Brouillon

Traum vom Gasthaus

5 Uhr 45, und einen Traum im Gepäck.

Ein abgelegenes Gasthaus sollte eröffnen, und als ich mich dort vorstellte, schien mein Charme über meine Kenntnisse gestellt zu werden. Von außen war das Gebäude leicht dem Brutalismus zuzuordnen. Beton und Glas, dabei flach. Im Innern war alles etwas altmodisch, aber es gab eine Musikanlage. Untypisch für ein Speiserestaurant. So weit ich weiß, sollten wir nur zu dritt in diesem riesigen Gebäude arbeiten. Interessant war wieder einmal das Urinal, das außerhalb des Gebäudes mit einem schönen Waldblick versehen war. Man konnte den Notdurft-Verrichtenden unbeschwert aus den großen Fenstern der Gaststube heraus beobachten. Tatsächlich lag das Urinal etwas höher und man pinkelte hinunter auf einen Steinquader. Interessanterweise gab es da auch ein Quadrat, in dem man lümmeln konnte und sich traf, so als wäre in der Nähe ein Schwimmbad. Die Wirtin, ein verlebtes, geschminktes Weib, verstand nicht viel von ihrem Job. Dann gab da diejenige, die sich aus dem Restaurant verzog und lieber in der Buchhaltung arbeitete, obwohl sie sich wahrscheinlich am besten ausgekannt hätte.

So weit, so gut. Interessant waren aber die berittenen Geister, die am nächsten Tag kommen sollten, um alles zu prüfen. Sie kamen durch den Wald geritten, stoisch und ruhig (und einzeln). Ihr Gesicht war wie ein Heckenschnitt anzusehen.

Brouillon

Magie

Literatur ist erst einmal gar nichts. Wir wissen ja, dass es alle Geschriebene umfasst. Literatur ist nicht mündlich, ist im Grunde keine Erzählung. (Wobei nicht alles Mündliche an Erzählungen geknüpft ist und die Erzählung nicht ans Mündliche). Interessant wird das alles erst, wenn wir die Effekte begreifen. Da stehen zunächst nur irgendwelche Krakel, aber dann entsteht Magie. Tatsächlich handelt es sich um nicht anderes als Magie. Literatur ist in jeglicher Erscheinung irrational, ein Konstrukt, dem wir Kategorien zuweisen, die nicht im Geringsten natürlich sind. Magie selbst aber ist natürlich. Des Wortes Träger jedoch ist nicht irgendein angenommener Intellekt, sondern Wasser. Wie gesagt: des Wortes Träger. Ein Wort macht noch keine Literatur; bei einem Satz kann die Sache schon völlig anders aussehen. Jetzt haben wir es nicht mehr nur mit einem Wort zu tun, sondern mit einer Bedeutung (ohne dass ich damit sagen will, ein Wort hätte an sich allein stehend keine Bedeutung, aber um ein Wort zu erklären, benötigen wir durchaus mindestens einen Satz, um den Satz zu erklären einen Absatz usw.).

Da spreche ich jetzt nicht von einem Gedicht, wie ich es schreibe. Ich kümmere ich nicht um eine Erklärung, sondern um die direkte Magie. Um das Wirken von Magie und nicht um den Prozess der Magie, den Worte grundsätzlich auslösen.


Ich bin heute mit halbsieben spät dran und auch nicht gleich zu einem Kaffee gekommen (überhaupt sitze ich erst einmal eine halbe Stunde vor mich hin, bevor ich mich Richtung Küche bewege).

The Mill
Brouillon

Hottingers Gespenster

Endlich habe ich mit den Analysen zu verschiedenen Gespenstergeschichten beginnen können. Es ist auch diesmal so, dass ich das Thema interessant für ein eigenständiges Weblog halte, allein schon, um bei Interessierten keine Verwirrung zu stiften. Das ergeht mir bei den meisten Themen so, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass all diese Versuche sinnlos waren, das heißt, einer falschen Prämisse folgten, die dann natürlich hinaus ins Nichts flog (gut, es gibt gar kein „Nichts“, aber als Metapher taugt der Vergleich allemal).

Die einst verlustig gegangenen Hottinger-Gespenster sind wieder in der Bibliothek.
Einer der ersten „early morning’s dawn“ in diesem Jahr.
Journal

Die Engelmacherin

Oben am Kriegerdenkmal; erste Liaison mit einer, die im Damensattel ritt. Aufgespartes Pfläumchen, Wald und Pavillon zum tratschen, Hirsche zum schießen, alles kräftig begatten, jedes zweite Kind stirbt, alle Damen ran an den Halm, den Born aufgesperrt! Das kleine Ding durchlaucht.
»Ich sehe, Ihr seid gekommen!«
(Ja, was sonst, der einzige Spaß, etwas Verpothenes & Empörendes zu tun!) Wie würde das edle Ding auf eine Tüte Gummibären reagieren?
»Ich habe Euch Blumen mitgebracht!«
Dafür gibt sie nicht ihre Hand.

Das ungewaschene Bein hinaufschnuppern, mit der Nase in den Röcken verheddert verenden –
(Der Galan sieht aus wie ein Räuber!)
»Euch wächst noch nicht einmal Gesichtshaar!« Aber er hat einen feisten Händedruck, man merkt’s, wenn er rund herum die abgebundenen Taille tastet. Die Romanze beginnt mit der Neugier, das Aufsatteln ist ein Akt der Wonne, bei dem sie schreit wie ein abgestochenes Ferkel. (Wer braucht schon Hände!) Die Blumen fest in der Hand, Knöchel blank, der Rohling hechelt den Gestank des rohen Fleisches in ihr rosafarbenes Loch, garniert mit kleinen weißen Zähnchen, und zwischen den Beinen brennt der Scheiterhaufen und riecht auch noch nach Brandbeschleuniger.
Da geht sie : Au!, den Hain und Au!, das Pferd, flennt wie ein Rohrspatz, wie mit dem Kleid, den Röcken einen Stallboden aufgewischt. Die Kloaken der Jungstuten, das werden die urbanen Verhältnisse später notwendig machen, müssten betreut werden, hier ist nicht jeder Edelmann, da wird sich schon mal bedient, da wird sich hergegeben, wer soll’s denn richten, wenn nicht der Pfiffikus des Waldes?
»Ich habe Euch nun ein für allemal durchlaucht!«
(Das büßt er, der Knecht!)
Am Heuschuppen schnuppern; getraut er sich denn zurück nach dieser Szenerie? Das Hubertusrudel wird’s verbreiten, flüsternd : Das kleinste Dämelchen ist vom Pferd gefallen, hat sich an seltener Stelle verwundet, wie der Zufall es will. Rumtreiben, rumtreiben; da sind doch nur Holzfäller und kaiserliche Pilzpflücker am Werk! (– und Pferde Auf- und Absattler!)
Gar nicht so wie in den getürkten Geschichtsbüchern, wer von wem abstammt, Blickwinkel der Heraldik, so manch einer unter schöner Ornamentik dahingerafft, Blutleer, aber die Zeit war wer im Gegensatz zu allen Blödeleien der Moderne. Sowas wie Hosenbeine kaufen, keinen Rock tragen, etepeteten (anstatt trompeten), höfeln oder dienern, kratzbuckeln, und dann im Heu die dreckigen Gedanken der Mahlzeit der Pferde beigemischt!
»Das will ich jetzt aber genau wissen, dir läuft die Ehre die Beine runter, versickert in Fetzen! Im Grunde müsste man dich ersäufen oder alles verschweigen; doch das würfe Fragen auf, wenn du mit gespreizten Beinen die Decke anstarrtest, die Hecksen dir die Frucht aus dem Leib pellten. Da soll jemand auf den Umfang achten, die Zofen alles abschnüren!« – das enge Ding noch enger, die Libertines am gaffen, die Engelmacherin mit der brüllenden Kutsche eingefahren und begastet, als wäre sie nicht die, die dann ihre Tränke aus dem Tuch pult, von Welt gewandet, wie eine Schirmherrin schwarzer Künste.
Ersäufen oder verschweigen!
Während sie tatsächlich Risse und Speckflecke zählt, Stricknadeln in ihr pfuschen. Die berechtigte Frage, »Wieso denn?«, auf den bebenden Lippen. Hubertuston!
Der Hirsch, der ihr zwinkert, tot oder anderweitig beschäftigt, die Leber in einem Zwack herausgedampft und redlich getilgt, je nach Stand, frisches Blut, Organ aus dem Leib, die Frucht in der Kälte ein Klumpen blutiger Dotter, dampfend der Geist an der Speckdecke haftet, Formen choreografiert. Jemand betritt den Raum und ahnt es nicht, da kniet doch tatsächlich eine Vettel?
»Ich habe Euch Blumen mitgebracht!« (– oder allerlei Beeren, die ich fand.)
»Stellen Sie’s ab, und sagen Sie mal, tickt die Uhr da?«

Brouillon

Verdrehte Nacht

Heute Nacht schlief ich zum Beispiel erst ein, als ich bereits wieder aufstehen wollte, gegen vier Uhr. Das sind ziemlich extreme Verlagerungen, und dementsprechend bin ich heute auf den Beinen. Aber die Sonne scheint gerade zum ersten Mal auf diese Weise durch die Fenster und kündigen den baldigen Frühling an. Zumindest ist das der Plan.

Verblüfft bin ich gegenwärtig von der baskischen Schriftstellerin Eva García Sáenz, deren „Stille des Todes“ von 2016 ich gerade lese, aber dazu werde ich gesondert noch kommen.

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Kluge Hausfrau

Der Gesundheit zuliebe

Geschrieben von Renate Ginderklops

Der Gesundheit zuliebe habe ich alle Konserven runter zum Fluss gebracht. Ich hab sie da natürlich nicht reingeworfen, sondern am Ufer vergraben, vorher aber überall ein Loch reingemacht, damit das Ungeziefer besser ran kann. Die können ja scheinbar gut mit Giften, sonst würden sie ja viel öfter auch auf unseren Krankenstationen landen. Tun sie aber nicht. Ich weiß, das ist eine fürchterliche Beweiskette, aber ich hab ja auch nur eine einfache Schule besucht, und vom Maschen aufnehmen und fallen lassen versteht man keine höhere Mathematik.

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