Der Pfad / Megan Miranda

Vor zehn Jahren hat Abigail Lovett einen Job angenommen, den sie liebt: Sie leitet das Passage Inn, ein gemütliches, gehobenes Resort in dem kleinen Bergstädtchen Cutter’s Pass in North Carolina. Cutter’s Pass ist vor allem für seine Outdoor-Aktivitäten bekannt – Rafting, Wandern und der Zugang zum Appalachian Trail über einen beeindruckenden Wasserfall. Doch der Ort hat eine dunkle Vergangenheit. In den letzten 25 Jahren sind hier sieben Menschen spurlos verschwunden. Die ersten waren vier junge Männer, die jedes Jahr gemeinsam wanderten, bis sie eines Tages auf dem Trail verschwanden. Jahre später trennte sich eine junge Frau von ihrer Freundesgruppe, kehrte in die Stadt zurück und wurde nie wieder gesehen. Dann folgte ein Naturfotograf, der zuletzt nach dem Weg gefragt hatte. Der letzte Vermisste war der Journalist Landon West, der im Passage Inn übernachtete, um die mysteriösen Fälle zu recherchieren – und dann selbst verschwand.

Abby, die sich in Cutter’s Pass nie richtig zugehörig fühlte, wurde vor Jahren von der trauernden Besitzerin des Passage Inn eingestellt, die der Stadt erzählte, Abby sei ihre Nichte. Denn Fremde werden hier nicht mit offenen Armen empfangen. Als nun Landons Bruder Trey auftaucht, um nach Antworten zu suchen, spürt Abby, wie sich die Reihen der Stadtbewohner schließen. Auch nach einem Jahrzehnt gilt sie noch immer als Außenseiterin. Doch als sie auf belastende Beweise stößt, die der Journalist hinterlassen hat, beginnt sie, die Motive aller um sie herum zu hinterfragen – vom Sheriff über ihren Ex-Freund bis hin zu ihrer vermeintlichen Tante. Bald wird ihr bewusst, wie wenig sie über ihre Kollegen, Nachbarn und selbst die Menschen weiß, die ihr am nächsten stehen.

Das Bemerkenswerteste an Der Pfad ist seine Atmosphäre. Cutter’s Pass ist eine düstere Kleinstadt am Appalachian Trail, und die Erzählweise gibt dem Leser das Gefühl, selbst dort zu sein, in einer der Hütten zu wohnen und sich auf eine Wanderung in die Berge vorzubereiten. Der Appalachian Trail selbst, oft als einer der geheimnisvollsten Wanderwege der Welt bezeichnet, erstreckt sich über mehr als 3.500 Kilometer von Georgia bis Maine und führt durch dichte Wälder, zerklüftete Gebirgszüge und einsame Täler. Er ist nicht nur für seine atemberaubende Landschaft bekannt, sondern auch für seine anspruchsvollen Bedingungen, die Wanderer physisch und psychisch auf eine harte Probe stellen. Zahlreiche Mythen und unheimliche Geschichten ranken sich um diesen Weg – von spurlos verschwundenen Wanderern über rätselhafte Sichtungen bis hin zu unerforschten Nebenwegen, die ins Unbekannte führen. Diese geheimnisvolle Aura verleiht der Szenerie eine zusätzliche, beklemmende Dimension.

Der Roman lebt mehr von Spannung als von Überraschungen, aber eine späte Wendung sorgt für eine schockierende und erschütternde Erkenntnis. Trotz der stimmungsvollen Inszenierung gelingt es Megan Miranda nicht ganz, Abby eine tiefere Charakterzeichnung zu geben. Ihr Hintergrund bleibt eher vage: Ihre Mutter starb an Krebs, als sie 18 Jahre alt war, und ihren Vater hat sie nie kennengelernt, da er bereits in ihrer frühen Kindheit verstarb. Obwohl dies ein gewisser Hintergrund ist, fehlt es an emotionaler Tiefe und persönlichen Facetten, die sie greifbarer machen würden.

Dennoch ist Der Pfad ein empfehlenswerter Thriller, dessen Stärke eindeutig in der beklemmenden Atmosphäre und dem geheimnisvollen Schauplatz liegt. Wer eine langsam aufgebaute, atmosphärische Geschichte mit subtiler Spannung sucht, wird hier fündig.

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