

Possenspiele
Ich habe mir auf igittige Weise den Magen verdorben. Schuld daran ist eine Paprikawurst, die ich gestern im Feneberg kaufte. Die Wurst war nicht etwa verdorben, sie war einfach nur scheiße. Mein Kartenpulk zeigt indessen Die Liebenden. Siehe, siehe (oder doch eher: hört, hört?). Fast ein Temporallappen-Phänomen: Ich ertippe mir Dorothea aufs Neue. Die Erzählung ist dann auch fertig, kühl fast, ohne Wortkaskaden. Symbolisch freilich. Die Joyce-Biographie von Ellmann habe ich jetzt auch wiedergefunden.
Dass ausgerechnet heute um 4 Uhr in der Früh nicht etwa der Wecker anbimmelte, sondern die Blase, und ich danach nicht mehr in den Schlaf finden konnte, weil die Helligkeit schon spürbar in den Raum drang und noch immer keine Vogelstimmen zu hören waren, veranlasste auch die erwachte Albera, mit mir zusammen nach dem frühen Wurm zu suchen. Die Krähen tauchten dann doch auf, und in Kempten gibt es davon die größte Population ganz Deutschlands.
Wenn der Winter kommt, wird es kühl. Obwohl es auch manchmal kühl ist, wenn der Winter nicht vor der Tür steht, ist die kühle Luft doch eines der Markenzeichen des Winters, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um einen milden Winter, der dem vorzeitigen Frühling ähnelt. Dann mag es durchaus ebenfalls kühl sein, man spricht dann aber doch besser von Milde. In der Milde strickt man Pullover, die man in der Kühle trägt. Die Frage, die uns hier beschäftigen soll, ist diese: Wann wäscht man diese Dinger? Der Sommer würde sich am Besten dafür eignen, denn da strickt man nicht und trägt auch nicht. Nun kann man aber nicht den ganzen Sommer lang Pullover waschen, und sie im Winter dann tragen. Es müsste mehr Abwechslung zwischen den Momenten des Waschens und des Tragens geben. Ich habe herausgefunden, dass sich ein zweites Exemplar als Lösung anbietet.
Konfekt besteht in erster Linie aus seinem eigenen Namen und unterscheidet sich von der Herrenschokolade nicht zuletzt durch Süße. In diesem Sinne bedeutet es freilich „Zuckerwerk“, „Werk des Zuckers“, „Zuckertagebau“, „Zuckerbergwerk“ – und besteht aus Zucker, der von Zwergenhänden aus finsteren, süßen Stollen geborgen wird. Diese Hände stammen aus der Region des Chururu-Flusses, denn nur dort entwickeln sie sich putzig und nicht prankenhaft wie im Rest der Welt. Behaarte Hände würden steckenbleiben, sobald sie die erste Kurve passieren müssten, die aber stets vor der zweiten zu nehmen ist. Diese Hände aber sind rosa, nackt und geschlechtslos, was dabei hilft, den Geruch des späteren Konfekts auf ein Minimum zu reduzieren. Gerochen werden kann es dennoch, allerdings ist hierzu eine Nasenlupe zu benutzen, die es kaum in einer haushaltsüblichen Auflösung gibt. Und wer will schon ständig das Observatorium besuchen?
Der Weg, der wirklich zu einem Ziel führt, heißt: Offenbarung. Nur der, der im heimlichen Licht seine Warzen sehen läßt, seine Schuppen, seine Hexenhaare (die sich unter die Makellosigkeit mischen, und die Trotz der Folterbank des Toilettentischchens, auf der sie ausgerissen werden, immer wiederkehren, kann eines Tages von sich behaupten: Ich wurde geliebt wie Lady Olga Roderick, die bärtige Dame. Nicht mit kleiderraubender Leidenschaft, sondern mit dem stillen Einvernehmen des Makels, der die sonderbaren Gelüste anschürt wie einen Heizkessel in den 50er Jahren.
Der Einschlag geschieht in den richtigen Sektoren; die Woche hat ihren Mittwoch erreicht. Bereits jetzt schält sich aus gewissen Lichtungsergebnissen eine Reise in den neblichten Aspekt, anberaumt für das nächste Jahr, aus den Ereignissen heraus, die sich nicht nur mehr überschlagen, sondern, ganz famos, gleichzeitig sind. Ein Zustand also, den das Wort nicht erreicht, sobald es Raum betritt. Hier schichten sich Schichten zu neuen Schichten, verankern sich, bedingen sich und weben neues Sphärenmaterial.
Frühstück auf dem Markt; im Künstlerhaus am Nachtmittag treffen wir Kokko. Das wir ist kein Zufall. Wie schnell man sich verdoppelt, wie schnell man sich wirklich verdoppelt und dann vierfach sieht. Ende für heute.
„Wir sind uns schon einmal begegnet.“ „Ach ja?“ „Aber natürlich. In Ihrem Haus. Erinnern Sie sich nicht?“
Wenn man Zug fährt steigt man ein; wenn man Zug fährt steigt man aus. Oil steigt aus, Waterlily am Ohr, kurz bevor der ganze Hades aus den Gleisen walzt und screamt und brät und bevorzugt bremst. Der olfaktorische Handkuß gerät zur selbstverständlichen Umarmung, die nie wieder nachlassen wird, die sich in ein Crescendo steigert, dem nur noch der Urteilsspruch besonders weiser Raben Einhalt gebieten kann. Die Raben, die den Wasserturm in Mannheim nicht bevölkern, wären weise, sind es aus Abwesenheitsgründen aber nicht. Waterlily lächelt wie ein Stern, der Wasser in Wasser gießt, sie gibt jeder Landschaft den Anstrich des Idylls, selbst wenn es sich um Beton und eine Straße handelt. Ihr Lächeln ist Liebes=Weise. Und Oil ist zum Holen auserkoren.
Es ist das neue Gesicht des Immensen, das strahlend über Luna wacht. Ein Großer Strom reicht uns nicht mehr bis zum Hals, hat uns gebeten, Landunter zu tauchen. Werke entstehen unter Einsatz des Lebens oder des guten Rufs. Ein guter Ruf wie dieser: Laß uns schön zueinander sein. Was bedeuten uns die Wechselgänge des Morgens in der Kammer der Lust? Was bedeutet die Bedeutung fernab der möglichen Worte? Adam und Eva, der Ackerboden und die Belebte, sind Symbole, die es gilt, neu aus nassem Lehm zu formen. Kann nicht sprechen ohne zu sprechen, kann nicht atmen, ohne zu atmen, kann nicht berühren, ohne die physikalische Grenze zu überschreiten, kann mich nicht daran erinnern, jemals nicht für diese Woche gelebt zu haben, die – längst angelegt: wann? – wie der Garten der Hesperiden perlte und sich im eigenen Abglanz suhlte, bewacht von Ladon, der sich längst der ausgestreckten Hand ergab, glänzend, tropfend vom goldensilbernen Tau der Körperquellen. Der Urgrund aller Geburt, den ersten Worten ein Gesang: Laß uns schön zueinander sein. Das Lied der unendlichen Strophen. Unser Atem ist sich des Odems bewußt, unser Odem ist Selket, die atmen läßt, unsere Hände sind geschlossen um das, was sich im Innern befindet, das Zentrum nämlich des Leuchtkörpers, arretiert und doch nicht fest.
Sinne schwinden (schwindet, Sinne!); so ein Lied der Früchte, so ein Lied der Frucht; aus deinem Füllhorn fließt stets und stets des Lebens Energie, der Boden säumt die ausbedungnen Schuh. Ein Schritt nur, und es wird die Späte richten, wie der Tag sich aus dem Tage schält. Das B des Bibberns, B des Bangens, B des Badens in olfaktorischen Genüssen. Auratisch schwebst in Windeseile, durcheilst den Luftraum windgeschwind und hebst dich in die offnen Arme, die Hände fächeln Tau herbei, und Kosung dreht sich zum Gerank, zum Wimperg über unsren Köpfen. Die Hand wird nur geküßt im Viert der Räume, auf den Steigen der Zeitenbahn. Uns ist das Fließen angedacht. Ich könnte, käme an, ich konnte, kam ich an, ich kann nicht von dir lassen, den Brautstein auf den Lippen tragend, der den Gesang des deinen Körpers in den Trichter des Gesagten, der Verheißung überführt.