Wer schreibt, liest. Das eine bedingt das andere: eine Binsenweisheit. Nur ist es nicht immer so, dass man das schreibt, was man liest. Der Leseprozess selbst ist ein Schreibprozess, zumindest dann, wenn man lesen kann. Was sich wie Provokation anhört, ist gar nicht so unerhört, denn beim Lesen entsteht ein Gedankenraum im Leser, der vom Autor gar nicht intendiert war, von dem er nie Kenntnis haben wird, denn der Autor wird nie Leser seines Buches sein, sondern immer nur der anderen. Der Autor ist also vom Lesen ausgenommen, auch wenn es sich bei dieser Blockade nur um seine Bücher handelt. Der Schreiber öffnet einen Gedankenraum, den er vom Lesen kennt, und dann taucht er seine Feder ein und zeichnet aufs Papier, was er beim reinen Lesen ohne seine Hand erkennt. Jeder spürt die Gefahr, die beim Schreiben vom ersten Augenblick da ist. Die meisten ignorieren sie, andere lassen sich von dieser Gefahr treiben. Diese Lebensgefahr wird sie zur Meisterschaft bringen.
Kategorie: Brouillon (Seite 4 von 69)
der BROUILLON ist tagesgeschäft, nicht mehr als journaling über unwichtige persönliche befindlichkeiten.
Ich bin in einer Welt gefangen, zu der ich nicht nur nicht gehöre, sondern seit meinem ersten Atemzug nicht gehörte. Und dennoch ist – wie Camus sagt – der Selbstmord zwar eine immerwährende Option, aber nie die richtige Wahl, um sich dem Absurden zu stellen. Das ließ sich für jemanden, der 1960 ermordet wurde, etwas leichter formulieren als jetzt (auch wenn Camus das nicht wusste). Nun, die Endzeit begann mit Newton (was tatsächlich zu erklären wäre) und erreichte ihren Höhepunkt mit dem Ausschalten Teslas (was ebenfalls zu erklären wäre). Nimmt man den Apfel, der zur Vertreibung aus dem Paradies führte, dann hat er seine zweite Schuldigkeit damit getan, dass er einem Universalgelehrten auf den Kopf fiel. Nun, er wusste freilich nicht, dass die Natur keine Gesetze hat. Was ein Alchimist nicht alles angerichtet hat. Aber freilich – auch ihn trifft keine Schuld.

Michael Perkampus ist ein Solitär der deutschen Literatur. Am Surrealismus und der Dekadenzliteratur geschult, wird die Sprache hier zu einem Instrument der Wahrnehmung. Seine Ausflüge in die Weird Fiction sind ebenso Programm wie das Zerschmettern jeglicher Realität.
Täglich Texte und Betrachtungen.
Es gibt vermutlich nicht viele Dichter, die behaupten, bei ihrer Zeugung anwesend gewesen zu sein. Das ist keine Aussage, die man bewusst und ohne den Willen, das Publikum an der Nase herumzuführen, tätigen sollte.

Sehr guter Zusatz. Bereichert das ganze enorm. Danke!