Scheiterboden

Als er den Kühlschrank öffnete, fanden sich darin gut gekühlte Idiome und Speck. Ein Möbelhaus Franz rief an, wegen des Sarges. Dann nochmal. Wegen des Pferdchens. Musste geschliffen werden.

Die Hausbesichtigung verlief tugendhaft, allerdings gänzlich ohne Haus. Es war einfacher, den Shawl enger zu fassen und den Wind zu schelten.

Sie saß nahe am Kachelofen und versuchte, Stimmen zu erkennen. Vor Jahren hatte sie gepflanzt, was nun entlang der Kordel wuchs. Die Berichte vom Tage – auch die.

Eine Nacht wie Zement, durchdrungen von Theta-Wellen. Das panische Gewissen Arkadiens, dem Schlachtfeld des Gehörnten. Dort im Schaukelstuhl: eine Leiter, die in den Sand sinkt.

Die Arschseite des Mondes.

Wer weiß, was dieser Boden zu bedeuten hat; wie Splitter drängt er darauf, seine Mitteilungen zu evakuieren. Er scheitert an mir, scheitert, weil ich scheitere, jeder andere scheitert. Ein Scheiterboden.

Veröffentlicht unter Hundertprosa | Kommentare deaktiviert für Scheiterboden

Elefantengroße Esser

wir sind auf die Vernichtung der Realität angewiesen, weil ein Grün kein Grün ist, weil nur der Beobachter zählt und jegliche Interpretation ein Fehler unseres Gehirns ist, was nicht sein müsste, gar nicht sein müsste, gäbe es nicht diese unsäglich leeren Zusammenhänge und Türen und Korridore im Sumpf unter dem Keller. Dort sind die Maden feine Gesellen und mampfen den Dreck unserer Ideen, was sie zu großen Viehhikeln der Erde macht, zu elefantengroßen Essern, die schlechte Erde in etwas Nutzbares verwandeln und es vor uns – besser so – verbergen

Veröffentlicht unter Brouillon | Schreib einen Kommentar

Puder=Anschrot

der Pfeifer an den Toren der Dämmerung. Dieses flatternde Gewebe geistreicher Skizzen, schaukelnder Träume, zufälliger, freier Katenation, da gabʼs die Türe wie eine Säge gezahnt. Fürchte in der blinden Mauer einen Blick, der nach dir späht, der Puder=Anschrot und Spielraum des Zopfes hinten auf dem Rock

Veröffentlicht unter Hundertprosa | Schreib einen Kommentar

Yuggoth 30 – Werdegang

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Nie kann ich beeindruckt sein von den rohen, neuen Dingen,
Denn mein Bewusstsein begann in einer alten Stadt,
Wo sich von meinem Fenster aus die Dächer
Zu einem malerischen Hafen voller Träume neigten.
Straßen mit geschnitzten Portalen, in denen die Strahlen
Des Sonnenuntergangs alte Oberlichter und kleine Fensterscheiben fluteten,
Und Sakralbauten mit vergoldeten Türmen –
Das war das Schauspiel, das meine Kindheitsträume prägte.

Solche Schätze, übrig aus Zeiten der ersten tastenden Gärung,
Kommen nicht umhin, von schwächeren Geistern vergessen zu werden,
Die auf wechselnden Wegen und mit verworrenen Ansichten
Über die unveränderlichen Mauern von Erde und Himmel jagen.
Sie zerschneiden die Bande des Augenblicks und überlassen es mir,
Allein im Angesicht der Ewigkeit zu stehen.

Veröffentlicht unter Übersetzungen | Schreib einen Kommentar

Yuggoth 29 – Nostalgie

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Einmal im Jahr, im Glühen des wehmütigen Herbstes,
Fliegen die Vögel über die Weite des Ozeans hinaus,
Sie rufen und plaudern in freudiger Erwartung,
Ein Land zu erreichen, das ihre verborgensten Erinnerungen kennt.
Große terrassenförmige Gärten, in denen helle Blüten stehen,
Und Reihen von Mangos, die jeden Geschmack veredeln,
Und Tempelhaine mit ineinander verschlungenen Bäumen
Auf kühlen Pfaden – all dies sind ihre vagen Träume.

Sie suchen über dem Meer nach Spuren des alten Ufers –
Nach der großen Stadt, weiß und mit mächtigen Türmen –
Aber nur leere Gewässer ziehen vor ihnen dahin,
So dass sie sich schließlich wieder abwenden.
Doch in den Tiefen versunken, wo sich außerweltliche Kraken drängen,
Vermissen die alten Türme ihren verlorenen, noch lebhaften Gesang.

Veröffentlicht unter Übersetzungen | Schreib einen Kommentar

Yuggoth 28 – Erwartung

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Ich kann nicht sagen, warum manche Dinge in mir
Ein Gefühl von unergründeten Wundern hervorrufen
Oder von einem Riss in der Wand des Horizonts,
Der sich zu Welten öffnet, in denen es nur Götter gibt.
Da ist eine atemlose, verschwommene Erwartung,
Wie die an riesige alten Prunkstücke, an die ich mich halbwegs erinnere,
Oder auf wilde Abenteuer, unkörperlich, ekstatisch
Und so ungebunden wie ein Tagtraum.

Das Rätsel liegt in Sonnenuntergängen und fremden Stadttürmen,
Alten Dörfern und Wäldern und Nebelschwaden,
In Südwinden, dem Meer, sanften Hügeln und beleuchteten Städten,
Alten Gärten, halbgehörten Liedern und dem Mondfeuer.
Aber obwohl jede dieser Verlockungen allein schon das Leben lebenswert macht,
Errät oder vermutet keiner, was sie zu geben bereit sind.

Veröffentlicht unter Übersetzungen | Schreib einen Kommentar

Roderers Eröffnung / Guillermo Martinez

Roderer ist ein „zerebraler Held“, der eifrig und manisch nach der Möglichkeit eines „neuen Denkens“ sucht, das der aristotelischen binären Logik (Sein oder Nichtsein), die er als starres Korsett und philosophisches Gefängnis betrachtet, entkommt, um das „ausgeschlossene Dritte“ zu finden. „Etwas“, wie er sagt, zwischen Sein und Nichtsein, vermutet er in den Schöpfungen der Kunst. Es ist eine Analyse des Seins des Menschen und des Seins der Sprache, die die tiefe Verbindung zwischen ihnen berücksichtigt, wie Michel Foucault sie in den 1970er Jahren vorschlug und ihr den Status einer entscheidenden Frage des zeitgenössischen Denkens zuschrieb. Im Schatten dieses Gedankens (und des Poststrukturalismus im Allgemeinen) scheint Roderers einsames und herzzerreißendes Genie zu wachsen, der binären Logik zu entkommen, Nietzsche folgend, sich im Wandel, in den Fluktuationen zu behaupten und die verlorenen Verbindungen, die Zwischenzustände des Denkens wiederzufinden.

Roderers intellektuelles Bemühen gerät auf eine schiefe Bahn, wenn er sich seinen „Erleuchtungen” hingibt, sich im Konflikt mit den Göttern und der Zeit des Todes wähnt und mit seiner Krankheit, seinem Schmerz und seiner unvorstellbaren Einsamkeit nicht zurechtkommt. Das narrative Design, das Roderers Leben umgibt, folgt einer binären Logik, die in Gegensätzen und Zwielicht verharrt – wie das Leben selbst –, von dem er sich zu isolieren versucht, um seinen „Blick in den Abgrund“ zu wagen. Das luzide Schachspiel, das schulische Wissen und die Selbsterziehung, die Intelligenz und das Genie, Cambridge und die Falklandinseln, das universitäre Wissen und die heilige Vision von Machu Picchu, der Himmel und die Hölle – kurz: die Funktionsweise und Vereinfachung der Intelligenz – wiederholen sich bis zur Hartnäckigkeit. Roderer kämpft gegen diese Tradition an – allein und krank.

Man könnte meinen, dass die Handlung dieses Romans ausschließlich aus der intellektuellen Beziehung zwischen Roderer und dem Erzähler besteht. Da es sich jedoch um eine Allusion handelt, ist dies ein guter Ausgangspunkt, um den Inhalt einer Beziehung zu verstehen, die nicht in den Bereich der Freundschaft, sondern in den eines eventuellen Wettstreits ungewöhnlicher Intelligenzen fällt und somit in die letzte Bedeutung der Suche nach Antworten auf den Schmerz des Daseins eintaucht.

Roderer kommt in die Stadt Puente Viejo, um dort die weiterführende Schule zu besuchen. Er lebt allein mit seiner Mutter, einer aufopferungsvollen Frau, die versucht, alle Bedürfnisse des wissbegierigen Teenagers durch die zahllosen Bücher zu decken, die ihn überallhin begleiten – auch in die neue Schule. Dort sucht er Zuflucht in ihnen und versucht, seinen Platz und seinen Sinn im Leben zu entschlüsseln. Zu Beginn wird er in einem komplexen Kräftemessen in einer Schachpartie mit dem Erzähler konfrontiert. Dieser ist ein hervorragender Spieler und erlebt mit, wie Roderer ihn nach und nach geistig erstickt und schließlich besiegt – fast so, als wäre es eine reine Formalität gewesen.

Doch ab diesem Moment wird der Protagonist und Erzähler Teil von Roderers Existenz – und umgekehrt. Die beiden befruchten sich in einem bisweilen einseitigen Dialog gegenseitig, denn Roderer scheint ein tragischer Erleuchteter zu sein. Er nimmt die Wirklichkeit jenseits des Unmittelbaren mit einer verblüffenden Klarheit wahr. Was Roderer bei diesem Kräftemessen wirklich antreibt, ist der Wunsch, eine Art Resonanzboden vor sich zu haben. Seine Gleichgültigkeit gegenüber der Welt erfordert jemanden, der die Tiefe seines Verstandes begreift.

Roderer beschäftigt sich mit Autoren, die der Mehrheit unbekannt sind und die sein ungewöhnliches Wissen nähren. Zusammen mit seiner besonderen Intelligenz bringt es ihn an den Rand des Ungleichgewichts. Aus der Geschichte unseres Protagonisten ergibt sich, dass die anderen, weil sie substanzlose Wesen sind, eine banale Realität gestalten, die ihnen aber zusagt. Andererseits trägt Roderer den untrüglichen Stempel einer bestimmten Sorte von Genies, die sich nicht in ein menschliches Universum einfügen können und wollen, da sie dieses in Form und Inhalt verabscheuen.

In der Schule wird er als seltsames, zurückgezogenes Individuum wahrgenommen, das sich von seinen Mitschülern entfernt. Dennoch übt er eine unausweichliche Anziehungskraft auf Frauen aus. Cristina, die schöne Schwester des Erzählers, ist schließlich von der geheimnisvollen Atmosphäre, die Roderer ausstrahlt, geblendet, ohne es zu wollen. In dieser Perspektive wird auch Daniela Rossi, ein junges Mädchen, eine ungesunde Verehrung für Roderer empfinden. Diese geht so weit, dass sie auf alarmierende Weise an Gewicht verliert, was in einer fulminanten Magersucht mündet, die mit ihrem Tod endet. Dieses beunruhigende Ereignis führt zu Roderers dauerhaftem Rückzug vom Studium.

Seine Misanthropie verschlimmert sich. Er schließt sich in seinem Zimmer ein und verlässt es kaum noch. Tag und Nacht ist er in seine beklemmende Lektüre vertieft. Der Erzähler kommt zu ihm und sie führen umständliche Gespräche über Roderers unstillbare Suche. Dabei gehen sie Spinoza, Thomas de Quincey und seine Ausflüge in das Opium als Wunderdroge, Hölderlins Texte und seine strengen Analysen der Verbindung mit dem Teufel als Substrat seiner Werke sowie schließlich Nietzsche, Goethe und Heidegger durch. Schließlich gelangen sie zu dem großen fiktiven Satz von Seldom, der die Mathematik revolutionierte und den der Erzähler Roderer nach seinem Eintritt in die Universität nahebrachte.

Dies ist auch ein wesentlicher Teil des unvorhersehbaren Schlusses des Romans. Roderers obsessive Suche nach dem Sinn des Daseins ist das, was Nietzsche als „die neue menschliche Erkenntnis” bezeichnete. Das Werk verführt uns nicht nur mit dem Talent seines Autors, sondern berührt uns auch mit dem trostlosen Leben Roderers: eine einzigartige Figur, die es nicht geschafft hat, irgendwo hinzugehören, obwohl sie vielleicht ihre eigene Welt gewonnen hat.

Veröffentlicht unter Bouquinist | Schreib einen Kommentar