Atlantis-Legenden 2: Die Saat des Schwarzen Todes

Der zweite Teil der Atlantis-Legenden zieht die Schraube merklich an. Während uns der erste Teil mit den Problemen und den Freund/Feind-Konstellationen vertraut macht und den Einschlag der „Träne aus Feuer“ schildert, beginnt in „Die Saat des Schwarzen Todes“ der Kampf um das Schicksal von Atlantis und wir erleben, wie Kara zur Auserwählten der Stummen Götter wird. Sie ist ein junges Mädchen mit dem Herz am rechten Fleck. 

Der Schwarze Tod, geschaffen von den Großen Alten, ist mit dem Kometen auf Atlantis angekommen. Ein mächtiger grausamer Dämon, dem niemand gewachsen zu sein scheint. Weder der Eiserne Engel, noch Myxin, noch Asmodis selbst. Hier fällt auf, dass der Schwarze Tod eine wirklich beängstigende Macht besitzt, ganz anders wie in der Hauptserie Geisterjäger John Sinclair. Zumindest hat man das Gefühl, hier von zwei ganz unterschiedlichen Wesen zu lesen, was aber damit zu tun hat, dass Jason Dark diesen Dämon in der Serie erst einmal einführen und ausarbeiten musste. Was in Atlantis geschah, erfahren wir immer nur am Rande. Es bleibt verschwommen. Gerade deshalb ist diese Mini-Serie so wertvoll, denn wir tauchen direkt in den Konflikt ein, sehen wie sich die unterschiedlichen Lager zueinander verhalten und wie all das entsteht, was wir dann später in der Hauptserie verfolgen können. Hier bekommen wir also das Hintergrundwissen mit auf den Weg, und das ist es ja, was Ian Rolf Hill die ganze Zeit über leistet. Er sucht und findet lose Enden, unausgegorene Konzepte, fallengelassene Figuren und unaufgeklärte Fragen, die man sich als Fan vielleicht stellt. Da Hill selbst ein großer Fan und Kenner dieser Serie ist, weiß er um diese Dinge Bescheid, stellt sich selbst diese Fragen aus der Sicht eines Fans – und macht sich an die Arbeit, um Lücken zu schließen. Und d gibt es einige, was ja gar nicht ausbleiben kann bei einer derart gigantischen Anzahl an Geschichten über viele Jahrzehnte hinweg.

Karas Schicksalsweg nimmt hier Gestalt an, als ihr Vater Delios mit einer kleinen Delegation zur Einschlagstelle des Kometen reist, um ihn zu untersuchen. Kara ist das überhaupt nicht recht, vor allem da sie nicht mitkommen darf und auch noch erfährt, dass Haro dieser Delegation angehören wird. Es liegt in ihrer Natur, dass sie sich das nicht gefallen lassen will und beschließt, der Gruppe auf eigene Faust zu folgen. Doch die Gefahren sind gewaltig und so gerät sie in eine magische Falle, die sie direkt zu den Flammenden Steinen spült, die eigentlich für niemanden erreichbar sind, außer ein paar Auserwählten. 

Und genau auf diese Auserwählten trifft sie dort. Es handelt sich um die Weisen von Atlantis, die von Karas plötzlichem Auftauchen ziemlich überrascht sind. Das kann nur eines bedeuten: die Stummen Götter haben einen Plan mit dem Mädchen. Und tatsächlich gelingt es ihr mithilfe einer mysteriösen Kugel, die „Lebensatem“ genannt wird, einen Teil der Saat des Schwarzen Todes aufzuhalten, die Lebewesen nach und nach in Zombies verwandelt, besser gesagt: in schwarze Skelette, denn der Schwarze Tod ist ja genau das. Ein riesengroßes schwarzes Skelett. Der Eiserne Engel ist nach dem ersten Kampf mit dem Schwarzen Tod noch immer nicht bei Bewusstsein, viele seiner Vogelmenschen haben nicht überlebt. Jetzt liegt er inmitten der Flammenden Steine, wo Kara mit dem Lebensatem verschwunden ist. Der Eiserne lag vorher in einem Stall, in Sicherheit gebracht von einer Bauernfamilie. Und dort findet sich jetzt Kara wieder, die von den Bauern erst für eine Hexe, dann aber für eine Zauberin gehalten wird, weil sie besagte Saat, die mit Schwellungen an den Lymphdrüsen beginnt, mithilfe der Kugel aufhalten und rückgängig mache  kann. Kara begreift, dass die Stummen Götter sie nicht grundlos in die Nähe der Einschlagstelle gebracht haben. Sie glaubt, dass sie den Lebensatem ins Zentrum des Bösen tragen muss. 

Doch an der Einschlagstelle geschieht etwas völlig Unerwartetes. Myxins Schwarze Vampire tauchen auf und der Lebensatem ist spurlos verschwunden. Eigentlich der sichere tot für die junge Dame, würde Myxin nicht eingegriffen haben. Wahrscheinlich aus Neugier. Für Fans ist diese erste Begegnung zwischen Kara und Myxin natürlich ein weiterer kleiner Leckerbissen, auch wenn er hier als einer der beiden Cliffhanger fungiert.

Der zweite Cliffhanger betrifft Beela, die Anführerin der Schwarzen Vampire, die Myxin aber hörig ist. Sie ist auf einer Mission, um den Schwarzen Tod auszuspähen, wird aber entdeckt. Da der geistige Kontakt zu Myxin abgebrochen ist und sie dem Tod ins Auge sieht, bietet sie ihm ihre Dienste an.

Das popkulturelle Phänomen John Sinclair

Es ist gar nicht so einfach, etwas zu John Sinclair zu schreiben, vor allem, weil man gar nicht wirklich weiß, wo man beginnen soll. Zumindest war es nicht ganz so einfach wie über Larry Brent als erste Gruselserie zu schreiben. Viele Leser:innen kennen die Serie aus unterschiedlichen Perspektiven und sie lesen sie aus unterschiedlichen Gründen, wobei es wirklich schwer ist, das Gesamtbild im Auge zu behalten. Also dachte ich mir, es wäre vielleicht angebracht, dieses Gesamtbild einmal als Basis zu betrachten, von der aus dann weitere Artikel folgen könnten.

Zwischen Grusel und Gewohnheit

John Sinclair Kreuz
(c) Bastei

Die Figur des John Sinclair, geschaffen von dem deutschen Autor Helmut Rellergerd (Pseudonym: Jason Dark), gehört zu den bekanntesten Figuren der deutschsprachigen Unterhaltungsliteratur. Seit seinem ersten Erscheinen 1973 in der Heftromanserie „Gespenster-Krimi“ entwickelte sich Sinclair schnell zu einem eigenständigen Serienhelden und Mythos. Bis heute erscheinen wöchentlich neue Hefte, inzwischen ergänzt durch Sonderbände, Taschenbuchreihen, Hörspiele, E-Books, Podcasts und Merchandising.

Diese außergewöhnliche Langlebigkeit ist kulturgeschichtlich bemerkenswert: Sie zeigt, wie stark bestimmte narrative Muster und Figuren in kollektiven Vorstellungswelten verankert sein können – gerade wenn sie sich geschickt an kulturelle Wandlungsprozesse anpassen, ohne ihre Grundstruktur aufzugeben. John Sinclair ist ein Paradebeispiel dafür, wie populäre Unterhaltungsliteratur trotz (oder gerade wegen) ihrer oft von kenntnisarmen Kritikern belächelten Trivialität eine dauerhafte kulturelle Präsenz entfalten kann.

Serialität als Erfolgsprinzip

Ein zentrales Strukturprinzip der John Sinclair-Reihe ist ihre konsequente Serialität. Über 2000 Einzelhefte (Stand 2025) sind bisher erschienen – eine beeindruckende Zahl, die weit über das hinausgeht, was klassische Romanzyklen erreichen. Diese Serialität folgt einem bestimmten Rhythmus, der von Wiederholung und Variation lebt: Stets gibt es einen oder mehrere Antagonisten, die sich übernatürlicher Mittel bedienen; John Sinclair und sein Team ermitteln, geraten in Gefahr und siegen schließlich durch Mut, Glauben, Freundschaft und (nicht selten) göttlichen Beistand.

Jason Dark
Jason Dark (Helmut Rellergerd)

Die wiederkehrenden Elemente – etwa Sinclairs Kreuz aus geweihtem Silber, seine Gefährten wie Suko oder Jane Collins, Scotland Yard als Basis oder Gegenspieler wie Asmodina, Dracula II oder der Schwarze Tod – erzeugen eine vertraute Welt, in der sich die Leser:innen orientieren können. Im Laufe der Jahre entwickeln sich Metaplots, in denen alte Feinde zurückkehren, Allianzen sich verändern und vergangene Ereignisse neue Handlungen beeinflussen.

Diese Struktur ermöglicht es Neuleser:innen, jederzeit einzusteigen, während Stammleser:innen ein tiefes Wissen über die Mythologie der Serie entwickeln. Damit verbindet die Serie episodisches Erzählen mit dem kontinuierlichen Aufbau einer Welt – ein Prinzip, das auch in anderen Medienformen wie Fernsehserien, Comics oder Videospielen zu finden ist.

Medienkonvergenz und Adaptionen

Ein weiterer Schlüssel zur Langlebigkeit von John Sinclair ist die Fähigkeit des Franchises, sich an verschiedene Medienformate anzupassen. Besonders hervorzuheben ist dabei die seit dem Jahr 2000 produzierte Hörspielreihe „John Sinclair – Edition 2000“, die mit ihrer hochwertigen Inszenierung, namhaften Sprecher:innen (z.B. Frank Glaubrecht als Sinclair) und atmosphärischen Soundkulisse Maßstäbe gesetzt hat.

Die Hörspiele erreichen oft eine ganz andere Zielgruppe als die Heftromane – jüngere Menschen, Podcast-Hörer:innen, Fans von Audio-Storytelling – und haben mit ihrer stilistischen Nähe zu modernen Serienformaten (etwa Supernatural oder Buffy) dem Franchise neues Leben eingehaucht. Auch Digitalausgaben, E-Books und eine eigens entwickelte App tragen dazu bei, John Sinclair für neue Generationen zugänglich zu machen.

Hier zeigt sich exemplarisch, wie ein ursprünglich printbasiertes Phänomen in einer konvergenten Medienwelt bestehen kann – indem es seine Inhalte an neue Rezeptionsgewohnheiten anpasst, ohne seine narrative DNA zu verlieren.

Populärkultur, Mythos und Moral

Inhaltlich bewegt sich John Sinclair an der Schnittstelle von Kriminalliteratur, Horror, Fantasy und Mystery. Der Protagonist ist ein Ermittler im Dienste des Guten, dessen christlich aufgeladene Waffen (u.a. das geweihte Kreuz, der „silberne Nagel“) im Kampf gegen das personifizierte Böse eingesetzt werden. Dieses Böse tritt in vielfältiger Gestalt auf: Vampire, Dämonen, Hexen, Wiedergänger, schwarze Messen, okkulte Zirkel – die Serie schöpft aus einem reichen Repertoire an Horror- und Volksglaubensmotiven.

Dabei ist die moralische Struktur der Serie oft klar dualistisch: Das Böse ist radikal böse, das Gute darf leiden, wird aber am Ende triumphieren. Diese klare ethische Trennung kann als konservativ oder naiv empfunden werden – sie bietet aber auch eine psychologische Sicherheit, die im Kontext von Eskapismus und Angstbewältigung (gerade in Zeiten gesellschaftlicher Verunsicherung) wichtig ist.

Gleichzeitig bedient sich John Sinclair zahlreicher archetypischer Strukturen, wie sie in der Mythenforschung (z.B. nach Joseph Campbell oder Mircea Eliade) beschrieben wurden: Der Held mit einer besonderen Bestimmung, die Initiation, die Reise ins Totenreich, der magische Mentor, das wiederkehrende Böse. Diese mythischen Grundmuster sind zentral für den Erfolg des Formats – sie bieten kulturelle Anschlussfähigkeit über Generationen hinweg.

Rezeption, Kritik und kulturelle Bedeutung

Trotz (oder gerade wegen) ihres großen Erfolges wurde die John-Sinclair-Serie von der Literaturwissenschaft lange Zeit kaum beachtet. Triviale Massenliteratur galt als unseriös, formelhaft und künstlerisch anspruchslos. Erst mit dem kulturwissenschaftlichen Paradigmenwechsel ab den 1990er Jahren, der Populärkultur nicht mehr als bloße Unterhaltung oder „Minderkultur“ abtat, begann eine differenziertere Auseinandersetzung mit solchen Phänomenen.

Kritische Stimmen bemängeln an John Sinclair etwa stereotype Geschlechterdarstellungen – Frauen erscheinen häufig als Opfer, Verführerinnen oder Sidekicks. Auch die exotisierende Darstellung des „Anderen“, etwa in Form „dämonischer“ Religionen oder asiatischer Kampfkunstklischees, wird zu Recht problematisiert. Gleichzeitig muss jedoch anerkannt werden, dass sich die Serie seit den 2000er-Jahren teilweise modernisiert hat: Es gibt stärkere Frauenfiguren, mehr Diversität im Personal, und gelegentlich sogar Selbstironie im Umgang mit den eigenen Tropen.

John Sinclair ist zudem ein wichtiger Marker kollektiver Erinnerung: Für viele Leser:innen der 1970er- bis 1990er-Jahre war die Serie ein Einstieg in phantastische Literatur, ein Tor zu Genrevielfalt und ein Ort des pubertären Grusels. In diesem Sinne ist sie auch ein nostalgisches Kulturgut – vergleichbar mit Edgar Wallace, Perry Rhodan oder den Drei ???.

Zwischen Trash, Tradition und Transmedialität

Das Phänomen John Sinclair ist nicht nur eine Kuriosität der deutschen Unterhaltungsliteratur, sondern ein bedeutsames Beispiel für die Langlebigkeit narrativer Muster, die Anschlussfähigkeit populärer Mythen und die Fähigkeit, sich medientechnisch wie inhaltlich weiterzuentwickeln. Zwischen Trash und Tradition, zwischen romantischer Gothic-Ästhetik und moderner Serienlogik, hat sich eine Erzählwelt etabliert, die Millionen Leser:innen, Hörer:innen und Fans seit über fünf Jahrzehnten fesselt.

Für die Kultur- und Medienwissenschaft bietet John Sinclair somit ein reiches Analysefeld: als Spiegel gesellschaftlicher Ängste, als Experimentierfeld für Serialität und Transmedialität, und als lebendige Popkulturtradition, die den Grusel in die Alltagserzählungen ihrer Rezipient:innen einschreibt.

Atlantis-Legenden 1: Zeichen des Untergangs

Möglicherweise wird das Gen des „Heftromans“ von Generation zu Generation weitergegeben. Das bedeutet, dass man eine bestimmte Art von Schreiber sein muss, um diesen Beruf tatsächlich sinnvoll ausfüllen zu können. Ian Rolf Hill ist jemand, der das mit Bravour exerziert. Davon kann man sich in der Hauptreihe des John-Sinclair-Universums, bei Professor Zamorra oder Maddrax reichlich überzeugen. Tatsächlich ist Hill jemand, dem es zu  verdanken ist, dass  die Serie um den Geisterjäger auch nach 50 Jahren noch so einen Elan versprüht, mehr noch: ein tatsächlich ernstzunehmendes populäres Phänomen geworden ist. Nicht dass wir Jason Dark als Schöpfer des Ganzen zu verschweigen ist, aber ich glaube, er wäre nicht derjenige gewesen, der die Romane in seinem ehrenwerten Alter zukunftsfähig hätte machen können, das lag völlig außerhalb seiner Reichweite. Doch das sind alles Überlegungen, die nichts mit dem vorliegenden Projekt zu tun haben.

Nach dem verkorksten Spin-Off „Dark Land“ (für das Hill gar nicht geschrieben hat, soweit das bekannt ist), gibt es nun mit „Atlantis“ einen weiteren Versuch, das Sinclair-Universum auszuleuchten. Der Vorteil hier liegt auf der Hand: Es ist auf 6 Folgen ausgelegt und … der Autor ist Ian Rolf Hill, und nicht gleich eine ganze Autorengruppe, wo jeder sein eigenes Süppchen kocht. Nein, gegen Autorengruppen ist rein gar nichts einzuwenden, aber man muss sie eben koordinieren können, was sich oft als schwierig herausstellt. Außerdem ist Hill derart kenntnisreich, dass man sich fragen muss, ob er nicht irgendwo in seinem Kopf eine versteckte „Sinclair-Festplatte“ installiert hat. Ich mag den Spruch „Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen“ eigentlich gar nicht, weil er einfallslos ist, aber bei Hill verhält es sich genau so. Die Seiten wandern vorbei und man nichts dagegen unternehmen, bis das Wort „Ende“ auftaucht.

Tatsächlich ist die Idee, den untergegangenen Kontinent Atlantis gesondert zu betrachten, großartig. Vor allem, weil von dort nicht nur bekannte und beliebte Figuren wie der Eiserne Engel oder Kara stammen, sondern auch schreckliche Feinde wie der schwarze Tod, Arkonada oder Myxin (der später einen wirklich großen Wandel vollzieht). Aus der Serie kennen wir diese Figuren alle nach dem Untergang des Inselreichs. Im Spin-Off erleben wir den Untergang hautnah aus der Sicht von Kara, der Schönen aus dem Totenreich, die zu diesem Zeitpunkt etwa 16 Jahre alt ist.

Die Stadt Atlantis ist klein gehalten. Wir lernen Karas Vater Delios und die Hausangestellten kennen, die wie eine Familie funktionieren. Wir sehen die Stadtwache und den Stadtrat, in dem Karas Vater als Prophet keinen leichten Stand gegenüber den Skeptikern hat, weil eine Vorhersage in der Vergangenheit nicht eingetreten ist und weil er selbst manchmal Visionen nicht von Träumen zu unterscheiden vermag. Doch diesmal sind es nicht nur seine Visionen, diesmal sind es die offensichtlichen Zeichen, die ein Unheil ankündigen: Die Großen Alten kehren zurück. Sie sind die Widersacher der Stummen Götter (die unter anderem den Eisernen Engel aus den vier Elementen geschaffen haben).

Jeder, der Augen hat, kann es am Nachthimmel sehen, in dem zwei Monde kreisen: Das Auge der stummen Götter und das Auge der Dämonen. Letzteres schiebt sich mehr und mehr vor das Auge der stummen Götter, und wenn das passiert – so berichtet eine Prophezeiung -, wird eine Träne aus Feuer auf den Kontinent niedergehen und die Dämonen ihren Siegeszug beginnen.

Wir sehen, wie Kara und Haro sich näherkommen, und wie sie Zeugen der düsteren Prophezeiung werden, als nämlich Delios im Fieber seiner Tochter aufträgt, die Sterndeuter auf dem Berg Uranos zu warnen. Auch Myxin sehen wir in seiner ganzen dämonischen Pracht, und wie er die Ankunft der feurigen „Träne“ erlebt. Für Fans ist das hier richtig großes Kino.

Larry Brent (Der erste Gruselkrimi)

Ägyptische Mumien und Frankensteinähnliche Wissenschaftler standen Ende der 60er Jahre hoch im Kurs. Die Counter Culture, die aus Amerika herüberschwappte und ihre Spuren auch in Europa hinterließ, hatte außer Flower Power auch das Interesse am Okkulten mitgebracht. Die Manson-Family machte erste Schlagzeilen und bahnbrechende Horrorfilme wie „Rosemaries Baby“ und „Die Nacht der lebenden Toten“ eroberten die Kinos. Auch im Heftroman-Sektor war es Zeit für etwas Neues.

Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus
 Silber-Krimi Nr. 747 vom 27.08.1968

“Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus” erschien als Silber–Krimi Nr. 747 im damaligen Zauberkreis-Verlag, der 1985 an Pabel verkauft und 1987 seine Pforten für immer schloss, und war in erster Instanz atmosphärisch und lag näher an der Gothic Novel – also am Schauerroman – als am Horror. Jürgen Grasmück alias Dan Shocker hat dann auch einen Begriff geprägt, der den “Horror” im Heftroman genau definiert und den es in keiner anderen Sprache gibt: Grusels; eine genuin deutsche Sprachleistung wie etwa das Wort “unheimlich”, das mit dem englischen “uncanny” zwar eine Annäherung an die Bedeutung des Begriffs erfährt, sie aber nicht präzise abdeckt. Natürlich steckt in der Pluralisierung Grusel – Grusels ein Fehler, der sozusagen bewusst die englische Pluralendung an ein deutsches Wort anhängt (ähnlich wie man das umgangssprachlich etwa bei “Dingens” macht). Eine Mehrzahl von Grusel gibt es nicht, nur der Genitiv (des Grusels) käme also in seiner korrekten Form mit einem “s” daher, ist hier aber natürlich nicht gemeint. Vergessen wir aber nicht, dass bis weit in die 70er Jahre hinein bereits eine merkliche Amerikanisierung der deutschen Sprache stattfand. Ein Mädchen hieß plötzlich “Girl”, das Wohnzimmer wurde “Living Room” genannt, man „steppte“ zur Seite und sprang nicht mehr, und so fort.

Grusel – Gruselkrimi – Grusels 

Das Stammwort gruseln bezeichnet einen Kälteschauer und gleichzeitig einen Schauer der Angst, eine eigentliche Faszination, die dem Phänomen des Horrors zugrunde liegt, das H. P. Lovecraft einmal als “das älteste Gefühl des Menschheit” bezeichnet hat. Der Begriff “German Grusel“, aus dem dann Anfang der 70er Jahre vom Zauberkreis-Verlag der “Gruselkrimi” abgeleitet wurde, ist eine Prägung der Edgar-Wallace-Filmreihe und bezeichnete bereits in seinen Anfängen die Genremixtur aus klassisch englischem Krimi-Ambiente (das seinerseits aus der Gothic Novel entstanden ist), und einer modifizierten Variante des Schauerromans selbst, die mit dem, was wir heute mit dem Begriff Urban Fantasy (Vampire, Werwölfe, Hexen treten auf, ganze Mythologien werden rudimentär verwendet oder auf den Kopf gestellt und sogar neu erfunden) grob umrissen werden kann. Andererseits ist der Gruselkrimi derart eigen, dass man damit auch nur eine ungefähre Annäherung zur Verfügung hat.

Er ist mittlerweile sogar in englischsprachigen Ländern geläufig, was einiges bedeutet. Als Vorläufer kann man durchaus die okkulten Krimigeschichten, die eine Mischung aus Pulp, Krimi und Abenteuergeschichte, gepaart mit einer Portion übernatürlichem Horror, sehen, mit der amerikanische und britische Autoren eine Art Pionierarbeit geleistet haben. Horrorautoren wie William Hope Hodgson (Carnacki), Algernon Blackwood (John Silence), Seabury Quinn (Jules de Grandin), Manley Wade Wellman (John Thunstone) und in jüngster Zeit Brian Lumley (Titus Crow) haben sich alle an die Ermittler des Unbekannten gewagt. Viele ihrer fiktionalen Kreationen wurden zuerst in Magazinen wie Weird Tales gedruckt, die von 1923 bis 1954 erschienen. Deutsche Gruselkrimi-Autoren begannen viel später als ihre britischen und amerikanischen Pulp-Kollegen und hörten im Gegensatz zu ihnen nie auf zu schreiben.

Frischer Wind im Silber-Krimi

Larry Brent Nr. 1
Der erste Band der eigenen Serie erschien als Nachdruck am 21.4.1981

Die Geschichte geht so: Auf der Frankfurter Buchmesse 1967 klagte der damalige Verlagsleiter des Zauberkreis-Verlages Jürgen Grasmück sein Leid mit der Krimi-Reihe “Silber-Krimi”. Die Verkaufszahlen sanken kontinuierlich. Man wollte sich Gedanken über etwas Neues machen. Jürgen Grasmück machte etwas Neues, er schrieb das Exposé für den ersten Larry Brent-Roman, das angenommen wurde und nach der Veröffentlichung am 28. August 1968 für einiges Aufsehen sorgte. Zum ersten entstand durch die Gruselkrimis eine Subkultur des etwas “schrägen”. Während ein Krimi im Laufe der Jahrzehnte in den Mainstream Einzug fand, lag über einer unbürgerlichen (oder unrealistischen) Thematik stets ein Hauch des Andersartigen, vergleichbar mit der Heavy-Metal-Subkultur der 70er und 80er Jahre. Eine Abgrenzung zu “Tarzan” oder einem Edgar-Wallace-Krimi war nicht mehr gegeben. Das zeigte schon die Reaktion von Eltern und Lehrern auf dieses Medium (in das sich ja sogar die Bildungspolitik einzumischen versuchte). Tatsächlich passierte hier das, was in Jugendkulturen stets zu beobachten ist. Allerdings ist ein Heftroman etwas anderes als ein Film oder eine populäre Band, und bleibt schon aus diesem Grund weit hinter deren Einflussbereich zurück.

Es bildet sich ein Stück regionaler und persönlicher Epoche in der Epoche heraus, die zwar durch das kulturelle Geschehen in der Welt grundsätzlich mit dem herrschenden Zeitgeist verbunden ist, aber eine eigene Dynamik entwickelt, die nur Ansatzweise mit Entwicklungen in anderen Ländern zu vergleichen ist. Auch wenn man es nicht glaubt, hat das muffige Deutschland gerade dafür gesorgt, dass so etwas wie der Gruselkrimi entstehen konnte. Das wirklich Interessante allerdings ist der lange Atem, denn auch wenn die große Zeit des Heftromans vorbei ist, finden wir sie noch immer vor. Es scheint sogar, als sei hier im kleinen ein Generationswechsel möglich gewesen, etwas, das der Entwicklung der Popkultur eigentlich widerspricht. Grasmück ließ den Übergang vom Krimi zum Gruselkrimi glaubhaft geschehen, indem er eine wissenschaftliche Erklärung für seine Version der Vampire bot, alles andere hätte die Leser zu dieser Zeit vermutlich so erschreckt, dass sie ihm nicht gefolgt wären.

Das tut der Atmosphäre keinen Abbruch, auch wenn es hier nur einen Hauch Übersinnliches gab (eine wiederbelebte Mumie). Phantastisch ist die Erzählung allemal und orientiert am Abenteuer und am Agentenmillieu, aus dem Larry Brent schließlich stammt. Und auch, wenn hier Larry Brent eingeführt wird, gibt es zunächst den klassischen Kommissar, der in den merkwürdigen Fällen ermittelt. Die Verwicklungen stehen sogar keinem amerikanischen Thriller aus den 30er, 40er und 50er Jahren nach – wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn man etwa John Buchans “Die 39 Stufen” liest. Die Problematik bestand also eher im deutschsprachigen Kulturkreis und im Milieu des Heftromans selbst und garantiert nicht in der Ausführung, auch wenn es einiger sprachlicher Überarbeitungen bedurft hätte, um daraus einen internationalen Knüller zu machen. In der BRD galt zu dieser Zeit selbst der Kriminalroman als Schund. Und eine oberlehrerhafte Dummheit ist bis heute das Markenzeichen des Kulturbetriebs in diesem Land, weshalb auch kaum eine kreative Strömung eine größere Bedeutung erlangt im Vergleich zu anderen westlichen Ländern.

Das Abenteuer

In der Umgebung von Maurs ist es in den letzten sieben Monaten zu rätselhaften Vorfällen gekommen, bei denen Vampire gesichtet wurden und mehrere Menschen tatsächlich Bissspuren am Hals aufweisen. Als zum ersten Mal eine Leiche auftaucht, erinnert sich Kommissar Sarget an die Aufforderung des Innenministeriums, solche Sonderfälle sofort weiterzuleiten. Wir hören also zum ersten Mal von der PSA, der Psychoanalytischen Spezialabteilung unter der Leitung des geheimnisvollen David Gallun, der durch einen schweren Unfall vier Minuten lang klinisch tot war, dadurch aber die Fähigkeit besitzt, Stimmungen und Gefühle in Menschen zu erzeugen und wahrzunehmen. Er wurde zwar gerettet, aber ist seitdem blind. Als wir Larry Brent zum ersten Mal begegnen, ist er noch FBI-Agent, der sich während seines Urlaubs Europa ansehen will und unversehens in einen merkwürdigen Fall stolpert und am Ende vom FBI zur PSA wechselt.

“Dieser heiße Sommertag”, heißt es da, “sollte für den Mann aus New York eine Bedeutung gewinnen, die seine Zukunft schicksalhaft bestimmte.”

Tatsächlich hat ein Professor Bonnard bei seiner letzten Reise nach Ägypten aus einem bisher unbekannten Grab kostbare Grabbeilagen und eine Mumie entwendet, in der er noch Spuren von Leben nachweisen konnte. Er hat die Absicht, diese mithilfe von frischem Blut wieder zum Leben zu erwecken, um als Ägyptologe für eine Sensation zu sorgen. Nun ist das hier allerdings kein dröger Mumien-Klamauk. Ganz im Gegenteil dreht sich das erzählerische Ablenkungsmanöver um ein Gezücht riesiger Vampirfledermäuse, die das Blut beschaffen sollen. Geschickt führt uns Grasmück zunächst den Biologen Simon Canol vor, der damit beschäftig ist, die anfallenden Leichen verschwinden zu lassen, was ihm nicht gelingt, weil er ständig dabei gestört wird. Als aller Verdacht sich schließlich wieder auf Professor Bonnard richtet, merken wir, dass ein ganz anderer Herr seine Kreise zieht. Larry Brent gelingt schließlich das, was der Polizei um Kommissar Sagret nicht gelingt. Er stößt ins Innere vor. Die Geschichte ist verwickelt und ein Rad greift ins nächste, außerdem bekommen wir viele Informationen über die PSA und deren Aufbau. Besieht man sich heutige “Heftchen”, dann muss man doch zugeben, dass dieser erste Gruselkrimi ein Flair und einen Aufbruch markiert, den bis heute nicht viele Exemplare für sich in Anspruch nehmen können.