Possenspiele

Autor: Albera Anders (Seite 25 von 68)

Studierte Germanistik und Kunstgeschichte in Heidelberg.

Aus den Brunnen

Geschrieben von A. Anders

Wir haben verwahrt, aufgebahrt und hergerichtet.
Die Tische. Die Stühle. Auf den Tellern
die Masken. Die gelösten
Zungen im Glas. Nun ist dieser Raum
offenen Mundes
für immer zu schließen.

Nackt und uneingeladen
steigt aus den Brunnen
die Wahrheit mit ihrem Reisigbesen.

Teichbestandteile

Geschrieben von A. Anders

Es ist warm. Schwalben tauchen in die verspiegelten Fenster des großen schweren Hauses hinter mir. Während ich Nachtblätter mit leuchtend grünen Adern sammele, löst sich das Tuch, das ich mir um mein Haar geschlungen, auf meinem Kopf zu einem Dutt gebunden hatte. An meinem Hals, über meine Brust lassen sich Nattern in alle Himmelsrichtungen in meinen Garten herab. Ich werde schwarz und werde warten, bis die Schwalben das schwere Haus wieder verlassen. Als sie dann irgendwann aus den offenen Augen schwärmen, dringen die Nattern, nunmehr verjüngt, aus den umstehenden Büschen hervor. Sie lachen mit Stimmen noch sehr junger Kinder, die, während sie an meinem Körper hochschlängeln, meinen Körper tasten. Eine von ihnen hält an meinem Rücken auf Höhe meiner rechten Niere und sagt: „Teichbestandteile“. Die anderen unterdessen zischeln: „Es sind Kinder, die einen Lotos zerpflücken!“

Lethe

Geschrieben von A. Anders

Sie wuschen ihn,
kleideten ihn ein,
drapierten seine Arme
verschränkt auf seinem Brustkorb.

Sie schlossen ihre Augen
und legten sich neben ihn,
um ihn ein Stück
seines Weges begleiten zu können.

Nach einer Weile
waren seine Hände und Füße
kaum mehr sichtbar,
sein Gesicht fiel ein
zu einer dunklen Höhle,
in die sie sich hinabbeugten
und Steine fallen ließen,
um zu hören, wie tief es in ihm ist.

Doch das könnten sie nur ermessen,
indem sie sich, mit dem Gesicht
dem Himmel zugewandt, selbst
in ihn hineinfallen ließen.

Sie erinnerten sich,
dass man ihnen gesagt hatte:
die Natur gebiert
auf dem Bauch liegend blind.

Sie erhoben sich,
tastend in ihren Gesichtern,

nicht wissend,
ob es noch dieselben waren,
die sie sonst
in den Spiegeln erblicken konnten.

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »

© 2025 Die Veranda

Theme von Anders NorénHoch ↑

error: Content is protected !!