Auch nur ein Hund

Und die Ursel näht den Knopf an und die Ursel kann auch kochen. Königsberger Klopse. Das ist das Beste von ihr. Zunächst die Pellkartoffeln kochen. In der Zwischenzeit die Zwiebeln fein würfeln und in zehn Gramm Margarine glasig dünsten. Da huscht sie um den Tisch herum und ganz verstohlen blickt der Kurt auf seinen angenähten Knopf. Abgekühlt zum Hack geben. Das frische Hack hat der Herr Lekywizc selbst durch den großen Fleischwolf gedreht. Zuvor hat er selbst das Kalb entleibt. Davor hat er es selbst aus dem Uterus gerissen. Davor hat er es selbst gezeugt.

Das Hack mit dem Ei, Paniermehl, Pfeffer und Salz gut vermischen.

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Phantom

Eines Abends, als der Regen in feinen Fäden vom Himmel fiel, saß ich wieder in einem dieser anonymen Cafés. Die Wände waren grau, das Licht zu schwach, um Schatten zu werfen, und die Luft war erfüllt von einem dumpfen Summen, das keinen Ursprung erkennen ließ. Es war die Art von Ort, in dem alles bedeutungslos wurde, weil nichts genug Substanz besaß, um Bedeutung zu erlangen.

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Der junge Wein

Arkadia liegt, auf unserer Weltkugel daheim, etwa 1741 km südöstlich von Paris; in der Phantasie ist Arkadia überall.

Die nackten Leiber glitten, berauscht vom jungen Wein, übereinander hinweg,
verkanteten sich an den geschwollenen Genitalien, fanden saftig zueinander,
im Fluss ihres Liebessaftes.

Bacchus stand inmitten der Felatio,
Wein darbietend, Lüste schürend

die sich miteinander verbanden,
den Wein in ihre aufgerissene Vagina gossen, bevor ein neues Gemächt von hinten in sie einfuhr,
den Mädchenanus voller Trauben

Gerbstoffe troffen von den schönen Gesichtern
Bacchus
ergoss sich Wein in einem nie enden wollenden Quell,
stimuliert von verzückten Weibchen, die selbst schon nur noch Wein urinierten

jeder trank von jedem und der Hain wurde befruchtet,
um im nächsten Jahr wieder Blüte zu tragen

Unter Huf & Egge

Alle Gewässer fallen zusammen und alle Städte fallen zusammen, am Strom, am großen Knoten, Zeitenkelch; der Brunnen gibt und nimmt das Wasser. Die Tropfen in den Kelchen, Pfannen, Augen, sie kochen hoch und regnen davon. Ich suche dich und finde mich, ich brenne aller Feuer mit. Willst du mich wiedersehen, dann reise in das Gestern Zug um Zug, nur langsam mit den Stunden. Erschüttert von den Jahren, die nicht wiederkehren, die neu geträumte Erde jeder Nacht, die heißen Rätsel ihrer Mitte. Als ich die Schatten sehe, spreche ich sie an: »Was tut ihr dort im Morgenrot?«
»Wir ernten«, sagen sie. »Wie weit willst du noch wandern?«
Die tausend Wege haben tausend Köpfe, nichts habe ich für mich getan. Ich will den Blick nach innen wagen, wie viele das schon vor mir taten, wie so viele, die sich ins Feld gesetzt und sangen für den Mais. Die große Schlange ist Ernährer und fordert ihre Opfer ein. Wenn der Sänger das Symbol erforscht, wird er hinter den Verstand geführt, hinter die Spiegel und Pfützen.
»Hier erschaffen wir neues Ackerland«, sagen sie. »Unsere Erde ist unter Huf und Egge.«

Simon Tinkerbell

Sie sah mich an. Anderen war sie versprochen. Anderen. Und weil in mir alle sind, kann sie mit mir allein nicht ihr großes Haus bewohnen.

Ich erinnere mich an eine Geschichte. Wieder ist es eine Liebesgeschichte – vielleicht ist es sogar eine moralische Geschichte, aber das war mir zum Zeitpunkt der Lektüre noch nicht klar:

Ein Mann und eine Frau verlieben sich ineinander. Das ist an sich keine Sensation. Sie verbringen eine Woche wie im Fieber miteinander. Es ist ein sicheres Zeichen des Wahnsinns, daß für sie keine Außenwelt mehr existiert. Sie sind ein Wesen geworden, das einzige Wesen in der Auflösung aller Begrenztheit.

Nach dieser Woche will ein kurzes „Ernüchtern“ die Planungsgespräche aufnehmen lassen.

Es ist immer wieder erstaunlich (obwohl man es für selbstverständlich halten wird), daß Liebende glauben, eine Zukunft zu haben und diese planen zu können. Aber weiter: Sie sagt ihm, daß sie ihm sofort ihr Leben für immer schenken wolle, doch sie habe eine Bedingung. Sie dürften sich von heute an ein Jahr lang weder sehen, noch sich schreiben, noch anderweitig Kontakt miteinander aufnehmen. Danach wolle sie ihm also ihr Jawort geben.

Ich gehe jetzt nicht näher auf die Gefühlsregungen ein; sagen wir, dieser Liebestest wurde so vereinbart und schließlich angenommen.

Das Jahr vergeht (auch hier erspare ich mir Einzelheiten und die Beschreibung nervöser Zustände – die Geschichte wechselt von ihr zu ihm) und der Tag des Wiedersehens naht. Aber siehe da: Die Dame will den Herrn nicht mehr, nämlich gerade, weil er es ausgehalten hat und sich an die Vereinbarung hielt, obwohl es ihn beinahe verzehrte. Sie sagte: wenn nämlich die Glut in ihm tatsächlich schwächer war als seine Kontrolle, wäre die Leidenschaft nicht in der Form ausgebrochen, die sie sich für ein Leben mit ihm gewünscht hätte.

Simon Tinkerbell – Liebestest; aus: Katastrophen der Leidenschaft

Der schwarze Punkt

Die im roten Kleid. Die hätte mir auch gefallen. Ein rotes Kleid ist etwas ungemein Bizarres; auf der Leinwand steht es scheinbar still, jedoch hier vor meinen Augen flattert es umher, wirft sich in nicht ganz ernst zu nehmende Falten – und schwebt in den anliegenden Raum davon, das exakte Ebenbild von diesem. Gab es einen Unterschied, so bestand er in den Bildern an der Wand. Nur in den Bildern an der Wand; bis vor wenigen Augenblicken. Jetzt ist da noch das rote Kleid hinzuzufügen.

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Sprache und Nichtsein

Es ist mir die Sprache das einzige Transportmittel, um in Regionen vorzustoßen, um die man kaum mehr zu kreisen wagt. Dazu aber muss eine bloße Erzählhaltung aufgegeben werden, die so sehr unsere Sinne beeinflusst und in den meisten Fällen auch einengt, wie alles, was man Gegenwart nennt. Nun ist Gegenwart nichts Endgültiges, man kann sie jederzeit verlassen, um sich außerhalb der Zeit zu positionieren, womit aber gleichzeitig auch die Schwierigkeit beginnt. Die Existenz ist ein Schreckenskabinett, und das war sie von Anfang an, und tatsächlich wäre es besser, nicht zu existieren, wie Silenos, der Erzieher des Dionysos es seinem Schützling gegenüber erwähnte. Drängt alles zum Leben hin, um gewesen zu sein? Oder wird das, was nicht ist, aus einem unbekannten Grunde dazu ermuntert, eines Tages zu sein, so dass alles irgendwann gewesen ist? Oder kann das Nichtsein nur daran gemessen werden, dass eines Tages einmal alles war? Diese Fragen sind der Sprache immanent.