Stephen King ist nicht der erste Schriftsteller, der ein Buch Namens „The Outsider“ geschrieben hat. Bevor wir das akzeptieren, müssen wir uns leider wieder einmal über die schlechte Übersetzungsqualität des Heyne-Verlags unterhalten. Es wäre einfach gewesen, den Titel im Original zu belassen, stattdessen zeigt man, dass man mit Sprache nun wirklich nicht mehr umgehen kann. Da wird dann aus „The Outsider“ „Der Outsider“, und jedem Leser, der noch ein bisschen was von Grammatik hält, dreht sich der Magen um. Die Idealform wäre „Der Außenseiter“ oder sogar „Der Fremde“ gewesen. Nun, nicht nur ideal, sondern RICHTIG. Auf die vielen Übersetzungsfehler im Roman gehe ich jetzt gar nicht ein.
Schlagwort: Horror
Stephen King: Später

„Später“ ist mittlerweile der dritte Roman, den Stephen King für den Spezial-Verlag Hard Case Crime geschrieben hat. Dieser Verlag lässt den Stil der Pulp-Taschenbücher der 40er und 50er Jahre erneut aufleben und ist im Grunde spezialisiert auf Hardboiled-Krimis, die zu dieser Zeit hoch im Kurs standen, hat sich also zur Aufgabe gemacht, die Lebendigkeit, die Spannung und den Nervenkitzel des goldenen Zeitalters der Taschenbücher wiederzubeleben.
Es versteht sich von selbst, dass die dort erscheinenden Bücher ein phantastisches Coverartwork haben, bei uns ist davon natürlich nichts zu sehen.
Tatsächlich handelt es sich um einen Kriminalroman, aber mit übernatürlichem Einschlag.
Arthur Machen: Der große Gott Pan

Arthur Machen veröffentlichte eine erste Version von Der große Gott Pan im Jahre 1890 im Magazin The Whirlwind; später schrieb er die Geschichte um und erweiterte sie, bis sie 1894 dann, zusammen mit der thematisch sehr ähnlich gelagerten Geschichte Das innerste Licht, als Buch erschien. Es ist eine faszinierende Arbeit, die ihre beängstigende Stimmung hauptsächlich durch indirekte Hinweise speist. Von heute aus gesehen, entdeckt man eine sehr „viktorianische“ Einstellung gegenüber Frauen. Zur Zeit ihres Erscheinens löste die Geschichte durch die angedeutete Sexualität einen regelrechten Skandal aus.
David H. Keller

Nach dem Ersten Weltkrieg veröffentlichten Amerikas Pulp-Magazine zunehmend Science-Fiction neben den üblichen Genres Western, Fantasy und Horror. Redakteure waren auf der Suche nach neuen Autoren in diesem aufstrebenden Segment, und Ende der 1920er Jahre „gab es nur einige wenige Autoren, die in der Lage waren, hochwertige Science-Fiction zu produzieren“, schreibt der britische Literaturhistoriker Mike Ashley. „Die besten in diesen frühen Jahren waren Miles J. Breuer und David H. Keller, beide faszinierend, Ärzte.“ Beide Autoren verbrachten auch den Ersten Weltkrieg im Army Medical Corps; während seines Dienstes half David H. Keller (ein Neuropsychiater) bei der Behandlung von Granatenschockopfern.
Keller schrieb sechs Jahrzehnte lang Romane, während er in seinen verschiedenen medizinischen Berufen arbeitete: als Arzt oder Leiter in psychiatrischen Einrichtungen in Pennsylvania, Illinois, Louisiana und Tennessee, während des Militärdienstes in beiden Weltkriegen. Seine Karriere als Schriftsteller begann früh. 1895, im Alter von fünfzehn Jahren, veröffentlichte er eine Geschichte in einer lokalen Zeitschrift; während des Studiums reichte er ein Dutzend Geschichten und Gedichte bei einer kleine Literaturzeitschrift ein. Doch in den folgenden drei Jahrzehnten schreib er fast ausschließlich für sich selbst. Von seiner Frau angeregt, begann er Ende der 1920er Jahre, seine Geschichten zu verschicken und stellte fest, dass der Markt seinen persönlichen Geschmack endlich eingeholt hatte; seine erste Einreichung bei einer nationalen Zeitschrift wurde sofort angenommen und erschien als „The Revolt of the Pedestrian“ in der Februarausgabe 1928 der kürzlich gegründeten Amazing Stories. Daher ist es fast unmöglich, Kellers Werk mit Genauigkeit zu datieren; viele seiner Stücke waren Jahre oder sogar Jahrzehnte früher entstanden. Darüber hinaus ist viel von seiner Arbeit verschwunden, weil er dafür bekannt war, Geschichten (kostenlos) an Fanzines, Amateurmagazine und obskure Zeitschriften zu schicken. Jedenfalls erlaubte ihm seine neue Karriere, eine kleine Privatpraxis als Psychiater zu gründen, was ihm genügend Stunden am Tag ließ, um ein „Vollzeit“-Autor zu sein.
Trotz der Allgegenwart seiner Texte in den Pulp-Magazinen (ganz zu schweigen von seinen zahlreichen Publikationen in Buchlänge) ist der Großteil von Kellers Fiktion inzwischen vergessen und vergriffen. Dennoch tauchen in Anthologien noch immer einige wenige Geschichten häufig auf. Zu seinen bekanntesten Werken gehören Psychothriller (u.a. „Das Ding im Keller“ (vielleicht seine berühmteste Geschichte) und Fantasy-Erzählungen, die einen zynischen Blick auf die Hybris der Wissenschaftler werfen (z.B. „The Jelly-Fish“). Eine Bewertung von Kellers Karriere durch den Science-Fiction-Redakteur Everett F. Bleiler fasst zusammen:
„Keller hatte erhebliche Vorbehalte gegenüber dem technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt, und seine Arbeit war ungewöhnlich, fast einzigartig, wenn man die Auswirkungen eines solchen Fortschritts auf den Einzelnen und die Gesellschaft in der Regel negativ betrachtet.“
W. H. Pugmire: Der dunkle Fremde
Vor einigen Jahren fragte ich Wilum „Hopfrog“ Pugmire per Mail, ob ich einige seiner Geschichten übersetzen dürfe und er antwortete, dass ich gerne alles von ihm übersetzen dürfe, was ich wolle. Gerne hätte er ein Büchlein seiner Geschichten in deutscher Sprache, von der er schwärmte, weil seine Vorfahren aus Deutschland gekommen waren. Allerdings, teilte er mir mit, seien bereits Freunde von ihm damit beschäftigt, ein Buch mit Übersetzungen auf den Weg zu bringen. Heute weiß ich, dass zumindest einer dieser Freunde Eric Hantsch war. Trotzdem gehörte ich zu Pugmires ersten Übersetzern, lange bevor „Der dunkle Fremde“ im Blitz-Verlag erschien, ein schön aufgemachtes klassisches Taschenbuch mit einem Titelbild von Björn Craig, übersetzt von Dr. Frank Roßnagel.
Der Poltergeist-Fluch
Es ist eigentlich ein faszinierendes Phänomen, aber vielleicht kann es mit der allgemeinen Angst vor dem Tod erklärt werden, oder noch wichtiger, vor der Angst, was uns nach dem Tod widerfährt. Wir haben keine Kontrolle darüber, was mit unseren Körpern geschieht, nachdem wir diese Erde verlassen haben, und so müssen wir unseren Familien eine Warnung hinterlassen, um sicherzustellen, dass sie unsere Überreste nicht einfach irgendwo hinwerfen und die ganze Sache vergessen.
Sie von jenseits des Grabes heimzusuchen, um sie zu warnen, ist sicher der effektivste Weg, nicht wahr?
Im Laufe der Entwicklung haben wir allmählich gelernt, dass es keine Flüche gibt und dass wir unsere Toten aus einem rein menschlichen Anstand und nicht aus Angst angemessen pflegen sollten. Aber genau das macht die wirklichen, echten und verbürgten Beispiele von Flüchen so viel erschreckender.
Der Highgate-Vampir
Unsere Geschichte spielt auf dem Highgate Cemetery, einem der „Magnificent Seven“ Londons. Der Begriff bezieht sich auf die sieben prächtigen Friedhöfe der Stadt, die im 19. Jahrhundert errichtet wurden und wegen ihrer aufwendigen landschaftlichen und architektonischen Gestaltung als „glorreich“ bezeichnet werden.
Die neugotische Nekropole in Highgate wurde 1839 eröffnet und ist die letzte Ruhestätte von etwa 170.000 Menschen. Karl Marx, Douglas Adams und George Michael gehören neben unzähligen anderen Prominenten zu den bemerkenswerten Bewohnern. Mehr noch als vergleichbare Friedhöfe ist Highgate seit langem für Spuk und paranormale Phänomene bekannt, eine Tatsache, die in den frühen 1970er Jahren in der öffentlichen Vorstellungswelt explodierte.

Horror versus Terror: Das Vokabular der Angst
Terror ist das Gefühl der Angst und der Besorgnis über die Möglichkeit von etwas Schrecklichem, während Horror das Entsetzen und die Abneigung ist, das Schreckliche tatsächlich zu sehen.
Es ist zwar allgemein bekannt, dass das Ziel der Kunst darin besteht, Emotionen zu wecken, aber das Vokabular des kreativen Schreibens spiegelt dies nicht immer wider. Handwerkliche Essays lehren uns Dutzende von Begriffen für Figuren (Foliencharakter, Bestand, Antagonist, Antiheld, etc.) und Handlung (Höhepunkt, Auflösung, Wendung, Nebenhandlung, etc.), hinterlassen uns aber nur ein paar schlecht definierte Wörter für die tatsächlichen emotionalen und psychologischen Auswirkungen eines Werkes auf den Leser.
Peter Straub stirbt mit 79 Jahren
Peter Straub, einer der besten Autoren unserer Zeit, der unsere jahrzehntelange Faszination für Horrorgeschichten mitbegründet hat, verstand es, makabre und herzzerreißende Prosa in einem Satz zu verweben. Selbst Geschichten über Geistererscheinungen, unheimliche Paralleluniversen oder grausame Morde konnten in Straubs Händen schwermütig, sensibel und kathartisch wirken.
Stephen King Re-Read: Brennen muss Salem
In den agnostischen und sexuell freizügigen 1970er Jahren war der Vampir bereits seiner Mythologie beraubt und zu dem verkommen, was King „die Bedrohung durch das Lächerliche“ nannte. In deutlicher Abkehr von dieser Tradition reduzierte er den sexuellen Aspekt des Vampirs und verlieh dem Archetyp eine völlig neue Bedeutung, indem er seine Anziehungskraft auf den menschlichen Wunsch ausrichtete, seine Identität in der Masse aufzugeben.
Kings wichtigste Neuerung bestand jedoch darin, dass er eine mythische Kleinstadt im Sinne der amerikanischen Schauerliteratur imaginierte und diese Stadt selbst zum Monster machte; die Bevölkerung, normalerweise Opfer des Vampirs, wird hier als hirnlose Masse zur Bedrohung, als Pestwolke oder primitive Horde.
Fairy Tale / Stephen King

Wenn ein Roman in jüngster Zeit sich gut in das hier besprochene Stephen-King-Multiversum einfügt, dann ist es dieser, den man am ehesten im King-Kanon in eine Reihe mit „Die Augen des Drachen“, die Romane um den dunklen Turm, dem Talisman oder „The Wind through the Keyhole“ (bei uns „Wind“) stellen kann.
Die alternative Märchenwelt des Buches kombiniert Grimmsche Märchenelemente mit Lovecraftschem kosmischem Horror, aber es dauert eine Weile, bis man dort ankommt. Charlie Reade, der Protagonist des Buches, beginnt seine Reise durch den Weltbrunnen erst nach etwa einem Viertel des Buches. Zunächst aber baut King das sorgfältige Porträt von Charlies Leben in der kleinen Stadt Sentry in Illinois auf. Dann aber fließt alles von Rumpelstilzchen bis zu den drei kleinen Schweinchen über Star Wars und den Hunger Games in diese mitreißende Coming-of-Age-Geschichte, die eine Erzählung von menschenfressenden Riesen, elektrischen Zombies, Duellen auf Leben und Tod, einem grausamen Herrscher und einer schönen Prinzessin umspannt.
Stephen King: Carrie – Ein universelles Märchen
Der Roman erschien etwa zur gleichen Zeit wie Rosemaries Baby und Der Exorzist. Es war die Zeit, in der die Menschen begannen, sich mehr für das Unheimliche und Paranormale der menschlichen Existenz zu interessieren und sich nicht mehr mit Gespenstern und Geistern abzufinden.
Der Archetyp
Man mag sich fragen, was an Stephen Kings Carrie so besonders ist, dass es überhaupt sein Erstlingswerk werden konnte. Ein großer Teil der Legende beruht auf der Tatsache, dass dies bereits Kings vierter Roman war, den er an Verlage schickte. (Die ersten drei waren Amok, Todesmarsch und Qual, die alle später unter dem Pseudonym Richard Bachmann veröffentlicht wurden.) Gerne wird auch die Geschichte erzählt, dass King den einzigen Entwurf in den Papierkorb geworfen habe, bis seine Frau ihn überreden konnte, ihn wieder herauszuholen und zu beenden. Tatsächlich hatte er nicht nur das Manuskript in den Papierkorb geworfen, er wollte das Schreiben überhaupt aufgeben. King konnte einfach nicht glauben, dass eine Geschichte über ein dünnes, blasses Mädchen mit Menstruationsproblemen die Leute interessieren würde. Das wäre sicher die richtige Einschätzung gewesen, aber Carrie entsprach voll und ganz dem damaligen Zeitgeist.

Billy Summers / Stephen King
In einer begeisterten Rezension schrieb John Dugdale von der Sunday Times: „Diszipliniert, aber abenteuerlich, gleichermaßen gut in Actionszenen und tiefgründiger Psychologie, zeigt King mit diesem Roman, dass er mit 73 Jahren ein Schriftsteller ist, der wieder auf der Höhe seines Könnens agiert.“
Neil McRobert vom Guardian nannte es Kings „bestes Buch seit Jahren“ und lobte seine „eigene Art eines kräftigen, übersteigerten Realismus“.
Seit fünf Jahrzehnten dominiert Stephen King das literarische Erzählen und mit Billy Summers wandert dieser einzigartige Autor weiter auf jenem Pfad, der schon länger vorhanden ist, den er aber mit „Mr. Mercedes“ eindeutig eingeschlagen hat.
Stephen King kennt das Verbrechen. Er ist mit Pulp-Legenden wie Richard Stark und John D. MacDonald aufgewachsen. Um die Wahrheit zu sagen: er war schon immer ein wirklicher Noir-Fan.
Als MacDonald sich bereit erklärte, das Vorwort für Kings Erzählband „Nachtschicht“ zu schreiben, hätte er sich vor Freude fast in die Hose gemacht. Wenn King über seine frühen Inspirationen spricht, fallen unweigerlich die Namen zahlreicher Hardboiled-Autoren. Seine Bücher sind voll mit Verweisen auf seine schriftstellerischen Helden. Ohne Kriminalromane gibt es keinen Stephen King.
Sie haben seine Wut auf das System und seine Haltung gegenüber bestimmten politischen Zuständen inspiriert. Man muss sich fragen, wie Kings Herangehensweise an das Schreiben aussehen würde, wenn er nicht mit dem Verschlingen von Groschenromanen aufgewachsen wäre. Zumindest besteht die Wahrscheinlichkeit, dass sein Schaffen nicht so überschwänglich gewesen wäre. Das Leben eines Autors von Groschenromanen bestand darin, zu tippen, bis die Finger bluteten, und manchmal ganze Romane in weniger als einem Monat fertigzustellen. Sie schrieben Geschichten über schreckliche Menschen, die schreckliche Dinge taten, und die Leser können bis heute nicht genug davon bekommen. In Kings Romanen ist niemand perfekt. Jeder hat seine Macken. Die Protagonisten begehen oft Verbrechen, nehmen das Gesetz selbst in die Hand und tun alles, was nötig ist, um etwas zu erreichen.
Es stimmt zwar, dass die meisten von Kings Werken übernatürliche Elemente enthalten, aber es lässt sich nicht leugnen, dass viele, wenn nicht alle seiner Bücher, auch als Thriller eingestuft werden können. Nur weil man einen Geist oder ein kinderfressendes unterirdisches Monster hinzufügt, heißt das noch lange nicht, dass man nicht auch einen Thriller vor sich hat. Belletristik ist nicht auf ein bestimmtes Genre beschränkt, und das ist vielleicht der Grund, warum Stephen King eine so erfolgreiche Karriere gemacht hat. Er hat sich von Anfang an nie festlegen lassen und ständig verzweigt, Elemente aus verschiedenen Genres aufgenommen und etwas völlig eigenes daraus gemacht.
Die beiden größten Genres sind sicherlich der Horror, aber auch Krimis. Seine Bücher sind vom Ethos des klassischen Thrillers durchdrungen.
Billy Summers ist ein ziemlich gelungenes und gutes Beispiel für einen echten King mit Thriller-Elementen. Im Wesentlichen ist das Buch erneut und wie so oft eine Charakterstudie. Obwohl dieser Roman viele klassische – für King typische – Marksteine enthält, darunter Rache, einen Schriftsteller-Helden, unwahrscheinliche Freundschaften, Traumata, Gerechtigkeit -, macht hier vor allem seine Hingabe an den Realismus und die intensive, fast meditative Konzentration auf die titelgebende Hauptfigur „Billy Summers“ zu einem herausragenden Werk.
Billy ist ein Auftragskiller. Aber er hat seine Prinzipien. Er tötet nur schlechte Menschen. Einige der Männer, die er getötet hat, waren in der Tat sehr üble Zeitgenossen. Beim Militär hat er sein Talent als Scharfschütze unter Beweis gestellt, und als er entlassen wurde und keine wirkliche Zukunft vor sich sah, beschloss er, die erlernten Tötungsfähigkeiten beruflich zu nutzen. Als wir ihm begegnen, hat er jedoch genug davon. Er ist bereit, sich zur Ruhe zu setzen. Aber vorher nimmt er noch einen letzten Job an.
Die Bezahlung für diesen letzten Auftrag ist astronomisch, und die Zielperson hat ihr Schicksal zweifellos verdient, aber was Billy wirklich überzeugt, den Job anzunehmen, ist die Tarnung, die er annehmen soll: Er muss sich als Schriftsteller ausgeben, der sich in einem Bürogebäude einmietet, um seinen ersten Roman fertigzustellen. Und genau dort wird Billy auch seinen Schuss abgeben.
Sein potenzielles Opfer wird auf den Stufen des Gerichtsgebäudes in der Nähe des gemieteten Büros abgeliefert, in dem Billy seiner Tarngeschichte als Schriftsteller nachgeht.
Billy verbringt Wochen in der Stadt, bevor die Mühlen der Justiz den Mann schließlich in seine Nähe bringen. Während dieser Zeit hält er sich strikt an seine Tarnung, indem er sich tatsächlich im Schreiben versucht. Er beschließt, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben, aber um der Rolle des etwas dümmlichen Typen, die er im Laufe der Jahre perfektioniert hat, treu zu bleiben, nimmt er die Stimme von Benjy Compson an, William Faulkners „idiotischem“ Kind aus „Schall und Wahn“. Dies ist nur eine von mehreren literarischen Anspielungen, die King in diesem Buch macht. Er erwähnt auch Dickens, Wordsworth, Shakespeare, Thomas Hardy und Cormac McCarthy, um nur einige zu nennen. Billy ist sehr belesen, und während des gesamten Buches ist er in die Lektüre von Emile Zolas „Therese Raquin“ vertieft. Überraschenderweise, oder vielleicht auch nicht, stellt er fest, dass ihm das Schreiben Spaß macht und dass er ein Talent dafür hat. In einer Umkehrung von „Shining“, wo ein Schriftsteller zum Mörder wurde, wird hier der Mörder zum Schriftsteller. Tatsächlich bezieht King sich in seinen literarischen Referenzen letztendlich auch auf sich selbst!
King hat im Laufe der Jahre so viele Autoren-Protagonisten geschaffen, dass dies nicht mehr nur ein Running Gag ist, sondern einfach zur Hintergrundstrahlung seines Werks gehört. Aber selten hat er so viel Zeit und Energie in die Darstellung der eigentlichen kathartischen Arbeit des Jobs gesteckt, bis hin zum Verfassen ganzer Kapitel, in denen Billy seine missbrauchte Kindheit und seinen Militärdienst verarbeitet, um das Netz von Identitäten zu entwirren, das er um sich herum aufgebaut hat. Die Begeisterung, mit der Billy erkennt, dass er endlich hinter den Masken hervorschauen und mit seiner eigenen Stimme sprechen kann (wenn auch nur zu sich selbst), hätte in einem anderen Buch kitschig wirken können, aber in Kings Händen wirkt es ansteckend echt. Neben diesen hochtrabenden Ideen sind diese Auszüge auch eine Gelegenheit für King, ein wenig metafiktionale Spielerei zu betreiben und einen Text zu verfassen, der sich wie das Werk eines begabten Anfängers liest und sich von dem vertrauten Ton im Rest des Buches unterscheidet.
Kurz vor dem Abschluss seines Auftrags macht sich Billy Sorgen darüber, dass es einen Plan geben könnte, ihn nach der Tat abzuservieren, und er schmiedet alternative Fluchtpläne. Er verschanzt sich in einer Kellerwohnung in der Stadt und verlässt sie zunächst nicht, wie es sein Auftraggeber vorgesehen hatte. Als er sich eines Nachts in dieser Wohnung aufhält, sieht er, wie drei Männer in einem Lieferwagen ein schlimm zugerichtetes Mädchen auf der Straße abladen. Er geht hinaus, um nach ihr zu sehen, findet sie gerade noch so lebendig und bringt sie ins Haus. Sie wurde von den drei Männern unter Drogen gesetzt und vergewaltigt. Hier beginnt der zweite Teil des Romans, den nachzuzeichnen diese Besprechung hier sprengen würde.
Ich möchte zum Ende nur darauf hinweisen, dass es das Schreiben ist, das Billy Summers rettet – sowohl die Prosa selbst als auch die Darstellung der Handlung. Zusammen geben sie dem Buch die Rettungsleine, die es braucht, wenn sich das aus den Schlagzeilen gerissene Ende abzeichnet. Selbst in den abgedroschensten Verbrechensszenarien schafft es King, aus der kleinsten Abweichung vom Plan eine Flutwelle der Spannung aufzubauen, die seine „Dauerleser“ tief in die schweißnasse Unsicherheit seiner Helden eintauchen lässt, während sie beobachten, wie eine Situation möglicherweise außer Kontrolle gerät. Indem er Billys Sühne in Kommunikation und Schöpfung und nicht in Gewalt verortet, gelingt es King, einen Raum für Erlösung zu finden, der andernfalls vielleicht hohl geklungen hätte. Für ein Buch, dessen einziges übernatürliches Element die gelegentlich auftauchende Ruine des weit entfernten Overlook Hotels ist – wo ein anderer King-Schriftsteller-Stellvertreter einst weitaus schlechter mit seiner Isolation und seinen „Gaben“ zurechtkam -, ist Billy Summers auf gewinnende Weise optimistisch gegenüber des kreativen Geistes. Mehr als fast jedes andere King-Buch der jüngeren Vergangenheit ist es ein Produkt seiner Zeit.
Der Opiummörder / David Morrell
David Morrell hat in seinen drei De Quincey-Romanen den historischen Kriminalroman unendlich bereichert. Nicht nur, dass sie zum besten zählen, was es auf dem Sektor des viktorianischen London zu lesen gibt, es ist auch eine Meisterleistung der Recherche. Vater und Tochter De Quincey werden im Grunde nur von Sherlock Holmes selbst übertroffen, mit dem einen Unterschied, dass es De Quincey wirklich gab.

Stephen King – Der amerikanische Meister
Die Kontroverse um den literarischen Wert von Stephen King muss hier nicht wiederholt werden (obwohl wir dies im Laufe der Besprechungen seiner Werke tun müssen), der Autor hat sich von Anfang an selbst in die Falle manövriert: Wer sein eigenes Werk als das literarische Äquivalent eines Burgers mit Pommes bezeichnet, wird von einem leichtgläubigen Publikum schließlich auch so wahrgenommen. Das Problem an der Sache: Es stimmt nicht. Zwar ist es nicht falsch, King nicht zu mögen oder nicht lesen zu wollen (man pflegt seine Abneigungen, ob begründet oder nicht), aber eine echte Kritik kann nur entstehen, wenn man eine Ahnung hat, wovon man spricht.
Natürlich habe ich immer auch King gelesen, einen Meister der Erzählkunst und in der Tat einen der begabtesten Autoren, die Amerika je hervorgebracht hat. Denis Scheck, einer der wenigen deutschen Kritiker, die nicht von der Ignoranz geblendet werden, hat King einmal den Charles Dickens unserer Zeit genannt. Nun muss man natürlich wissen, dass auch Dickens wegen seiner Popularität angeklagt wurde, was heute niemanden mehr interessiert. Und wie Dickens wird auch King in ein paar hundert Jahren gelesen werden (falls unsere substanzlose Rasse so weit kommt), was auf manche Lieblinge der Gralshüter sicher nicht zutreffen wird, weil sie tatsächlich nichts Ewiges zu verkünden haben.
Stephen King hat oft genug die Geschichte erzählt, wie ein Fan ihn erkannte und sagte: „Du bist Stephen King! Ich liebe all deine Filme!“ Anfangs musste King den Leuten noch erklären, dass er Schriftsteller ist und die Filme auf seinen Büchern basieren. Diese kleine Anekdote mag übertrieben klingen, aber sie zeigt die Tendenz, Literatur nicht mehr als solche wahrzunehmen, sondern von vornherein zu entscheiden, ob ein Buch als Vorlage für einen Film geeignet ist oder nicht. Da King der am häufigsten verfilmte Autor überhaupt ist, ergibt sich hier das eigentliche Dilemma. Die überwältigende Mehrheit dieser Filme ist künstlerischer Schrott – und das verweist in der öffentlichen Wahrnehmung auf Stephen King. So schweben Kings Ideen frei im Raum, und weniger begabte Künstler stürzen sich auf seine Stoffe, adaptieren sie und zerstören damit eigentlich ein erstaunliches literarisches Erbe.
Von Anfang an haben Kings düstere Parabeln die Ängste des ausgehenden 20. Als stellvertretender Erzähler in „Der Nebel“ erklärt King seine Mission: