Das blutrote Kleid

Jedes Bild in Das blutrote Kleid des Genreregisseurs Peter Strickland ist bis ins kleinste Detail stilisiert. Eine solche Stilisierung mag die Geduld mancher Zuschauer auf eine harte Probe stellen, aber hier ist ein Maß an schamlosem Selbstbewusstsein vorhanden, das man nur begrüßen kann. Die Handlung dreht sich um ein verzaubertes Kleid und seine unheimlichen Auswirkungen, wenn es von einer Trägerin zur nächsten weitergereicht wird. Das Kleid selbst ist wunderschön anzusehen – seine tiefrote Farbe und die drapierte Silhouette sind unbestreitbar sinnlich, während der Stil des Giallo, der Softcore-Pornografie und des klassischen europäischen Kammerspiels imitiert wird.

Wie schon Stricklands Vorgängerfilm The Duke of Burgundy spielt Das blutrote Kleid in einem Universum, das an die 1970er Jahre erinnert, aber letztlich aus der Zeit gefallen ist. Beide Filme sind üppig und karg zugleich. Stricklands Inszenierung ist von fetischistischen Details geprägt, und einige der auffälligsten Passagen in Das blutrote Kleid drehen sich um Schaufensterpuppen und vaginale Bilder.

Das blutrote Kleid
(c) Koch Films
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Chucky

Chucky will spielen. Der fiese kleine Kerl hat Übles im Sinn. Wissen wir. Denn Chucky ist berühmt. Weltweit bekannt, bestaunt als Wachsfigur. Irre grinsend neben Dracula und Jigsaw platziert im „Museo de Cera. Exposición Terror“ in Palma de Mallorca. Beglückend auch als Puppe in Originalgröße, mit zernarbtem Gesicht und großem Küchenmesser in der kleinen Hand, empfohlen ab drei Jahren !). Da hüpft frühzeitig das kalte Herz.

Ob es einem nun gefällt oder nicht, dass ein bösartiger Plastikkerl, auch noch so scheinheilig Pumuckel-rothaarig-niedlich, im Horror-Olymp neben wahren Schauerkoryphäen herum turnt, spielt hier keine Rolle. Chucky kann man nicht weg meckern. Der ist da. Klammern wir jetzt einfach mal aus, was und wer Chucky ist, dann wäre er der wahr gewordene Kleinmädchentraum. Eine Puppe, die lebendig wird. Die spricht und läuft. Komplett selbständig. Einfach so, eben deshalb, weil sie es halt kann. Punkt. Hätte ich als Achtjährige großartig gefunden, so eine zu haben. Gruselig finden wir diese Vorstellung erst, wenn irgendwann der Verstand anklopft und uns darauf hinweist, dass so was nicht normal ist. Richtig furchterregend wird es, wenn die Puppe sich bewaffnet und auf Mordtour geht. Exakt das macht Chucky unbekümmert seit 1988. Ende in Aussicht? Mitnichten.

Im Horror-Olymp der Schauerkoryphäen

Chucky
(c) UIP
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Gespenstische Puppen

Ein kleines Mädchen läuft auf einer belebten Straße an der Hand ihrer Mutter an dir vorbei. In der anderen Hand hält sie eine zerlumpte Puppe, die sie planlos über den Gehweg schleift. Beim näheren Hinsehen scheint sich etwas zu ereignen, das einem die Nackenhaare aufstellt. Die Puppe dreht ihren Kopf und scheint dich direkt anzustarren.

Jane und ihre Puppe
Jane und ihre Puppe „Missy“

Was ist es, das Puppen von Natur aus unheimlich erscheinen lässt? Ist es ihr seelenloser Blick? Ihre ständige Begleitung durch ein unschuldiges und wehrloses Kind?

Puppen gibt es, seit Stammesfrauen Gräser in Menschenform gebunden haben, um ihre kleinen Mädchen zu beschäftigen. Im Laufe der Zeit haben sich ihre menschliche Form und ihr Aussehen so weit entwickelt, dass sie fast lebensecht wirken. Auch Jungen haben eine Vorliebe für Puppen, die sie natürlich Actionfiguren nennen. Und manchmal spielt dieses Spielzeug eine unheimliche Rolle im Leben eines Kindes.

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Pan Tau (Der Mann mit der Zaubermelone)

Pan Tau war der nette Mann, der tänzelte, lächelte, zauberte und nicht sprach. Pan Tau war gestern. Wie der Bleistift für den Bandsalat im Kassettenrecorder. Wie Harolds Liebe zu Maude, Flokatis, Hot Pants, Mama Loo, Waterloo und mindestens zwei Kaugummiautomaten auf dem Schulweg. Pan Tau trug Melone zum Stresemann-Anzug, Stockschirm und Nelke im Knopfloch. Er hat sich in unseren Poesiealben eingetragen, das wissen wir noch genau, aber wir blättern das vergilbte Papier durch und finden ihn so recht nicht mehr.

Pan Tau
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‚Komische‘ Clowns

Joker
Joker

Wir kennen King’s Clown Pennywise. Sein verschlagenes Grinsen, die bösen Augen, die spitzen Zähne. Wir wissen vom Joker, Gegenspieler des großen Batman. Permanent grotesk belustigt. Ein ewig grinsender Oberschurke, genial, verrückt und de facto ein übler Kerl, faszinierend durchaus und gerade deswegen so herrlich böse abgefahren. Wir haben vom Serienkiller John Wayne Gacy gehört, der als Clown Pogo in seiner Heimatstadt den allseits beliebten Spaßmacher spielte und Jungs für seine Lust ermordete, wenn die Maske fiel.

Irgendwann, irgendwo mal haben wir auch von den Hofnarren aus längst vergangener Zeit erfahren, die als Urväter des modernen Clowns gelten dürften: Die waren prinzipiell von Natur aus mit physischen und psychischen Defiziten belastet, Randfiguren der Gesellschaft, Prügelknaben und Entertainer der Herrschaften, Zielscheiben oft kleingeistiger Spötter, zugleich selbst Verspottende, da sie sich in Wort, Sinn und Tat so einiges an Frechheiten und Dreistigkeiten herausnehmen durften.

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Geistermode: Warum tragen Gespenster Kleidung?

„Geister erscheinen gewöhnlich in demselben Kleid, das sie zu Lebzeiten trugen, obwohl sie manchmal ganz in Weiß gehüllt sind; aber das sind vor allem die Gespenster des Kirchhofs.“ (Francis Grose, 1787)

Geister
„Wie erklären Sie sich die Kleidung der Geister – sind diese etwa ebenfalls Geister?“ (Saturday Review, 19. Juli 1856)

Wie kann man die Kleidung von Geistern erklären? Eine entwaffnend einfache – und doch verwirrende – Frage, die seit Jahrhunderten sowohl von Skeptikern als auch von Gläubigen diskutiert wird.

Wenn Geister die Seele oder die ewige Essenz eines Menschen darstellen sollen, warum müssen sie dann in etwas so Prosaischem wie Kleidung oder dem allgegenwärtigen weißen Laken erscheinen? Ich meine, haben Sie schon einmal von jemandem gehört, der behauptet, den Geist seiner verstorbenen Großmutter gesehen zu haben – nackt?

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Bizarre Automaten

1867 fand in Paris die Weltausstellung statt, die jedes Wunder zeigte, das nach Frankreich geliefert werden konnte. Mark Twain schrieb über seine Erfahrungen dort in „Die Arglosen im Ausland“ und beschrieb John Joseph Merlins berühmteste Schöpfung:

Ich beobachtete einen silbernen Schwan, der die Anmut des Lebendigen in seinen Bewegungen besaß und eine lebendige Intelligenz in seinen Augen erkennen ließ – und sah ihn so bequem und unbesorgt dort schwimmen, als wäre er im Sumpf statt in einem Juweliergeschäft geboren worden … (Übers. M. Perkampus)

In den letzten Jahren haben Automaten einen Boom erlebt, von Steampunk-Konstruktionen bis hin zu Mecha. Aber dieses Interesse ist nicht neu: Seit Jahrhunderten richtet die Menschheit ihr Augenmerk auf die Umsetzung ihrer Ideen in Sachen Physik und Ästhetik in weitgehend nutzlose, aber fantastisch aussehende Nachbildungen der natürlichen Welt. Von Schwänen bis zu Soldaten, von Eulen bis zu Schreibern, die Welt ist ein Vorbild für mechanische Wunder (oder manchmal für einen halbwegs ordentlichen Schwindel). Hier ist ein kurzer Blick auf einige der schönsten Automaten der Geschichte.

Automaten der Antike

Diese mechanischen Wunderwerke begannen ihre Karriere nicht als überwältigendes ästhetisches Statement. Eine der frühesten bekannten chinesischen Maschinen war der Kompasswagen, ein Mechanismus, bei dem ein Männchen aus Ton als Kompass diente und der vor mehreren Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung benutzt wurde.

Der silberne Schwan
Der “Silberne Schwan” im Bowes Museum (Nordengland)
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