Steganographia & Pneumatologische Schriften

Die Erinnerung ist der Kern der Muschel, der zur Perle wird, durch Verletzung des tiefen Mantelgewebes verursacht, als gäbe es ein Seelen-Aragonit, aus dem die spitzpyramiden Kristalle ihre Form dem häufigsten Traum angleichen, an den man sich gerade aufgrund seiner Häufigkeit nicht erinnern wird. So verwoben ist nämlich dieser Traum mit dem ehemals gespeicherten Eindrücken, dass bald nicht mehr klar erscheint, wer da ins Becken griff, um das darin sichtbare Bild zu fassen. Oder ob nicht umgekehrt aus dem Teich eine Hand sich streckte, sein Ebenbild zu berühren, das dann unter der Berührung Wellen warf, und ob es sich nicht auch bei dem Wasserwesen nur um den Traum des Wasserwesens handelte, an den es sich, weil häufig geträumt, nicht erinnert.

Die Erinnerung ist also nur (mag sein) die Komposition verschiedener Inhalte, die man auch zu denken fähig ist. Denn so wie die Klänge der Musik aus dem Nirgendwo zu kommen scheinen – was wiederum nicht sein kann, da das Nichts kein Musik-Molekül besitzt – sind es die schönen Schattierungen jener Episoden, die man sich wünscht, die sich zu einem Reigen auf die Gedankenäste setzen, um von dort gepflückt und neu angeordnet zu werden. Und ich frage mich, wie man sich an Dinge erinnern kann, die nie geschehen sind, und ob man das Innere der Erinnerung je wirklich wahrgenommen hat, als man die Empfindung speicherte, oder ob das Geschehen sich nicht durch meine Erinnerung überhaupt ereignete. Und ich beantworte mir die Frage mit: Ja, so ähnlich, aber anders.

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Ein ellenlanger Korridor

Im Innern des Küchenflügels roch es nach Linoleum und warmem Holz. Die breiten Treppenstufen quietschten bei jedem Schritt, den Carisma und ihr Enkelsohn taten. Das Geräusch erfüllte auch jene Ecken des Gebäudes, die gar nicht bekannt waren, die sich in fremden Winkeln und Fluchten verschanzten und den Schall mit der Beigabe ihrer Existenz zurückwarfen. Etwas Nachdrückliches lag in dieser Architektur, die sie zu einem vergessenen Bruder des Brandenburger Tors oder der Bayreuther Schlossanlagen machte.

Carisma atmete schwer, als sie die letzten Stufen erklommen hatten und inmitten eines Korridors standen, der hoch und lang in beide Richtungen floh. Unter einem Arm trug sie einen Wäschekorb aus Bast, in den sie beabsichtigte, einige wertvolle Stücke zu packen, die sich zweifellos unter den Hinterlassenschaften der jüngst verstorbenen Johanna befanden. Schon seit geraumer Zeit kam sie jeden Tag hier in den leeren Küchenflügel des ehemaligen Jagdschlosses, um das kleine Erbe zu sichten, zu verschnüren, und von Schmutz zu befreien, denn die Jahre lagen auf allen Dingen. Und heute wollte ihr Adam dabei behilflich sein.

»Wenn ich es nicht besser wüsste … aber diese Treppe scheint jeden Tag ein paar Stufen mehr zu bekommen.«

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Dunkel gefärbte Töne

Eigentlich sollte ich dunkel gefärbte Töne finden, um diese Pest um uns herum zu beschreiben, aber ich verstumme im Angesicht einer solchen Katastrophe. Zu viel wird gesagt, aber kaum etwas bringt uns in irgendeine Richtung. Dabei ist es nicht so, dass ich in Lethargie verfalle, ich arbeite ununterbrochen, aber die Substanz ist mir abhanden gekommen. Man bereitet sich unbewusst auf ein mögliches Ende von allem vor. Natürlich kann man das von sich schieben – das gelingt eine Zeitlang, aber die Präsenz ist überwältigend. Mir ist in dieser Zeit sogar meine Trauer abhanden gekommen, sie ist einer Gleichgültigkeit gewichen. Der Tod als einzige Gewissheit untergräbt nicht den großen Reichtum an Unsicherheiten, die uns das Leben mit auf den Weg gibt. Mehr als flimmernde Eindrücke von der Welt bleiben uns nicht, vor allem kein Kontinuum.

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Ein Zimmer in Raha

(c) Albera Anders
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Vichtel

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Beleuchtete Permanentflasche

(c) Albera Anders
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Schumann & Schreider

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