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Die Ducks nach Carl Barks: Von amerikanischen Erzählungen zum globalen Mythos

Als Carl Barks in den 1940er-Jahren für den Disney-Konzern begann, Geschichten um Donald Duck und seine Verwandtschaft zu schreiben, ahnte niemand, dass hier einer der großen Mythen des 20. Jahrhunderts geschaffen wurde. Barks arbeitete anonym, ein „namenloser Handwerker“ der Comicindustrie. Und doch nannte ihn die Fankultur später ehrfurchtsvoll „The Good Duck Artist“. Denn er war derjenige, der Donald, Dagobert, Tick, Trick und Track, Daisy, Daniel Düsentrieb, Gundel Gaukeley und die Panzerknacker in eine Welt stellte, die weit über den Rahmen bloßer Kindergeschichten hinausging. Er baute Entenhausen – ein Hybrid aus amerikanischer Kleinstadt und globaler Abenteuerbühne.

Barks’ Geschichten wie Lost in the Andes (Im Land der viereckigen Eier) (1949), Back to the Klondike (Wiedersehen mit Klondike) (1953) oder Only a Poor Old Man (Die Mutprobe) (1952) demonstrieren, was sein Werk ausmacht: die Verschmelzung von komischer Alltagserfahrung und großer Weltgeschichte. In der Episode der „viereckigen Eier“ aus den Anden liegt eine feine Satire auf Kolonialismus und kulturelle Missverständnisse; im Klondike-Abenteuer blitzt Dagoberts Vergangenheit als romantischer Glückssucher auf, die ihn zu dem hartherzigen Kapitalisten machte, der er geworden ist; und in der Geschichte vom „armen alten Mann“ wird sein Reichtum zu einem melancholischen Symbol, das weniger Besitz als Erinnerung bedeutet. Schon hier offenbart sich, dass die Ducks keine eindimensionalen Karikaturen sind, sondern Figuren, in denen sich Menschheitsthemen bündeln: Arbeit und Scheitern, Gewinn und Verlust, Erinnerung und Sehnsucht.

Die Internationalisierung: Italien, Niederlande, Skandinavien

Nach Barks’ Rückzug in den 1960er-Jahren trat ein bemerkenswerter Prozess ein. In den USA verloren die Disney-Comics zunehmend an Bedeutung; dort eroberten Superhelden wie Spider-Man oder die X-Men die Aufmerksamkeit. Doch in Europa geschah das Gegenteil: Donald Duck und seine Welt wurden zu Massenphänomenen, wöchentlich gelesen und kollektiv verinnerlicht. Und weil die Nachfrage größer war, als die alten Geschichten hergaben, begannen europäische Künstler, selbst neue Episoden zu produzieren. So entstanden die nationalen Schulen der Ducks – jede mit eigener Handschrift, aber alle im gemeinsamen Universum von Entenhausen.

© DPG Media BV

Die italienische Schule entwickelte sich dabei zum kreativsten Motor. Künstler wie Romano Scarpa, Giorgio Cavazzano oder Guido Martina verstanden Barks’ Geschichten als Einladung, nicht nur fortzusetzen, sondern weiterzudenken. Scarpa, oft als der „italienische Barks“ bezeichnet, entwarf komplexe Erzählungen, die fast an Opernlibretti erinnern. In Paperino e l’ultimo balabù (Der letzte Gulugulu) (1960) etwa stößt Donald auf einen mythischen Vogel, dessen Gesang Menschen betört – eine Geschichte, die zugleich Abenteuer, Märchen und eine Allegorie auf Macht enthält. Scarpa führte Figuren wie Gitta Gans ein, die Dagoberts eiserner Geschäftswelt ein Element unerfüllter Liebe hinzufügte. So wurde der Kapitalist nicht nur Objekt der Satire, sondern auch eine tragische Figur. Cavazzano wiederum modernisierte den grafischen Stil: Seine Linien waren schwungvoller, dynamischer, cineastischer. Er machte die Ducks zu Figuren einer neuen, jugendlich wirkenden Popmoderne. In Italien sind die Ducks bis heute ein literarisches Ereignis – nicht bloß Kinderheftchen, sondern Teil einer Kultur, die Abenteuer, Melancholie und Gesellschaftskritik verbindet.

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Die niederländische Schule ging in eine andere Richtung. Hier entwickelte sich mit dem Donald Duck Weekblad eine Institution, die bis heute Generationen begleitet. Die niederländischen Zeichner, etwa die Brüder Mau und Bas Heymans, setzten stärker auf Komik und Alltag. Donalds Versuche, Arbeit zu finden, Nachbarschaftsstreitigkeiten mit Zorngiebel oder chaotische Heimwerkerprojekte – all dies wurde in Slapstick, übertriebene Gestik und groteske Pointen übersetzt. Die Geschichten spiegeln das Leben des „kleinen Mannes“: unermüdlich scheiternd, aber niemals aufgebend. Dass das niederländische Magazin bis heute eine Millionenauflage erreicht, liegt an dieser Nähe zum Alltag. Donald wurde zu einem Volkscharakter, ein vertrauter Spiegel der eigenen Schwächen und zugleich eine Trostfigur, weil er trotz aller Niederlagen weitermacht.

Die skandinavische Schule schließlich zeigt, wie aus Massenproduktion eine eigene Kulturform erwachsen kann. Der dänische Verlag Gutenberghus (später Egmont) organisierte ab den 1970er-Jahren eine regelrechte „Disney-Fabrik“, die hunderte Geschichten pro Jahr hervorbrachte. Doch unter der Oberfläche industrieller Routine entwickelte sich ein unverwechselbarer Ton. Skandinavische Geschichten sind oft nüchtern, lakonisch, manchmal überraschend ernst. In norwegischen und dänischen Heften tauchen immer wieder Themen wie Umweltschutz, Technikfolgen oder Konsumkritik auf. In einer bekannten Geschichte etwa muss Donald sich mit den Folgen einer Umweltverschmutzung auseinandersetzen – die Moral ist eindeutig, doch sie wird in der Sprache des Enten-Kosmos vermittelt: humorvoll, aber mit ernstem Unterton. So wurden die Ducks zu festen Bestandteilen der skandinavischen Kultur, selbstverständlich wie Märchenfiguren, aber zugleich aktuell wie Zeitungskommentare.

Entenhausen als globaler Kosmos

Diese drei Schulen – Italien, Niederlande, Skandinavien – illustrieren, wie unterschiedlich Barks’ Erbe interpretiert werden konnte. Doch warum bricht der Kosmos nicht auseinander? Warum funktioniert Entenhausen in so verschiedenen nationalen Handschriften?

Das Geheimnis liegt in einer eigentümlichen Kombination von Kohärenz und Offenheit. Kohärent ist der Kosmos, weil er von festen Archetypen getragen wird. Donald bleibt überall der ewige Verlierer: jähzornig, ehrgeizig, aber zum Scheitern verurteilt – und gerade deshalb sympathisch. Dagobert bleibt der Rastlose: einmal Kapitalist, einmal Schatzsucher, einmal tragische Figur, aber immer getrieben von der Suche nach mehr. Tick, Trick und Track bleiben die Stimme der Vernunft, Daisy die unerreichbare Partnerin, Daniel Düsentrieb der Erfinder im Dienste des Absurden. Diese Konstellation ist so stark, dass sie überall erkennbar bleibt.

Offen ist der Kosmos, weil er jede Erzählung zulässt: vom Alltagsslapstick bis zum Weltabenteuer, von der Satire bis zur Märchenallegorie. Entenhausen ist nicht festgelegt wie Gotham City oder Metropolis, sondern eine elastische Bühne, die sich je nach Kultur anders ausstaffieren lässt. In Italien wird sie zur Oper, in den Niederlanden zur Satire, in Skandinavien zur moralischen Fabel – und doch bleibt sie immer Entenhausen.

Vergleich mit anderen Mythen

Um die Besonderheit der Ducks zu begreifen, lohnt sich der Vergleich mit anderen populären Mythen des 20. Jahrhunderts.

Superheldencomics wie Superman, Batman oder Spider-Man bilden ebenfalls große Erzählkosmen, doch sie beruhen auf einem klaren Gegensatz: Held gegen Schurke, Ordnung gegen Chaos. Superman steht für moralische Reinheit, Batman für den Kampf im Schatten, Spider-Man für die Bürde des Individuums. Ihre Geschichten sind von Anfang an auf Konflikt mit einem Antagonisten zugeschnitten. Die Ducks hingegen kennen keinen „Erzfeind“ im klassischen Sinn. Zwar gibt es Gegenspieler wie die Panzerknacker oder Gundel Gaukeley, doch sie sind nicht absolut böse. Sie scheitern ähnlich oft wie Donald selbst, und ihre Rollen sind austauschbar, variabel, manchmal sogar sympathisch. Das Drama der Ducks liegt nicht im epischen Kampf, sondern in der Komik und Tragik des Alltags – ein entscheidender Unterschied.

Ein Vergleich mit den Märchen ist ebenso aufschlussreich. Märchenfiguren wie Rotkäppchen oder Schneewittchen sind archetypisch, aber statisch. Ihre Geschichten wiederholen sich stets gleich: Es gibt eine Ordnung, eine Störung, eine Wiederherstellung. Die Ducks hingegen sind archetypisch und dynamisch zugleich. Donald bleibt zwar immer der Verlierer, aber die Formen seines Scheiterns sind unendlich variabel: mal als Abenteurer im Dschungel, mal als Ehemannersatz für Daisy, mal als Opfer seiner eigenen Ungeduld. So entsteht eine Serialität, die nicht auf Wiederholung, sondern auf Variation setzt.

Asterix schließlich ist ein europäischer Vergleichsfall. Auch hier haben wir eine populäre Serie mit klarer Wiedererkennbarkeit. Doch Asterix ist historisch fixiert: Die Handlung bleibt im gallischen Dorf verankert, das Rom als Gegenspieler hat. Die Ducks dagegen sind universell. Entenhausen kann überallhin expandieren – in die Antarktis, ins Weltall, in die Antike oder in die Zukunft. Dieses „elastische Setting“ ist einzigartig: Es ermöglicht kulturelle Anpassung, ohne den Kern zu verlieren.

So stehen die Ducks in einer Zwischenposition. Sie sind weder Superhelden mit klarer moralischer Botschaft, noch Märchenfiguren mit starren Rollen, noch historische Satirefiguren wie Asterix. Sie bilden eine offene Mythologie, die sich über 80 Jahre hinweg flexibel den kulturellen Kontexten anpassen konnte – und genau das macht ihre weltweite Anschlussfähigkeit aus.

Kulturhistorische Kontextualisierung

Die Entwicklung der Ducks lässt sich nicht ohne ihre kulturhistorischen Hintergründe verstehen.

Carl Barks schrieb seine wichtigsten Geschichten in den 1940er- bis 1960er-Jahren, also in einer Phase tiefgreifender Umbrüche in den USA. Die Nachkriegszeit brachte einerseits den Aufstieg Amerikas zur Weltmacht, andererseits die Unsicherheit des Kalten Krieges. Barks’ Geschichten spiegeln dies in doppelter Weise. Die Schatzsuchen Dagoberts und Donalds ins Unbekannte verarbeiten das Motiv der Expansion: Amerika als Nation der Eroberung und Entdeckung. Zugleich aber bricht sich Skepsis Bahn: Reichtum ist vergänglich, Abenteuer enden oft im Chaos, und Donalds Scheitern zeigt die Brüchigkeit des amerikanischen Traums. Dagobert verkörpert den Kapitalismus – bewundert für seine Energie, kritisiert für seine Gier. In Only a Poor Old Man badet er in Münzen, nicht im Luxus: Das Geld ist Symbol, nicht Mittel. In einer Zeit, in der Konsum und Wachstum als höchste Ziele galten, war dies eine subtile Kritik.

© Disney

In Europa wiederum wurden die Ducks in völlig andere Kontexte eingebettet. Italien der Nachkriegszeit befand sich in einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs, aber auch der politischen Instabilität. Die Fantastik und Opulenz der italienischen Comics kann man als Gegenwelt lesen: eine spielerische Verarbeitung von Sehnsüchten nach Stabilität und Glanz. Scarpa inszenierte Dagobert oft als Opernfigur – ein Echo auf die italienische Tradition des großen Dramas, nun in die Popkultur übersetzt.

Die Niederlande der Nachkriegszeit waren von bürgerlicher Nüchternheit geprägt. Donalds Alltagskomik passte perfekt: Er wurde zum Spiegel des Durchschnittsbürgers in einer Gesellschaft, die Wohlstand kannte, aber zugleich ihre eigenen kleinen Neurosen pflegte. Das Donald Duck Weekblad wurde zu einem Ritual, das über Generationen hinweg Konsistenz versprach – eine kulturelle Verankerung, die weit über das Comicmedium hinausgeht.

Skandinavien schließlich griff die Ducks in einer Phase auf, in der Wohlfahrtsstaat, Umweltschutz und gesellschaftliche Selbstreflexion zentrale Themen waren. Kein Wunder, dass in dänischen und norwegischen Geschichten moralische Fragen eine große Rolle spielen. Comics, die Umweltschäden thematisieren oder den Konsumwahn persiflieren, passen nahtlos in diese kulturellen Diskurse.

So zeigen die Ducks, wie Popkultur nicht nur „unterhält“, sondern auf gesellschaftliche Kontexte reagiert. Jeder kulturelle Raum schrieb Barks’ Figuren in seine eigenen Probleme und Sehnsüchte ein – und gerade so entstand der globale Kosmos.

Die Ducks als moderne Mythologie

Doch was bedeutet es, die Ducks als „Mythologie“ zu bezeichnen?

Ein Mythos ist mehr als eine Geschichte. Er ist ein Geflecht von Figuren, Motiven und Themen, die in immer neuen Variationen erzählt werden und dabei grundlegende menschliche Erfahrungen spiegeln. Genau das leisten die Ducks. Donald ist ein archetypischer Charakter: der ewige Verlierer, der trotz aller Niederlagen nicht aufgibt. Er verkörpert die conditio humana der Moderne – die Überforderung durch Arbeit, Technik, Konkurrenz. Dagobert ist der Archetyp des rastlosen Kapitalisten, dessen Reichtum ihn nicht glücklich macht, sondern nur weiter antreibt. Tick, Trick und Track stehen für das Prinzip der Ordnung, der Rationalität und der Jugend. Gundel Gaukeley repräsentiert die ewige Versuchung, das Streben nach Macht.

Wie bei antiken Mythen erlaubt dieses Figurenensemble unendliche Variationen. Donald kann als Abenteurer, Vaterfigur, Erfinder oder Pechvogel auftreten – so wie Odysseus in verschiedenen Episoden mal als Krieger, mal als Lügner, mal als Schiffbrüchiger erscheint. Dagobert kann als Held oder als Tyrann gelesen werden, ähnlich wie Zeus mal väterlich, mal zornig wirkt. Der Kosmos ist nicht abgeschlossen, sondern offen – und gerade das macht ihn mythologisch.

Hinzu kommt die Serialität. Jede einzelne Geschichte ist abgeschlossen, aber sie verweist zugleich auf ein größeres Ganzes. Entenhausen existiert jenseits der aktuellen Handlung, wie eine ewige Bühne. Das unterscheidet die Ducks von linearen Erzählungen und nähert sie den Mythen, die immer neu erzählt werden, ohne jemals „endgültig“ zu sein.

Darüber hinaus erfüllen die Ducks eine gesellschaftliche Funktion, die klassisch mythologisch ist: Sie spiegeln in allegorischer Form die Werte und Ängste ihrer Zeit. Barks’ Dagobert ist ein Kommentar zum Kapitalismus; die italienischen Abenteuergeschichten verarbeiten Sehnsüchte nach Größe und Pracht; die niederländischen Alltagsgeschichten halten der bürgerlichen Existenz einen satirischen Spiegel vor; die skandinavischen Comics thematisieren Umwelt, Konsum und soziale Verantwortung. Jeder Mythos lebt davon, dass er zeitlos und aktuell zugleich ist – und genau das leisten die Ducks.

So kann man Entenhausen mit gutem Recht als eine der großen Mythologien der Moderne bezeichnen. Anders als die antiken Götter sind die Ducks keine Figuren der Religion, sondern der Popkultur. Aber wie jene sind sie global anschlussfähig, sie überdauern Generationen, und sie geben in immer neuen Formen Antwort auf die Fragen des Lebens.

Gitta Gans und der Kolumbusfalter

1967 begann mit „Der Kolumbusfalter und andere Abenteuer“ eine Ära, die bis heute anhält. Das „Lustige Taschenbuch“ war geboren. Aber uns soll es nicht so sehr um dieses Taschenbuch gehen, sondern um die gleichnamige Geschichte von Romano Scarpa. Und um eine Figur, die dem deutschen Publikum hier zum ersten Mal vorgestellt wurde: Gitta Gans.

Derzeit sind mehr als 180 000 Schmetterlingsarten bekannt und jährlich werden an die 700 neue Arten entdeckt. Nur 10 000 Arten davon leben in Europa, allein 18 000 Arten sind in Costa Rica zu finden.

Eine der besten Geschichte eröffnet also den legendären Reigen der langen Lustiges-Taschenbuch-Geschichte. Erzählerisch ist sie über jeden Zweifel erhaben mit ihren vielen Wendungen. Scarpa hatte hier etwas geschaffen, an dem sich fortan alle anderen Geschichten messen lassen mussten. Das beliebte Motiv der Schatzsuche bekam hier seinen Olymp. Scarpa hat auch gleich zu Beginn eine umstrittene Figur im Gepäck: Gitta Gans, die keinen anderen Zweck hat, als Dagobert Duck anzuhimmeln und sich ihm als Braut aufzudrängen. Die Figur trat zum ersten Mal in der Geschichte „Der letzte Gulugulu“ auf. Romano Scarpa erfand die Figur für das Topolino Nr. 232 vom 24. Juli 1960 und behandelte sie von Anfang an so, als wäre sie schon immer im Duck-Kosmos vorhanden gewesen. Und mindestens genauso lang – also schon immer – sei sie in Dagobert verliebt. Das scheint überhaupt ihre einzige Motivation zu sein.

Schon in der zweiten Geschichte „Die doppelte Entführung“ verbindet Scarpa sie auf konfliktreiche Weise mit einer anderen von ihm eingeführten Figur: Kuno Knäul. In der Folge werden die beiden noch oft miteinander auftreten, meist, um Dagobert ein Schnippchen zu schlagen. Und bereits kurz nach ihrem Erscheinen übernahmen sie fast alle anderen italienischen Autoren. Im Laufe der Zeit kamen so ungefähr 500 Geschichten mit Gitta Gans zusammen. Auch Carl Barks mochte die Figur, der seinem venezianischen Kollegen dann auch ein Skript schickte, das dieser 1975 für die Geschichte „Im goldenen Käfig“ verwendete. Im italienischen Original heißt Gitta „Brigitta“ und ist inspiriert von der Schauspielerin Brigitte Bardot, die in den 60er Jahren sehr beliebt war. Scarpa hat ihr diesen Namen nicht ohne Augenzwinkern verpasst, bedenkt man den UNterschied zwischen der französischen Diva und der doch recht grasigen Erscheinung Gittas. Scarpa schlug zunächst den Namen Brigitta Papera vor, der sich tatsächlich mit „Gans“ übersetzen lässt, änderte ihn aber zehn Jahre später in Brigitta McBridge um, was auf eine gewollte schottische Herkunft schließen lässt.

Gitta Gans © Mataria

Scarpa liebte seine Figur so sehr, dass er sogar daran dachte, eine eigene Saga mit ihr zu gestalten. Das Projekt wurde allerdings nie realisiert.

Im „Kolumbusfalter“ macht Gitta ihrem Angebeteten erst einmal das Leben schwer, indem sie eine konkurrierende Textilfabrik leitet. Ihre handbemalten Stoffe sind wesentlich beliebter als die von Dagobert. Die Ideen für ihre ausgefallenen Muster bekommt sie von Donald Duck und den Neffen Tick, Trick und Track aus Costa Rica zugesandt, die extra zu diesem Zweck exotische Falter fotografieren.

Vielleicht existiert da ein besonderes Geheimnis der Muster, das nur unterbewusst wirkt, denn legt man diese neben jene von Dagobert, sieht man eigentlich keinen großen Unterschied. Als die Neffen einen besonderen Falter entdecken, dessen Markierung sie als Schatzkarte identifizieren, wollen sie diesen Schatz natürlich auch finden. Doch sie sind nicht erfolgreich und planen, Dagobert und Donald gleichermaßen reinzulegen. Man weiß in dieser Zickzack-Geschichte zunächst wirklich nicht, wie das alles enden wird, vor allem, weil auch noch die Panzerknacker mitmischen und bei Gitta neue Kleidung in Auftrag geben. Gitta wusste mit dem abstrakten Faltermuster zunächst nichts anzufangen, aber für die Panzerknacker kommt natürlich – Stilsicher wie sie sind – nur ein Muster mit Zahlen infrage.

Der Kolumbusfalter (© Egmont Ehapa)

Seit 2017 kommt man nicht mehr umhin, auch die Fortsetzung des Kolumbusfalter zu erwähnen, denn zum 50-jährigen Jubiläums des Lustigen Taschenbuchs, kehrte er zurück. Gezeichnet wurde der Spaß von Fleming Andersen nach einer Idee des Micky-Maus-Magazin-Redakteurs Peter Höpfner. Allerdings gibt die Geschichte nicht halb so viel her wie das Original.

Micky Maus und die Irokesenkette

Heute ist mir die Maus kein Faktor mehr, aber als ich neun Jahre alt war, lag mir Micky Maus mehr als die Ducks. Das lag vor allem an der Geschichte „Micky Maus und die Irokesenkette“ von Romano Scarpa aus dem LTB Nr. 9, 1960 veröffentlicht, die ja tatsächlich auch unter Kennern als eine der besten Maus-Geschichten überhaupt gilt. Man wusste damals nicht viel über die Zeichner und Autoren, aber jeder, den ich kannte, der las das Lustige Taschenbuch. Wir fragten uns gar nicht, wer das alles zeichnete. Für uns war es so klar, dass es das gab, wie es eben auch Brot, Kartoffeln und Milch gab. Und es lag überall herum, soweit ich mich erinnern kann. Ich hatte den großen Vorteil, dass mein Großvater – zwar ein bekennender Asterix-Fan – so ziemlich jedes Micky-Maus-Heft im Keller in einer Truhe liegen hatte, von den Lustigen Taschenbüchern aber nur die Ducks.

Für „Krimis“ war er nicht zu haben. Natürlich war es Zufall, dass ich ausgerechnet diesen Band als ersten in die Hände bekam, als wir zum Bahnhofsbuchhändler fuhren (damals noch ein Mysterium, eine ganz und gar andere Welt), damit ich mein Erspartes auf den Kopf hauen konnte. Donalds Geldsorgen waren mir egal, mich interessierte das Geheimnis. Im Laufe der Zeit merkte ich jedoch, dass die „Irokesenkette“ etwas Besonderes war, denn kaum eine andere Geschichte konnte da mithalten.

Das lag auch an Atömchen, vor allem aber an der Passage, in der Tante Linda davon erzählt, wie Micky als Baby vom noch juvenilen Kater Karlo und seiner Freundin Trudi entführt worden ist. Diese Erinnerungssequenz ist doch ziemlich unheimlich, zumindest erschien mir das damals so. Seitdem habe ich den Band natürlich oft wieder aus dem Schrank genommen. Jeder kennt das Gefühl der Nostalgie, das solchen Dingen anhaftet. Die anderen Geschichten sind deutlich schwächer, aber nicht so schwach, dass man sie vergessen müsste. Gamma taucht schließlich in einer weiteren Geschichte ebenfalls auf – nicht minder eine faszinierende Figur wie das schon erwähnte Atömchen.

Im Laufe der Jahre vergaß ich die Taschenbücher erst einmal, durchlief also die unausweichliche Phase, die jeden ereilt, der Disney-Comics sammelt. Das muss sich immer erst festsetzen und bewähren. Bei den echten Liebhabern kehrt die Leidenschaft früher oder später wieder zurück, meist sogar heftiger als zu Zeiten der „ersten Liebe“. Und das LTB hat seinen wichtigen Stellenwert für viele Generationen behauptet. Ich sehe nicht, warum sich das ändern sollte.

Geschrieben für F.I.E.S.E.L.S.C.H.W.E.I.F Kultbände

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