Fetisch

Die bunte Substanz war nun überall auf
der Chaiselongue verschmiert; eine Folge
falscher Fragen, in alle Himmelsrichtungen
treibend. Mitunter ist der Kopf eine
wässrige Melone, die sich hinter halb
geöffneten Türen daran erfreut, die
abgelegten Strümpfe der Putzfrau unter
die Lupe zu nehmen.

Zwischenspiel:

Beschnüffle sie, ringle sie,
tanze nach dem Timbre,
deinem wonnevollen Plaisir,
schultere, dem Atlas gleich, dein
kleines bisschen Welt, für die du
keine zwei Tüten benötigst. Hab und gut
stört nicht den Zweifel.

Die Straße ist frei, die Überquerung kostet
nur den Zufall. Die Grenze ist ein
Schlachtfeld der Gedanken, die von diesem
Sendemast in die ganze Welt
getragen werden, Frachtpaket
geheimer Lüste, verborgener Bewegungen,
Herbstlaub schützt dich nicht vor Hallu-
zinationen.

Es könnte eine neue Erfahrung bergen,
sich den Laufmaschen zu nähern, sich damit zu
bewaffnen, um gefährlich zu wirken, wenn der
Garten voller Leute ist, die ein Bus mit
unidentifizierbarer Graffiti an der Flanke,
ausspuckt und einsaugt.
Ausspuckt und einsaugt.

Konstrukt, Relation

Keiner kann seine eigene Entdeckung gegen eine andere ausspielen, nur der poetische Wert hat hier Gewicht, warum sollte es nicht möglich sein, ein Labyrinth zu formen, wer das Sprache-Sein entschlüsselt, hat den Menschen entschlüsselt, man kann den Zufall nicht darstellen, denn in dem man das anstrebt, hält man bereits willentlich die Nichtdurchführbarkeit des Experiments in der Hand, auch wenn man machen kann, was man will, hat das nicht etwas mit Chaos zu tun, in einem Chaos, in einem Zufall können wir uns gar nicht mehr artikulieren, sämtliche Widersprüche wären dann momentan und unvergänglich, schreibe ich
- Ich gehe und gehe gleichzeitig nicht
entsteht bereits die Poesie der Unauflösbarkeit
(oder in einem Oxymoron)
der Unendlichkeit, nur so gelingt es, dem Irrsinn Ausdruck zu verleihen, Konstrukt, Relation, daran werden wir kaputt gehen
(die Liebe ist ohne Wenn und Aber)
weder ist sie relativ noch statisch, sie ähnelt deshalb der Geisteskrankheit, etwas Unverbindliches will sich verbinden, und scheitert bis in alle Ewigkeit, nur so entsteht Poesie, wenn die Poesie nun das eigentlich Schöne ist
(und damit meine ich nicht ausschließlich die Literatur)
ist sie überall zu finden, und es kommt nicht darauf an, wie sie dargestellt wird
(im Moment stabil)

Schwerkraft zum halben Preis

Nebenan, beinahe in der Hinterstube, so aber doch noch im Wintergarten, verkaufte Frau Emsrente Schwerkraft zum halben Preis. Es ist da in den letzten Jahren gehörig etwas ins Wanken geraten, und da man zu keinem Zeitpunkt wusste, was Schwerkraft überhaupt ist, wusste freilich auch niemand, wie man ihr Fehlen kompensieren sollte. Aber Frau Emsrente hatte einen Schwerkraftmixer, eigentlich ein zylindrisches Haushaltsgerät, das von außenliegenden Solarringen umschlossen wurde, und auf dessen Innenseite eine mit Sauerstoff gefüllte Biosphäre angelegt war.
Man kaufte Frau Emsrentes Schwerkraft, wenn man etwas im Umland Spazierengehen wollte.

Der Troubadour, die Kaltmamsel, und die Dame

Der Troubadour kniet nieder, greift ihre Hand mit wonnevollem Blick, der dem Ausdruck höchster Pein in nichts nachsteht, so als wäre er mit dem offenen Schneid des Tuzakmessers geeint.
„Meine Dame“, knistert es aus seinem Hals. „Meine Dame – ich bin Ihr ergebener Diener, völlig fertig bin ich, aber Ihr Diener!“
„Hast Du das gehört, Mamsell“, sagt das engelsgleiche Geschöpf. „Er sagt, er sei mein Diener!“
„Das sagt der doch nur so, das meint der doch nicht.“
„Aber ich meine es! Im Staub mein Knie, so schaut!“ ruft der Versemacher und plärrt, die freie Hand auf die Brust gelegt und einen Kropf blasend, los:

Nichts schimmert mehr, wenn es Dein
Antlitz ergafft, das so hell
wie die Sonne es neidet!
Nichts glimmt in den Feuern der
Kesselkanonen, die Gulasch
den Marschallen brühen…

„Jetzt seien Sie aber start! das Mädel erschrickt ja, wenn Sie so einen Käse herumbrüllen – und rot wird sie nicht, weil Sie ihr schmeicheln, sondern weil jeder zuschaut, wie sie da mit Ihrem Flickenteppich an ihre Hand wie einen abgeschlagenen Hühnerkopf halten! Haben Sie keine Heimstatt?“
„Meine Heimstatt ist das Herz der Dame und nur für sie will ich verdampfen im Nebel, der aufsteigt und die Lust mit sich hinan nimmt in den Himmel, der…“
„Jetzt geh, sag doch Du auch mal was!“ unterbricht die Kaltmamsell das mit allerhand Spuckwerk einhergehende Liebesgeschnurre.
„Was soll ich denn sagen. Er liebt mich halt.“

Goethe in Weimar

„Wie ist Euch? Habt Ihr noch nie jemanden pissen gesehen?“
Schwankenden Standes sprach Goethe das Mägdlein an. Sein offenes Hemd lotterte weit über seinen Hintern, und er hielt sich mit der linken Hand am Mauerwerk fest, während er mit der rechten seinen Habicht bediente, den er dem Mädel, das so gar nicht imstande war, wegzulaufen, prompt tröpfelnd zu zeigen wusste. Die Sauferei aus den dreckigen Grabkübeln war noch lange nicht beendet. „Weimar! jetzt werden die Genies erst wach!“ Er packte sich dann aber doch ein, und ging in Wellen an ihr, die sie da immer noch stand, vorbei – nicht ohne sie, wie er dachte, auf den Mund zu küssen, traf aber nur die Nase und das ganze obere Gesicht. Sie selbst wehrte sich nur insofern, als dass man nachher hätte sagen können, sie ließ es nicht arglos über sich ergehen.

Die Straße in den Schlund

Bevor ich mich heute niedersetzen konnte, um das Typoskript weiterzutreiben, tingelten wir über den Markt und in die hier durchaus zu findenden skurrilen Läden hinein, die an Nippes überreich, auch ausgesprochene Gourmetesken zu bieten haben. So zu nennen das Spezialhaus für Kaffee – Weber, in dem es galt, mir 100g frischen Guatemala aus dem Sack zu besorgen.

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Das Haar ist die Schere

Das Wasser ist der Seelenreiz, sein Fließen ist Gesetz. In den Tümpeln wartet das Wasser darauf, fließen zu können. Wer aber befreit es? Wer aber wäscht sich rein im stehen? Wer aber sieht das Wasser hinunter stürmen durch alle Schichten Gaias – Quarz und Feldspäte, da ich ihm folge wie ein Gedanke nur dem Magnesium folgt, der Aura also des Dings, das sendet, der klare Gedanke ist dann das Ding selbst, und nicht ich denke es sondern wir bedenken uns gegenseitig, der Stein, der mich sieht, das Wasser, das mich fließt, das Barbieren mit der Schere, das Haar ist die Schere

Balzacs Kaffee

„Sie müssen nicht so viel Kaffee trinken, Sie sind doch kein Balzac, der jeden Tag dreißig Tassen trank“, sagte er und ich wunderte mich.

„Sie lesen Balzac?“

„Nein, ich kenne ihn nur vom Hörensagen“, sagte er. „Ist es deshalb? „

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