Gleich zu Beginn müssen wir zunächst über eine übersetzungstechnische Definition sprechen. Schauerliteratur meint hier Gothic Fiction. Das ist – wie so oft – kein adäquater Ersatz, soll uns aber hier vorerst genügen.
Was genau ist Schauerliteratur? Und auch hier stellen wir fest, dass es keine konkrete Definition gibt, ob wir das Genre nun Gothic nennen oder nicht. Aber es gibt einige Elemente, die Schauergeschichten tendenziell gemeinsam haben. Aber nicht alle Schauermären, ob nun als Literatur oder als Film, enthalten all diese Elemente.
The Apparition of Mrs. Veal, veröffentlicht im Jahr 1706, ist eine der frühesten in englischer Sprache gedruckten Geistergeschichten. Geister gab es natürlich schon vorher in der englischen Literatur – man denke nur an den Geist von Hamlets Vater bei Shakespeare -, aber dies ist etwas anderes: ein Aufsatz, der vorgibt, die wahre Geschichte eines geisterhaften Besuchs bei einer realen Person zu sein. Wie soll man ihn einordnen? Handelt es sich um ein Werk der Fiktion, eine Kurzgeschichte, die dem Leser den Nervenkitzel verschaffen soll, für eine Minute an die Möglichkeit einer übernatürlichen Welt jenseits der Welt, die wir sehen können, zu glauben? Oder handelt es sich um ein Werk, das besser als Journalismus einzustufen ist, als aufrichtiger Bericht über ein Ereignis, das der Autor für wahr hält? Es ist schwer zu sagen; ein Teil der Kraft der Geschichte liegt darin, dass sie zwischen Fiktion und Wahrheit, dokumentarischer Realität und beunruhigenderen Möglichkeiten zu schweben scheint. Ein weiteres Rätsel dieser Geschichte ist die Identität ihres Autors.
Was genau ist ein Moor? Moorland ist ein Lebensraum, der durch niedrig wachsende Vegetation auf sauren Böden gekennzeichnet ist. Das Oxford English Dictionary definiert es auch als „unkultivierten Boden, der mit Heidekraut bedeckt ist; eine Heidelandschaft“. Diese Art von Ökosystem ist besonders auf den britischen Inseln verbreitet, von den schottischen Highlands bis Mittelwales, von Yorkshire bis Cornwall. Für viele britische Bürger war ein Spaziergang in den Mooren die erste Möglichkeit, der Hektik des Hauses oder der Stadt zu entfliehen und einfach in der Natur zu sein und nachzudenken.
Richard Middleton, bekannt für „Das Geisterschiff“, war ein versierter Stilist der unheimlichen Literatur. Zu den Lobeshymnen für Middletons Werk gehört diese Passage aus „Horror Literature“ (1981), herausgegeben von Marshall Tymn:
„Middleton, einer der interessantesten Stilisten der britischen Schauerliteratur, ist reich und überschwänglich in seiner Art, klassische Geistergeschichten zu erzählen (insbesondere die humorvollen), aber knapp und präzise in seinen originelleren psychologischen Geschichten.“
Und in „Shadows in the Attic: Neil Wilson, Guide to British Supernatural Fiction 1820-1950“, schreibt er:
„Die unbestreitbare literarische Fähigkeit des Autors erlaubt es den meisten Geschichten, sich über das rein Morbide und Sentimentale zu erheben“.
Richard Middleton
Richard Barham Middleton wurde am 28. Oktober 1882 in Staines, Middlesex, England, geboren. Während seiner Schulzeit wurde der verträumte sensible Jugendliche von Gleichaltrigen gehänselt. Das waren Erfahrungen, die ihren Weg in seine Geschichte „A Drama of Youth“ fanden. Er wurde an der Cranbrook School in Kent ausgebildet und verbrachte ein Jahr an der University of London. Er bestand die Oxford und Cambridge Higher Certificate-Prüfungen in Mathematik, Physik und Englisch. Trotz seines akademischen Hintergrunds nahm er eine Stelle als Angestellter bei der Royal Exchange Assurance Corporation in London an. In dieser Zeit begann er, Essays und Kurzgeschichten in verschiedenen Zeitschriften zu veröffentlichen, und er schloss sich den New Bohemians an, einer Gesellschaft literarischer Männer, denen auch Arthur Machen angehörte.
Dieses Jahr feiert eine der einflussreichsten Geistergeschichten aller Zeiten ihren 125. Geburtstag: Die Drehung der Schraube von Henry James. Die Novelle ist voller Zweideutigkeiten, lauerndem Grauen und psychologischer Bedrohung. Dabei ist die eigentliche Handlung schnell erzählt: Eine junge Frau nimmt die Stelle als Gouvernante in Bly, einem abgelegenen Herrenhaus, an. Die Kinder, um die sie sich kümmern soll, Miles und Flora, sind reizend, und zunächst scheint Bly ein Ort der sonnigen Zuflucht zu sein. Diese Idylle wird jedoch bald zerstört.
War bereits Laura Purcells Die stillen Gefährten ein herausragendes Debüt im Sektor der neuen Welle der Schauerliteratur, ist ihr Buch von 2018, das uns jetzt mit einiger Verspätung erreicht, nicht weniger bemerkenswert, was im Grunde zu erwarten war. Gegenwärtig gibt es – neben historischen Romanen – bereits zwei weitere Gothic Novels von ihr, und man kann nur hoffen, dass der Festa-Verlag an dieser Autorin dran bleibt. Es wäre gar nicht auszudenken, wenn wir hier wie so oft nur Publikum zweiter Klasse wären.
Elizabeth Hand liebt Spukhäuser, die in ihrem Werk eine wichtige Rolle spielen. Leider ist das Werk dieser großartigen Autorin für den deutschen Leser so gut wie nicht zugänglich, was wieder einmal zu einer merkwürdigen Verzerrung führt, der wir als Volk der Kulturnehmer immer wieder ausgesetzt sind.
Goldmann; erschienen am 18. September 2024
Tatsächlich hat das klassische Spukhaus in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt, aber die meisten dieser Geschichten sind nicht besonders gut. Bly Manor, das Overlook Hotel und natürlich Hill House stehen nach wie vor an der Spitze dieses unverzichtbaren Klassikers der Schauerliteratur, und es gibt auch einige kurze Beiträge wie natürlich das Usher House oder das Eel Marsh House, aber es ist kaum zu bezweifeln, dass Shirley Jackson mit „Spuk in Hill House“ die Trophäe gebührt. Dieses Erbe wird von der Familie Jackson natürlich mit Argusaugen bewacht, und ein Nachfolger für den Klassiker wurde über die Jahre immer wieder diskutiert, kam aber nie zustande. Nun aber hat der Jackson Trust erstmals eine Fortsetzung lizenziert und die Rechte an die mehrfach mit dem Shirley Jackson Award ausgezeichnete Elizabeth Hand vergeben. Das kommt nicht von ungefähr, denn Hand steht seit langem in Kontakt mit Jacksons Agentin Mary Weiss und dem Nachlassverwalter Laurence Jackson. Das Konzept für den Roman entstand in mehreren Zoom-Sessions: Eine kleine Gruppe von Theaterleuten zieht für kurze Zeit ins Hill House, um dort ein Stück einzustudieren.