Mitternacht in einer perfekten Welt

Am 18. März 1856 löste eine Magd, die einen Brief, der ihr zu Boden gekullert war, suchte und dabei die Kerze verlor, den › Selber Brand‹ in ihrer Stube aus. Dabei dachte sie nicht an die ›Pudding Lane‹, Herrschaften, sondern an ihren Goich, den man auch ›Höllengoich‹ – Freier der Mägde – nannte.

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Weird Mill

(c) Albera Anders
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Schmerzlindernde Kanzblume

Ich bin im Schloss gewesen, denn dort lebten wir neben der schmerzlindernden Kanzblume am Flussrand, überginstert mit diesem morschen Zaun, der sich die Zähne aushob, frisch gebrochene Latten, von den Fähen im Trittbild wechselnder Schrittlängen mit dem Wildwuchs Hand in Hand (am Johannistag steckt in den Mulden Bergwohlverleih, um den Bilmenschneider zu verschrecken). Schandhaube oder Hahnenkamm, das Geschenk an dich. Es biegt sich um deine Nase, lässt sich für immer Frühling nennen, für immer aufgetanes Wunder, immer First auf Firsten, ochsenköpfig schneebebergt.

Die Novelle: Hört es sagen, von der abgerollten Rolle gelesen; (als stünd’ er da in Stulpen) mit diesem Erlass (und kann die Kurrentschrift schlecht lesen) scharrt auf dem Podest, ein Knopf weist auf eine Schublade hin, die unter dem Rhetor noch andere Rotuli enthält, frikative Labiale (hier etwas Speichel in den Backenofen fahren lassen, an der Zunge zunken, wie eine Zitze zutzellen, schnaupen durch ein einziges Nasenloch, Atem pfeifend ausstoßen, Luft anhalten um einen roten Kopf).

Fast wäre ich es gewesen, der es versäumte, dich reich zu illuminieren. Vom Tal zur Höhe ist es nicht einmal halb so weit wie gedacht, die Abkürzung ist nur ein vorübergehender Schwindel. Das Anrecht, mit den Fingern im Nacken zu graben, hat der Sturm. Schwarz ist die Wolke, schwarz das Licht.

Man kann diese Hände, die aus dem Mauerwerk ragen, nur schütteln, sehʼn kann man sie nicht.

Also: Wieder Nacht; wieder Schlaf – und immer so fort. Die Träume, die ich mir nicht merken kann, lasse ich mir wiederholen. Es bringt hingegen nichts, sich den Tag zu merken, das ist mehr was für die Kleinen, deren Tage randvoll sind mit Ungereimtheiten der eigenen Existenz. Dieser Überfluss, der in die Gräben rinnt, dieser fett sprudelnde Oneirokritikon (wenn so ein Fluss hieße, heißt das); und irgendwo ist immer Licht. Die gebeugten, die gebückten Szenen, würdelos angeflimmert. Ich erinnere mich nicht, ich müsste raten. (Wie du weißt, will ich nicht wirklich wandern, nur Ferngehen ist mein Ziel).

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Garn – Garn – Garn

Der Winter schnitt mir Scheiben aus dem Geist und legte Erinnerungen hinein. Wollte ich diese Geschichten erfinden, ich hätte es nicht gekonnt. Michels traf ich nie, aber Hohenner schnürte meinen linken Daumen wieder zusammen, als ich im Rattensteinbruch in eine kaputte Colaflasche fiel. Er musste bereits als Greis aus seiner Mutter evakuiert worden sein. Ich hatte mich gegen die Spritze direkt in die Wunde gewehrt, mit kläglichem Erfolg. Ein andermal schnitt mir die Brotmaschine einen anderen Finger beinahe ab. Aber jetzt kannten wir uns. Ich wusste nicht, dass er mir lieber die Augen verarztet hätte (oder war das Einbildung?), einer, der den Perlen verfallen war, die in Gesichtern glänzen.
Garn – Garn – Garn – ist alles was ich habe.
Garn – Garn – Garn – ist alles, was ich brauchʼ!
Die Tore nach Raha waren nie ganz geöffnet, aber auch nie ganz geschlossen. Wenn die Geschwindigkeit stimmt, sieht man die Zukunft nahen. Es ist ein Spiel der Philosophen. Bin ich am einen Ort, will ich zum anderen.

Ein Schneedämon, der sich von Fleisch ernährt, um danach in die Wälder zu verschwinden, um sich das eiskalte Schnütchen mit jungen Fichten zu putzen, quergelegt und weich. Die Förster hielten das abgescherte Bäumelein für Windfraß, das Schneelager für Holles Bettenzelt, das Bluträtsel für füchsisches Treiben, das Kochfeuer für Magie. Man erzählte es nicht in der Kneipe, sagte nicht: Ich habe heute im Wald einen Herd entdeckt, Nierengulasch war noch übrig, aber ich wollte nicht riskieren, dass dieser weiße Riese erwacht und mir vielleicht Lungen und Herz abfrühstückt.

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Big Pen

(c) Albera Anders
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Yuggoth 34 – Rückeroberung

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Der Weg führte durch eine dunkle, halb bewaldete Heide,
In der sich moosgraue Felsbrocken über das flache Land erhoben,
Und sonderbare Tropfen, beunruhigend und kalt,
Sprühten von den Klüften aus unsichtbaren Strömen unter uns nach oben.
Es gab weder Wind noch irgendeine Spur von Geräuschen
In den rätselhaften Sträuchern oder einem der fremdartigen Bäume,
Da war nichts zu erkennen, bis sich plötzlich,
Direkt vor mir, ein monströser Hügel zeigte.

Seine steilen Seiten ragten bis halb in den Himmel hinauf;
Mit Gras bewachsen und von einer bröckelnden Lava-Treppe durchbrochen,
Deren Stufen für menschliche Tritte zu groß waren,
Wand sie sich zu dieser schrecklichen Höhe hinauf.
Ich schrie – und wusste mit einem Mal, welcher Ur-Stern und welches Jahr
Mich aus der Traumsphäre der Menschen zurückgesaugt hatte!

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Kleewald Robinson

In der Staraba, einer Bar am Rande der Stadt, die bekannt war für ihre zwielichtigen Dienstleistungen – sogar eine Wochenzeitung gab man heraus, die gespickt war mit Kleinanzeigen, die ein Normalsterblicher nie hätte entziffern können – saßen Mention Handsome, der seine Frau umbringen lassen wollte und Carl Canal, der Chefredakteur besagter Wochenzeitung 23 Minuten vor der Sperrstunde am Tisch mit der Nummer 7. Die Zeitangabe ist nicht so wichtig, man sehe es mir als eine Marotte nach, die Tischnummer allerdings, die dürfen Sie sich merken, wenn Sie wollen.

“Wenn du die Sache perfekt erledigt wissen willst, gibt es nur einen, den ich empfehlen kann: Kleewald Robinson“, sagte Carl.

“Du weißt, dass ich so gut wie keine Erfahrung im Umgang mit … dieser Sache habe. Ich werde dir vertrauen müssen, auch wenn es mir nicht schmeckt.“

Mention Handsome, der gerne etwas getrunken hätte, aber kein Geld bei sich trug, was er für die Zukunft zu ändern gedachte, befummelte die Tischplatte. Seine Finger hinterließen einen schmierigen Film auf dem Polymer.

“Kleewald Robinson ist der, den du brauchst. Schlag ein oder lass es.“
“Erzähl mir was über ihn.“
“Hm. Das wird schwierig sein am Telefon.“
“Telefon? Was für ein Telefon?“

“Sagen wir so: ich fühle mich in deiner Gegenwart immer wie am Telefon. Und da rede ich nun mal nicht gern. Aber ich kann dich hinbringen. Vielleicht erzähle ich dir unterwegs, was ich weiß. Ich hol‘ dich in einer Viertelstunde ab. Ich leg‘ jetzt auf.“
“Sag mal, Carl … übertreibst du das mit dem Telefon-Gefühl nicht etwas?“

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