Die Veranda

Possenspiele

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Die fabelhafte Hasenpfote

Diese kleine Besprechung wurde von mir Unter dem Pseudonym deuteroduck 2018 für die F.I.E.S.E.L.S.C.H.W.E.I.F-Seite geschrieben.

Hier haben wir also die erste Geschichte von Carl Barks vorliegen, die er sowohl selbst geschrieben als auch gezeichnet hat. (Die Story zu „The Victory Garden“, mit der die Barks-Zehnseiter-Ära beginnt, wurde ihm nämlich noch von Western Publishing zugeschickt.) Barks war mit „Die fabelhafte Hasenpfote“ („The Rabbit’s Foot“) am 23. Dezember 1942 fertig, erschienen ist sie aber erst im Mai des darauffolgenden Jahres.

Der Glaube an eine Hasenpfote als Talisman hat seinen Ursprung vermutlich in der afroamerikanischen Volksmagie, die als Voodoo bekannt ist. Dabei ist zu beachten, dass es nicht irgendeine Pfote ist, die an einen Schutzzauber geknüpft ist, sondern die Hinterpfote. Das Kaninchen muss außerdem auf einem Friedhof erschossen worden sein. Manche Quellen behaupten, es müsse zudem ein Vollmond, ein Neumond, ein Freitag, der 13. oder zumindest ein regnerischer Freitag sein, wenn die Hasenpfote genommen wird. Betrachtet man Barks‘ Hintergrund als Bauernjunge und harter Arbeiter, wird klar, warum er so fixiert auf Glück und Schicksal war. Und hier, in seiner ersten eigenständigen Story, finden wir genau das, was die ganze Duck-Saga durchziehen sollte, einen Donald in Reinkultur. Worum geht’s? Donald sitzt gemütlich unter einem Baum und liest das Buch „Weise Worte weiser Männer“. Das macht unser Erpel ohnehin gerne: er stimmt gerne intellektuell überlegenen Menschen zu. Und als die Kinder mit einer Hasenpfote zurückkommen, die sie von einem alten Indianer haben, und ihm verkünden, dass ihnen fortan Glück beschert ist, wird Donald etwas grantig und verweist auf sein Buch, in dem schwarz auf weiß steht, dass so etwas Aberglaube ist. Was folgt, ist eine Art Wettstreit. Die Neffen wollen beweisen, dass sie Recht haben, Donald will ihnen das Gegenteil lehren.

Zunächst geht’s über eine morsche Brücke. Die Kinder kommen unbeschadet am anderen Ufer an, Donald aber plumpst ins Wasser. Doch dies als Beweis anzusehen, fällt ihm gar nicht ein, also schlägt er die nächste Prüfung vor: Freikarten für das Karussell zu bekommen. Zufällig wurde es gerade generalüberholt und der Inhaber bittet Tick, Trick und Track ein paar Proberunden zu drehen, damit er sehen kann, ob alles in Ordnung ist. Das ist doch eindeutiges Glück, oder nicht? Donald wird nachdenklich, während sie am Zoo vorbeischlendern, wo ein Gorilla ausgebrochen ist. Alles rettet sich. Alles inklusive Donald, der ohne Erfolg versucht, die sturen Kinder ebenfalls von der Flucht zu überzeugen. Interessant hierbei ist, dass Donald sich auf einen Baum flüchtet und sich die Augen zuhält. Für die Neffen rechnet er mit dem Schlimmsten. Die aber zeigen dem Gorilla die Hasenpfote und bekommen von ihm sogar noch drei Tüten Erdnüsse, bevor er sich aufmacht, Donald vom Ast schütteln zu wollen, was sehr schlecht für ihn wäre, da im darunterliegenden Wasser Krokodile schon auf ihn lauern. Erneut zeigen die Neffen, dass auf die Hasenpfote Verlass ist, indem sie ein abgeschlossenes Ruderboot ergattern, mit dem sie Donald retten. Der ist nun doch beeindruckt. Allerdings äußert sich das bei ihm in verkehrtem Maße, denn er sieht sich bereits als Held gefeiert, wenn es ihm gelänge, den Gorilla einzufangen. Dazu braucht er nur die Hasenpfote, die ihm die Neffen aber nicht geben wollen, weil sie nur ihrem Besitzer Glück bringt. (Nur am Rande sei erwähnt, dass hier einer der vielen Hinweise auf Tick, Trick und Track als Dreifachwesen, also als EIN Wesen zu finden ist, wenn sie sagen: „DEM Besitzer“, denn sie sind ja – sichtbar für alle – zu dritt. Aber das ist eine andere Geschichte.) Für Donald ist die Warnung der Kinder nichts anderes als ein Hirngespinst und er eignet sich die Pfote einfach an.

Die Charakterstudie zeigt einen Donald, der – wie so oft – an einen intelligenten Spruch in einem intelligenten Buch glaubt. Gleichzeitig wird für ihn alles andere als falsch erkannt. Durch einen denkwürdigen Moment, in dem seine Feigheit obsiegt, kommt ihm nun glaubhaft vor, was ihm zuvor falsch erschien. Schnell denkt er an seinen eigenen Vorteil, denn da gibt es etwas, das ihm immer wieder wie ein Makel erscheinen wird: Die Abwesenheit von Anerkennung. Eigentlich hätte er jetzt den Punkt erreicht, an dem er seinen Neffen hätte glauben müssen, aber erneut tut er ihre Erklärung als Hirngespinst ab, diesmal jedoch in die andere Richtung als zu Beginn der Story.

Das Ergebnis ist, dass er vom Gorilla ordentlich vertrimmt wird. Doch der Klimax ist noch nicht erreicht und mündet in einen letzten, einen „wahren“ Test. Donald will wissen, ob die Hasenpfote die drei auch vor der schlimmsten Tracht Prügel ihres Lebens beschützen kann. Sie kann; denn als er nach dem „Zuchtleder“ greift, reißt er aus Versehen die darüber befindliche Uhr aus der Wand, die ihm prompt auf den Schädel fällt und ihn ins Krankenhaus bringt.

Nicht in allen Geschichten teilt uns Donald auf so fatale Weise einige seiner Charaktereigenschaften auf einmal mit. Aber auch wir sind egoistisch und froh, dass er eigentlich nicht lernfähig ist.

Das Privatgespräch

Es ist stets die Frage, warum man die Faulheit und Bequemlichkeit der Leser berücksichtigen sollte, warum man sich einer zeitgeistigen Sprache bedienen sollte, die diesen geistigen Rost miteinbezieht, warum man alle Kunst, die Sprache betreffend, zu Grabe tragen sollte. Diese Frage stelle ich allerdings nur mir selbst, der ich zwischen der obligaten Lesbarkeit und der Gewissheit, gewisse Wahrnehmungen nicht ohne irritatives Moment darstellen zu können, schwanke. Es geht – wie immer – um Konventionen. Was ist eine private Sprache wert, die ungebräuchlichen Elementen den Vorzug gibt? Ist das Zwiegespräch mit sich selbst am Ende gar der einzig gangbare Weg?

Früher schwebte mir ein Museum vor, bestehend aus Klangskulpturen und Texten, Reflexen und Selbstbeobachtung. Aber was ich da beobachtet hatte …. das war der Beobachter selbst, da gab es kein Objekt mehr. Nun, das gibt es nie. Nur wenn man kein Beobachter mehr ist, sondern ein flüchtig Sehender.

Eine neue Prosa widersetzt sich vor allem dem leicht Verständlichen. Wir sprechen nicht die gleiche Sprache, die Dichter und das Volk. Während in der „Gesellschaft“ keiner weiß, was Sprache ist, gefällt sich der Dichter in seinem Instrumentendasein, weiß ebenfalls nicht, was Sprache ist, ist allerdings der Quell des Universums, an dessen tatsächlichen Rätseln beteiligt. Der Dichter lebt nicht mit. Ich lebte nie mit, ein Außenseiter durch und durch (to the bones), nie gab es eine Gestalt wie mich in meinem Umfeld, nie war eine Verständigung in ihren Grundsätzen möglich. Der Beobachter nach innen. Eine kurze Zeit der Wahrnehmung war mir gewährt, in der ich nach draußen drang, aber auch da war ich ein Quell, dem man brachte.

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