Black Hammer 2: Das Ereignis

Black Hammer: Das Ereignis
Black Hammer: Das Ereignis
Splitter-Verlag

Abraham Slam und seine „Familie“ seltsamer Helden sind an einen ländlichen Ort gebunden, den sie nicht verlassen können. Die Abenteuer, die sie in Spiral City erlebten, scheinen in einer völlig anderen Dimension stattgefunden zu haben. Als aber Lucy, die Tochter Black Hammers, wie aus dem Nichts auftaucht, werden ihre Hoffnungen wieder geweckt, vielleicht doch entkommen zu können. Lucy beginnt jedoch damit, etwas viel Dunkleres aufzudecken, als sich alle vorgestellt haben, und die Hoffnungen und Träume der Helden scheinen sich endgültig zu zerschlagen.

Black Hammer gewann 2017 den Eisner-Award als beste neue Serie. Jeff Lemire spielt hier mit allem, was wir über Superhelden wissen und bereitet uns damit ein postmodernes Vergnügen. Hier geht es nicht um heldenhaften Ruhm, sondern um Streit, Wut und Trauer. Wir erfahren auch in diesem Band nicht, was eigentlich passiert ist, als man dem Anti-Gott gegenüberstand, Black Hammer ihn offensichtlich mit einem Schlag vernichtete und sie überhaupt erst in diese Situation brachte. Und wenn der erste Band das Setting vor uns ausbreitete wie eine Tischdecke, ruhig und in relativ langen Einstellungen, nimmt die Geschwindigkeit jetzt etwas zu. Durch Lucy kommt Bewegung ins Spiel, weil sie sich andere Fragen stellt als die Helden, die nach zehn Jahren in dieser scheinbaren Idylle bereits aufgegeben haben, daran zu denken, jemals von hier verschwinden zu können. Allein die Androidin Talkie-Walkie bastelt in regelmäßigen Abständen an Sonden, die den Weg nach draußen finden sollen. Ein Unterfangen, das jedes Mal aus den unterschiedlichsten Gründen scheitert.

Lucy; Splitter-Verlag

Im Kapitel “The Ballad of Talkie-Walkie” werden wir Zeuge der seltsamen Freundschaft zwischen der Androidin und Colonel Weird. Das erhöht den Fragenkomplex um ein Vielfaches, vor allem weil wir kurz vor diesem Kapitel erfahren müssen, dass der Colonel wohl etwas mehr zu wissen scheint als alle anderen. Das liegt natürlich daran, dass er durch die Para-Zone reisen kann. Ein Rettungsweg ist das allerdings nicht, denn außer dem Colonel würde jeder dort den Verstand verlieren. Selbst an Randall Weird geht der Aufenthalt dort nicht spurlos vorbei. Und dort muss er etwas in Erfahrung gebracht haben, das ihm wirklich zusetzt, so sehr, dass er sogar seine Freunde hintergeht.

Neben Lucys sehr beunruhigenden Entdeckungen, bekommen wir wieder genial in die Haupthandlung einfließende Rückblenden. Wir sehen, wie der Sozialarbeiter Joe Weber zu Black Hammer wird und wie er die ein oder andere falsche Entscheidung trifft, die schließlich zu all dem – und zu seinem Tod führen wird. Allerdings sind diese Entscheidungen keine leichtfertigen, sie rechtfertigen sich durch die Liebe zu seiner Tochter und seiner Familie. Das Interessante an Black Hammers Superkraft ist, dass es nicht um die Person geht – außer dass sie reinen Herzens zu sein hat. Sie überträgt sich durch den riesigen Hammer. Wie Thors Hammer verwandelt auch dieser den Träger zurück in eine menschliche Gestalt, wenn der Stil auf den Boden geschlagen wird.

Gail, die ihre Kraft von einem alten Zauberer bekam, kann ihre Kraft ebenfalls übertragen. Dadurch schaffte sie sich in ihrem Heldenleben eine kleine Gruppe namens “Golden Family”, um sich “zur Ruhe” zu setzen. Einerseits ist sie damit das Pastiche der Mary Marvel und die “Golden Family” nichts anderes als die “Marvel-” bzw. “Shazam-Family”, andererseits hat sie eine Schnoddrigkeit, die sie davon abhebt. Außerdem ist die die unglücklichste unter den Helden. Als 60jährige im Körper einer 9jährigen gefangen zu sein und sich nicht mehr zurückverwandeln zu können erklärt ihr überaus reizbares Wesen. Aber das ist nicht alles, was sie zu tragen hat, denn mit Sherlock Frankenstein hat sie die Liebe ihres Lebens zurücklassen müssen.

Jeff Lemire hatte vor, jedem der fünf Hauptcharaktere die Referenzen unterschiedlicher Zeitalter auf den Leib zu schreiben, begonnen mit Abraham Slam, der den Pulp-Magazinen der 30er Jahren entsprungen scheint. Eine ehrliche und raue Haut, einfach gestrickt, aber verlässlich.

Colonel Weird, der mehr über das angebliche Idyll zu wissen scheint, findet seine Vorlage in den Mystery in Space-Comics um Adam Strange. Barbalien, der seine Einsamkeit überwinden will und auf der Suche nach Nähe dazu neigt, kleine Gesten falsch zu interpretieren, was ihn gerade noch einsamer werden lässt, weil seine homoerotische Ausrichtung kein geeignetes Gegenüber findet, ist eher ein Held der Bronzezeit, und Madam Dragonfly erinnert an das House of Mystery und das frühe Vertigo-Material der 1980er.

Das Ereignis selbst – und damit der größte Storybogen – lehnt sich an das Crisis-of-Infinite-Earths-Event von DC an, das ein erstes postmodernes Beben in der Comicszene ausgelöst und Lemire ziemlich stark beeinflusst hat.

Und so führt uns dieser Band noch tiefer in die Psyche und Erlebniswelt der Charaktere hinein. Das ist sogar das Hauptanliegen. Lemire und Ormston öffnen nun endgültig den Füllkrug, den sie in Vergessene Helden vorskizziert haben (unterstützt von David Rubin, der in Sherlock Frankenstein die Zeichnungen ganz übernimmt). Gemütskrank sind sie alle, voller Trauer halten sie sich an kleinen Strohhalmen fest, die vielleicht gar nicht existieren.

Yuggoth 20 – Die von der Nacht versehrten

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Ich kann nicht sagen, aus welcher Gruft sie krochen,
Doch Nacht für Nacht erblickte ich die gummiartigen Wesen,
Schwarz und gehörnt und ausgezehrt, mit membranartigen Flügeln
Und Schwänzen, die den zweifachen Stachel der Hölle trugen.
Sie kamen in Heerscharen aus dem Wellengang des Nordwinds
Und verschleppten mich auf monströse Reisen in graue Welten
Die tief im Quell des Albtraums verborgen liegen,
Mit einer obszönen Umklammerung, stechend und brennend.

Unbeachtet aller Schreie, die aus mir brachen
Fegten sie über die zerklüfteten Gipfel von Thok
Und hinunter in die Niederungen bis zu jenem fauligen See,
Wo die aufgeblähten Shoggothen in ihrem zweifelhaften Schlaf treiben.
Aber ach! Wenn sie doch nur ein paar Geräusche machen
Oder ein Gesicht tragen würden, wo man Gesichter finden sollte!

Swamp Thing: Der Sämann

Alec Holland aka Swamp Thing ist eine der aufregendsten Figuren der ganzen Comicwelt. In der Geschichte dieses Comics gab es viele Höhen und Tiefen, sein letzter eigener Auftritt fand im neuen DC-Universum (New 52) statt, in „DC-Rebirth“ gibt es ihn nur als ein Nebenprodukt (früher war Constantine derjenige, der ihn in seiner eigenen Serie besuchte, jetzt ist es genau andersherum). Der letzte Run um das Swamp Thing stammte von Charles Soule, der damals noch ein recht unbekannter Autor war. Er übernahm die Serie des neuen DC-Universums von Scott Snyder, der hier allerdings weit unter seinem Können blieb und nur halbherzig bei der Sache war.

So menschlich, wie wir sein wollen

Und auch wenn Soule im ersten Sammelband „Der Sämann“ noch ein paar Startschwierigkeiten zu haben schien, lieferte er in der Folge einen atemberaubenden Run ab und stampfte fast alles ein, was zu dieser Zeit bei DC erschien. „Der Sämann“, der dann erst im nächsten Sammelband wirklich eine große Rolle spielt, ist hier noch eine Marginalie, und so scheint es, als sei der Titel bereits der Hinweis auf die Saat, die Soule hier loslässt. Sein erster Band strotzt vor Ideen und Anfängen und es mag auf den ersten Blick aussehen, als würde er sich verzetteln. Tut er aber nicht. Seine Saat geht eben erst etwas später auf. Und er zieht uns Leser ohnehin gleich in den Bann, denn Soule macht Swamp Thing dadurch zu einem überzeugenden Charakter, weil er uns das Herz eines Menschen und die Handlungen eines Monsters vorstellt. Swamp Thing scheint Held und Schurke zugleich zu sein, was ohnehin eine ungewöhnliche Art ist, einen Hauptprotagonisten zu präsentieren.

Soules Eröffnungsmonolog erinnert uns daran, dass sein Vorgänger eine Pflanze war, die dachte, sie sei menschlich, und dass er ein Mensch ist, der denkt, eine Pflanze zu sein. Swampy fühlt sich von Metropolis angezogen, weil er mit Menschen zusammen sein will, die ihn daran erinnern, wie es sich anfühlt, Mensch zu sein. Aber er geht auch in diese Stadt, weil er Superman sprechen und ihn fragen will, warum er mit so viel Macht, die er hat, beschließt, sich wie ein Mensch zu verhalten. Superman antwortet, dass er sich mit den Menschen verbindet, indem er ihnen hilft.

(c) DC

„Wir sind keine Monster – wir können so menschlich sein, wie wir sein wollen“, sagt Superman, und in diesem Satz liegt Soules ganzes Verständnis für diese Figur. Von Anfang an gelingt es Soule, die notwendige Nähe zwischen dem Leser und Swamp Thing zu erzeugen.

Der Sämann

Soule kontrastiert das, indem er Swamp Thing die Arbeit des Sämanns rückgängig machen lässt. Das Wenige, das wir bisher über ihn wissen, ist, dass er in Wüstenregionen reist, um die Erde fruchtbar zu machen. Das klingt nicht nach dem Werk eines Schurken. Swamp Thing – der Avatar des Grüns, die natürliche Lebenskraft des Planeten – tut, was ihm gesagt wird, wie ein gedankenloser Soldat, indem er die Arbeit des Sämanns zerstört, weil dessen Kraft vom Grün abfließt (eine Handlung, die fast derjenigen in Robert Vendittis Green Lantern entspircht, wo ein Wesen namens Relic versucht, die Lanterns zu stopppen, da ihre Ringe das Lichtreservoir des Universums verbrauchen); Soule schrieb zu dieser Zeit die Red Lantern-Serie, deren Handlung dann in die Green Lantern-Serie überging). Es ist verständlich, dass Swamp Thing die Arbeit des Sämanns rückgängig macht, da sonst die Ökologie dieses speziellen Bereichs gestört wird, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass die Aktionen von Swamp Thing Tausende von Menschen das Leben kosten

Die Superman-Geschichte hat zwar seine Momente in der Begegnung der beiden Figuren, und sogar mit Scarecrow, dessen Angstgift Swamp Thing versehentlich die Metropole angreifen lässt. Aber trotz seiner Kürze ist es immer noch eine Geschichte, die nicht viel zu erzählen hat. Im Grunde genommen war das Treffen mit Superman der Grund für diese erste Erzählung, in der uns noch einmal die unglaubliche Kraft des Swamp Thing vor Augen geführt wird (auch wenn das gar nicht notwendig ist).

Später in Louisiana trifft Swamp Thing auf eine alte Kreatur namens Capucine, die ihn um Zuflucht bittet. Das ist eine faszinierende Figur, die ebenfalls erst später zur Entfaltung kommt. Hier bekommen wir zunächst eine Rückblende aus einer Vergangenheit, die Jahrhunderte zurückliegt und in der der Vorgänger des Swamp Thing die Regeln für zukünftige Avatare des Grüns festgelegt hat.

Der Whiskeybaum

Der erste Höhepunkt des ganzen Runs ist Der Whiskeybaum, ein Zweiteiler, in dem der Sämann in Fetters Hill aufgetaucht, einem abgelegenen schottischen Dorf, das früher ein florierendes Whiskygeschäft hatte, aber in schwere Zeiten geraten ist. Der Sämann schenkt der Stadt einen unnatürlichen Whiskeybaum, dessen Frucht eine berauschende Bernsteinflüssigkeit produziert, die den Trinker verrückt macht. Dies ist das erste Mal, dass die Handlungen des Sämanns eindeutig auf etwas Negatives hinweist. Während das Swamp Thing versucht, den Schaden wiedergutzumachen, zieht es auch Constantine aufgrund der magischen Präsenz in diese Gegend. Ganz untypisch für ihn, erkennt er nicht, dass der Whiskey, den er trinkt, verflucht und gefährlich ist, und wird selbst zu einer blutrünstigen Person. Leider endet diese Geschichte etwas zu abrupt in einem vierseitigen Finale durch ein Deus ex machina, in dem es dem stark geschwächten Swamp Thing irgendwie gelingt, das Grün zu kontaktieren und jeden, der von dem Whiskey getrunken hat, unschädlich zu machen.

Der Band schließt mit Anton Arcane, der noch im Snyder-Run als Avatar der Fäule eingesetzt wurde. Diese Rolle ist aber nun Abby Arcane zugefallen.In den folgenden Bänden werden wir mehr von ihr sehen. Diese letzte Kapitel erzählt Arcanes Lebensgeschichte in all seiner Grausamkeit.

Jene Charaktere, die schon lange erzählt werden, mögen im Laufe der Zeit inkonsistent wirken. Was bei Swamp Thing jedoch auffällt, ist, dass die Zeichnungen auf einem konstant hohen Level anzusiedeln sind. Angefangen von den frühen Künstlern Bernie Wrightson, Stephen Bissette und Rick Veitch bis hin zu Yanick Paquettes wunderschönem Werk produziert das Kunstteam von „Der Sämann“ (Kano, Alvaro Lopez, David Lapham, Jesus Saiz und Jock) in diesem Buch wunderbare Arbeiten.

Soule bringt Swamp Thing in viele ungleiche Regionen des Planeten – die Wüsten Afrikas, die städtische Metropole, Louisiana, Schottland – und da Swamp Thing aus den Pflanzen dieser Region besteht, ist er in jeder Inkarnation deutlich anders. In der Wüste ähnelt er einem Kaktus; in Louisiana ist er zähflüssiger, um die Sümpfe zu reflektieren; im ländlichen Schottland ist er grüner, um die Wälder zu reflektieren.

Swamp Thing verfügt überall auf der Welt über das Netzwerk des Grüns und seine Reise durch die Welt sieht aus wie eine Trip durch eine alternative Welt. Kano/Laphams Schottland ist besonders reizvoll, da wir hier mit einer erstaunlichen Splash-Seite von Swampy belohnt werden, der so groß ist wie ein Berg, der von einem Wald bedeckt ist, mit einem Wasserfall auf der Schulter. Im Vergleich zu einer früheren Szene, in der er sich auf die Größe eines Auges, das aus einem Baum linst, reduzieren kann, zeigen diese beiden wunderbar gezeichneten Beispiele die Bandbreite, mit der Swamp Thing agieren kann.

Bereits in diesem Band fühlte sich das Swamp Thing wieder frisch an, und in den Folgebänden gelang es Soul auch seine erzählerische Leistung derart zu festigen, dass sein Run zu etwas wirklich Großartigem wurde.

Dennis Etchison: Blut und Küsse

Dennis William Etchison gilt als einer der originellsten lebenden Horror-Autoren Amerikas, gewann dreimal den British Fantasy Award als Autor und einmal den World Fantasy Award als Herausgeber.

The Blood Kiss (dt. Blut und Küsse) war Etchisons dritte Sammlung von Stories, die doch tatsächlich (und man wundert sich) von Bastei/Lübbe 1990 als bisher einzige Veröffentlichung des Meisters psychologischen Horrors auf deutsch erschien. Vermutlich ein Zufall, denn mit der Klasse, mit der Etchison aufwartet, lässt sich kein goldener Bart finanzieren. Das erklärt auch, warum er in Deutschland nahezu unbekannt ist und es kaum einer unserer Verlage angehen wird, diesen großartigen Autor für das hiesige Lesepublikum zu erschließen.
Der Reiz von Etchisons Geschichten, die er selbst so beschreibt:

“… ziemlich dunkel, bedrückend, fast pathologisch nach innen gerichtete Fiktionen über den Einzelnen und sein Bezug zur Welt,”

wird von ihrer Skizzenhaftigkeit erzeugt. Geschehnisse werden anders beleuchtet als gemeinhin üblich. Hinter den Zeilen entsteht eine Menge dunkler Raum, der angereichert ist mit Unbenennbarkeiten. Er lädt ein, sich in ihm zu verlieren, es gibt keinen Weg zurück. In diese Texte dringt man ein oder man bleibt außerhalb stehen. Einen Mittelweg gibt es nicht. Die Sätze nehmen den Leser weder bei der Hand, noch lullen sie ihn ein. Am Ende bleibt das trockene Gefühl auf der Zunge, das Gefühl, etwas Verbotenes beobachtet zu haben, das man nicht ganz versteht, obwohl man es doch gesehen hat; wie ein Alptraum, an den man sich am Morgen nicht mehr erinnern kann. Roh liegen diese Texte vor uns, scheinen keinen Körper zu besitzen, keinerlei Oberfläche, bestechen durch ihre raffinierte Tiefe und einen einzigartigen Stil.

Yuggoth 19 – Die Glocken

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Jahr für Jahr hörte ich dieses dumpfe, weit entfernte
Läuten von tiefklingenden Glocken, getragen vom schwarzen Mitternachtswind;
Sie ertönten von keinem Kirchturm, den ich jemals finden konnte,
Aber sie klangen merkwürdig, wie durch eine große Leere getragen.
Ich suchte in meinen Träumen und Erinnerungen nach einem Anhaltspunkt
Und dachte an all die Glockentöne, die meine Visionen trugen;
An das stille Innsmouth, wo die weißen Möwen um einen
Alten Turm herum verweilten, den ich einst kannte.

Stets war ich verwirrt, wenn ich diese weit entfernten Töne fallen hörte,
Bis mich in einer Märznacht der düstere, klirrende Regen
Durch die Tore der älteren Türme zurückrief, dorthin,
Wo die bösartigen Schwingungen sich wie toll gebärdeten.
Die Glocken läutetet – aber sie sprachen von sonnenlosen Gezeiten,
Die sich durch versunkene Täler auf dem toten Meeresboden ergießen.

Yuggoth 18 – Die Gärten von Yin

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Jenseits dieser Mauer, deren altes Gefüge
In moosverdickten Türmen fast bis zum Himmel reichte
Könnte man terrassenförmige Gärten finden, reich an Blumen,
Und in denen Vögel, Schmetterlinge und Bienen schwirren.
Es gäbe Spazierwege und Brücken, die sich über warme
Lotosbecken wölben und die Dachtraufen des Tempels reflektieren,
Und Kirschbäume mit zarten Ästen und Blättern
Vor einem rosa Himmel gelegen, in dem die Reiher schweben.

Alles wäre da, denn hätten sonst alte Träume das Tor
Zu diesem steinernen Labyrinth geöffnet,
In dem sich schläfrige Ströme winden,
Begleitet von grünen Reben, die an gekrümmten Zweigen hängen?
Ich sputete mich – aber als sich die Mauer vor mir erhob, düster und groß,
Stellte ich fest, dass es keinen Zugang mehr gab.

Yuggoth 17 – Eine Erinnerung

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Hier gab es weite Steppen und felsige Tafellandschaften,
Die sich in sternenklarer Nacht fast grenzenlos entfalteten,
Durchwoben von fremdartigen Lagerfeuern, die ihr schwaches Licht
Auf Bestien mit klingenden Schellen an zottigen Bändern warfen.
Weit im Süden neigte sich die Ebene tief und breit
Hinab zu einer dunkel-irren Linie aus Mauern,
Die wie eine riesige Python eines urzeitlichen Tages warteten,
Dessen verlorene Zeit längst erkaltet und versteinert war.

Ich zitterte eigentümlich in der kalten, dünnen Luft
Und fragte mich, wo ich war und wie ich hierher gekommen bin,
Als sich eine verhüllte Gestalt gegen das grelle Licht
Eines Lagerfeuers abhob und sich näherte und mich bei meinem Namen rief.
Als ich auf das tote Gesicht unter der Kapuze starrte,
Ließ ich alle Hoffnung fahren, denn ich verstand.

Der Macbeth-Fluch

Macbeth, eines der populärsten Stücke Shakespeares, weist eine bizarre und gefährliche Vergangenheit auf, die bis zu seiner Uraufführung Anfang des 16. Jahrhunderts zurückreicht. Die Behauptung, dass es einen Macbeth-Fluch gebe, ist eine auffallende Anomalie. In dem Stück wird Macbeth von Schlaflosigkeit geplagt, und seine Frau, Lady Macbeth, neigt zum Schlafwandeln. Im Verlauf des Stücks manifestiert sich bei Macbeth zunehmend eine paranoide Symptomatik, die durch die Besorgnis motiviert ist, seine Verfehlungen könnten ans Licht gebracht werden. Der Geist Banquos, den Macbeth hat töten lassen, kehrt zurück, um ihn heimzusuchen und symbolisiert sein schlechtes Gewissen.

Die Legende besagt, dass der Junge, der die Rolle der Lady Macbeth spielte, während der ersten Aufführung erkrankte und kurz vor der Aufführung starb. Shakespeare selbst musste sich daraufhin verkleiden, um die Rolle zu spielen.

König Jakob I. soll von dem blutigen Geschehen auf der Bühne so angewidert gewesen sein, dass er die Wiederaufführung des Stücks für mehrere Jahre verbot. Das Stück wurde weiterhin von Tragödien heimgesucht. Besonders gefährlich war es, die Rolle der Lady Macbeth zu spielen. Schauspielerinnen, die diese Rolle spielten, wurden vom Publikum aus dem Theater gejagt, weil sie glaubten, die Schauspielerin sei eine echte Mörderin. Eine andere Schauspielerin stürzte während der berüchtigten Schlafwandlerszene fünf Meter tief von der Bühne. Und 1926 improvisierte ein kleiner Schauspieler seine Rolle und versuchte, Lady Macbeth auf der Bühne zu erwürgen. Bei einer Aufführung 1849 in New York geriet das Publikum so in Rage, dass ein Aufstand ausbrach, bei dem mehr als 30 Menschen starben.

Die Aufführungen des 20. Jahrhunderts waren besonders brutal. Als Laurence Olivier 1937 die Titelrolle spielte, löste sich auf mysteriöse Weise ein Schwergewicht über der Bühne und stürzte nur wenige Zentimeter neben dem Schauspieler zu Boden. In dieser Inszenierung wurden in den Kampfszenen leichtsinnigerweise echte Schwerter verwendet. In einem Fall brach die Spitze eines der Schwerter ab und flog in den Zuschauerraum. Sie traf einen Mann und verursachte bei ihm einen Herzinfarkt. Den Rekord für die meisten Unfälle hält eine Produktion von 1942 mit John Gielgud in der Hauptrolle. Drei Schauspieler starben während der Aufführung und der Kostümbildner beging unmittelbar nach der Premiere Selbstmord. 1953 spielte Charlton Heston die Hauptrolle und erlitt schwere Verbrennungen an den Beinen. Später stellte sich heraus, dass seine Strumpfhose auf mysteriöse Weise mit Kerosin getränkt worden war. Die Liste des Unglücks ist lang.

Theaterleute sind ein abergläubischer Haufen, und alles, was so viel Ärger macht wie Macbeth, hat eine ganze Reihe von Überlieferungen. Zum Beispiel spricht niemand den Namen “Macbeth” aus, es sei denn, es wird für das Stück geprobt oder es wird tatsächlich aufgeführt. Das Stück selbst wird in Theaterkreisen allgemein als “The Scottish Play” bezeichnet. Natürlich kommt es vor, dass Schauspieler den Titel des Stücks versehentlich aussprechen. Und es gibt zahlreiche Geschichten darüber, wie das Unglück abgewendet werden kann, wenn dies geschieht. Die meisten Varianten sehen vor, das Theater zu verlassen, sich dreimal umzudrehen, zu fluchen, über die linke Schulter zu spucken und darauf zu warten, dass man wieder ins Theater eingeladen wird. Die große Frage ist, was den Macbeth-Fluch ausgelöst hat. Dazu gibt es verschiedene Ansichten. Eine besagt, dass Shakespeare in seinem Stück eine Beschwörungsformel verwendet hat. Die Hexen, die der Aufführung beiwohnten, wurden so wütend, dass sie alle zukünftigen Aufführungen des Stücks verfluchten. Eine andere Version besagt, dass Shakespeare selbst das Stück verfluchte, nachdem König Jakob I. eine erneute Aufführung verboten hatte. Was auch immer der Grund sein mag, die Theatergruppen bleiben misstrauisch gegenüber dem Bühnenstück, auch wenn es sich als Publikumsliebling erweist.

Fallanalyse: Mörder aus dem Totenreich

Der zweite Fall in der frühen Karriere des Geisterjägers John Sinclair trägt den Titel Mörder aus dem Totenreich und zählt zu den grundlegenden Erzählungen, in denen sich das noch junge Sinclair-Universum formt. Die Geschichte verbindet urbane Kriminalität mit okkulten Elementen und entführt den Leser – beziehungsweise Hörer – in die mystisch aufgeladene Welt der mexikanischen Maya-Kultur. Als klassische Gruselgeschichte mit Abenteuereinschlag legt sie – ähnlich wie bereits Die Nacht des Hexers – den Grundstein für viele spätere Motive der Serie.

Die Handlung beginnt in London, wo ein scheinbar harmloser Mann in einem plötzlichen Wutanfall ein Massaker im Hyde Park anrichtet. Ähnliche Vorfälle ereignen sich fast zeitgleich in New York – auch hier verlieren bislang unauffällige Menschen plötzlich die Kontrolle über sich und werden zu brutalen Mördern. Der Reporter Bill Conolly erkennt erste Zusammenhänge und bittet seinen Freund John Sinclair um Hilfe. Dieser nimmt die Ermittlungen auf und findet bald heraus, dass alle Täter zuvor an einer archäologischen Exkursion nach Yucatán teilgenommen haben – ein Hinweis, der die Geschichte aus dem Herzen Europas direkt in den dichten Dschungel Mexikos führt.

Mit der Reise auf die Halbinsel Yucatán ändert sich nicht nur der Schauplatz, sondern auch der Ton der Geschichte. Wo sich zuvor das Grauen in vertrauten urbanen Räumen abspielte, dominiert nun eine fremde, unheimliche Atmosphäre. Inmitten von Ruinen und tiefem Dschungel stoßen John und Bill auf den sogenannten „Herrn der Toten“, eine dämonische Macht, die in alten Maya-Ritualen verwurzelt ist. Dieser Antagonist kontrolliert seine Opfer nicht durch rohe Gewalt, sondern durch geistige Manipulation. Seine Macht besteht darin, die Seelen der Menschen zu vergiften, sie willenlos zu machen und in Mordwerkzeuge zu verwandeln. Diese Bedrohung ist umso erschreckender, als sie die eigene Identität, die menschliche Freiheit und den freien Willen untergräbt.

Der „Herr der Toten“ wird in der Hörspielbearbeitung von Friedhelm Ptok mit ruhiger, fast väterlicher Stimme gesprochen. Diese nüchterne Darstellungsweise verleiht ihm eine unheimliche Präsenz, die sich nicht aus Lautstärke oder Aggressivität speist, sondern aus einer tiefen Unabwendbarkeit. Er wirkt nicht wie ein wütender Dämon, sondern wie ein kalter Strippenzieher aus dem Jenseits, der seine Opfer mit der Gewissheit des Unausweichlichen lenkt. Damit steht er exemplarisch für ein Böses, das nicht einfach zu bekämpfen ist – es lauert im Inneren der Menschen.

John Sinclair, noch ohne magisches Kreuz oder ein ganzes Team aus Mitstreitern ausgestattet, bleibt in diesem Fall auf sich allein gestellt. Er ist weniger der Actionheld, als vielmehr ein rational denkender Ermittler, der Hinweise kombiniert und Zusammenhänge erkennt. Die Figur ist in dieser frühen Phase noch nahbar, verletzlich und menschlich – was insbesondere in den Szenen deutlich wird, in denen er um seinen Freund Bill kämpft, der selbst beinahe dem Bann des Totenherrschers verfällt. Diese emotionale Komponente verleiht dem Fall zusätzliche Tiefe: Hier geht es nicht nur um das Aufhalten eines Bösewichts, sondern um Loyalität, Opferbereitschaft und die Frage, wie weit man gehen würde, um einen geliebten Menschen zu retten.

Atmosphärisch gelingt der Geschichte ein stimmiger Wechsel zwischen zwei gegensätzlichen Welten. Während der Schrecken in London und New York durch seine Plötzlichkeit und scheinbare Willkür beunruhigt, entfaltet die zweite Hälfte in Mexiko eine mythologische Dichte. Die alten Tempel, das Dickicht des Dschungels und das Gefühl, einer uralten Macht gegenüberzustehen, schaffen eine Umgebung, in der der rationale Verstand allmählich seine Deutungshoheit verliert – und genau darin liegt der Reiz dieser Erzählung. Das Abenteuerhafte wird nicht durch übermäßige Exotik trivialisiert, sondern bewusst als Kontrast zum modernen Alltag inszeniert.

Die Hörspielumsetzung unter der Regie von Oliver Döring verstärkt diese Wirkung durch eine hochqualitative Produktion. Geräuschkulissen, Musik und Sprecherleistungen arbeiten perfekt zusammen, um die Spannung zu halten. Besonders auffällig ist die Art, wie das Grauen inszeniert wird: Weniger durch direkte Schocks, sondern durch schleichendes Unbehagen und das beklemmende Gefühl, dass der Wahnsinn jederzeit ausbrechen könnte.

Thematisch behandelt „Mörder aus dem Totenreich“ zentrale Motive der Sinclair-Reihe: den Verlust der Kontrolle, die Bedrohung durch archaische Mächte und die Zerbrechlichkeit menschlicher Zivilisation. Der Horror ist dabei nicht nur äußerlich – er greift tief in die Psyche ein. Die Vorstellung, durch einen fremden Willen zum Mörder gemacht zu werden, ist erschreckender als so mancher Dämon mit Hörnern. Zudem stellt sich implizit die Frage, ob das Böse immer „außerhalb“ zu verorten ist – oder ob es in Momenten der Schwäche auch von innen heraus kommen kann.

Mörder aus dem Totenreich ist ein früher, aber wichtiger Fall in der Karriere John Sinclairs. Die Geschichte verbindet gekonnt klassische Horrorelemente mit exotischer Mythologie und liefert einen emotionalen wie atmosphärischen Höhepunkt, der durch die Hörspieladaption weiter verstärkt wird. Der Fall besticht weniger durch Spektakel als durch eine tief sitzende Unruhe – und bleibt gerade deshalb nachhaltig in Erinnerung.

Fallanalyse: Die Nacht des Hexers

Mit dem Roman Die Nacht des Hexers beginnt 1973 nicht nur die literarische Karriere John Sinclairs, sondern auch die Entwicklung eines einzigartigen Erzählkosmos innerhalb der deutschen Populärkultur. Als erster Band der Reihe »Gespenster-Krimi« führt der Text den Ermittler in eine Welt ein, die gleichermaßen von Kriminalität und Okkultismus durchdrungen ist. Bereits hier werden Motive etabliert, die sich durch die gesamte Reihe ziehen: das Spiel mit dem Übernatürlichen, der Kampf gegen das personifizierte Böse, die allmähliche Verwandlung des rationalen Ermittlers in eine mythisch überhöhte Figur, denn John Sinclair ist nichts weniger als der Sohn des Lichts.

Der Roman spielt in der fiktiven englischen Stadt Middlesbury, in der sich eine Reihe unerklärlicher Todesfälle ereignet. Die Opfer weisen Spuren auf, die auf übernatürliche Einflüsse schließen lassen. John Sinclair, damals noch ein klassischer Scotland-Yard-Ermittler ohne besondere Kenntnisse des Okkulten, wird mit dem Fall betraut. Seine Ermittlungen führen ihn zu Professor Ivan Orgow, einem brillanten, aber gefährlich abgedrifteten Wissenschaftler, der sich der Nekromantie verschrieben hat. Orgow experimentiert mit der Wiedererweckung von Toten und hat mit Hilfe eines Mediums eine Armee von Zombies erschaffen, mit deren Hilfe er seine Macht festigen will. Sinclair gelingt es schließlich, Orgow zu besiegen, doch der Roman endet mit dem unheilvollen Versprechen einer zukünftigen Rückkehr des Bösen.

Literarisch gesehen markiert »Die Nacht des Hexers« zwar nicht die Geburtsstunde eines neuen Genres im deutschsprachigen Heftroman, also einer Mischform aus Detektivroman und Horrorfiktion, wohl aber den Beginn einer der weltweit erfolgreichsten Serien. Zu Beginn ist Sinclair noch kein Geisterjäger, sondern ein Polizeibeamter, der durch die Konfrontation mit dem Übernatürlichen aus seiner rationalen Ordnung geworfen wird, obwohl es bereits eine Abteilung für paranormale Phänomene gibt. Sie wird von Superintendent James Powell geleitet. Dieser Moment der Destabilisierung bildet die Grundlage für seine weitere Charakterentwicklung. Seine Figur steht damit sinnbildlich für die Spannung zwischen Aufklärung und Aberglauben, zwischen Vernunft und Mythos, die die Serie durchzieht.

Die Figur Ivan Orgows steht exemplarisch für den Typus des „mad scientist“. Er ist nicht nur ein Antagonist, sondern zugleich eine Metapher für die Schattenseiten des wissenschaftlichen Fortschritts, die zum Ende der 60er Jahre bereits ziemlich beliebt war. Durch die Verbindung von Naturwissenschaft und Magie öffnet sich ein Raum des Kontrollverlusts, in dem Moral und Ethik ausgehebelt werden. Orgow wird so zum Spiegelbild einer Gesellschaft, die sich vor den Konsequenzen ihrer eigenen Wissbegierde fürchtet. Die erste Figur eines “verrückten Wissenschaftlers” in der Belletristik entstand in einem dunklen, kühlen Sommer des Jahres 1816, als die 19-jährige Mary Shelley die Figur des Doktor Victor Frankenstein schuf. Ivan Orgow ist nur eine der unzähligen Varianten davon.

Besonderes Augenmerk verdient die Topographie des Romans. Das alte Anwesen Manor Castle, Orgows Laboratorium und der Friedhof sind klassische Schauplätze der Gothic Fiction. Ihre räumliche Abgeschiedenheit steht sinnbildlich für die soziale und moralische Isolation der Figuren. Die dadurch erzeugte Atmosphäre des Unheimlichen ist nicht bloße Kulisse, sondern integraler Bestandteil der Erzählstruktur. Allerdings zeugt die Bezeichnung “Manor Castle” von völliger Unkenntnis des Englischen, denn ein Manor ist nichts anderes als ein Herrenhaus. Daraus dann ein Manor Castle zu machen, ist schon etwas abwegig, aber das dürfte damals niemandem aufgefallen sein.

Natürlich gibt es auch das später ikonische Kreuz hier noch nicht, das Sinclair in späteren Episoden als Waffe gegen das Böse dient und das noch unentdeckte Geheimnisse birgt. Diese Abwesenheit verweist auf seinen Status als Neuling in einer Welt, deren metaphysische Regeln er erst noch kennen lernen muss. Das Kreuz dient ihm später nicht nur als Werkzeug, sondern auch als Symbol einer neuen Identität – als Grenzgänger zwischen Diesseits und Jenseits.

Tatsächlich ist Die Nacht des Hexers bereits weit mehr als ein klassischer Auftaktband. Es ist ein Text, der bereits die DNA der gesamten Serie enthält. Die Grundspannung zwischen Logik und Mythos, zwischen Weltlichkeit und Transzendenz, wird hier angelegt und fortan variiert. Der Roman ist damit nicht nur der erste Fall John Sinclairs (tatsächlich ist es nicht einmal der erste), sondern auch ein programmatisches Manifest für alles, was noch folgen sollte, zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht abzusehen war.

Yuggoth 16 – Das Fenster

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Das Haus war alt und zeigte seine abgetragenen, verschlungen Flügel
Auf eine Weise, die niemand jemals auch nur zur Hälfte zu fassen vermochte,
Und in einem kleinen Raum etwas weiter hinten befand sich
Ein seltsames, mit altem Stein versiegeltes Fenster.
Dort ging ich ganz allein in einer traumgeplagten Kindheit,
Wo die Nacht undeutlich und schwarz regierte;
Durchtrennte die Spinnweben mit einer seltsamen Furchtlosigkeit
Und mit einem jedes Mal wachsenden Staunen.

Einen Tag später brachte ich die Maurer dorthin, um herauszufinden,
Welche Aussicht meine düsteren Vorfahren gemieden hatten,
Aber als sie den Stein durchbohrten, brach ein Luftstrom
Aus den fremdartigen Hohlräumen, die jenseits des Steines gähnten.
Sie flohen, aber ich schaute hindurch und fand entfaltet all
Die wilden Welten vor, die auch in meinen Träumen tobten.

Yuggoth 15 – Antarktos

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Tief in meinem Traum flüsterte der große Vogel Sonderbares
Von einem schwarzen Kegel inmitten der polaren Ödnis;
Einsam und trostlos, von sturmgepeitschten Äonen zerschlagen
Und verunstaltet über die Eisdecke gedrängt.
Bis hierher drang keine lebendige Erdform je vor,
Und nur blasse Polarlichter und schwache Sonnen
Glühen auf diesem zerklüfteten Felsen, dessen Ursprünge
Von den Älteren Göttern nur schwach erahnt werden.

Wenn Menschen je einen Blick darauf werfen sollten, würden sie sich
Lediglich fragen, welch komplexen Aufwurf der Natur sie da erspähten.
Aber der Vogel erzählte von ausgedehnteren Gebieten, die unter
Dem kilometerlangen Eisschleier kauern und brüten und abwarten.
Gott helfe dem Träumer, dessen wahnsinnige Visionen
Die toten Augen in den Kristallgraben dort unten entdecken!

Yuggoth 14 – Sternwinde

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Es begibt sich zu einer besonderen Stunde der Dämmerung,
Meistens im Herbst, wenn der Sternenwind einsetzt.
Die Straßen auf den Bergkuppen sind restlos menschenleer,
Aber sie reflektieren das frühe Lampenlicht, das aus behaglichen Räumen dringt.
Die toten Blätter eilen in seltsamen, fantastischen Wirbeln dahin
Und Schornsteinrauch kraust mit fremder Anmut umher,
Die Geometrie des Weltalls achtend,
Während Fomalhaut durch den Südnebel schaut.

Dies ist die Stunde, in der mondsüchtige Dichter davon wissen,
Welche Pilze in Yuggoth sprießen, und welche Düfte
Und welch Farbenrausch von Blumen die Kontinente Nithons erfüllen,
Wie bei keinem irdischen Gartenschlag je gesehen.
Doch für jeden Traum, den diese Winde uns vermitteln,
Fegen sie ein Dutzend weiterer unserer Träume hinweg!

Bringt mir einen Becher Sekt!

Dry Sack

Es ist ein Klischee, dass Shakespeare einer der großen Erfinder der englischen Sprache ist, ein weit verbreiteter Irrtum, dass sein Wortschatz größer war als der jedes anderen Schriftstellers, und eine einfache Tatsache, dass er wahrscheinlich der am häufigsten zitierte Autor im Oxford English Dictionary ist. Weniger bekannt ist sein Beitrag zur Sprache der deutschen Trinkkultur.

Falstaff
Falstaff mit einem Krug “sack” (Foto:en.wikipedia.org)

Eine der populärsten Figuren Shakespeares ist der große Antiheld Falstaff, ein unverbesserlicher Schurke, dessen Vorliebe für Alkohol nur noch von seiner Fettleibigkeit übertroffen wird. Im Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts war kein Schauspieler in dieser Rolle bekannter als Ludwig Devrient, dessen späteres Leben entweder eine starke Sympathie für den Stil seiner Figur oder ein frühes Beispiel für hartnäckiges Method Acting erkennen lässt. Es war Devrients Angewohnheit, nach einer Vorstellung als Falstaff von der Bühne in die Kneipe zu gehen und einen der charakteristischen Sätze seiner Figur zu brüllen: “Bring mir einen Becher Sekt!

Zu Shakespeares Zeiten hieß Sekt “Sack” und war ein sehr beliebter Sherry und das Lieblingsgetränk seiner Trinker. Sack war jedoch kein übliches Getränk in deutschen Kneipen, und was Devrient eigentlich verlangte, war höchstwahrscheinlich Champagner – der natürlich eine deutsche Erfindung ist, wenn auch auf französischem Territorium.

Dry Sack

Champagner gilt heute als Getränk der gehobenen Klasse, wurde aber zur Zeit der Romantik in großen Mengen von Künstlern getrunken, die sich aus finanziellen Gründen keine wirklich anständigen Getränke leisten konnten. Devrient, der durch Deutschland reiste, wiederholte seinen Auftritt in einer Kneipe nach der anderen – und das Ergebnis war ein billiges, kaum trinkbares Gebräu, das im Deutschen noch heute als “Sekt” bekannt ist, dank Friedrich Wilhelm Schlegel, der bekanntlich als erster Shakespeare übersetzte und aus “Sack” “Sect” machte. Was hätte er sonst tun können? Das Sprachgefühl lässt “Sact” nicht zu.

Der literarische Krimi: Auf der Suche nach einem schwer fassbaren Genre

Literarischer Krimi

Bekanntermaßen ist die Definition eines Genres eine trübe Angelegenheit, und kein Genre ist undurchsichtiger als die literarische Fiktion. Jeder Versuch, dieses schlüpfrige Ding zu definieren, endet naturgemäß in einer Schlammschlacht, ganz gleich, welche Absichten der unerschrockene Begriffsbestimmer verfolgt – schon der Name “literarische Fiktion” impliziert eine süffisante, kleine Stichelei.

Das “Verbrechen” im “literarischen Krimi” hingegen ist einfach zu verstehen. Der Leser muss mindestens ein Verbrechen auf den Seiten des Buches finden. Und es ist wahrscheinlich, dass dieser Leser diesem Verbrechen auf eine der Arten begegnet, die er bereits aus seiner Lektüre über andere fiktionale Verbrechen kennt – durch Rätsel und Spannung, durch Ablenkungsmanöver, verblüffte Detektive, das Aufdecken von Hinweisen. Ob das Buch nun mit einer Leiche oder einem verschwundenen Diamanten beginnt, der Leser weiß, sobald er die vorletzte Seite umblättert, wird die Identität des Täters aufgedeckt sein. Das Genre ist nicht nur eine Ansammlung von Tropen oder Hilfsmitteln – es bietet die Form der Erwartungen des Lesers.

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