Der wilde Wind -1-

Anna Schikowski hatte es sich angewöhnt, ihre ›große Wäsche‹  in die Nachtstunden zu verlegen. Ihre in jungen Jahren lapidare innere Unruhe hatte sich Laufe der Zeit zu einer ausgemachten Schlaflosigkeit gesteigert, die auch der zermürbende Haushalt nicht zum Erliegen bringen konnte. Sie hatte dem entgegenzuwirken versucht, indem sie immer etwas mehr tat, und das, was sie tat, zu beschleunigen. So wuchs ihr Garten zu einem majestätischen Kräutergarten heran, Kohl, Karotten, Sellerie, Zwiebeln, Knoblauch, Schwarze Johannisbeeren, Äpfel, Quitten und Zwetschgen gediehen neben Majoran, Dost und Echtem Thymian, sie extrahierte ätherische Öle, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Schleimstoffe, Alkaloide und herzwirksame Glykoside, Anthrazenderivate und Flavonoide. Im Zuge ihrer Kenntnisse hatte sie aufgehört, für die Wäsche Buchenasche und abgestandenen Urin zu verwenden, und mischte Soda mit Zitronenöl und Schmierseife zusammen, die sie mit Ätzkali und Sonnenblumenöl ebenfalls selbst anrührte.

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Wie in einem Spiegel

Wie oft hatte ihn der Alte dafür bestraft, wenn er ihn dabei erwischte, wie er sich versichern wollte, ob sein Hemdkragen gerichtet sei, und dabei zwei, drei Sekunden länger als dafür vorgesehen seine eventuelle Wirkung auf die Außenwelt erwog. Die Luft faltet sich und man erkennt sich, wie in einem Spiegel, im Grunde nicht. So viele Gesichter, so viele eigene Wesen, vergorener Pelz, liegen in den Büschen brach. Vom Boot aus sind wir der tiefere Rinnsal, wir kehren zurück, mir tropft das Bein Schritte hin, zum Ufer, zum Beispiel, oder in der Badewanne über der Kante, oder wenn es regnet, ich nicht abfließen kann. Bleibe stehen und betrachte den Rinnstein, sein abwaschbares Selbst.

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Bram Stoker’s Dracula

Dracula
©Columbia Tristar

Bram Stoker’s Dracula gab vor 25 Jahren sein Debüt und erzielte im Laufe der folgenden Saison rund $ 82 Millionen und weltweit $ 215 Gewinn. Das ist nicht schlecht für einen Horrorfilm, gerade im Jahre 1992. Der Film hätte nicht heißer erwartet werden können, größtenteils dank seiner Besetzung: Anthony Hopkins, frisch von Das Schweigen der Lämmer kommend, Keanu Reeves und Winona Ryder – damals noch Youngsters -, und schließlich Charakterschauspieler Gary Oldman endlich einmal als das, was er ist: ein Dämon. Aber die aufregendste Aussicht auf einen guten Film bot der Name des Regisseurs: Francis Ford Coppola, der seit dem Abschluss seiner The Godfather-Trilogie im Jahre 1990 keinen Film mehr gedreht hatte. Obwohl er durchaus mehrere Flops hingelegt hatte, war Coppola immer noch Coppola, der Macher des Paten und von Apokalypse Now. Natürlich wurde der Film von den meisten Kritikern nicht zu den besten des Regisseurs gezählt und ist in den Augen der Öffentlichkeit nicht gerade gut gealtert. Was die meisten Leute heute mit Bram Stoker’s Dracula in Verbindung bringen, ist ein „heimliches Vergnügen“. Dabei handelt es sich um einen Film, der weitaus besser ist als das Getue vermuten lässt.

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Das verschleierte Bildnis zu Sais

Der Krankenwagen trudelt ein und wendet ungestüm. Sein blaues Licht verscheucht die Schneeblindheit. Die weißbraune Grütze tropft aus den Radkästen. Beinahe gleichzeitig trifft ein neuer Funkspruch ein und plappert munter in Michels Volkswagen vor sich hin, der quer über der Straße steht. Die Beamten haben aufgehört, sich um die Bergung zu kümmern und diskutieren gebührlich, auf Schaufeln, Besen und Rechen gestützt, mit den Fahrern, die um jeden Preis hier durch wollen – anstatt die B15 zu nehmen – und dabei wild mit den Händen gestikulieren und damit ein neues Alphabet probelaufen lassen. Die meisten von ihnen sind ausgestiegen, heben sich gegen den Horizont ab wie Manschetten, die das Bündchen der Landschaft verschließen, wie Stulpen am Rande der morgendlichen Szenerie, um sich nicht entgehen zu lassen, was sich dann vielleicht im Bekanntenkreis ausschlachten lässt.

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Was die Nacht hinterlässt

Die Nacht fiakert zurück und hinterlässt einen Sägenschärfer aus Hebanz in der Nähe des Sägewerks an der Hohen Mühle, das auf seinem Gelände auch eine Fischzucht ermöglicht, deren Ergebnisse dann in Buchen-, Weiden-, Erlen-, Birken-, Pappel-, und Eschenspäne in den Schlot gehängt werden, um heißzuräuchern. Fleischrauch erhebt sich und bildet Fischskelette in der Luft, vergänglich wie ein Ameisenleben. Der Fischfang hat hier eine seltsame Tradition, ungewöhnlich für ein Land, das sich so weit entfernt vom Meer befindet (obwohl sich im Präkambrium eine stolze Schwemme hier einsam fühlte).

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Hekse!

(c) M. Perkampus
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Riegenkerl

Riegenkerl; (c) Albera Anders, 2019

[…] „ein solcher riegenkerl saß einmal und goß knöpfe, da kam der teufel gegangen, grüßte und fragte „was machst du da“? – „ich gieße augen.“ – Grimm, Deutsche Mythologie, Band 1

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