wie auch du es die letzten Wochen mit der SANDSTEINBURG warst. Wir haben nun über 800.000 Zeichen, wir sind jetzt bei Seite …, vermeldest du immer am Ende der verrichteten Arbeit eines Tages (manchmal auch einer Nacht) an ihr. Wir …: als ob ich sie mitgeschrieben hätte. Klammheimlich womöglich. Was ja feuchtversteckt bedeutet, denke ich über dieses Wort nach, das sowohl vom Wetter als auch von einer tiefen, engen Gebirgsschlucht erzählt, in der ein Wildbach fließt oder reißt. Die heimliche Nässe im Stoff und den Dingen. Denn: Vor allem aus Wasser bestehen wir. Sehr falsch dagegen, wie du erst kürzlich anmerktest, ist der Ausspruch: Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst. Asche zu Asche usw.. Wieder zu Erde zu werden ist mir ja nachvollziehbar, jedoch ein Nymphenbad in ein Marienstaubbad zu verwandeln, würde aus uns ganz andere Wesen machen. Sehr trockene und flüchtige im Angesicht des Windes. Stets Verwehte wären wir, die nichts hält, solange kein Regen, kein Wasser uns bindet. Ähnlich den Orten und Wesen der SANDSTEINBURG. Wabernde, fragmentarische und doch ineinander verwobene Welten eines Kosmos, der sie ermöglicht und doch nicht inne hat. Faszinierende Erscheinungs- und Formenreichtümer, wie wir sie vom Mandelbrotmännchen kennen, die sich stetig wandeln und neuern. Welten, wie wir sie in der Welt vorfinden können, können wir es noch, wie es unserem eigentlichen Wahrnehmungsvermögen entspricht / entsprechen könnte, unterlägen wir nicht auch der Fähigkeit dieses Vermögen unseres Bewusstseins eichen und formen zu lassen.
Spürst du, dass du dich dort oben befindest? Mitten auf dem Marktplatz der Stadt. Bemerkst du das Ungleichgewicht? Dein linker Arm ist kräftiger als der rechte. Deine Augenbinde ist dir die eigentliche Obsession und hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Trotzdem haben sie dir einen falschen Namen gegeben. Das hat der Leibwächter im Anzug da unten überhaupt nicht geblickt. Auch er sieht, wie alle anderen, auf dem Weg in dein Haus, die Tauben, hat aber immer nur die gleiche Wahrnehmung von ihnen. Allenfalls deine freigelegten Brüste hat er, kurz einmal aufschauend, besehen. Anfassen kann er sie ja nicht, dafür stehst du zu hoch.
M: Sie sagten, Sie hätten rote Arbeit an ihm verrichtet. Wie meinen Sie das?
F: An seinem Körper. Ich habe ihm die Kehle aufgeschnitten. Habe meine Hände in sein noch warmes Blut getaucht. Nur ins Blut, nicht in dich. Immer nur ins Blut, niemals in dich, habe ich mir immer wieder gesagt, um es auszuhalten.
Aus der Borke der Zeit, einer Ewigtanne, schnitzte sich vor vielen vielen Jahren und Abermyriaden von Blüten und Bienenstaaten, die vergingen, ein Herbergsvater. Der Tanner eines Hauses, das stets versank, sobald die Sonne den Mond ablöste. Er tat es mit jenem Messer, das bis dahin fortdauernd den Broten überlassen war, die die Bewohner dieses von Eulen bewachten Hauses, in dem sie das Licht der Welt erblickten, zu ihren Lebzeiten buken, doch niemals von ihnen aßen.
Er, der Wirt dieser Seelen, die an das Haus gebunden, ihrem Hunger ergeben waren, wie es Vogelküken im Nest der ersten Lichtstrahlen sind, die sie wachläuten, trug sie des Nachts, nachdem er sie durch seinen Mund in sich aufgenommen hatte, durch das Dorf, um Wirbellose für sie zu sammeln. Nacktschnecken und Würmer, die er ihnen in ihre Münder gab, die sich trotz des Schlafes, der sie barg, weit in seinem Holzrücken öffneten. Er selbst aß niemals etwas. Aß nichts außer ihnen. Und er tat es auch nur, sobald sie der Müdigkeit anheimfielen, die sie tagtäglich ereilte. Was an ihren sich langsam schließenden Augen zu bemerken war, die den Möbeln und Wänden übergeben waren.
So musste er sich beeilen, geschwinde sein, da es bis zum Morgengrauen nicht mehr lange dauern würde und er rechtzeitig mit ihnen wieder im Haus, in der Küche, an selber Stelle sein müsse, um fest und stämmig zu werden. Damit sie in jenem Moment zurück wären, in dem Aurorah an ihm ihren täglichen Platz nehmen würde, auf dass ihre Geister abermals und erneut aus ihren Mündern in seinem Rücken in die Augen des Hauses entweichen könnten, in jene, die sich ihm in seinem Schlaf dann öffnen würden.
Wenn mich jemand fragen würde, wie es mir geht, würde dieses Bild es wohl am ehesten beschreiben. Womit festgehalten werden kann: Dies ist ein
„Existenzielles Selbstbildnis“.
kamst von den Sternen unbehelmt hierher
denn was da war war Werden
stauntest bliebst
ein Astronaut auf Erden
Darüber hinaus verweist es auf eine meiner zurzeit stetn Sorgen: Bald hat jedes meiner geliebten Sockenpaare am Haxn ein riesiges Loch. Schuld sind meine Chucks. Abhilfe schaffen nur die dicken blauen Wollsocken meiner Omi, die sie mir gestrickt hat, die ich nun über die Schlüpflinge ziehe und die wiederum auch schon zwei kleine Löcher aufweisen. Neonfarben oder Muster Raubkatze ist einfach schwer aufzutreiben in den hiesigen Geschäften.
Über Löcher kann ich ganz generell mehr erzählen.
Vielleicht in nächster Zeit …
Ansonsten geht es mir ganz gut hier zwischen all den Sternen, den restlichen Frikadellen von gestern Abend, einer Flasche Rotwein aus der Pfalz und dem Livestreaming des KEEP IT TRUE-Festivals, das leider nicht makellos sendet. Jedoch geilerweise tut es das überhaupt.
Der Druck auf meine rechte Körperseite,
auf diese Extremitäten,
die Knochen,
die äußeren Flächen.
Das Hervortreten der Schulterblätter.
Die Unterbindung des Blutflusses der Beine.
Das Gras berührt,
die Wange den Boden.
Das Klaffen der oberen Lippe.
Die Beckenschaufel wieder und wieder
in Erde bewegt.
Die starkschnellen Schläge.
Links, unter meiner Brust.
Unter den Rippenbögen, die flache Atmung.
Die Weite von vorn,
von hinten Wärme.
Die Haut deiner Hand.
Das Blut schmeckt eisern.
»Maybe the next one. Maybe the next one.«
(angelehnt an die Romanverfilmung "Crash" von David Cronenberg)
Ich kann nicht sagen, wie viele Hände ins große Spargelfeld meiner zweiten Mutter gesickert sind, und ob sie dort noch liegen. Ich erinnere nur das:
Stets zur Mittagszeit refelten sich feinflechtig, an vier schwebenden Stühlen aufgespannt, zwei rote Beine auf. Ich blieb, um zu sehen, wie sie sich verflüchtigten. Konvex blieb um mich herum der Wald als große Lungenblase berstend gegen die Ortschaft stehen. Es dauerte bis in den Abend hinein bis die Spannung seiner Oberfläche einen Riss bekam, und er mir so sein dunkles Nadelmeer vor Augen spülte.
Es war wie eine gewaltige Traube, die barst. Ich fand mich unter den Rücken der Tannen wieder. Von Weitem rief Edith nach mir. Ich lief zu ihr. Sie nahm mich an ihre rechte Hand, einen schwarzen Eimer, gefüllt mit Spargeln, in der linken. Mich mit ihren durch die dickwandigen Gläser, die sie trug, stark vergrößerten Augen anschauend, nahm sie mich mit sich.
A: Sie sagten, die Mädchen wehen die Bäume. Schließen Sie die Augen und versuchen Sie sich zu erinnern. Um was ging es? Warum wehen die Bäume? Wir müssen wissen, warum die Bäume wehen.
P: Ich weiß nicht so genau. Erinnere mich nur an diese eine Patientin, über Fünfzig war sie. Sie hat mir davon erzählt. Es ging um irgendwelche Mädchen, die über ihr wohnten bzw. vorbeikamen, um dort eine Radiostation zu betreiben, mit der sie das Wetter beeinflussen konnten und durch die sie sich mit ihr unterhielten, sie aber auch beschimpften. Die Mädchen wehen die Bäume, hat sie immer wieder gesagt. Die lackieren sich die Nägel auf Russisch. Das wären nämlich Russinnen, die sie „fertig machen“ wollen. Sie wäre ihr Hund oder so. Hat auch recht viele Redewendungen benutzt, nur immer sehr eigensinnig abgewandelt. Das Interessante war, so abstrus das alles klang, nach einer Weile kamen immer mehr Informationen hinzu, die die Lebensgeschichte dieser Frau dahinter durchschimmern ließen. Sie hatte Germanistik studiert und war mal Lehrerin in einer reinen Mädchenklasse. Das hat auch viel über ihr Selbstbild als Frau und aus dieser Zeit erzählt. Sie sagte immer wieder: Die Mädchen. Die Mädchen wehen die Bäume. Ich weiß nicht, wieso. Was wollen Sie von mir?
Wieder lief ich des Weges, den ich einst nahm. So oft warf ich meine Hände dabei ins Feuer. Und jedes Mal in jeder Mitte dieses Waldes ließen sie mein Haus, auf das sie mit ihren nachtlangen Fingern zeigten, erneut in diesem großen Kessel versinken. So lange habe ich dich hier nicht mehr gesehen. Die Bäume brachen ihre Borken durchgehend stumm auf. Fleischweiß ist es hier geworden. Einzig hinter der Tränenmauer gingen Wölfe auf Zehenspitzen auf und ab.