Die Ducks nach Carl Barks: Von amerikanischen Erzählungen zum globalen Mythos

Die Ducks nach Carl Barks: Von amerikanischen Erzählungen zum globalen Mythos

(c) Carl Barks

Als Carl Barks in den 1940er-Jahren für den Disney-Konzern begann, Geschichten um Donald Duck und seine Verwandtschaft zu schreiben, ahnte niemand, dass hier einer der großen Mythen des 20. Jahrhunderts geschaffen wurde. Barks arbeitete anonym, ein „namenloser Handwerker“ der Comicindustrie. Und doch nannte ihn die Fankultur später ehrfurchtsvoll „The Good Duck Artist“. Denn er war derjenige, der Donald, Dagobert, Tick, Trick und Track, Daisy, Daniel Düsentrieb, Gundel Gaukeley und die Panzerknacker in eine Welt stellte, die weit über den Rahmen bloßer Kindergeschichten hinausging. Er baute Entenhausen – ein Hybrid aus amerikanischer Kleinstadt und globaler Abenteuerbühne.

Barks’ Geschichten wie Lost in the Andes (Im Land der viereckigen Eier) (1949), Back to the Klondike (Wiedersehen mit Klondike) (1953) oder Only a Poor Old Man (Die Mutprobe) (1952) demonstrieren, was sein Werk ausmacht: die Verschmelzung von komischer Alltagserfahrung und großer Weltgeschichte. In der Episode der „viereckigen Eier“ aus den Anden liegt eine feine Satire auf Kolonialismus und kulturelle Missverständnisse; im Klondike-Abenteuer blitzt Dagoberts Vergangenheit als romantischer Glückssucher auf, die ihn zu dem hartherzigen Kapitalisten machte, der er geworden ist; und in der Geschichte vom „armen alten Mann“ wird sein Reichtum zu einem melancholischen Symbol, das weniger Besitz als Erinnerung bedeutet. Schon hier offenbart sich, dass die Ducks keine eindimensionalen Karikaturen sind, sondern Figuren, in denen sich Menschheitsthemen bündeln: Arbeit und Scheitern, Gewinn und Verlust, Erinnerung und Sehnsucht.

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Gitta Gans und der Kolumbusfalter

1967 begann mit „Der Kolumbusfalter und andere Abenteuer“ eine Ära, die bis heute anhält. Das „Lustige Taschenbuch“ war geboren. Aber uns soll es nicht so sehr um dieses Taschenbuch gehen, sondern um die gleichnamige Geschichte von Romano Scarpa. Und um eine Figur, die dem deutschen Publikum hier zum ersten Mal vorgestellt wurde: Gitta Gans.

Derzeit sind mehr als 180 000 Schmetterlingsarten bekannt und jährlich werden an die 700 neue Arten entdeckt. Nur 10 000 Arten davon leben in Europa, allein 18 000 Arten sind in Costa Rica zu finden.

Eine der besten Geschichte eröffnet also den legendären Reigen der langen Lustiges-Taschenbuch-Geschichte. Erzählerisch ist sie über jeden Zweifel erhaben mit ihren vielen Wendungen. Scarpa hatte hier etwas geschaffen, an dem sich fortan alle anderen Geschichten messen lassen mussten. Das beliebte Motiv der Schatzsuche bekam hier seinen Olymp. Scarpa hat auch gleich zu Beginn eine umstrittene Figur im Gepäck: Gitta Gans, die keinen anderen Zweck hat, als Dagobert Duck anzuhimmeln und sich ihm als Braut aufzudrängen. Die Figur trat zum ersten Mal in der Geschichte „Der letzte Gulugulu“ auf. Romano Scarpa erfand die Figur für das Topolino Nr. 232 vom 24. Juli 1960 und behandelte sie von Anfang an so, als wäre sie schon immer im Duck-Kosmos vorhanden gewesen. Und mindestens genauso lang – also schon immer – sei sie in Dagobert verliebt. Das scheint überhaupt ihre einzige Motivation zu sein.

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Micky Maus und die Irokesenkette

Heute ist mir die Maus kein Faktor mehr, aber als ich neun Jahre alt war, lag mir Micky Maus mehr als die Ducks. Das lag vor allem an der Geschichte „Micky Maus und die Irokesenkette“ von Romano Scarpa aus dem LTB Nr. 9, 1960 veröffentlicht, die ja tatsächlich auch unter Kennern als eine der besten Maus-Geschichten überhaupt gilt. Man wusste damals nicht viel über die Zeichner und Autoren, aber jeder, den ich kannte, der las das Lustige Taschenbuch. Wir fragten uns gar nicht, wer das alles zeichnete. Für uns war es so klar, dass es das gab, wie es eben auch Brot, Kartoffeln und Milch gab. Und es lag überall herum, soweit ich mich erinnern kann. Ich hatte den großen Vorteil, dass mein Großvater – zwar ein bekennender Asterix-Fan – so ziemlich jedes Micky-Maus-Heft im Keller in einer Truhe liegen hatte, von den Lustigen Taschenbüchern aber nur die Ducks.

Für „Krimis“ war er nicht zu haben. Natürlich war es Zufall, dass ich ausgerechnet diesen Band als ersten in die Hände bekam, als wir zum Bahnhofsbuchhändler fuhren (damals noch ein Mysterium, eine ganz und gar andere Welt), damit ich mein Erspartes auf den Kopf hauen konnte. Donalds Geldsorgen waren mir egal, mich interessierte das Geheimnis. Im Laufe der Zeit merkte ich jedoch, dass die „Irokesenkette“ etwas Besonderes war, denn kaum eine andere Geschichte konnte da mithalten.

Das lag auch an Atömchen, vor allem aber an der Passage, in der Tante Linda davon erzählt, wie Micky als Baby vom noch juvenilen Kater Karlo und seiner Freundin Trudi entführt worden ist. Diese Erinnerungssequenz ist doch ziemlich unheimlich, zumindest erschien mir das damals so. Seitdem habe ich den Band natürlich oft wieder aus dem Schrank genommen. Jeder kennt das Gefühl der Nostalgie, das solchen Dingen anhaftet. Die anderen Geschichten sind deutlich schwächer, aber nicht so schwach, dass man sie vergessen müsste. Gamma taucht schließlich in einer weiteren Geschichte ebenfalls auf – nicht minder eine faszinierende Figur wie das schon erwähnte Atömchen.

Im Laufe der Jahre vergaß ich die Taschenbücher erst einmal, durchlief also die unausweichliche Phase, die jeden ereilt, der Disney-Comics sammelt. Das muss sich immer erst festsetzen und bewähren. Bei den echten Liebhabern kehrt die Leidenschaft früher oder später wieder zurück, meist sogar heftiger als zu Zeiten der „ersten Liebe“. Und das LTB hat seinen wichtigen Stellenwert für viele Generationen behauptet. Ich sehe nicht, warum sich das ändern sollte.

Geschrieben für F.I.E.S.E.L.S.C.H.W.E.I.F Kultbände